Die Kammermusik von Johannes Brahms

Das Klaviertrio Nr.1 op. 8 - Ein Werk mit zwei Geschichten


Trabajo de Seminario, 2008

20 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Gattungsgeschichtlicher und Biografischer Kontext der Erstfassung op. 8
1.1 Die Gattung Klaviertrio
1.2 Entstehungsgeschichte
1.3 Uraufführung und frühe Rezeption

2 Brahms (literarische) Jugendliebe: Johannes Kreisler

3 Analyse der Spätfassung op. 8
3.1 Entstehungsgeschichte der Spätfassung
3.2 Formanalytische Untersuchung
3.2.1 Erster Satz
3.2.2 Zweiter Satz
3.2.3 Dritter Satz
3.2.4 Vierter Satz

4 Vergleich zwischen Früh- und Spätfassung

5 Resümee

6 Literatur- und Quellenverzeichnis

Einleitung

„Wie auf einem Bilde sehe ich im Flur eines Hauses in Düsseldorf eine Schar Kinder stehen; die blicken staunend hinauf nach dem Treppengeländer. Dort macht ein junger Mann mit langem blondem Haar die halsbrecherischsten Turnübungen, schwingt sich von rechts nach links, hinauf, hinab; schließlich stemmt er beide Arme fest auf, streckt die Beine hoch in die Luft und springt mit einem Satze hinunter, mitten hinein in die bewundernde Kinderschar. Die Kinder waren wir, ich und meine etwas älteren Geschwister, der junge Mann Johannes Brahms.“[1]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 (1858) Abb. 2 (1889)

„Ich war darauf vorbereitet gewesen, ihn verändert und älter zu finden, aber doch nicht so, dass es das Wiedererkennen ausschloss. Es ist aber keine Übertreibung, wenn ich sage, dass, obschon ich wusste, es sei Brahms, ich durchaus nicht imstande war, jenen Mann wieder zu erkennen, den ich vor 10 Jahren gekannt hatte. Gewiss, da war das wohlbekannte große Haupt mit dem zurückgebürsteten Haar, obschon nicht so sorgfältig geordnet wie in früheren Tagen; aber die Gestalt war viel schwerfälliger geworden und Mund und Kinn waren durch einen dicken Schnurrbart und graumelierten Vollbart verborgen, was sein Aussehen vollständig veränderte. (…) Mit Schrecken fühlte ich, dass meine Ahnung, ich würde den alten Freund nie wieder sehen, verwirklicht worden war, obwohl auf andere Weise, als ich es erwartet hatte.“[2]

Zwischen den Ereignissen dieser beiden Zitate liegt eine Zeitspanne von über 20 Jahren, die offensichtliche Spuren im Erscheinungsbild Johannes Brahms’ hinterlassen haben. Geht man noch ein paar Jahre vor dem wahrscheinlichen Ereignis des ersten Zitats zurück, so ist man im Jahr 1853. Der als Komponist noch relativ unbeschriebene zwanzigjährige Johannes Brahms wird durch einen Artikel von Robert Schumann in die rechten Bahnen gelenkt, denn laut ihm ist Johannes Brahms derjenige, der „den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre“.[3] Im Jahre 1890, also ein paar Jahre nach der Begegnung, die Florence May im zweiten Zitat schildert, hat Johannes Brahms den Höhepunkt seines musikalischen Schaffens erreicht und sich längst einen festen Platz in der Welt der Tonkünstler geschaffen.

Genau an diesen beiden Eckpunkten, 1853 und 1890, entstanden die beiden Fassungen des Klaviertrios Nr. 1 in B-Dur. Dieses Werk hat unter anderem dadurch einen besonderen Stellenwert im kammermusikalischen Schaffen Johannes Brahms’ und auf den folgenden Seiten werde ich versuchen, diese vielen kleinen Eigenheiten, die in beiden Versionen zu finden sind, herauszuarbeiten und zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Mein Augenmerk liegt dabei zunächst auf dem gattungsgeschichtlichen und biografischen Kontext der Erstfassung. Nur so kann man nachvollziehen, welche Bedeutung das Werk für Johannes Brahms selbst gehabt haben muss, so dass er es später noch einmal komplett überarbeitete und trotzdem beide Fassungen gleichberechtigt nebeneinander existieren ließ. Mit Fragen nach der Ausbildung Brahms oder dem Verhältnis zu den Schumanns werde ich mich dabei ebenso beschäftigen, wie mit der Gattung Klaviertrio an sich und der Rezeption bzw. Uraufführung beider Fassungen. Einen eigenen Punkt in meiner Gliederung bekommt das Verhältnis Brahms zur literarischen bzw. musikalischen Romantik mit besonderem Schwerpunkt auf die literarische Figur Johannes Kreisler von E.T.A. Hoffmann, die Brahms als Pseudonym für etliche Jugendwerke, auch des Klaviertrios Nr. 1 anstelle seines Namen voranstellte und die Frühfassung von der späten Version so entscheidend abgrenzt.

Den Kern dieser Arbeit bilden dann die Analyse der Spätfassung und der Vergleich zur frühen Fassung. So kann man einzigartige Rückschlüsse auf die Entwicklung der Brahmsschen Kompositionsweise ziehen und das Verhältnis zum Alter Ego Kreisler aus der Sicht des reifen Brahms untersuchen.

In meinem abschließenden Resümee werde ich die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfassen und auf die heute noch bestehende Problematik dieses Ausnahme-Werkes, besonders den Umgang mit beiden Fassungen näher eingehen.

1 Gattungsgeschichtlicher und Biografischer Kontext der Erstfassung op. 8

1.1 Die Gattung Klaviertrio

Das Klaviertrio konnte sich erst spät als eigene Gattung etablieren. Als ein Grund ist der ad libitum-Gebrauch des Violoncellos, wie auch ab und zu der Violine zu nennen. Terminologisch spiegelt sich bei dieser Art der „begleiteten“ Klaviersonate auch die Benennung der Werke wider, es ist also nicht verwunderlich, dass selbst bei Mozart Klaviertrios teilweise noch als Sonaten bezeichnet wurden. Erst um die Jahrhundertwende konnte sich der Begriff „Grand Trio“ durchsetzen. Warum dieser Besetzung in der musikgeschichtlichen Forschung zuweilen nur sehr wenig Bedeutung zugemessen wird und es zuweilen sogar fraglich erschien, ihr überhaupt den Status einer eigenen Gattung zu geben, hat verschiedene Ursachen. Eine davon ist die Tatsache, dass die Kammermusik mit Klavier in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch vorwiegend im bürgerlichen Salon statt in den großen Konzertsälen aufgeführt wurde.

Als besondere Schwierigkeit dieser Gattung empfand man die Verschmelzung der Streichinstrumente mit dem hinsichtlich des Klangcharakters völlig unterschiedlichem Klavier.[4]

Gattungsgeschichtlich gesehen ist Brahms’ Klaviertrio Nr. 1 auch deshalb sehr interessant, weil bis zum nächsten „reinen“ Klaviertrio (op. 87) eine Zeitspanne von 28 Jahren klafft. Aber bereits 1851 entstanden einige Klaviertrios, also in einer Zeit, in der Brahms noch mitten im Aneignen des kompositorischen Handwerks stand. Die Existenz dieser Trios ist durch einen Brief Brahms an Robert Schumann vom 16. November 1853 belegbar:

„Ich denke keines meiner Trios herauszugeben […]. Sie werden natürlich empfinden, dass ich mit aller Kraft strebe, Ihnen so wenig Schande als möglich zu machen.“[5]

Eines dieser Werke wurde am 5. Juli 1851 unter dem Pseudonym Karl Würth bei einem Privatkonzert in Hamburg aufgeführt, jedoch hielten all diese frühen Werke der Selbstkritik Brahms nicht stand und wurden offensichtlich von ihm vernichtet.[6]

1.2 Entstehungsgeschichte

Für Brahms begann bereits 1848 ein neuer Lebensabschnitt, er hatte die Schule beendet und gab im selben Jahr seine ersten öffentlichen Konzerte. Nebenbei komponierte er weiter und versah diese Kompositionen mit Pseudonymen wie Kreisler jun., G.W. Marcks oder Karl Würth. Sein erster Klavierlehrer Otto Friedrich Willibald Cossel klagte schon ein paar Jahre zuvor:

„Der Hannes könnte so ein tüchtiger Klavierspieler werden, wenn er nur das ewige Komponieren lassen wollte.“[7]

Mit dem ungarischen Geiger Eduard Reményi veranstaltete Brahms dann regelmäßige Konzerte und so beschlossen sie 1853 auf eine Konzertreise zu gehen und besuchten dabei unter anderem Franz Liszt in Weimar. Nach Unstimmigkeiten trennen sich dort jedoch beide und Brahms landet nach einer Rheinwanderung schließlich bei den Schumanns, wo er herzlich aufgenommen wird. Schumann schreibt, nachdem er Brahms’ Klavierspiel und auch einige seiner Kompositionen gehört hat, am 28. Oktober 1853 in der „Neue Zeitschrift für Musik“ unter der Überschrift „Neue Bahnen“ folgendes:

„Es sind Jahre verflossen, - beinahe ebenso viele, als ich der früheren Redaktion dieser Blätter widmete, nämlich zehn -, dass ich mich auf diesem an Erinnerungen so reichen Terrain einmal hätte vernehmen lassen. Oft, trotz angestrengter produktiver Tätigkeit, fühlte ich mich angeregt; manche neue, bedeutende Talente erschienen, eine neue Kraft der Musik schien sich anzukündigen, wie dies viele der hochaufstrebenden Künstler der jüngsten Zeit bezeugen, wenn auch deren Produktionen mehr einem engeren Kreis bekannt sind. Ich dachte, die Bahnen dieser Auserwählten mit der größten Teilnahem verfolgend, es würde und müsse nach solchem Vorgang einmal plötzlich Einer erscheinen, der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre, einer, der uns die Meisterschaft nicht in stufenweiser Entfaltung brächte, sondern, wie Minerva, gleich vollkommen gepanzert aus dem Haupte des Kronion spränge. Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms (…) Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: das ist ein Berufener. Am Klavier sitzend, fing er an wunderbare Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen. Dazu kam ein ganz geniales Spiel, das aus dem Klavier ein Orchester von wehklagenden und lautjubelnden Stimmen machte. (…)“[8]

Mit diesem Artikel hat Schumann dem jungen, noch sehr unbekannten Brahms nicht gerade einen Gefallen getan. Brahms hatte noch kein einziges Werk unter seinem Namen herausgegeben und seine sowieso schon selbstkritische Haltung gegenüber seinen Kompositionen ist durch Schumanns Artikel mit Sicherheit noch verstärkt wurden. Der Brief vom 16. November von Brahms an Schumann trägt deutlich diese Züge:

„Verehrter Meister!

Sie haben mich so unendlich glücklich gemacht, dass ich nicht versuchen kann, Ihnen mit Worten zu danken. Gebe Gott, dass Ihnen meine Arbeiten bald den Beweis geben könnten, wie sehr Ihre Liebe und Güte mich gehoben und begeistert hat. Das öffentliche Lob, das Sie mir spendeten, wird die Erwartung des Publikums auf meine Leistungen so außerordentlich gespannt haben, dass ich nicht weiß, wie ich denselben einigermaßen gerecht werden kann. Vor allen Dingen veranlasst es mich zur größten Vorsicht bei der Wahl der herauszugebenden Sachen. (…)“[9]

In genau dieser Zeit entstand das Klaviertrio Nr.1 op. 8. Brahms hat laut Kalbeck dieses Trio während des Sommers 1853 skizziert und es während des Januars 1854 ausgearbeitet.[10] 1854 erschien dieses Werk dann bei Breitkopf & Härtel. Die Geschichte zu Zeit und Ort der Uraufführung dieses Werkes sind voller Irrtümer und sollen daher in einem eigenen Punkt behandelt werden.

[...]


[1] Eugenie Schumann: Erinnerungen. S. 13f. Diese Erinnerungen sind nicht genau datiert, beziehen sich aber vermutlich auf die letzten 1850er Jahre.

Abb. 1 und 2: http://www.brahms-institut.de/web/bihl_galerie/jb/jb-list.html

[2] Florence May: Johannes Brahms. S. 25f. Sie erzählt von einer Begegnung mit Brahms in einem seiner Konzerte im Winter 1881/1882.

[3] Robert Schumann: Neue Bahnen.

[4] Vgl.: Michael Kube: Brahms’ Klaviertrio H-Dur op. 8 (1854) und sein gattungsgeschichtlicher Kontext. S. 31f.

[5] Berthold Litzmann: Clara Schumann – Johannes Brahms. Briefe aus den Jahren 1853-1896. Band I. S. 2.

[6] Vgl.: Michael Kube: Brahms’ Klaviertrio H-Dur op. 8 (1854) und sein gattungsgeschichtlicher Kontext. S. 34.

[7] Zit. nach: Joseph Müller-Blattau: Der junge Brahms. S. 169.

[8] Robert Schumann: Neue Bahnen.

[9] Berthold Litzmann: Clara Schumann – Johannes Brahms. Briefe aus den Jahren 1853- 1896. Band I. S. 1f.

[10] Vgl.: Max Kalbeck: Johannes Brahms. Band I. S. 149.

Final del extracto de 20 páginas

Detalles

Título
Die Kammermusik von Johannes Brahms
Subtítulo
Das Klaviertrio Nr.1 op. 8 - Ein Werk mit zwei Geschichten
Universidad
University of Leipzig  (Institut für Musikwissenschaft)
Curso
Die Kammermusik von Johannes Brahms
Calificación
1,0
Autor
Año
2008
Páginas
20
No. de catálogo
V117256
ISBN (Ebook)
9783640196838
ISBN (Libro)
9783640205196
Tamaño de fichero
511 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
op. 8, Johannes, Brahms, Kreisler, E.T.A. Hoffmann, Kammermusik, Klaviertrio
Citar trabajo
Marie-Christin Heene (Autor), 2008, Die Kammermusik von Johannes Brahms, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117256

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