Bei dieser Arbeit handelt es sich um die Rezension des Artikels "Was denken Kinder, was Wörter sind?" von Kristin Schäfer. Der Artikel erschien in der Zeitschrift "Grundschulunterricht", Heft 5/2003. Allgemeiner Inhalt dieser Ausgabe sind Probleme des Grammatikunterrichts der Grundschule sowie Zielvorstellungen und didaktische Ansprüche, mit denen Grammatikunterricht verbunden ist. In dem Artikel von Frau Schäfer geht es darum, wie Kinder im Umgang mit Schriftsprache zu einem „richtigen“ Wortkonzept gelangen bzw. wie sich deren sehr individuelles Wortkonzept zur Zeit des Schuleintritts mit zunehmender Schrifterfahrung verändert. Bei der Rezension handelt es sich um eine Belegarbeit für das Seminar "Sprache und Sprachgebrauch untersuchen" im Rahmen des Grundschulpädagogikstudiums der Autorin.
Der Artikel „Was denken Kinder, was ‚Wörter’ sind?“ von Kristin Schäfer erschien in der Zeitschrift Grundschulunterricht, Heft 5/2003. Allgemeiner Inhalt dieser Ausgabe sind Probleme des Grammatikunterrichts der Grundschule sowie Zielvorstellungen und didaktische Ansprüche, mit denen Grammatikunterricht verbunden ist. Es wird dabei den folgenden Fragen nachgegangen:
- Was verändert sich im Sprachbewusstsein beim Übergang zur Schriftsprache?
- Welches grammatische Einstiegswissen muss beim Übergang zur Schriftsprache bei allen Kindern gesichert werden?
- Wie werden sprechsprachliche und schriftsprachliche Erwerbsstrukturen aufeinander bezogen?
- Warum werden die Besonderheiten der gewohnten gesprochenen Sprache erst im Vergleich zur Schriftsprache bewusstseinsfähig?
Auch wenn Kinder die Grammatik der Muttersprache mündlich einigermaßen sicher beherrschen, brauchen sie Hilfe beim Bewusstwerden darüber, was sie können, dies geschieht nicht von selbst. Ein wichtiges Anliegen des Heftes ist, dass Grammatikunterricht in der Grundschule das intuitive grammatische Vorwissen der Kinder aufgreift und dieses Wissen gemeinsam mit den Kindern reflektiert und weiter ausbaut.
Genau da setzt auch der Artikel von Frau Schäfer an: In dem Artikel geht es darum, wie Kinder im Umgang mit Schriftsprache zu einem „richtigen“ Wortkonzept gelangen bzw. wie sich deren sehr individuelles Wortkonzept zur Zeit des Schuleintritts mit zunehmender Schrifterfahrung verändert. Frau Schäfer geht ausführlich auf die unterschiedlichen Wortkonzepte vor und nach dem Erwerb von Schrifterfahrung ein. Unser Denken ist von Schrift geprägt: Eine Vorstellung davon, was ein „Wort“ überhaupt ist, ist nicht Natur gegeben, sondern ein Produkt schriftsprachlicher Entwicklung. Um ein Wortkonzept zu entwickeln, muss ein Kind sich intensiv mit der Schriftsprache auseinandersetzen.
Das Schreiben der Kinder bei Schuleintritt ist an ihrem Sprechen (und an akustischer Wahrnehmung) orientiert. Wortgrenzen werden deshalb zunächst nicht markiert. Im Laufe des 1. Schuljahres werden Segmentierungen von den Kindern sehr unterschiedlich gekennzeichnet. Dies liegt vermutlich daran, dass Kinder unterschiedliche Erfahrungen im
Umgang mit Texten machen. Schrift ist ständig präsent in unserer Umwelt: Beim Wahrnehmen von Schrift in unterschiedlichen Situationen bzw. Funktionen werden vom Kind Hypothesen über Schrift und die Funktion des Schriftsystems entwickelt und diese von außen entweder bestätigt oder negiert. Die verschiedenen Einheiten in Texten werden dabei aber vom Kind nicht sofort alle erfasst, für die Entwicklung eines grafischen Wortkonzeptes muss das Kind erst genügend Erfahrungen mit Schriftsprache sammeln.
Beim Sprechen könnten wir Wörter ohne Kenntnis der Schriftsprache nicht als Einzelnes hören: Die gesprochene Sprache ist ein Lautstrom, bei dem nicht nach dem Wort eine Pause gemacht wird. Die einzelnen Wörter, die wir beim Sprechen heraushören, hören wir „durch den Filter der Schrift“: Wir „sehen“ die Wörter also vielmehr, als dass wir sie wirklich hören. Beim Hören von unbekannten Fremdsprachen kann man dies beispielsweise testen. Erst die Erfahrung mit Schrift macht es möglich, Sprache als Gegenstand eigener Erkenntnismöglichkeit zu betrachten und dabei die inhaltliche Bedeutungsebene in den Hintergrund zu rücken. Vorher sind Kinder nicht in der Lage dazu: Sprache wird hier nur als Mittel eingesetzt, Inhalte zu transportieren.
Als erfahrener Schreiber wiederum hat man Schwierigkeiten, sich von der Schrift zu lösen. Man neigt sogar fälschlicherweise dazu, das Erkennen von Wörtern aus dem Sprechablauf als ein natürliches Vermögen („Intuition“) zu erachten.
Vor Schuleintritt bzw. im Anfangsunterricht benutzen Kinder zwar das Wort „Wort“, dieses Wortkonzept ist jedoch an einer semantischen Ganzheit (z.B. „roter Ball“ als ein Wort) orientiert und die Wahrnehmung von Sprache handlungspragmatisch ausgerichtet: z.B. ein roter Ball verkörpert für sie das reale Objekt Ball, der rot ist. Mit Beginn des zweiten Schuljahres können die meisten Kinder grammatische Einheiten durch Wortgrenzen kennzeichnen, allerdings stimmen diese Einheiten nicht immer mit denen unseres Schriftsystems überein. Es wird vielmehr nach individuellen Kriterien von den Kindern ganz verschieden segmentiert: Texte werden strukturiert durch Lücken, Striche, Punkte, Sterne, Umranden von Wörtern etc. Hierbei zeigt sich besonders deutlich, dass Schreiben nicht bloß „Nachahmen“ ist, sondern eine eigenkonstruktive Tätigkeit: d.h. eigenes Denken wird in einen Gesamtkomplex eingeflochten.
Das Denken der Kinder verändert sich durch den Umgang mit Schriftsprache: Sie entwickeln ein konkretes Bewusstsein von mündlicher und schriftlicher Sprache. Die Kinder stellen zunehmend fest, dass Gesprochenes nicht in einer bloßen Entsprechung verschriftet wird und strukturieren sich so ein grammatisches Wissen. Die Wahrnehmungen dieser vielschichtigen Strukturen sind individuell verschieden und bedürfen einer „Beleuchtung“ von außen, die ihnen hilft, dieses Wissen wahrzunehmen.
Abschließend geht Frau Schäfer noch einmal auf konkrete Unterschiede von gesprochener und geschriebener Sprache ein: Andere Formulierungen, unterschiedliche Kontrollfähigkeit, grammatische Bewusstheit etc. Schriftsprache bietet außerdem die Möglichkeit, Sprache durch die visuelle Darstellung zum Gegenstand geistiger Reflexion zu machen. Die Aneignung der Muttersprache erfolgt ohne solch visuelle Unterstützung.
Grammatik sollte ihrer Meinung nach nicht einfach nur „gepaukt“ werden, sondern von den Kindern selbst mit Unterstützung des Lehrers konstruiert werden, ausgehend von ihrem individuellen Vorwissen: Kinder als „Sprachforscher“ experimentieren mit dem Schriftsystem.
Zu der Zeit als der Artikel in der Zeitschrift „Grundschulunterricht“ erschien, war Kristin Schäfer Referendarin an der Grundschule Waldeck. Dies konnte ich der Zeitschrift entnehmen, ansonsten kann ich leider keine näheren Informationen zur Autorin geben.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Artikel "Was denken Kinder, was ‚Wörter’ sind?" von Kristin Schäfer?
Der Artikel untersucht, wie Kinder im Umgang mit Schriftsprache zu einem "richtigen" Wortkonzept gelangen und wie sich ihr individuelles Wortkonzept mit zunehmender Schrifterfahrung verändert. Es wird darauf eingegangen, dass unser Denken stark von Schrift geprägt ist und dass das Verständnis, was ein "Wort" ist, nicht angeboren, sondern ein Produkt schriftsprachlicher Entwicklung ist.
Wie beeinflusst der Übergang zur Schriftsprache das Sprachbewusstsein von Kindern?
Kinder orientieren sich beim Schreiben zunächst an ihrem Sprechen und der akustischen Wahrnehmung, weshalb Wortgrenzen anfangs nicht markiert werden. Im Laufe des ersten Schuljahres lernen sie, Segmentierungen unterschiedlich zu kennzeichnen, was von ihren individuellen Erfahrungen mit Texten abhängt. Sie entwickeln Hypothesen über Schrift und ihre Funktion, die durch ihre Umgebung bestätigt oder negiert werden.
Warum ist die Erfahrung mit Schrift so wichtig für die Entwicklung eines Wortkonzepts?
Ohne die Kenntnis der Schriftsprache können wir Wörter im gesprochenen Wortlaut nicht als Einzelnes wahrnehmen. Wir hören Wörter "durch den Filter der Schrift", d.h. wir "sehen" sie eher, als dass wir sie wirklich hören. Schrift ermöglicht es, Sprache als Gegenstand eigener Erkenntnis zu betrachten und die inhaltliche Bedeutungsebene in den Hintergrund zu rücken.
Wie verändert sich das Wortkonzept von Kindern im Laufe der Zeit?
Vor Schuleintritt ist das Wortkonzept von Kindern oft an einer semantischen Ganzheit orientiert (z.B. "roter Ball" als ein Wort) und die Wahrnehmung von Sprache handlungspragmatisch ausgerichtet. Mit Beginn des zweiten Schuljahres können die meisten Kinder grammatische Einheiten durch Wortgrenzen kennzeichnen, die jedoch nicht immer mit denen unseres Schriftsystems übereinstimmen. Sie strukturieren Texte durch Lücken, Striche, Punkte usw., was zeigt, dass Schreiben eine eigenkonstruktive Tätigkeit ist.
Welche Rolle spielt der Umgang mit Schriftsprache für das Denken von Kindern?
Durch den Umgang mit Schriftsprache entwickeln Kinder ein Bewusstsein von mündlicher und schriftlicher Sprache. Sie erkennen, dass Gesprochenes nicht einfach eins zu eins verschriftet wird und strukturieren sich so ein grammatisches Wissen. Diese Wahrnehmungen sind individuell verschieden und benötigen Unterstützung, um das Wissen wahrzunehmen.
Welche Schlussfolgerungen zieht Kristin Schäfer für den Grammatikunterricht?
Grammatik sollte nicht einfach nur gepaukt, sondern von den Kindern selbst mit Unterstützung des Lehrers konstruiert werden, ausgehend von ihrem individuellen Vorwissen. Kinder sollen als "Sprachforscher" mit dem Schriftsystem experimentieren.
- Citation du texte
- Anne-Kathrin Buse (Auteur), 2007, Rezension zu Kristin Schäfers Artikel „Was denken Kinder, was Wörter sind?“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117322