Nominalkomposita im Deutschen. Kritischer Vergleich der Ansätze von Olsen, Rivet und Siebert


Tesis (Bachelor), 2021

49 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der lexikalische Ansatz nach Olsen (1986)
2.1 Interpretation von Komposita
2.1.1 Rektionskomposita
2.1.2 Nicht-Rektionskomposita
2.2 Argumentvererbung und 0-Kriterium

3. Der syntaktische Ansatz
3.1 Der Begriff des Kopfes
3.2 Der syntaktische Ansatz nach Rivet (1999)
3.2.1 Das Empty Category Principle
3.2.2 Die Inkorporationsanalyse
3.2.3 Inkorporationsbeschränkungen
3.3 Der morpho-syntaktische Ansatz nach Siebert (1999)
3.3.1 Nomeninkorporation
3.3.2 Lizenzierungsbedingungen
3.3.3 Argumentvererbung

4. Kritischer Vergleich der Ansätze und eigene Beurteilung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

1. Einleitung

Das Phänomen der Erneuerung lässt sich auf der ganzen Welt sowie in unterschiedlichen Bereichen beobachten und das Prinzip dabei ist immer das gleiche; wird festgestellt, dass ein Gegenstand innovativer gestaltet werden kann, wird dieser produziert. Nach genau dem gleichen Prinzip funktioniert die Sprache. Die deutsche Sprache hat kein festes Inventar an Wörtern, welches Sprecher*innen des Deutschen erlernen müssen, um zu kommunizieren. Die Sprache ist ständig in Bewegung und entwickelt sich weiter, denn es kommen fortlaufend neue Wörter hinzu oder bestehende Wörter werden zu einem neuen, komplexen Wort kombiniert. Dieses komplexe Wort entspricht dann entweder der Bedeutung der beiden Bestandteile oder erhält eine Bedeutung, welche dem Wort, unabhängig von den Bedeutungen der beiden Bestandteile, von außen zugeschrieben wird. Neben völlig neuen Wörtern, die entstehen, um neu aufkommenden Dingen eine Beschreibung zu geben (z.B. Coronaschutzverordnung ), ist das Deutsche eine äußerst kompositionsfreudige Sprache. Somit lässt sich feststellen, dass neue Wörter durch die neue Benennung von Dingen und durch die Benennung neuer Dinge entstehen. Die Komposition ist neben der Derivation die wichtigste und produktivste Form der Wortbildung. Das bei einer Komposition entstehende Wort wird als Kompositum bezeichnet und besteht aus der Verbindung zweier oder mehrerer sonst frei vorkommender Morpheme oder Morphemfolgen zu einem zusammengesetzten Wort (vgl. Bußmann 2008: 353). Charakteristisch für komplexe Wörter ist ihre binäre Kompositastruktur, aufgrund der Tatsache, dass stets zwei Wörter oder eine Wortgruppe und ein Wort, zu einem komplexen Wort verknüpft werden (vgl. Römer 2006: 129). Die morpho- syntaktischen Eigenschaften, wie Genus und Numerus sowie die Kategorie werden durch das rechtsstehende Element festgelegt, weshalb dabei vom ‘Kopf-rechts-Prinzip‘, oder auch von der ‘Right Hand Head Rule‘ gesprochen wird. Selkirk (1982) erläutert dieses Prinzip mit der Metapher, dass das Zweitglied die ‘rechte Hand‘ der Komposition darstellt.

Insgesamt gibt es zwei zentrale Bereiche in der Komposition. Zum einen den Bereich der Determinativkomposita, der sich weiter in Rektions- und Nicht-Rektionskomposita untergliedert und den Bereich der Kopulativkomposita.

Hinsichtlich der semantischen Interpretation von Komposita wird zwischen endo- und exozentrischen Komposita unterschieden. Endozentrische Komposita sind dadurch charakterisiert, dass „das syntaktisch abhängige, inhaltlich spezifizierende Glied (das Bestimmungswort) dem Grundwort (Determinatum) vorausgeht“ (Bußmann 2008: 353 f.). In exozentrischen Komposita ist kein Grundwort als Oberbegriff enthalten. Die Bedeutung des Kompositums lässt sich folglich nicht aus einer Kombination der einzelnen Teilbedeutungen ableiten. Unter der Kategorie der endozentrischen Komposita werden Determinativ- und Kopulativkomposita zusammengefasst. Bei den Determinativkomposita wird das Determinatum vom Determinans näher bestimmt, wobei das Determinatum der Kopf des Kompositums ist und nur dieser flektiert werden kann (z.B. Apfeltorten, aber * Äpfeltorte ). Kopulativkomposita verbinden die semantische Bedeutungen der beiden Bestandteile des komplexen Wortes gleichwertig miteinander und erzielen dadurch eine neue Bedeutung (z.B. schwarzweiß ). Die Possessivkomposita werden als semantische Unterkategorie der Determinativkomposita gesehen, sollten aber treffender als exozentrische Komposita bezeichnet werden, weil sie sich auf eine Entität außerhalb des Kompositums beziehen (z.B. Rotkehlchen ). Eine weitere Unterart der Determinativkomposita bilden die Rektionskomposita, bei denen eine Argumentstruktur zwischen den Konstituenten vorliegt. Das Erstglied übernimmt die Rolle des erforderlichen Arguments des Hinterglieds, wodurch eine semantische Relation zwischen den beiden Wörtern festgelegt wird (z.B. Wetterbeobachter ) (vgl. Römer 2006: 132).

Die Produktivität der möglichen Kombinationen verschiedener Wortarten zu einem Kompositum ist variabel. Neben der Nomen-Komposition, in der es in dieser Arbeit gehen soll, zählen die Adjektiv- und die Verb-Komposition zu den drei Haupttypen der Wortbildung durch Komposition. Die Adverb-Komposition weißt viele Unklarheiten auf, weshalb sie meist nicht berücksichtigt wird (vgl. Meierbauer et al. 2007: 48f.). Eine allumfassende Untersuchung aller Arten der Komposita würde den Umfang sprengen, weshalb sich die Arbeit auf die Untersuchung der Nominalkomposition beschränkt.

Im Folgenden werden einige Beispiele der Nomen-Komposition genannt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Rektionskomposita haben, aufgrund der semantischen Relation der beiden Bestandteile zueinander eine besondere Funktion, weil das Erstglied als ein Komplement des Zweitglieds auftritt. Aus diesem Grund wird sich diese Arbeit der Beantwortung der Frage annähern, nach welchen Wortbildungsmustern die Nominalkomposita im Deutschen aufgebaut sind, wenn sie als Rektionskomposita fungieren und welche Regeln und Restriktionen diese Muster beeinflussen.

Zu Beginn wird der lexikalische Ansatz nach Olsen (1986) dargelegt (2.) und in Bezug auf die Rektions- und Nicht-Rektionskomposita sowie die Argumentvererbung und das 0-Kriterium untersucht. Im Anschluss daran wird sich den syntaktischen und morpho-syntaktischen Ansätzen nach Rivet (1999) (3.2) und Siebert (1999) (3.3) gewidmet, deren Ansätze auf der Annahme einer Kopfbewegung beruhen. In einer kritischen Auseinandersetzung mit den drei Ansätzen, sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die Plausibilität der genannten Ansätze zur Erklärung von Rektionskomposita analysiert werden (4.). Die Arbeit schließt mit einem Fazit ab, welches den aktuellen Forschungsstand sowie das daraus folgende Potenzial darstellt (5.).

2. Der lexikalische Ansatz nach Olsen (1986)

2.1 Interpretation von Komposita

Der lexikalische Ansatz nach Olsen wird im Folgenden mithilfe einer Unterscheidung von Rektionskomposita und Nicht-Rektionskomposita dargestellt, um im Anschluss daran die Argumentvererbung und das damit verbundene 9-Kriterium als zentralen Aspekt ihres Ansatzes zu erläutern.

2.1.1 Rektionskomposita

Rektionskomposita sind dadurch charakterisiert, dass „ein Glied eine grammatische Rektion besitzt, die zur Deutung des Kompositums ausgenutzt wird“ (Olsen 1986: 66). Demnach wird die Relationalität durch die Rektion des einen Glieds bestimmt. Bei dem Beispiel­Rektionskompositum Wetterbeobachter erfüllt das Erstglied ein „Argument des deverbalen Heads“ (Olsen 1986: 67), welches benötigt wird, weil es sich bei dem Verb beobachten um ein transitives Verb handelt. Transitive Verben benötigen die beiden Argumente Subjekt und (Akkusativ-)Objekt, um gesättigt zu sein. Aus dieser Gegebenheit erschließt sich als einzig mögliche Leseart die Paraphrase ‘jemand der das Wetter beobachtet‘/ ‘Beobachter des Wetters‘. Der lexikalische Head beobacht- weist seinem Komplement Wetter die thematische Rolle ‘Thema‘ zu. Aus diesem Grund wird die „Argumentstruktur des Heads erfüllt“ (Olsen 1986: 68) und das 9-Kriterium beachtet. In Kapitel 2.2 wird genauer auf das 9-Kriterium eingegangen. Auf der Wortebene gilt folglich ebenfalls die X-bar-Theorie, denn die Position des Heads einer Wortstruktur ist auf die rechte Konstituente festgelegt. Daraus ergibt sich, dass eine Konstruktion wie in (1) als Verletzung des 9-Kriteriums gilt, weil der Head Beobachter lediglich eine thematische Rolle vergeben kann und diese bereits durch das Erstglied Wetter realisiert ist:

(1) Karl ist ein Wetterbeobachter (*der Sterne)

Damit lässt sich der Unterschied zwischen Rektionskomposita, wie in (2a) und Nicht­Rektionskomposita, wie in (2b) erklären:

(2) (a) Schmuckräuber

(b) Räubermaske

Obwohl in beiden Komposita das „deverbale Nomen Räuber“ (Olsen 1986: 69) vorhanden ist, bestimmt die Stellung dieser Konstituente die Leseart als (Nicht-)Rektionskompositum, denn in (2a) fungiert sie als Head, während sie in (2b) als Spezifikator einer Konstituente dient, die über keine Argumentstruktur verfügt (vgl. Olsen 1986: 69). Der lexikalische Kopf Maske fordert keine Argumente, verfügt also nicht über eine Argumentstruktur.

Dennoch ist zu unterscheiden, ob die Argumentstruktur für die Interpretation der Komposita entscheidend ist und eine Rektionsleseart verlangt, denn nur dann werden sie als Rektionskomposita bezeichnet. Die Beispiele in (3) verdeutlichen diese Unterscheidung:

(3) (a) Autofahrer

(b) Unfallfahrer

Während die Argumentstruktur des Kopfes Fahrer die Grundlage der Interpretation des Rektionskompositums in (3a) bildet und die einzig mögliche Leseart auf ‘Fahrer eines Autos‘ beschränkt ist, handelt es sich in (3b) um keine Rektionsleseart (*‘Fahrer eines Unfalls‘). Für die Interpretation des in (3b) angeführten Kompositums wird folglich weiterführendes Wissen über die beiden Konstituenten sowie über die mögliche Relation der beiden Konstituenten zueinander benötigt, um die korrekte Paraphrase ‘Fahrer, der den Unfall gebaut hat‘, erschließen zu können. Olsen findet die folgende Erklärung für diese Feststellung:

„Wir können zunächst davon ausgehen, daß [sic!] die von einem transitiven Verb ererbte Argumentstruktur einiger häufig gebrauchten Nomina agentis oder instrumenti durch ihre Lexikalisierung geschlossen werden kann, in welchem Fall sie dann nicht wie Rektionskomposita zu deuten sind, sondern die Erschließungsstrategie [...] zur Interpretation der Nichtrektionskomposita auf sie zutrifft“ (Olsen 1986: 70).

Damit ist die Rektionsleseart von Komposita mit deverbalem Kopf hinreichend erklärt. Als Hinterglied fungierende Nomina oder Adjektive können ebenfalls über eine Argumentstruktur verfügen. Relationale Nomina, wie Sohn, Freund oder Bürgermeister, bedingen eine Rektionsleseart, wenn sie in Komposita als Zweitglied auftreten:

(4) (a) Professorensohn ‘Sohn des Professors‘

(b) Dorfbürgermeister ‘Bürgermeister des Dorfs‘

2.1.2 Nicht-Rektionskomposita

Olsen unterteilt die Nicht-Rektionskomposita in drei verschiedene Kategorien, deren Unterschiede semantisch begründet werden.

Die erste Subkategorie der Nicht-Rektionskomposita stellen die usuellen Komposita dar. Sie lassen sich dahingehend charakterisieren, dass sie „im Lexikon mit einem voll spezifizierten Lexikoneintrag zu verzeichnen“ (Olsen 1986: 57) sind, welcher nähere Auskunft über ihre internen Strukturen und ihre idiosynkratische Bedeutung gibt. Darüber hinaus ist die Interpretation dieser Komposita auf eine bestimmte Möglichkeit beschränkt. Komposita, wie Froschmann werden folglich „durch die Operation der (syntakto)lexikalischen Einsetzung direkt aus dem Lexikon geholt“ (Olsen 1986: 57) und bilden an geeigneter Stelle einen N- Knoten, der die Bedeutung und die Struktur des Kompositums übernimmt. Die syntaktische Tiefenstruktur entspricht dann der in (5) angegebenen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dementsprechend fungieren usuelle Komposita auf syntaktischer Ebene auf die gleiche Weise, wie Simplizia. Anders als Simplizia ist es bei usuellen Komposita jedoch möglich, diese „innerhalb der lexikalischen Komponente mit Hilfe der Wortstrukturregeln“ (Olsen 1986: 57) zu analysieren.

Als eine zweite Subkategorie, die den produktiven Kompositionsprozess als charakteristisches Merkmal heranzieht, können die okkasionellen Komposita gesehen werden. Diese bestehen aus zwei X-Konstituenten, die „miteinander zu einer Wortstruktur verkettet werden“ (Olsen 1986: 60). Aufgrund der Gegebenheit, dass die beiden Konstituenten lexikalische Einheiten sind, die verknüpft werden, besteht eine Relation zwischen ihnen, die nicht im Kompositum angegeben oder ersichtlich wird. Die Semantik dieser Komposita erschließt sich aus den Einzelbedeutungen der beiden Komponenten und einer die beiden Bestandteile verbindenden Relation. Während die Bedeutung der beiden Komponenten festgelegt ist, ist die verbindende Relation typischerweise flexibel und grammatisch gesehen auf unterschiedliche Weise interpretierbar (vgl. Olsen 1986: 58). Olsen bezieht sich auf Heringer, der das genannte Phänomen anhand des Kompositums Fischfrau verdeutlicht hat:

(6) Fischfrau

(a) Frau, die Fisch verkauft
(b) Frau des Fisches
(c) Frau, die im Sternbild der Fische geboren ist
(d) Frau und Fisch (=Nixe)
(e) Frau, die Fisch is(s)t
(f) Frau, die Fisch produziert
(g) Frau, die vom Fisch abstammt
(h) Frau, die kühl wie Fisch ist
(i) Frau, die den Fisch gebracht hat
(j) Frau, die beim Fisch steht
(k) Frau, die wie ein Fisch aussieht

Trotz der Tatsache, dass die Interpretation in (6a) die am häufigsten gewählte ist, was Komposita dieser Art wie usuelle Komposita erscheinen lässt, besteht die „prinzipielle Offenheit der Relation zwischen den Konstituenten“ (Olsen 1986: 59). Olsens Bezug zu Downing (1977), die der Überzeugung ist, dass der Kompositionsvorgang auf linguistischer Ebene „uneingeschränkt und vollproduktiv ist“ (Olsen 1986: 59), erklärt, dass die Konventionalisierung eines Kompositums durch pragmatische Restriktionen begünstigt wird. Darüber hinaus beruft sie sich auf Günther (1981), der zu dem Schluss kam, dass sich die Erwartungen an eine Analyse von deutschen Nominalkomposita lediglich auf die vorhandene Beziehung zwischen den beiden Bestandteilen des Kompositums, „derart, daß [sic!] das Erstglied das Zweitglied näher spezifiziert“ (Olsen 1986: 60), beschränken muss.

Die Relation, die zwischen den beiden Konstituenten besteht, kennt der Sprecher aufgrund seines Weltwissens und nicht aufgrund linguistischer (Vor)Kenntnisse. Wichtig für die Entscheidung, welche Relation korrekt oder vom Sprecher gemeint ist, ist stereotypisches Wissen, also solches Wissen, das uns bereits eine ungefähre Vorstellung darüber gibt, in welcher Verbindung die beiden Konstituenten zueinander stehen können. Komposita dieser Art bilden die Kategorie der potentiellen Komposita. Für das Kompositum Käsemesser ist es essentiell zu wissen, dass ein Messer zum Schneiden (und beispielsweise nicht zum Verpacken) verwendet wird (vgl. Fanselow 1981: 161).

2.2 Argumentvererbung und 0-Kriterium

Ein grammatischer Kopf verlangt, dass seine Argumentstruktur „von den Komplementen in seiner strukturellen Umgebung erfüllt werden muss“ (Olsen 1986: 67). Dieses Prinzip wird als das 9-Kriterium bezeichnet und meint, dass „jeder Head einer syntaktischen Phrase die ihm inhärenten lexikalisch festgelegten thematischen Rollen seinen Komplementen eindeutig zuweist und daß [sic!] jedes sich in der Domäne eines Heads befindliche Komplement eindeutig mit einer solchen thematischen Rolle versehen wird“ (Olsen 1983: 67 f.). Für Nomina agentis oder instrumenti bedeutet diese Erklärung, dass sie stets in Kombination mit einem Objekt im Genitiv auftreten:

(7) (a) Zugführer

(b) Heimbewohner

(c) Krankheitserreger

(Olsen 1983: 68)

Das Subjektargument wird in Konstruktionen, wie in (7) in keinem Fall realisiert, weil es durch die - er- Endung ersetzt wird. Das andere, Nichtsubjekt-Argument „kann an das deverbale Derivat vererbt werden“ (Olsen 1986: 78), wodurch die Interpretationen der Komposita in (7) entstehen. Olsen formuliert ihre Erkenntnis folgendermaßen:

„Ein Teil der Semantik dieses Affixes ist [.] als eine regelhafte Operation zu verstehen, die auf der Argumentstruktur des Basisverbs erfolgt und eine Veränderung bewirkt derart, daß [sic!] bei der Verkettung eines V mit -er das Subjektargument des V obligatorisch gelöscht und das Objektargument, in der Form, wie es von der Basis verlangt wird, vom Derivat übernommen wird“ (Olsen 1986: 79).

Die angesprochene Vererbung eines deverbalen Arguments an das Derivat, wird in (8)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In (8) wird das Objekt fakultativ vererbt. Mithilfe von Suffigierung durch -er lässt sich aus einem Verb ein relationales Nomen ableiten. Handelt es sich beim -er -Derivativum um eines, welches einem Verb mit obligatorischem Objekt entstammt, übernimmt es dieses Argument (vgl. Olsen 1986: 80). Olsen nimmt an, „daß [sic!] das Suffix -er eine Art Operation auf der Argumentstruktur seiner Basiskategorie darstellt, wobei die Semantik von -er die Übernahme des verbalen Subjekts verhindert“ (Olsen 1986: 81), für Objekte anderer Nicht-Subjekt Kategorien aber durchaus durchlässig ist.

Festzustellen ist, dass „das ©-Kriterium weniger streng auf Wortstrukturen zutrifft als auf syntaktische Strukturen“ (Olsen 1986: 87) und dementsprechend in Bezug auf Wortstrukturen flexibler ist.

3. Der syntaktische Ansatz

3.1 Der Begriff des Kopfes

Die deutsche Sprache ist eine rechtsköpfige Sprache, weshalb bei Komposita auch vom ‘Kopf-rechts-Prinzip‘ gesprochen wird. Unter anderem war es Chomsky, der das Prinzip des Kopfes in Kombination mit der X-bar Theorie versucht hat, auf die Wortbildungstheorie anzuwenden, um die Merkmale komplexer Wörter von einer Konstituente bestimmen zu lassen. Die Wortart des komplexen Wortes, sein Genus, die Flexionsklasse und „Merkmale wie Zählbarkeit, ,heimisch/ nicht-heimisch‘ etc. werden über den Kopf determiniert“ (Reinhard 2001: 28). Williams (1981) formulierte die sogenannte ‘Right-Hand Head Rule‘, die besagt, dass in morphologisch komplexen Wörtern des Deutschen der Kopf stets von der rechten Konstituente gebildet wird und diese ihre Eigenschaften vererbt. Somit sind die Eigenschaften des Kopfes mit denen des komplexen Wortes identisch.

Grammatische Köpfe können nur in diejenige Kategorie inkorporieren, von der sie regiert werden (vgl. Travis 1984: 129). Dieses Prinzip trifft auf die Inkorporation von Nomen, von Verben sowie von Objekten zu. Der Kopf einer Kategorie kann nicht leer sein, weil dies eine Verletzung des ‘Empty-Category-Principles‘ darstellen würde. Bei Nomeninkorporation bewegt sich der vom Verb regierte Kopf der Nominalphrase und hinterlässt dabei eine Spur (vgl. Travis 1984: 131). Im Folgenden wird das sogenannte ‘Head Movement Constrait‘, also die Kopfbewegungsbeschränkung beschrieben:

(1) Head Movement Constraint:

An X[0] may only move into the Y[0] which properly governs it.

Demnach kann eine nominale X[0]-Konstituente, wie oben aufgeführt, nur in eine Y[0] inkorporiert werden, wenn sie von dieser regiert wird. Daraus ergibt sich, dass in einem Satz mit mehreren Verben, wie in (2), ausschließlich das letzte Verb flektiert werden kann, weil es in der strukturellen Repräsentation am höchsten und am äußersten rechten Rand angesiedelt ist und demnach nur dieses Verb von der Finitheit regiert wird (3):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für Sätze mit Verbzweitstellung lässt sich die Position des flektierten Verbs durch den Vorgang zweier Kopfbewegungen erklären. Zuerst wird V[0] an die Finitheit in die rechten Satzklammer gehängt und wird dadurch zum Finitum. Im Anschluss daran wird diese Konstituente in die linke Satzklammer bewegt und fungiert dort als Finitum (4) (vgl Travis 1984:132):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nomeninkorporation kann laut Travis nur in jenen Sprachen auftreten, die über die richtigen Zusammensetzungsregeln sowie die richtige Interaktion zwischen diesen Regeln und der Syntax verfügen (vgl. Travis 1984: 134). Diese Feststellung erklärt, warum Nomeninkorporation, im Gegensatz zur deutschen Grammatik, im Englischen nicht möglich ist.

Neben Travis beschreibt auch Baker (1981) Inkorporation als eine syntaktische Bewegung einer X[0]-Konstituente (vgl. Baker 1981: 64). Eine NP-Konstituente kann in einer Konstruktion nur Rollen einnehmen, die von der Argumentstruktur des Verbs gefordert wird. Daraus resultiert, dass sie entweder in der Subjekt- oder in der Objektposition stehen kann (vgl. Baker 1981: 64 f.). Jede relevante Phrase, also jedes regierte Argument, kann genau eine thematische Rolle einnehmen. Im Umkehrschluss ist jedem Kopf genau eine thematische Rolle zugeschrieben, die von ihm regiert wird. In diesem Zusammenhang bezieht er sich auf Chomsky und die ‘Theta criterion‘, welche das zuvor erwähnte Verhältnis zwischen Kopf, thematischer Rolle und regiertem Argument definiert (vgl. Baker 1981: 65). Präpositionen, Verben und Nomen werden demnach an das Verb gebunden, von dem sie regiert werden (vgl. Baker 1981: 66). Die thematische Rolle wird jedoch auf Phrasen- und nicht auf Wortebene vergeben.

[...]

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Detalles

Título
Nominalkomposita im Deutschen. Kritischer Vergleich der Ansätze von Olsen, Rivet und Siebert
Calificación
1,0
Autor
Año
2021
Páginas
49
No. de catálogo
V1172277
ISBN (Ebook)
9783346594457
ISBN (Libro)
9783346594464
Idioma
Alemán
Palabras clave
nominalkomposita, deutschen, kritischer, vergleich, ansätze, olsen, rivet, siebert
Citar trabajo
Lena Santos (Autor), 2021, Nominalkomposita im Deutschen. Kritischer Vergleich der Ansätze von Olsen, Rivet und Siebert, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1172277

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