Möglichkeiten des Umgangs mit aggressivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen in der Schule


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2007

15 Pages


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Aggressives Verhalten
2.1 Begriffsbestimmung, Differenzierung und Funktion
2.2 Erwerb und Entwicklungsverläufe

3. Zu Möglichkeiten des Umgangs mit aggressivem Verhalten in der Schule
3.1 In konkreten Situationen
3.2 Langfristig

4. Zusammenfassung

5. Literatur

1. Einleitung

Aggressionen im Sinne von sozial inkompetenten Verhaltensweisen sind generell ein Begleiter menschlichen Verhaltens und somit auch in der Schule beständig anzutreffen. Nicht zuletzt durch die Medien wird uns dies immer wieder – und zum Teil stark zugespitzt – ins Bewusstsein gerufen. Zudem, so wird häufig verkündet, fördere der aktuelle, durch Globalisierung, Wettbewerb und Individualismus geprägte Zeitgeist die Herausbildung egoistischer, asozialer Verhaltensweisen.

Tatsächlich scheint das Ausmaß an Gewalt insgesamt, zumindest in der Wahrnehmung von Schulleitern und Lehrern, zuzunehmen[1] (vgl. Petermann et al., 1999, S. 21,22; Horn/Knopf, 1996, S. 28,29), wobei dies vor allem anhand einer Verrohung des Umgangstons, Vandalismus und Körperverletzung festzustellen sei. Bei Diebstahl, Erpressung und Sexualdelikten stellen die Befragten keinen Zuwachs fest. Auf der anderen Seite gibt eine „nicht geringe“ Anzahl von Schulen an, keinen Anstieg bei kriminellen Verhalten beobachten zu können, gleichwohl lasse sich aber eine Zunahme verhaltensauffälliger und gestörter Kinder feststellen (Knopf, 1996, S. 28). Aggressives Verhalten und Gewalt treten am häufigsten in Sonderschulen auf. Am zweit häufigsten betroffen sind Sekundarschulen (Gesamt- und Realschulen), gefolgt von berufsbildenden Schulen und Grundschulen. Am wenigsten Aggressives Verhalten und Gewalt sind an Gymnasien zu beobachten (Knopf, 1996, S. 14).

Vor dem Hintergrund insgesamt doch zunehmender Aggressionshandlungen an Schulen, erscheinen Interventionskompetenzen auf Lehrerseite umso dringender geboten. Ziel dieser Arbeit ist es, Möglichkeiten für den Umgang mit aggressivem Verhalten an Schulen aufzuzeigen, wobei sowohl auf konkrete, akute Situationen als auch auf langfristige Prozesse eingegangen wird. Eine theoretische Betrachtung aggressiven Verhaltens dabei geht den Interventionsmöglichkeiten voraus.

2. Aggressives Verhalten

Aggressives Verhalten in seiner auf Destruktion und Feindseligkeit ausgerichteten Variante (vgl. Cierpka, 1999), wird als Verhaltensstörung und somit als sozial inkompetentes Verhalten begriffen. Letzteres bildet den Gegenpool zu sozial kompetentem Verhalten, das von Döpfner, Schlüter & Rey (1981) (zitiert nach Hinsch/Pfingsten, 1998, S. 13) als „die Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden führen“ definiert wird. Herauszuheben ist hier die Situationsspezifik, nach der kompetentes – oder inkompetentes – Sozialverhalten nicht per se an den Tag gelegt wird, sondern nur in bestimmten Situationen auftritt.

Aggressives Verhalten ist auf lange Sicht recht stabil und reiht sich, neben Hyperaktivität und Delinquenz, in die Riege der externalisierenden Verhaltensstörungen ein, die den internalisierenden – soziale Ängste (soziale Unsicherheit) und depressives (apathisches) Verhalten – gegenüberstehen (Petermann et al., 1999, S. 11).

2.1 Begriffsbestimmung, Differenzierung und Funktion

Petermann / Petermann (1997) begreifen Aggression (aggressives Verhalten) als „ein (oft gut eingeschliffenes) Verhalten […], das auf die Verletzung einer Person oder eines Gegenstandes abzielt“ (S. 5). Aggressives Verhalten kann sich in unterschiedlichsten Ausdrucksformen vollziehen, die sich wie folgt differenzieren lassen: nach ihrer Offenheit – offen gezeigte (Boxen, Beschimpfen) gegenüber verdeckt-hinterhältiger (Aufhetzen, Gerüchte verbreiten) Aggression; nach ihrem Modus – körperliche (Schlagen, Treten) gegenüber verbaler (Beleidigen, Drohen) Aggression; nach ihrer Gerichtetheit – nach außen gewandte (Beschimpfen, Beschädigen) gegenüber nach innen gewandter (Selbstverletzung, -beschimpfung) Aggression; nach ihrer Direktheit – direkt auf Personen gerichtete (Prügeln, Blamieren) gegenüber indirekt auf Personen gerichtete (Sachbeschädigung) Aggression[2] (vgl. Petermann et al., 1999, S. 13, Tab. 1). Darüber hinaus könne bei Kindern weiterhin in Aggression gegen Eltern, Lehrer, Geschwister, Gleichaltrige etc. unterschieden werden.

Wie Cierpka (1999) bemerkt, seien Aggressionen nicht per se in negativem Licht zu betrachten. Neben der bereits angesprochenen, auf Feindseligkeit ausgerichteten destruktiven Aggression, die erst durch Erfahrungslernen herausgebildet wird, gebe es eine konstruktive, „aus innerem Drang“ resultierende, die gerade für kleinere Kinder bei der Auskundschaftung ihrer Umwelt eine wichtige Rolle spiele. Generell sei (konstruktive) Aggression auch für die Durchsetzung eigener Bedürfnisse, das Überwinden von Widerständen und das Zurechtkommen in komplexen Situationen notwendig (S. 17).

Neben dem Zweck der (zum Teil auch mit Gewalt erreichten) Durchsetzung eigener Interessen und Bedürfnisse, kann aggressives Verhalten weitere Funktionen erfüllen. Eine ähnliche ist die zielgerichtete Schädigung anderer, der oft starke negative Affekte, wie sie für Hass, Feindseligkeit und Wut typisch sind, zugrunde liegen (vgl. Cierpka, 1999, S. 17). Die Schädigung des Opfers ist hier nicht Mittel zum Zweck sondern der Zweck selbst.

Ein weiterer Grund für aggressives Verhalten kann soziale Angst sein. Der Betroffene fühlt sich bedroht und versucht sich mittels expressiver Wutausbrüche vom auf ihn liegenden Druck zu entlasten. Hier dient das aggressive Verhalten nicht der (scheinbar) selbstbewussten Durchsetzung eigener Interessen, sondern stellt einen Hilferuf dar. Petermann / Petermann (1997) schätzen den Anteil von Kindern mit angstmotivierten Aggressionsverhalten auf ca. ein drittel. Diese Kinder zeichneten sich dadurch aus, dass sie unsicheres (inkompetentes) Sozialverhalten an den Tag legten und unrealistische Erwartungen an ihre Mitmenschen hegten (S. 8). Letztendlich kann aggressives Verhalten auch zur Herausbildung einer stabilen Identität und von mehr Selbstbewusstsein eingesetzt werden (Petermann et al., 1999, S. 12).

2.2 Erwerb und Entwicklungsverläufe

Im Bezug auf den Erwerb aggressiven Verhaltens werden in der Literatur lerntheoretische Ansätze diskutiert (vgl. Petermann/Petermann 1997, Petermann et al. 1999, Hinsch/Pfingsten 1998, Cierpka 1999). Tiefenpsychologische und triebethologische Betrachtungen finden offensichtlich weniger Interesse, da diese von weitgehend genetisch festgelegtem Verhalten ausgehen und im Vergleich zum lerntheoretischen Ansatz weniger Interventionsmöglichkeiten für Verhalten versprechen (Petermann/Petermann, 1997, S. 5).

Aus lerntheoretischer Sicht wird aggressives Verhalten durch Modell- und durch Verstärkungslernen erworben (Petermann/Petermann, 1997, S. 5, 6). Bei ersterem wird es von einem Vorbild übernommen, das bei kleinen Kindern so gut wie immer in der primären Sozialisationsinstanz, der Familie zu suchen ist. Meist geht das Modelllernen mit Verstärkungslernen einher, bei welchem dem Kind durch aggressives Verhalten Erfolgserlebnisse beschert werden. Durch diese wird das Verhalten verstärkt und tritt in einer ähnlichen Situation mit erhöhter Wahrscheinlichkeit wieder auf.

Eine zentrale Rolle für den Erwerb aggressiven Verhaltens spielt also das elterliche Erziehungsverhalten. So begünstigt auf der einen Seite sehr autoritäres sowie auf der anderen Seite inkonsequentes, Regeln vermeidendes Erziehen die Herausbildung von aggressivem Verhalten beim Kind. Bei ersterem dienen Wutausbrüche der kurzzeitigen Befreiung vom permanenten Druck durch die Eltern, bei letzterem fehlt Orientierung durch elterliche Autorität wodurch Grenzen nicht kennengelernt werden können.

Des Weiteren herrschen in solchen Familien häufig pathologische Interaktionsstrategien und gar Gewalt vor, die nicht nur gegenüber dem Kind, sondern auch zwischen den Eltern praktiziert werden, und die somit beständig ein schlechtes Vorbild liefern. Häufig fällt in diesen Familien auch wenig Zeit für das Kind ab, das dann oft mehr Zeit passiv vor dem Fernseher als aktiv mit den Eltern verbringt.

[...]


[1] Die Studien entstanden Mitte der 90er Jahre.

[2] In ihrem 1997 erschienenden Text zu Aggression führen Petermann/Petermann noch die

Ausdrucksform aktiv ausübende gegenüber passiv erfahrende Aggression mit auf, die sich in der

1999er Variante nicht finden lässt. Da es sich bei dieser Unterscheidung meiner Meinung nach

weniger um eine weitere Ausdrucksform als um die Sichtperspektive auf aggressives Verhalten

handelt, verzichte ich ebenfalls auf diese Kategorie.

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Möglichkeiten des Umgangs mit aggressivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen in der Schule
Université
University of Potsdam  (Institut für Psychologie)
Cours
Stress und Stressbewältigung
Auteur
Année
2007
Pages
15
N° de catalogue
V117155
ISBN (ebook)
9783640193851
Taille d'un fichier
369 KB
Langue
allemand
Mots clés
Möglichkeiten, Umgangs, Verhalten, Kindern, Jugendlichen, Schule, Stress, Stressbewältigung
Citation du texte
Mathias Wick (Auteur), 2007, Möglichkeiten des Umgangs mit aggressivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen in der Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117155

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