Die relativ tolerante Judenpolitik der ostfriesischen Grafen und Fürsten hatte der
ostfriesischen Judenschaft recht freiheitliche Lebensbedingungen
geschaffen.1Durch die Schutzbriefe des Landesherrn genossen die so genannten
„vergleiteten“ Schutzjuden eine gewisse Rechtssicherheit.2In den
Judenschutzbriefen waren alle wichtigen Lebensbereiche der Schutzjuden
geregelt, z.B. der Schutz der Persönlichkeit, der Wohnung, der
Religionsausübung, der Handelserlaubnis, der Organisation der Gemeinden und
der Höhe des Schutzgeldes. Die Schutzbriefe oder Generalgeleite hatten eine
Laufzeit von bis zu 20 Jahren und wurden beim Tode des Grafen oder Fürsten
von dessen Nachfolger erneuert.3
1726/27 kam es im Appellkrieg zu einem Konflikt zwischen dem Fürsten Georg
Albrecht (1708- 1734) und einem Teil der Stände, aus dem der Fürst als Sieger
hervorging. Auch die an der Spitze der renitenten Stände stehende Stadt Emden
musste sich unterwerfen. Die innenpolitischen Verhältnisse blieben weiter so
gespannt, dass sich 1734 nach der Regierungsübernahme des letzten Fürsten von
Ostfriesland, Carl Edzard, ein Herrschaftswechsel andeutete.4 Die Stadt Emden,
durch den Krieg wirtschaftlich geschwächt und politisch isoliert, versuchte
seinen Rang als alte ständische Hauptstadt Ostfrieslands wiederzugewinnen.5
„Emden ruft noch einmal die Generalstaaten zu Hilfe. Da diese sich aber
desinteressiert zeigen, wendet sich die Stadt durch Vermittlung des Kreis -
Direktorialrats Homfeld an Preußen.“6 Daraufhin kam es 1744 zur Emder
Konvention, in der die Stadt Emden das preußische Nachfolgerecht anerkannte,
wenn Emdens Privilegien auf Grundlage der alten Landesverträge bestätigt
werden sollten. Aufgrund einer von Kaiser Leopold 1694 ausgestellten
Exspektanz hatten die Hohenzollern für den Fall des Aussterbens der Cirksena
das Recht auf Belehnung des Fürstentums Ostfrieslands erhalten.7 1744 starb
Carl Edzard ohne Erben. Mit ihm war der Mannesstamm der Cirksena
erloschen. 8 [...]
1 Vgl.:Rokahr: Die Juden in Esens, S.48.
2 Vgl.: Brilling , Jüdische Gemeinde in Emden, S.217.
3 Vgl. zu diesem Abschnitt: Rokahr: Die Juden in Esens, S. 48f.
4 Vgl.: Schnath : Geschichte des Landes Niedersachsen, S.115f.
5 Vgl. dazu: Schmidt: Politische Geschichte Ostfrieslands, S.328.
6 Zit. nach: Schnath : Geschichte des Landes Niedersachsen, S.116.
7 Vgl.: Schmidt: Politische Geschichte Ostfrieslands, S328.
8 Vgl. dazu : Schnath : Geschichte des Landes Niedersachsen, S.116.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Vorrausetzungen für die Einwanderung der Juden nach Ostfriesland
- 1.1. Ansiedlung der Juden in Ostfriesland
- 1.2. Konjunkturelle und soziale Vorrausetzungen für die Einwanderung der Juden nach Ostfriesland
- 2. Herrschaftskonflikte
- 2.1. Konflikte in der Zeit der Ständekämpfe (1570-1744)
- 2.2. Konflikte zwischen Ständen und Juden
- 3. Lokale Situation der Juden
- 3.1. Vergleich der Situation der Juden im Fürstentum und unter preußischer Herrschaft
- 3.2. Juden in Emden
- 3.3. Juden in Aurich
- 3.4. Juden in Esens
- 4. Auswirkungen des Herrschaftswechsels und abschließende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Geschichte der Juden in Ostfriesland und beleuchtet insbesondere die Auswirkungen des Herrschaftswechsels von der ostfriesischen Herrschaft auf preußische Herrschaft im 18. Jahrhundert. Sie analysiert die rechtlichen, sozialen und ökonomischen Bedingungen, unter denen die Juden in Ostfriesland lebten, und die Veränderungen, die sich durch die preußische Judenpolitik ergaben.
- Ansiedlung und Lebensbedingungen der Juden in Ostfriesland unter der Herrschaft der ostfriesischen Grafen und Fürsten
- Die Konflikte zwischen den Ständen und den Juden im 17. und 18. Jahrhundert
- Die Auswirkungen des preußischen Herrschaftswechsels auf die Lebensbedingungen der Juden
- Die preußische Judenpolitik und ihre Folgen für die ostfriesische Judenschaft
- Die Rolle der Juden in der ostfriesischen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über die Lebensbedingungen der Juden in Ostfriesland unter der Herrschaft der ostfriesischen Grafen und Fürsten. Sie stellt die Schutzbriefe der Landesherrn und deren Bedeutung für die Rechtssicherheit der Juden in den Vordergrund.
Das erste Kapitel beleuchtet die Vorrausetzungen für die Einwanderung der Juden nach Ostfriesland. Hier werden die Ansiedlung der Juden und die konjunkturellen und sozialen Bedingungen, die die Einwanderung begünstigten, genauer betrachtet.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den Herrschaftskonflikten in Ostfriesland und deren Auswirkungen auf die Juden. Die Konflikte zwischen den Ständen und dem Landesherrn, sowie die Konflikte zwischen den Ständen und den Juden, werden hier detailliert behandelt.
Das dritte Kapitel stellt die lokale Situation der Juden in Ostfriesland dar. Es werden die Lebensbedingungen der Juden in den Städten Emden, Aurich und Esens untersucht und mit der Situation der Juden im Fürstentum verglichen.
Schlüsselwörter
Juden in Ostfriesland, Herrschaftswechsel, preußische Judenpolitik, Schutzbriefe, Ständekämpfe, Emden, Aurich, Esens, rechtliche und ökonomische Bedingungen, Schutzgelder, Antrittsgelder.
- Citation du texte
- Markus Schubert (Auteur), 2003, Juden in Ostfriesland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11745