Die Auswirkungen des DRG-Systems auf den Pflegesektor in deutschen Krankenhäusern


Seminararbeit, 2021

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Systementwicklung und gesetzliche Grundlagen

3 Die Klassifikation der deutschen DRGs im Gesundheitssystem

4 Auswirkung der DRGs auf den Pflegebereich im Krankenhaus
4.1 Allgemeinen Auswirkungen auf den Pflegesektor im Krankenhaus
4.2 Spezielle Auswirkungen auf den Pflegesektor im Krankenhaus am Beispiel der Arbeitsbelastung und des sich dadurch veränderndem beruflichen Selbstverständnis

5 Konklusion

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„‘Zulasten einer empathischen Arzt-Patienten-Beziehung droht der Patient zum Werkstück in einem industriellen Prozess zu werden.‘“ (Weimann zit. in Flintrop 2014)

Das Statistische Bundesamt gibt an, dass „[j]ede dritte Krankenhausentbindung im Jahr 2019 per Kaiserschnitt“ (Statistisches Bundesamt 2021a) durchgeführt wurde. Im bundesweiten Durchschnitt lag die Rate der durchgeführten Sectio Caesarea bei 29,6 %. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 1991 nur 15,3 % der Entbindungen auf chirurgische Weise herbeigeführt (vgl. ebd.). Bei der Kontrastierung dieser numerischen Darstellungen sticht prägnant hervor, dass sich die Kaiserschnittrate dabei nahezu verdoppelt hat. Verschiedene literarische Darstellungen identifizieren dafür anlässlich vergangener und gegenwärtiger Wandlungen im Gesundheitssystem und der Gesellschaft eine Variation an Begründungen, welche themenadaptiert nachfolgend nähere Betrachtung finden. Ein Vorwurf an das gegenwärtige „fallpauschalierende Vergütungssystem“ (Kolip et al. 2012, S. 6) rahmen sich um die Anschuldigung, dass „sich geplante Kaiserschnitte besser als vaginale Entbindungen in die organisatorischen Abläufe einer Klinik einbinden [lassen]“ (ebd.) und darin die Attraktivität dieses chirurgischen Verfahrens für die Kliniken begründet liegt. Ebenso offenbaren sich finanziell motivierte Rechtfertigungsansätze, bei welchen gewinnbringende Maßnahmen mit einem wirtschaftlichen Deckmantel getarnt werden, da durch eine entsprechende Fallpauschale mit angemessenem Entgeltbetrag gewisse Vergütungsanreize geschaffen werden, woraus sich die Präferenz der Schnittentbindung vor einer vaginalen Entbindung begründen lassen (vgl. ebd., S. 33). Ipso facto kann darin ein „Zusammenhang zwischen der Zielstellung einer optimalen Budgetausschöpfung und dem Kaiserschnittniveau“ (ebd., S. 84) gesehen werden. Weitere Erklärungsbemühungen zeichnen Aspekte der Personalsituation, des Ressourcenverbrauchs, der allgemeinen Plan- und Steuerbarkeit sowie „haftungsrechtliche Entwicklungen und die abnehmende Erfahrung der Geburtshelfer in der Betreuung komplizierterer Geburten“ (ebd., S. 7) ab.

Die hier erläuterte Darlegung illustriert stellvertretend Problematiken, die sich um das Finanzierungssystem deutscher Krankenhäuser rahmen. Fällt der Blick genauer auf das Fallpauschalensystem der deutschen „Diagnosis Related Groups“ (Bundesministerium für Gesundheit 2020) - im folgenden DRG benannt - so sticht schnell ein Quantum an Konkretisierungsansprüchen hinsichtlich des Charakters, der Klassifikation und Auswirkung unter Inkludierung konträrer Positionen prägnant heraus. Konkret soll sich mit folgender Fragestellung auseinandergesetzt werden: Welche Auswirkungen hat die Implementierung des DRG-Systems auf die Arbeitsprozesse des pflegenden Personals in deutschen Krankenhäusern? Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Fragestellung näher zu beleuchten und Argumente zu finden, welche die fragengeleitete Annahme verifizieren sowie die Betrachtungsweise amplifizieren.

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit sind zunächst die Bestrebungen zur konkreten Entwicklung des G(erman)-DRG-Systems sowie diesbezüglich relevante gesetzliche Grundlagen konkretisiert. Weiterhin sind Explikationen über die Klassifikation des Fallpauschalensystems in Deutschland unter Inkludierung von Erläuterungen zur Abbildung diagnosebezogener Kalkulationen angeschlossen. Infolgedessen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit unter dem Aspekt der allgemeinen Auswirkungen auf den Pflegesektor mit einer Reihe komplementärer und oppositiver Standpunkte und der ihnen innewohnenden kriterialen Attribute. Nachfolgend sind spezielle Auswirkungen auf den Pflegesektor in Hinblick auf die sich verändernde Arbeitsbelastung, sowie das sich in diesem Zusammenhang modifizierte berufliche Selbstverständnis im Zuge der DGR-Etablierung, näher erläutert. Im Resümee vollzieht sich der Zusammenschluss des vorangegangenen Inputs im Lichte der Ausgangsfrage unter Einbettung kritischer Anmerkungen.

Für die Literaturrecherche erfolgte zunächst eine Suche innerhalb der Datenbank der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), sowie im späteren Verlauf mit Hilfe der Suchmaschine Google in Hinblick auf die kombiniert und selektiv verwendeten Suchbegriffe „Auswirkungen German Diagnosis Related Groups (G-DRG)“ in digitaler und analoger Form in deutscher Sprache. Darüber hinaus fand eine Ausdehnung der Literatur über vor- und rückwärtsgerichtete Suche, sowie Hand- und Keywordsuche statt. Der Zeitraum, in welchem die Quellen erschienen sind, erstreckt sich von 2000 bis zum aktuellen Jahresdatum.

2 Systementwicklung und gesetzliche Grundlagen

Nachfolgend sind die Entwicklung des deutschen DRG-Systems sowie diesbezüglich relevante gesetzliche Grundlagen näher erläutert. Bis 2003 zeichneten sich die Abrechnungen von Leistungen im Gesundheitssektor durch eine Einzelleistungsvergütung aus, bei welcher „allgemeine Krankenhausleistungen über krankenhausindividuelle Pflegesätze vergütet [wurden], die je Tag des Krankenhausaufenthaltes zu zahlen waren.“ (Bundesministerium für Gesundheit 2020) Leistungen wurden demnach „retrospektiv, d.h. in Abhängigkeit vom tatsächlichen Ressourcenverbrauch, entlohnt.“ (Hilgers 2011, S. 27) Die entsprechenden Tagessätze wurden nicht leistungsorientiert und demgemäß unabhängig vom Behandlungsaufwand und Schweregrad der zu pflegenden Personen vergütet (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2020). Dies zeigte sich unter anderem in hohen stationären Verweildauern zur Generierung finanzieller Mittel für die Kliniken selbst (vgl. ebd.). Weiterhin wohnten diesem System die Nachteile der fehlenden Anreize zur wirtschaftlichen Gestaltung von Arbeitsprozessen, Ressourcenmanagement sowie Kostenreduktion inne (vgl. Hilgers 2011, S. 39 f.).

Neben diesen primär wirtschaftlich zentrierten Aspekten sieht sich das Gesundheitssystem im Verlauf der letzten Jahrzehnte mit vermehrt steigenden Kosten durch den demografischen Wandel konfrontiert. Das Statistische Bundesamt (2021) gibt an, dass „[d]ie Zahl der Menschen im Alter ab 65 Jahren [...] bereits zwischen 1990 und 2018 um 50 % von 11,9 Millionen auf 17,9 Millionen [stieg].“ (Statistisches Bundesamt 2021b) Darüber hinaus prognostiziert das Statistische Bundesamt (2021), dass „[i]n den nächsten 20 Jahren [.] diese Zahl um weitere 5 bis 6 Millionen auf mindestens 22,7 Millionen wachsen [wird].“ (ebd.) Durch die gegenwärtig zunehmende Bevölkerungsalterung steigt die Nachfrage nach medizinisch-pflegerischen Leistungen bei gleichzeitigem Druck eines gedeckelten Systems finanzieller Ressourcen. Zur objektiven Abbildung von Kosten wurden daher in der Vergangenheit betriebswirtschaftliche Elemente mit Hilfe des Fallpauschalensystems der DRGs kongruiert, um ein transparentes Vergütungssystem zu konzipieren, welches zurecht als Vergütungsreform des

Gesundheitssektors betitelt werden kann. Seit 2004 erfolgt die Vergütung von Krankenhausleistungen nun nicht mehr retrospektiv, sondern prospektiv (vgl. Hilgers 2011, S. 27). Dies bedeutet, dass „sich das Entgelt primär basierend auf der Erkrankung des Patienten zu Beginn des Krankenhausaufenthalts [berechnet].“ (ebd.)

Diesem Zwangsgefüge nach Wirtschaftlichkeit und Nachfragedruck stattgebend, konzipierte der Gesetzgeber diese neue Form der Vergütung und beschrieb damit einen Paradigmenwechsel im Gefüge des Gesundheitssystems in Deutschland. Das deutsche DRG-System erfüllt dabei als diagnosebezogenes Fallpauschalensystem die Kriterien eines „ ‘durchgängige[n], leistungsorientierte[n] und pauschalierende[n] Vergütungssystem‘ (§ 17b Abs. 1 Satz 1 DRG-Fallpauschalensystem KHG)“ (Bundesministerium für Gesundheit 2020, H. i. O.) und zielt darauf ab, Leistungsqualität, Kosten und Liegezeit der Patient/Innen sowie finanzielle, personelle und materielle Ressourcen in ein sinnvolles Verhältnis zu setzen. Unter Einhaltung eines in spezifische Phasen gegliederten Plans erfolgte die schrittweise Umsetzung des Systems (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2020). Die Leistungen der Krankenhäuser sind über das deutsche DRG-System gemäß des Paragraphen 17 b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes finanziell gedeckt (vgl. ebd.). Dieses „Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze“ (Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 2021a) datiert in Paragraph 17 b Festlegungen für die „Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für DRG-Krankenhäuser“ (ebd.), dass für „die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen [...] ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem [gilt]“ (ebd.). Darüber hinaus muss das Vergütungssystem ebenso dazu dienen, „Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden“ (ebd.) und gleichermaßen einen praktikablen Differenzierungsgrad beinhalten. Ferner werden „Einzelheiten der Vergütung der DRG-Krankenhäuser [.] im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), im Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und in der Fallpauschalenvereinbarung der Selbstverwaltungspartner geregelt.“ (Bundesministerium für Gesundheit 2020). Weiterhin ist im Paragraph 70 des Sozialgesetzbuchs V datiert, dass „[d]ie Krankenkassen und die Leistungserbringer [.] eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten [haben]. Die Versorgung der Versicherten muß [sic] ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß [sic] in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.“ (Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 2021b).

Seit dem vergangenen Jahr wurde „die Krankenhausvergütung auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung (Pflegebudget) umgestellt.“ (Bundesministerium für Gesundheit 2020, H. i. O.) Mit Inkrafttreten des „Pflegepersonal­Stärkungsgesetz - PpSG, [...] zum 1. Januar 2019“ (ebd.) sollen demnach Personalkosten des zu pflegenden Personals - begrenzt auf bettenführende Stationen - eine von fallzentrierten Pauschalbeträgen unabhängige Vergütung erfahren. Zuzüglich dessen „wurden tagesbezogene Bewertungsrelationen für einen Pflegeerlöskatalog berechnet, der als separate Spalte in den Fallpauschalen-Katalog integriert wurde.“ (ebd.) Der tatsächliche Pflegeerlös der

entsprechenden Aufenthaltsdauer des/der zu Pflegenden errechnet sich dabei aus dem Produkt „des Pflegeentgeltwertes mit der maßgeblichen Pflegeerlös-Bewertungsrelation und den Berechnungstagen“ (ebd.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen des DRG-Systems auf den Pflegesektor in deutschen Krankenhäusern
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Einführung in das Gesundheitssystem
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
20
Katalognummer
V1174193
ISBN (eBook)
9783346593337
ISBN (Buch)
9783346593344
Sprache
Deutsch
Schlagworte
DRG, DRG-System, Pflegesektor, Krankenhäuser, Deutschland, Fallpauschalen
Arbeit zitieren
Mareike Scheibel (Autor:in), 2021, Die Auswirkungen des DRG-Systems auf den Pflegesektor in deutschen Krankenhäusern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1174193

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