Sprachspezifische Charakteristika der Jugendsprache. Methode der Gesprächslinguistik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

32 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum Begriff der Jugendsprache
2.1 Definition von Jugendsprache
2.2 Charakteristika der Jugendsprache
2.3 Funktionen von Jugendsprache

3. Die Methode der Gesprächslinguistik

4. Linguistische Untersuchung des Transkripts
4.1 Phonetische Merkmale
4.2 Lexikalische Merkmale
4.3 Syntaktische Merkmale

5. Erzielte Ergebnisse

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit wird grundlegend der Begriff der Jugendsprache untersucht. Daher soll beginnend eine Definition des Begriffs erfolgen, sodass folglich eine allgemeine Eingrenzung der Jugendphase aufgezeigt wird. Anhand des daraus resultierenden Wissens werden anschließend charakteristische Merkmale der jugendspezifischen Sprache aufgezeigt, die von verschiedenen Sprachwissenschaftlern und Linguisten festgestellt werden konnten. Im Anschluss soll die Frage geklärt werden, ob Jugendsprache eine bestimmte Funktion erfüllt und weshalb sich die Heranwachsenden von der Standardsprache lösen.

Nach dieser theoretischen Einführung wird die Methode der Gesprächslinguistik hinsichtlich ihrer wichtigsten Merkmale erläutert, da das in der Arbeit vorliegende Transkript dieser Methode zugrunde liegt. Das Gespräch, welches für die darauf folgende Analyse gewählt wurde, wird im weiteren Schritt hinsichtlich der charakteristischen Merkmale, die bisher erarbeitet wurden untersucht. Somit soll festgestellt werden, inwiefern sich diese Charakteristika in jugendspezifischen Kommunikationssituationen erkennen lassen. Zudem soll in diesem Schritt ebenfalls auf die Funktionen eingegangen werden, die die jugendspezifischen Äußerungen hierbei zum Ausdruck bringen.

Nach Abschluss dieser Analyse gilt es schließlich, die bereits erarbeiteten Ergebnisse auszuwerten und zusammenzufassen, sodass letztendlich ein Fazit verfasst werden kann, in dem ebenfalls ein Ausblick oder aber offen gebliebene Fragestellungen formuliert werden. Ziel der Arbeit ist es, festzustellen, inwiefern charakteristische Merkmale der Jugendsprache in den Gesprächssituationen von Jugendlichen vorliegen. Zudem soll anhand der abschließenden Analyse des Transkripts, welche ein Alltagsgespräch zwischen vier Jugendlichen darstellt, herausgearbeitet werden, ob von einer einheitlichen Jugendsprache gesprochen werden kann.

2. Zum Begriff der Jugendsprache

Im folgenden Kapitel wird der Begriff Jugendsprache grundlegend erläutert, um einen Überblick über die wichtigsten Charakteristika darzulegen. Hierzu wird zu Beginn eine Definition des Begriffs vorgenommen, die ebenfalls dazu dienen soll, das Phänomen Jugend einzugrenzen. Des Weiteren gilt es in dem vorliegenden Kapitel, die Funktionen von Jugendsprache zu erläutern.

2.1 Definition von Jugendsprache

Bevor eine Definition der Jugendsprache erfolgt, soll zunächst der Jugendbegriff eingegrenzt werden. Die Grenze der Jugendphase ist nicht genau definiert und gilt daher als ein „schwammiger Begriff“1, denn ihr Umfang passt sich den jeweiligen Lebensumständen an2. Somit beginnt der Eintritt in den Abschnitt der Jugend mit dem Einsetzen der biologischen Geschlechtsreife im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren.3 Die Dauer dieses Stadiums kann sich bis zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts ausdehnen, oder aber mit der Postadoleszens enden.4 Ein konkreter Endpunkt, welcher die Jugendphase markiert, kann lediglich erfolgen, sofern eine soziale Reife erlangt wird, welche den Übertritt in das Erwachsensein ausmacht.5 Für die soziologische Forschung steht daher fest, dass die Jugendphase als ein „Durchgangsstadium, ein Übergang, eine Vorbereitung auf die erwachsenen Rollen, eine Einführung in die Kultur“6 bezeichnet werden kann. Zwar durchläuft jeder Mensch ein solches Stadium, dennoch lässt sich die natürliche Einteilung des Menschen den Abschnitten Kind und Erwachsener zuordnen.7 Von der modernen Gesellschaft wurde jedoch bewusst eine Übergangsphase konstruiert, welche durch das Aufkommen der modernen Industriegesellschaft begründet wird.8 So lässt sich ebenfalls feststellen, dass sich die Jugendzeit zunehmend hinauszögert, da Ausbildungsprozesse wie etwa das Hochschulstudium wesentlich verlängert andauern9 Aufgrund dessen erfolgt der Eintritt in das Berufsleben erst im höheren Alter, sodass „der selbstständige Erwachsenenstatus im Vergleich zum 20. Jahrhundert erst erheblich später erreicht wird“10.

Der Terminus Jugendsprache ist allgemein zu verstehen als ein „Sammelbegriff“11, welcher oftmals einen Oberbegriff sämtlicher Differenzierungen des jugendlichen Sprachgebrauchs impliziert.12 Somit lässt sich Jugendsprache als ein vielschichtiges Feld des Sprachgebrauch verstehen, welches - ähnlich wie Mediensprache - keine homogene Varietät darstellt.13 Aufgrund seines varionistischen Verständnisses, lässt sich der Begriff weder einer bestimmten sozialen Gruppe noch einer bestimmten Form zuordnen.14 Eine solche Uneinheitlichkeit der Forschung zeigt sich ebenfalls in der Terminologie, wenn Jugendsprache als Sondersprache, Gruppensprache oder als Varietät bezeichnet wird.15 Dass der Ausdruck besonders in der neueren wissenschaftlichen Forschung falsch verstanden oder aber missverständlich angewendet wird16, stellt die Folge der Vielstimmigkeit und der damit einhergehenden Problematik einer einheitlichen Definition dar.17 Durch den Gebrauch einer Jugendsprache finden ständig Sprachwandlungsprozesse statt, welche den Sprachgebrauch von Jugendlichen markieren.18 Die hierbei auftretenden Sprachwandlungsprozesse beziehen sich jedoch nicht nur auf den Lautwandel (z.B. Burnouts statt Burnout im Plural), sondern ebenfalls auf die Grammatikalisierungsprozesse (z.B. wegen dem schönen Wetter... ) sowie den lexikalischen Wandel (z.B. fett statt fabelhaft ).19

2.2 Charakteristika der Jugendsprache

Wie bereits in Kapitel 2.1 herausgearbeitet wurde, stellt sich die Annahme einer homogenen Jugend als problematisch dar und impliziert einen ebenfalls heterogenen Sprechstil.20 Den Grund für eine derartige Ungleichheit im Sprachgebrauch stellt der rasche Wandel dar, dem die Jugendsprache unterworfen ist.21 Gleichzeitig wird durch einen vermehrten Wandel die Vielfältigkeit des ausgedrückt.22 Trotz der starken Heterogenität und der ausgeprägten Schnelllebigkeit jugendspezifischer Ausdrücke23 lassen sich „Grundprinzipien und -strukturen herausstellen“24, welche neben den Differenzen der Sprechstile auch Gemeinsamkeiten darstellen.25 Hierbei existieren zahlreiche Untersuchungen verschiedener Sprachforscher und Linguisten.26 In der vorliegenden Arbeit wird sich jedoch lediglich darauf beschränkt, jene sprachlichen Merkmale aufzuzeigen, die übereinstimmend als typisch angesehen werden.

Ein spezifisches Merkmal des jugendlichen Sprachgebrauchs bezieht sich auf den Wortschatz, welcher die Jugendsprache insbesondere von anderen Sprech- und Sprachweisen differenziert.27 Hierbei lassen sich auf der lexikalisch-semantischen Ebene spezifische Charakteristika wie beispielsweise das Verwenden des Lexems Kiste für Motorrad erkennen.28 Des Weiteren werden häufig Modewörter wie etwa fetzen für streiten verwendet, welche sich durch ihre Schnelllebigkeit auszeichnen und meist nur kurzfristig im Sprachgebrauch der Jugendlichen vorhanden sind.29 Solche Mode- und Lieblingswörter werden laut der Shell Studie aus dem Jahr 1992 besonders häufig von Jugendlichen verwendet.30 Ein weiteres grundlegendes Merkmal des jugendlichen Sprachgebrauchs stellen die Vulgarismen und in der Standardsprache tabuisierten Ausdrücke wie etwa scheiße, scheißegal, auf den Sack gehen, etc. dar und gelten somit als besonders typisch für die jugendliche Kommunikation.31 Der Entstehung und Aufrechterhaltung eines solchen jugendspezifischen Wortschatzes liegt oftmals eine humorvolle und erheiternde Wirkung zugrunde.32 Eine solche Wirkung wird durch die Verwendung tabuisierter Lexeme oder durch die Umdeutung standardsprachlicher Ausdrücke erzielt.33 So wird Denkzettel für Prügelei verwendet, Flammenwerfer für Feuerzeug oder Lungenbrötchen für Zigarette.34 Hinsichtlich der Lexik, die der jugendliche Wortschatz aufweist, wird zwischen Neuwort (z.B. Mucke ), Neubedeutung (z.B. ätzend ) und der Neubildung eines Begriffs unterschieden.35

Mit sogenannten Hyperbolisierungen, welche als typisch für den jugendspezifischen Sprachgebrauch gelten, wird vor allem eine gewisse Emotional ität zum Ausdruck gebracht,36 die „den Hang [...] zum Gigantismus [ausdrückt]“37. Oftmals imitieren Jugendliche hierbei die Sprechweise anderer innerhalb ihrer Peergroup, wodurch der Sprecher seine eigene soziale Identität darstellt.38 Der Drang nach Profilierung stellt in diesem Prozess die Motivation des Heranwachsenden dar, weshalb in jugendsprachlichen Äußerungen vermehrt Attention Getters wie na komm, Mann oder ey vorzufinden sind.39 Bei einer Hyperbolisierung entstehen oftmals Konstellationen, welche aus einer doppelten oder gar mehrfachen Prädikation, wie etwa echt total + Adjektiv bestehen.40 Jedoch wird ebenfalls durch das Voranstellen bestimmter Präfixe oder Wörter eine hyperbol ische Wirkung erzielt, wie beispielsweise bei affengeil, saukalt oder schweinegeil, 41 In der Standardsprache hingegen wird zur gleichen Aussageabsicht überwiegend der Intensifier sehr verwendet.42

Des Weiteren gilt die Wortbildung als ein zentrales Thema in der Jugendsprachforschung,43 da sich der jugendspezifische Wortschatz oftmals durch eine Vielzahl an Wortbildungen ergänzt.44 Hierbei wird nach Androutsopoulos zwischen drei Wordbildungsarten unterschieden.45 Demnach stellt die Modifi kation die Veränderung eines Basislexems auf semantischer Ebene dar, sodass die Wortart des Lexems nicht verändert wird und bestehen bleibt.46 Zur Komposition hingegen zählen Wörter, die aus der Kombination vorhandener Wörter entstehen47 und gehören zu den häufigsten Neubildungen der Jugendsprache.48 Beispiele nach Neuland stellen Komposita wie etwa Körperfresser oder kopforientiert dar.49 Neuartige Zusammensetzungen wie etwa draufsein, etwas draufhaben, rumhängen, etc. können in mündlichen Kommunikationssituationen entstehen, weniger aber in der Schriftlichkeit.50 Bei Neubildungen durch Ableitungen, also der dritten Wortbildungsart, werden neue Wörter gebildet, indem der Stamm beziehungsweise ein Basislexem mit einem Wortbildungsmorphem kombiniert wird.51 Anders als bei der Modifikation findet bei diesem Prozess ein Wechsel der Wortart beziehungsweise der semantischen Klasse statt, sodass aus dem Substantiv Proll das Adjektiv prollig konstruiert wird.52 Bei der semantischen Transposition entstehen Kompositionen und Wortbildungen mit produktiven Affixen wie beispielsweise Knast > Knasti. [53] Auffällig ist auch, dass häufig Wortneubildungen in der Kombination mit dem Suffix -mäßig entstehen, sodass in jugendsprachlichen Kommunikationen von fetenmäßig oder actionmäßig die Rede ist.54 Da ein jugendlicher Sprachwortschatz überwiegend in Themenbereichen entsteht, für die sich die jugendlichen Akteure besonders interessieren, werden in solchen Gebieten vermehrt jugendspezifische Ausdrücke verwendet, da Jugendliche hier besonders aktiv sind.55 Solche Erfahrungsbereiche beziehen sich häufig auf Kleidungs- und Ernährungsweisen, Geselligkeitsformen, soziale Wertungen, Typisierungen, Gefühlsqualitäten und Befindlichkeitsbeschreibungen.56

Im Hinblick auf die Charakteristika der Jugendsprache spielen Anglizismen ebenfalls eine wichtige Rolle, da die englische Sprache ab dem 20. Jahrhundert verstärkt Einfluss auf die deutsche genommen hat.57 So beeinflussen Anglizismen durchaus die Entwicklung der Jugendsprache und immer mehr auch die Standardsprache.58 Aufgrund des hohen Einflusses werden hinsichtlich der Morphologie immer mehr Begriffe von den jugendlichen Sprechern eingedeutscht, wie z.B. das Lexem Konnäktschens, welches zum Wortschatz jugendlicher Sprecher gehört.59 Gleichzeitig findet jedoch ebenfalls eine Übernahme englischer Begriffe in die deutschen Wortbildungsmuster statt, sodass Begriffe wie abgefuckt, checken, dealen, usw. zum jugendspezifischen Sprachgebrauch gehören.60

Charakteristisch für den Gebrauch der Jugendsprache ist ihr Gebrauch in informellen Gesprächssituationen, sodass bei formellen Rahmenbedingungen wie beispielsweise in einem Bewerbungsgespräch überwiegend die Standardsprache verwendet wird.61 Die jugendspezifische Sprechweise zeichnet sich durch ihre Spontanität sowie dem Fehlen der schriftsprachlichen Normen aus und ist von unvollständigen Sätzen und sogenannten Soundwords geprägt.62

[...]


1 Androutsopoulos 2001, S. 2.

2 Vgl. Ebd.

3 Vgl. Kohrt,& Kucharczik 1998, S. 28.

4 Vgl. Ebd.

5 Vgl. Chun 2007, S. 5.

6 Tenbruck, 1965, S. 7.

7 Vgl. Chun, 2007, S. 4.

8 Vgl. Tenbruck 2007, S.65.

9 Vgl. Chun 2007, S. 5.

10 Chun 2007, S. 5.

11 Androutsopoulos 2001, S. 2

12 Vgl. Kohrt & Kucharczik 1998, S.19.

13 Vgl. Androutsopoulos 2001, S. 4.

14 Vgl. Ebd.

15 Vgl. Chun 2007, S. 7.

16 Vgl. Kohrt. & Kucharczik 1998, S.19.

17 Vgl. Chun 2007, S. 8.

18 Vgl. Androutsopoulos 2001, S. 5f.

19 Vgl. Ebd. S.6.

20 Vgl. Chun 2007, S. 11.

21 Vgl. Nowottnick 1989, S. 75.

22 Vgl. ebd.

23 Beneke 1986, S: 54f.

24 Ebd.

25 Vgl. Chun 2007, S.11.

26 Vgl. ebd.

27 Vgl. ebd.

28 Vgl. Beneke 1982, S. 4.

29 Vgl. Ebd.

30 Vgl. Chun 2007, S. 16.

31 Vgl. Beneke 1986, S. 54f.

32 Vgl. Nave-Herz 1989, S. 630.

33 Vgl. ebd.

34 Vgl. ebd.

35 Vgl. Chun 2007, S. 18.

36 Vgl. ebd.

37 Ebd.

38 Vgl. ebd., S. 22.

39 Vgl ebd.

40 Vgl. ebd.

41 Vgl. ebd. S. 23.

42 Vgl. ebd. S. 24.

43 Vgl. Gerdes 2013, S. 121

44 Vgl. Chun 2007, S. 17.

45 Vgl. Androutsopoulos 1998, S. 79.

46 Vgl. ebd.

47 Vgl. ebd.

48 Vgl. Chun 2007, S. 19.

49 Vgl. Neuland 1987, S. 72

50 Vgl. Neuland 1987, S. 72

51 Vgl. Androutsopoulos 1998, S. 79.

52 Vgl. ebd.

53 Vgl. ebd.

54 Vgl. Chun 2007, S. 19.

55 Vgl. ebd., S. 20f.

56 Vgl. Neuland 1987, S. 77.

57 Vgl. Chun 2007, S. 25f.

58 Vgl. ebd.

59 Vgl. ebd. S. 26.

60 Vgl. ebd.

61 Vgl. Chun 2007, S. 27.

62 Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Sprachspezifische Charakteristika der Jugendsprache. Methode der Gesprächslinguistik
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Germanistik)
Note
1,3
Jahr
2019
Seiten
32
Katalognummer
V1172049
ISBN (eBook)
9783346592606
ISBN (Buch)
9783346592613
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprachspezifische, charakteristika, jugendsprache, methode, gesprächslinguistik
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Sprachspezifische Charakteristika der Jugendsprache. Methode der Gesprächslinguistik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1172049

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