Seit mehr als zweihundertfünfzig Jahren wird das Wirtschaftswachstum von technischen Innovationen bestimmt. Zu den wichtigsten zählen die sogenannten Universaltechnologien wie Dampfmaschinen, Elektrizität oder Verbrennungsmotor. Jede dieser Erfindungen setzte eine Welle komplementärer Innovationen und Geschäftschancen frei. So entstanden im Gefolge von Verbrennungsmotoren beispielsweise Autos, Lastwagen, Flugzeuge oder Kettensägen; gleichzeitig entwickelten sich riesige Fachmärkte, Einkaufszentren, neue Lieferketten und (etwas weitergedacht) sogar neue Wohngebiete in Ballungszentren. Die wichtigste Universaltechnologie der heutigen Zeit ist die Künstliche Intelligenz (nachfolgend auch KI abgekürzt) und hier wiederum besonders das Maschinelle Lernen (ML), also die Fähigkeit von Maschinen, ihre Leistung zu verbessern, ohne dass Menschen ihnen genau erklären müssen, wie sie das bewerkstelligen sollen. Besonders in den letzten Jahren ist das Maschinelle Lernen sehr erfolgreich. Zum einen wissen wir Menschen viel mehr, als wir auszudrücken vermögen. Bei vielen Dingen fällt es uns schwer, unsere eigene Vorgehensweise zu erklären (zum Beispiel wie wir ein Gesicht wiedererkennen oder einen klugen Zug im altasiatischen Strategiespiel Go entwickeln).
Mit Big Data und Künstlicher Intelligenz wachsen bei vielen Menschen die Bedenken vor den Schattenseiten des technologischen Fortschritts. Datenerhebung und -verarbeitung sind allgegenwärtig, die Automatisierung mit Algorithmen schreitet schnell voran, und der Mensch kooperiert immer enger mit Maschinen und wird sogar teilweise schon von ihnen ersetzt. Künstliche Intelligenz verändert die Wirtschaft ebenso wie frühere Universaltechnologien. Und die Auswirkungen von KI werden im kommenden Jahrzehnt um ein Vielfaches größer sein, wenn Industrie, Einzelhandel, Logistik, Finanzen, Gesundheits- und Rechtswesen, Versicherungen, Unterhaltungsindustrie, Bildungswesen und praktisch jede Branche ihre Kernprozesse und Geschäftsmodelle auf die Nutzung von KI ausrichten. Diese Ausrichtung verändert gleichwohl die Gesellschaft, die Konsumenten, User, Verbraucher, Menschen, Systeme. Die einzig beschränkenden Faktoren liegen heute im Management, bei der Einführung der KI-Systeme (sowohl wirtschaftlich als auch politisch und gesellschaftlich) und in der Vorstellungskraft des Menschen.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- 1. Einleitung
- 2. Ist Systemtheorie auch auf künstliche Systeme anwendbar?
- 2.1 Konstruktivismus: Die Welt, wie sie mir gefällt
- 2.2 Die Lösung liegt im System: Ressourcen- und Lösungsorientierung
- 2.3 Weniger ist mehr: Komplexität reduzieren
- 2.4 Ethische Entscheidung und anschlussfähige Handlung
- 2.5 Eine Theorie biologischer und physikalischer Systeme
- 3. Impulse zu KI-Prinzipien aus der aktuellen Diskussion um KI-Ethik
- 3.1 Die Informationstechniker (Globale ITs)
- 3.1.1 Microsoft
- 3.1.2 Google
- 3.1.3 SAP
- 3.2 Die Algorithmenforscher und -entwickler
- 3.2.1 Institute of Electrical and Electronics Engineers IEEE
- 3.2.2 Asilomar Conference / Future of Life Institute (FLI)
- 3.2.3 One Hundred Year Study on Artificial Intelligence (AI100)
- 3.3 Zivilgesellschaftliche Initiativen
- 3.3.1 OpenAl
- 3.3.2 Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW
- 3.3.3 Initiative D21
- 3.3.4 iRights.Lab & Algorithmenethik (Bertelsmann Stiftung): Algo.Rules
- 3.4 Politisches Parkett: EU, Bund und Länder
- 3.4.1 Europäische Kommission
- 3.4.2 Bund/KI Enquete-Kommission
- 3.4.3 Länder: Beispiel Nordrhein-Westfalen
- 3.5 Querschnitt und Abgleich
- 4. Lassen sich professionsethische Erfolgskriterien identifizieren?
- 4.1 Gewünscht, machbar und erlaubt: Partizipative Leitbildentwicklung
- 4.2 Etablierung im (öffentlichen) Bewusstsein
- 4.3 Potenzielle Ansätze einer Institutionalisierung
- 5. Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit befasst sich mit der Frage, inwiefern sich systemtheoretische Konzepte auf die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) übertragen lassen. Die Arbeit analysiert die Diskrepanz zwischen wirtschaftsethischen Grundlegungen und der politischen Umsetzung von KI und untersucht die Herausforderungen, die sich aus der Interaktion von Mensch und Maschine ergeben.
- Systemische Ansätze in der KI-Forschung
- Ethische Implikationen von KI
- Politische Regulierung von KI-Technologien
- Die Rolle der Zivilgesellschaft im KI-Diskurs
- Mensch-Maschine-Interaktion
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 beleuchtet die Anwendbarkeit der Systemtheorie auf künstliche Systeme. Es werden zentrale Konzepte wie Konstruktivismus, Ressourcenorientierung und Komplexitätsreduktion diskutiert. Die ethischen Herausforderungen und die Bedeutung von anschlussfähigen Handlungen im Kontext von KI werden ebenfalls thematisiert.
Kapitel 3 analysiert die aktuellen Debatten um KI-Ethik und untersucht die verschiedenen Perspektiven von Informationstechnikern, Algorithmenforschern, zivilgesellschaftlichen Initiativen sowie politischen Akteuren. Die Arbeit stellt verschiedene Initiativen und Leitlinien vor, die zur Gestaltung einer verantwortungsvollen KI-Entwicklung beitragen sollen.
Kapitel 4 befasst sich mit der Frage, ob sich professionsethische Erfolgskriterien für den Einsatz von KI identifizieren lassen. Es werden Ansätze zur partizipativen Leitbildentwicklung, zur Etablierung im öffentlichen Bewusstsein und zur Institutionalisierung von KI-Ethik diskutiert.
Schlüsselwörter
Künstliche Intelligenz, Systemtheorie, KI-Ethik, Wirtschaftsethik, Politische Umsetzung, Algorithmen, Big Data, Autopoiesis, Bias, Mensch-Maschine-Interaktion, Zivilgesellschaft, Partizipative Leitbildentwicklung, Institutionalisierung.
- Quote paper
- Ioanna Gogolin (Author), 2019, Systemische Dimensionen der Künstlichen Intelligenz. Im Diskurs zwischen wirtschaftsethischer Grundlegung und politischer Umsetzung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1174153