Gelenkte Emanzipation oder wirtschaftliche Unentbehrlichkeit

Ostdeutschlands Frauenerwerbsarbeit im Wandel


Seminar Paper, 2007

28 Pages, Grade: 1.0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Quellenkritik

3 Theoretische Überlegungen
3.1 Vorbemerkungen
3.2 Politische Bemühungen und Forderungen
3.2.1 Massnahmen zur Gleichstellung von Frauen
3.2.2 Der Betrieb als realsozialistisches Lebenszentrum
3.2.3 Familien- und Frauenpolitik und deren Unregelmässigkeiten

4 Historischer Abriss von Frauenerwerbstätigkeit in der DDR
4.1 Frauenerwerbsarbeit in den Anfängen der DDR
4.2 Vorboten der Transformation in der Endzeit der DDR
4.3 Frauenerwerbsarbeit und die Auswirkungen der Transformation

5 Zwei Beispiele von Frauenerwerbsarbeit
5.1 Frauen in der Industrie in der Prignitz
5.2 Frauen in der Landwirtschaft in Merxleben

6 Schlussfolgerungen

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen der im Wintersemester 2006/07 angebotenen Veranstaltung des Instituts der Europäischen Ethnologie „Gesellschaftliche Transformation in Europa“ verfasst. Sie widmet sich der Erwerbsarbeit von Frauen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik[1] und ist ein Versuch, durch die Analyse sozialpolitischer Massnahmen und Bemühungen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands[2] sowie wissenschaftlicher Literatur ein Bild darüber entstehen zu lassen, wie sich die Erwerbsarbeitstätigkeit ostdeutscher Frauen neben anderen Lebensbereichen gestaltete. Brisant ist diese Thematik besonders, da von Seiten der SED wiederholt betont wurde, „die besondere Sorge des Staates [gelte] der Frau und Mutter und dem Schutz der Familie“ (Pfau et al. 2004:52). Sozialpolitische Bemühungen sollten nach sozialistischer Auffassung in die Richtung der Emanzipation von Frauen aus ihren bürgerlichen Zwängen weisen. Doch besonders nach der Systemtransformation traten geschlechtsspezifische Ungleichheiten an den Tag, die sich in verschiedensten Lebensbereichen widerspiegelten und dies auch heute noch tun. Besonders tritt hervor, dass die Arbeitslosigkeit bei Frauen Anfang 1990 deutlich höher ausfällt als bei ihren Arbeitskollegen (Haller 1992:21). Es stellt sich daher die Frage, in welche Richtung die angestrebten sozialpolitischen Massnahmen der SED zielten, welche Effekte sie haben sollten und welche tatsächlichen Konsequenzen sich letztlich daraus ergeben haben.

Die Arbeit folgt den Annahmen, dass durch die politisch festgelegten Massnahmen keine „wirkliche“ Emanzipation der Frauen stattfand, da diese nicht aus eigener Initiative der Frauen gefordert wurde; die Arbeitsteilung in der DDR sich nicht von bürgerlichen Rollenmustern gelöst hat; und Frauen zwar in hohem Masse an der Erwerbsarbeit beteiligt waren, diese jedoch durch die Doppelbelastung und die geschlechtsspezifische Segregation in der formellen Arbeit prädestiniert waren, nach der Wende stärker von sozialer Ungleichheit betroffen zu sein.

Ich werde dabei so vorgehen, dass im ersten Teil der Arbeit nach einer kurzen theoretischen Vorbemerkung ein grober Umriss gegeben werden soll, der als theoretische Orientierung dient. Da es sich bei der Literatur zu diesem Thema um sehr unterschiedliche und teils auch widersprüchliche beziehungsweise realitätsferne da ideologische Schriften handelt, wird am Ende des ersten Teils eine kurze Quellenkritik folgen.

Im zweiten Kapitel der Arbeit geht es insbesondere darum, aufzuzeigen, welche politischen Massnahmen von Seiten der SED gesetzt wurden und welche Überlegungen diesen zugrunde liegen. In den Fokus rücken dabei insbesondere die Gleichstellung der Frauen nach sozialistischem Prinzip, die Rolle des Betriebes in der Sozialpolitik der DDR und die Frauen- und Familienpolitik, wobei hier besonderer Wert auf die Hervorhebung der Widersprüchlichkeiten gelegt wird.

Im folgenden Teil soll ein historischer Überblick über die Bedingungen unter denen Erwerbsarbeit von Frauen geleistet wurde, gegeben werden. Es ist hier besonders von Interesse, auch im Kontext gesamtgesellschaftlicher Prozesse den Wandel der Frauenerwerbsarbeit zu durchleuchten und die Vorboten der Transformation bis hin zu deren Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit von Frauen zu thematisieren.

Im letzten Kapitel wird anhand zweier unterschiedlicher, jedoch an sich strukturell durchaus vergleichbarer Beispiele aufgezeigt, wie sich die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung während der Zeit der DDR gestaltete und wie hier bereits angelegt war, was letztlich zu einer verstärkten Herausdrängung von Frauen aus der Erwerbsarbeit nach der Transformation zu Beginn der 1990er Jahre führte.

Abschliessend folgt eine Zusammenfassung und Schlussfolgerung, in der unter anderem aufgezeigt wird, dass es sich bei der Politik der SED nicht um unterstützende Bemühungen bezogen auf die Emanzipation der Frauen handelte, sondern um stützende Massnahmen der ohnehin schwachen Wirtschaft.

2 Quellenkritik

Die für diese Arbeit herangezogenen Quellen sind aus zweierlei Hinsicht stets kritisch zu hinterfragen. Wie später ausführlicher beschrieben werden soll, haben sich erstens einige Perzipienten der Transformation Ostdeutschlands damit schwer getan, die beobachteten Prozesse in einem Verhältnis zu betrachten, welches nicht bloss Frauen als so genannte „Quasigruppe“ (Sauer 1996:132) darstellt, sondern auch deren Beteiligung und Mitwirken an den Veränderungen einfängt. So gibt es eine Fülle an Literatur, welche zuletzt besonders die ethnologische Perspektive des handelnden Subjekts gänzlich verloren hat und damit wenig Informationsgehalt für die angestrebte Erörterung bietet. Zweitens zeugen journalistische und wissenschaftliche Arbeiten aus der Zeit des Realexistierenden Sozialismus in Ostdeutschland, von einer Abstinenz der Beschreibung alltäglicher Lebensumstände. Diese Tatsache rührt daher, dass „auf dem Gebiet der Presse […], wohlwollend ausgedrückt, der paternalistische Anspruch des Staates geltend gemacht [wurde]: die Erziehung seiner Bürger/innen in seinem Sinne, indem sie mit einer besonderen Art Fürsorglichkeit, wie sie in der Frauenförderpolitik ebenfalls sichtbar wird, in ihrer Persönlichkeitsbildung gefördert, angeleitet und mehr oder weniger sanft in die gewünschte Richtung gedrängt wurden“ (Schmidt 1999:36).

Zu Blatt kamen daher Reportagen des Alltags und Porträts von Personen, die mit zu erreichenden parteilichen Zielvorstellungen ausgeschmückt und ausgestattet waren. „Sie sollte[n] gewährleisten, dass der „Vorsprung“ des Vorbilds bei der Erreichung des Ideals bzw. des Sozialistischen Erziehungsziels die Lesenden zu eigenem Handeln motivierte“ (Schmidt 1999:43). Ähnlich verhält es sich mit der wissenschaftlichen Auseinadersetzung von Problemlagen der Bevölkerung und einzelner Gesellschaftsgruppen. Während diese Quellen fast gänzlich ungeeignet sind, um einen Eindruck der Situation und der Rolle von Frauen in der DDR zu generieren, eignen sie sich besonders für die Analyse der Zielvorstellungen der SED. Denn „Aufgrund des besonderen Stellenwerts der Situation von Frauen für das Selbstverständnis der DDR war auf Seiten der DDR die Forschung zu diesem Thema reichhaltig, wenn auch […] einseitig und im wesentlichen tabuisiert“ (Schmidt 1999:66).

Aus diesem Grunde wurde in dieser Arbeit einzig auf wissenschaftliche Schriften aus der DDR zurückgegriffen, sofern sie der Nachempfindung des theoretischen Bezugsrahmens der SED-Politik dienlich waren.

Anders verhält es sich mit der Literatur, die von Autoren aus der DDR stammt. Denn gerade „weil die Presse ihrer Informationspflicht nur unzureichend nachkam und weil damit eine Plattform zu öffentlicher Kommunikation fehlte, wurden diese wesentlichen Aufgaben der Presse, mindestens zum Teil, an die Literatur der DDR delegiert“ (Schmidt 1999:46). Wenn auch spärlich, so lassen sich doch einzelne Passagen in der Literatur aus der DDR finden, die für die angestrebte Analyse von nicht zu unterschätzendem Wert sind. Diese sind teilweise in die Erörterung mit eingeflossen.

3 Theoretische Überlegungen

Ausgehend von der Kritik Birgit Sauers[3], an der sozialwissenschaftlichen Herangehensweise an den sozialen Wandel der ehemaligen DDR, soll an dieser Stelle eine theoretische Orientierung folgen.

3.1 Vorbemerkungen

Das methodische Grundproblem, welches für Birgit Sauer besonderer Aufmerksamkeit bedarf, ist eine Spaltung des Untersuchungsgegenstandes „entlang einer Linie zwischen „institutionellen“ und „mikrosoziologischen bzw. sozialstrukturellen Ansätzen“. […] Das Problem dieser Spaltung besteht nach Renate Mayntz nun gerade darin, das die Kardinalfrage der Transformation, nämlich das „tendenzielle Auseinanderfallen“ von formaler Organisation von Politik und Gesellschaft sowie von sozialen Lagen, Einstellungen und Verhaltensweisen aus dem Blick gerät“ (Sauer 1996:131).

Einerseits besteht durch das Festlegen auf einen Teilaspekt der Gesellschaft, die Gefahr soziale Tatbestände entkoppelt von bestehenden Strukturen zu betrachten. Konkret bedeutet dies, dass Frauen „als sozial benachteiligte „Quasigruppen“ oder als Problemfälle – beispielsweise im Zusammenhang mit dem rapiden Rückgang der Geburtenraten in den neuen Bundesländern Deutschlands – perzipiert“ (Sauer 1996:132) werden, ohne dabei „eine ergänzende analytische Sicht auf diskriminierende Strukturen des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements“ (Sauer 1996:133) zu haben, der es bedürfte. Andererseits werden die Lebensverhältnisse in der ehemaligen DDR oftmals im Hinblick auf „Fragen der Macht, der Repression, der Anpassung oder des Widerstandes“ (Fulbrook 2004:115) untersucht. Wobei Abhängigkeiten zwischen den Lebensverhältnissen auf der Mikroebene und Strukturen der Makroebene hergestellt und gesetzt werden, die nicht als Interaktion begriffen sind. Damit wird die Rolle der Frauen „als Akteurinnen des Übergangs“ (Sauer 1996:132) verkannt und es scheint die Kritik berechtigt, dass einige Ostdeutsche „in den wissenschaftlichen Diktaturanalysen ihre eigenen Biographien nicht wieder finden können“ (Fulbrook 2004:115).

3.2 Politische Bemühungen und Forderungen

In den nachfolgenden Unterkapiteln sollen nun gewisse Teilaspekte der Sozialpolitik und deren Grundlagen, sowie einzelne widersprüchliche Verordnungen von Seiten der Politik, bezogen auf die Rolle der Frauen diskutiert werden. Mit dem Ziel die Hintergründe des politischen Interesses an den Frauen nachvollziehbar zu machen und das sozialpolitische Engagement besser einordnen zu können.

3.2.1 Massnahmen zur Gleichstellung von Frauen

„Wenn man der Auffassung folgt, die DDR als „Arbeitsgesellschaft“ zu bezeichnen, so wird damit ein besonderes Gewicht auf die Arbeitstätigkeit und die sozialpolitische Rolle der Betriebe gelegt“ (Bouvier 2002:98; siehe auch Schier 2001:194). Wie sich zeigt, war der Begriff der Emanzipation der Frauen in der ehemaligen DDR stark davon geprägt, hauptsächlich auf die Berufstätigkeit und die Integration im Arbeitsprozess reduziert, beurteilt zu werden. Besonders die Überlegung Fourniers spielte in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, die Emanzipation der Gesellschaft allein an dem emanzipatorischen Fortschritt der Frauen, der sich in der Zulassung der Frauen zu formeller Arbeit zeigt, dingfest machen zu können. Er schrieb: „Die Veränderung einer geschichtlichen Epoche lässt sich immer aus dem Verhältnis des Fortschritts der Frauen zur Freiheit bestimmen, weil hier im Verhältnis des Weibes zum Mann, des Schwachen zum Starken, der Sieg der menschlichen Natur über die Brutalität am evidentesten erscheint. Der Grad der weiblichen Emanzipation ist das natürliche Mass der allgemeinen Emanzipation“ (Uhlmann / Hartmann 1979:94). Politische Massnahmen zielen in diesem Sinne vorerst auf die Beseitigung juristischer Beschränkungen, welche die Rechte der Frau in ein gleiches Verhältnis zu denjenigen des Mannes setzten sollen. In anderen Worten wird damit auf rechtlicher Ebene die Gleichheit zwischen den Geschlechtern als Ausgangspunkt verstanden, weitere soziale Prozesse der Gleichberechtigung, im Sinne einer Befreiung der Frauen aus ihrer bürgerlichen Rolle, zu begünstigen.

Die Neuausrichtung der Rechte, auf der Basis des Gleichheitspostulats ist damit nicht Ausdruck, sondern eine wegbereitende Massnahme erwünschter Gleichberechtigungsbemühungen in der DDR. Lenin hat derartige Prozesse folgendermassen beurteilt: „Je mehr wir den Boden von dem Schutt der alten bürgerlichen Gesetze und Einrichtungen gesäubert haben, umso klarer ist es für uns geworden, dass dies nur die Ebnung des Bodens für den Bau, aber noch nicht der Bau selber ist.“ (Uhlmann / Hartmann 1979:97). Lenin geht dabei, im Anschluss an Überlegungen Engels[4] soweit, die Familie selbst als Organisationsprinzip und Ausdruck bürgerlicher Gesellschaft weitestgehend überwinden zu wollen[5], indem er die Hausarbeit durch öffentliche Einrichtungen ersetzt haben möchte. Er wird bei Uhlmann / Hartmann folgendermassen zitiert: „Öffentliche Speiseanstalten, Krippen, Kindergärten – das sind Musterbeispiele derartiger Keime, […] die aber tatsächlich geeignet sind, die Frau zu befreien […]“ (Uhlmann / Hartmann 1979:98). Obwohl die Familie politisch weiterhin einen hohen Stellenwert geniesst[6], sind die Betriebe der DDR im Sinne Lenins für die sozialpolitischen Regulierungen von zentraler Bedeutung. So werden „nicht nur die Regulierung von gesamtgesellschaftlichen Problemen, sondern auch deren soziale Kosten auf die Ebene der Betriebe“ verlagert (Bouvier 2002:97).

Tatsächlich zeigen die sozialpolitischen Bemühungen damit in zweierlei Richtungen. Einerseits soll vermittelt über das Angebot von Krippenplätzen und dergleichen durch die Betriebe, die bürgerliche Hausarbeit weitestgehend rationalisiert und gleichzeitig in formelle Arbeit überführt werden. Dies soll zu der erwünschten Freisetzung der Arbeitskräfte besonders von Frauen führen. Andererseits soll auf diese Weise das Postulat der weiblichen Emanzipation, in erster Linie als Integration in den formellen Arbeitsprozess verstanden, ermöglicht und vorangetrieben werden.

Frauen können dadurch mehrheitlich zur Erwerbsarbeit bewegt werden, was nicht zuletzt auch auf weniger offensichtliche Ursachen zurückzuführen ist. So stehen arbeitspolitische und betriebseigene Interessen viel eher im Vordergrund der Bemühungen zur Freisetzung von vorrangig weiblichen Arbeitskräften. Arbeitspolitisch insofern, dass bereits seit dem Ende des II. Weltkriegs in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone ein hoher Bedarf an Arbeitskräften bestand, welcher mit dem Ausbau der Schwerindustrie verstärkt wurde und bis zuletzt nicht abriss (Bouvier 2002:57). Betriebseigene Interessen dementsprechend, dass neben der ökonomischen Notwendigkeit „Betriebe Arbeitskräfte aus eigenem Interesse (und nicht immer als soziale Pflicht) auch dort horteten, wo sie nicht ständig gebraucht wurden […]“ (Bouvier 2002:99)[7].

3.2.2 Der Betrieb als realsozialistisches Lebenszentrum

Wie in dem vorangegangenen Kapitel bereits angesprochen wurde, „waren die Betriebe zentrale Orte des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens, und in der Sozialpolitik kam ihnen eine besonders wichtige Rolle zu“ (Bouvier 2002:99). Der Betrieb wuchs durch seine Aufgabe weit über seinen grundlegenden funktionalen Zweck der Produktion hinaus, indem er „ein enges Beziehungsnetz, das die Lebenswelt der Beschäftigten eng mit dem Betrieb verknüpfte“ erzeugte (Bouvier 2002:98). In anderen Worten war ihr Stellenwert insofern zentral, „als Lebensvollzüge über den Arbeitsplatz vermittelt, gesichert und gelenkt wurden“ (Schier 2001:194). Engler kommt daher auch zu dem Schluss, dass der Begriff der Arbeit in der ostdeutschen Gesellschaft weit mehr beinhaltete. Die Arbeit war „in ein ganzes Geflecht gemeinschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Bezüge eingebettet und dabei weit mehr […] als nur gegenständliche Verrichtung oder ein paradigmatischer ‚Job’“ (Engler 2002:155).

Entscheidend ist hier besonders, dass durch eine Fülle an Massnahmen Arbeitsbedingungen geschaffen werden sollten, die sich auf das betriebliche Arbeitsklima und das persönliche Wohlbefinden der Angestellten positiv auswirken würden. Das Spektrum reichte von entlastenden Rationalisierungen der Arbeitsprozesse, über die betriebseigenen Kantinen, bis hin zu den bereits oben genannten Krippenplätzen, aber auch gemeinsamen kulturellen Aktivitäten und weiteren Angeboten. In diesem Vorgehen, entsprach die Politik der SED der frühsozialistischen Idee, welche den Lebensraum der Familie in den öffentlichen Raum des Betriebes integrieren wollte[8]. Zudem verhalf man sich damit aber auch zu einer grösseren Kontrolle, nicht bloss über den werktätigen Menschen sondern auch über dessen Freizeitgestaltung. Denn „die Entwicklung individueller Freiräume [sollte] weitgehend verhindert werden“ (Schier 2001:194). Letztlich waren es jedoch verschiedenste Faktoren, welche den Erfolg dieser Massnahmen beeinflussten. So hatten „die Betriebsgrösse als auch die Zusammensetzung und nicht zuletzt die Betriebsführung erheblich Einfluss auf das Betriebsklima und die Art der sozialen Beziehungen“ (Bouvier 2002:103). Wie sich diese Beziehungen entwickelt haben, lässt sich besonders daran erahnen, mit welcher Bedeutung der Betrieb als „wohl der mit wichtigste Raum für die Entwicklung von informellen Netzwerken, die für die Organisation von knappen Waren im Alltag unerlässlich waren“ (Bouvier 2002:102) versehen war. Das sich gerade in Betrieben so genannte „Patron-Klienten-Beziehungen“ (Schier 2001:188) entwickelten, mag zwar darauf hinweisen, dass Korruption weit verbreitet war, doch scheint die stillschweigende Duldung dieser Machenschaften für die SED von weit wichtigerer Bedeutung gewesen zu sein, da „sie Loyalität sicherte und Knappheitsprobleme kompensieren konnte“ (Schier 2001:188). Inwieweit sich diese Netzwerke nach der Transformation weiter erhielten und ihr Stellenwert sich verändert hat, soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.

[...]


[1] Im folgenden als DDR abgekürzt

[2] Im folgenden als SED abgekürzt

[3] Birgit Sauer beschreibt in ihrem Beitrag mit dem Titel: „Transition zur Demokratie? Die Kategorie “Geschlecht” als Prüfstein für die Zuverlässigkeit von sozialwissenschaftlichen Transformationstheorien“ ausführlich, wie zwischen den dominanten Forschungsansätzen in der Frühphase der politikwissenschaftlichen Untersuchungen zu dem sozialen Wandel in der DDR, die Kategorie „Geschlecht völlig verschwindet“ (Sauer 1996:132f).

[4] Engels argumentiert in diesem Zusammenhang folgendermassen: „Und dies [die Befreiung der Frau] ist erst möglich geworden durch die moderne grosse Industrie, die nicht nur Frauenarbeit auf grosser Stufenleiter zulässt, sondern förmlich nach ihr verlangt, und die auch die private Hausarbeit mehr und mehr in eine öffentliche Industrie aufzulösen strebt“ (Kayser:1978:309)

[5] Die Rolle der Familie wurde in der DDR allerdings anders bewertet. So schreibt Pfau: „Im Gegensatz zur frühsowjetischen Familienpolitik, die die Auflösung der Familie als Institution verfolgt, schätzt die SED die Familie als Institution im Sozialismus“ (Pfau et al. 2004:61)

[6] Vgl. dazu auch Kapitel 3.3

[7] In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Möglichkeiten, zu besetzende Stellen auch durch ausländische Arbeitskräfte zu belegen, wie dies in der BRD geschah, in der DDR aus verschiedensten Gründen erschwert war. Dennoch wurde in den sechziger Jahren „im Rahmen der Industrialisierung der DDR-Bezirke entlang der „Oder-Neise-Linie“ besonders in den neu entstandenen Betrieben verstärkt die Möglichkeit der Beschäftigung ausländischer Pendler zur Sicherstellung des notwendigen Arbeitskräftepotentiales genutzt. […] Da in den westlichen Woiwodschaften Polens – und vor allem unter den Frauen – die Arbeitslosenquote hoch war, nutzten vorwiegend weibliche Arbeitskräfte die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme in den grenznahen Betrieben der DDR“ (Jajeśniak-Quast 2005:270f). Auch andere Formen von Arbeitstätigkeit durch ausländische Arbeitskräfte bestanden in der DDR, waren jedoch weit weniger ausgeprägt. (Jajeśniak-Quast 2005: 267-294)

[8] Siehe dazu Kapitel 3.1

Excerpt out of 28 pages

Details

Title
Gelenkte Emanzipation oder wirtschaftliche Unentbehrlichkeit
Subtitle
Ostdeutschlands Frauenerwerbsarbeit im Wandel
College
University of Basel  (Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie)
Course
Seminar: Gesellschaftliche Transformationsprozesse in Europa
Grade
1.0
Author
Year
2007
Pages
28
Catalog Number
V117211
ISBN (eBook)
9783640195725
ISBN (Book)
9783640244232
File size
621 KB
Language
German
Keywords
Emanzipation, DDR, SED, Frauen, Arbeit, Wandel, Wende, Transformation, Erwerb, Deutschland, Ost, Wirtschaft, Sozialismus, Kommunismus, Betrieb, VEB, Ostalgie, Europa, Ostblock, Mauer, Berlin, Dresden, Leipzig, Halle, Dessau, Görlitz, Ungleichheit, Sozial, Gender, Geschlecht, geschlechtsspezifisch, traditionell, Geschlechterrolle, Rolle, Leitbild, Politik, Planwirtschaft, Ostdeutschland, Transition
Quote paper
Valentin Schnorr (Author), 2007, Gelenkte Emanzipation oder wirtschaftliche Unentbehrlichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117211

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