Der Vertrag von Lissabon und die Demokratie


Hausarbeit, 2020

23 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Gliederung

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Hinweis zur Genderneutralität

1 Einleitung

2 Demokratie in der EU

3 Demokratiedefizit in der EU vor dem Lissabonner Vertrag

4 Der Lissabonner Vertrag
4.1 Allgemeines
4.2 Ziele
4.3 Auswirkungen des Lissabonner Vertrags auf die Demokratie
4.3.1 Auswirkungen auf die indirekte Demokratie
4.3.2 Auswirkungen auf die direkte Demokratie

5 Demokratische Fortschritte durch den Lissabonner Vertrag

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung: Wahlbeteiligung Europawahl in % und nach Jahr

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird die Sprachform des generischen Maskulinums verwendet. Die Verwendung der männlichen Form wird geschlechtsunabhängig verstanden.

1 Einleitung

Bereits in der Präambel des EUV wird verdeutlicht, dass Demokratie in der EU neben Menschenrechten, Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit zu den universellen Werten zählt. Diese Werte sind nicht nur deklaratorisch, sondern entfalten auch konkrete Konsequenzen für EU-Mitgliedsstaaten, da sie Voraussetzungen für einen EU-Beitritt (Art. 49 EUV) darstellen und Verletzungen ebendieser Werte sanktioniert werden (Art. 7 EUV).1

Dennoch kursieren in der politischen Diskussion Vorwürfe, die EU sei aufgrund unzureichender Legitimität des politischen Systems undemokratisch und leide an Demokratiedefiziten. Kritisiert werden trotz der demokratischen Legitimation der europäischen Organe die schwache Stellung des EP und zu geringe Partizipationsmöglichkeiten der Unionsbürger. Das EP wird in der weltweit zweitgrößten demokratischen Wahl (nur in Indien gibt es mehr Wahlberechtigte) alle fünf Jahre direkt gewählt und im Rat sitzen Vertreter demokratischer Regierungen der Mitgliedstaaten.2 Daher dürften eigentlich keine Zweifel an den demokratischen Grundlagen in der EU aufkommen.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, im Rahmen einer Literaturrecherche zu eruieren, ob und inwiefern die EU durch den VvL demokratischer geworden ist und Demokratiedefizite reduziert werden konnten. Für die literaturbasierte Untersuchung wurde ausgehend vom Inhalt des Skriptes des Moduls vom Literaturangebot der Online-Datenbanken „beck-online“ und „Nomos“, der Online-Bibliothek der Uni Kassel „KARLA“ und der Rheinischen Landesbibliothek Gebrauch gemacht.

2 Demokratie in der EU

Der griechische Staatsmann Perikles (ca. 500 – 429 v. Chr.) definierte Demokratie als Regierungsform, bei der der Staat nicht auf wenige, sondern die Mehrheit ausgerichtet ist.3 Gem. Art. 2 EUV verpflichtet sich jeder EU-Mitgliedsstaat durch seinen EU-Beitritt zur Demokratie. Dieses demokratische Grundverständnis wird in den Mitgliedsstaaten zum Teil unterschiedlich interpretiert und angewendet.4 An dieser Stelle wird jedoch nicht die Demokratie einzelner Mitgliedsstaaten untersucht, sondern ein Blick auf die übergeordnete Demokratietheorie der EU geworfen.

Dabei erweist es sich als schwierig, eine eindeutige und umfassende Begriffsbestimmung der europäischen Demokratie zu treffen, da die Meinungen über den Inhalt der Demokratie äußerst vielfältig sind.5 Demokratie zu definieren, ist bereits „für ein geschlossenes Gemeinwesen wie die Bundesrepublik Deutschland schwierig“6, sodass die Begriffsbestimmung im supranationalen Zusammenhang noch einmal erheblich erschwert ist.7

Wesentlich in einer demokratischen Ordnung ist vor allem die „Beteiligung der Adressaten der Herrschaft an der Herrschaftsausübung“8 und eine Legitimation der Herrschaft.9 Volksbeteiligung grenzt Demokratie von anderen Regierungsformen ab, wobei die Herrschaftsausübung anhand ununterbrochener Legitimationsketten auf den Willen des Volkes zurückführbar sein sollte.10 Die Volksbeteiligung kann unterschiedlich ausgestaltet sein, allerdings wird hinsichtlich der Demokratie zwischen zwei Grundtypen differenziert: direkte und indirekte Demokratie.

Bei direkter (auch partizipativer) Demokratie gehen politische Entscheidungen unmittelbar vom Volk aus. Sie umfasst Verfahren, durch die stimmberechtigte Bürger politische Sachfragen selbst und unmittelbar in Abstimmungen entscheiden oder auf die politische Agenda setzen können.11 Direkte Demokratie ist regelmäßig eine Ergänzung des politischen Entscheidens in indirekten Demokratien.12 Bei indirekter (auch repräsentativer) Demokratie wird die Herrschaftsausübung auf Repräsentanten übertragen, die politisch verbindliche Entscheidungen im Rahmen der Verfassungsordnung treffen.13

Die Arbeitsweise der EU beruht gem. Art. 10 Abs. 1 EUV grundsätzlich auf repräsentativer Demokratie. Neue Gesetze werden durch die EK vorgeschlagen und vom demokratisch gewähltem EP sowie nationalen Ministern, die demokratisch gewählte Regierungen im Rat vertreten, verhandelt und verabschiedet.14 Indirekte Demokratie der EU wird dadurch gekennzeichnet, dass Unionsbürger politische Rechte besitzen und ab 18 Jahren - außer in Griechenland (17) und Österreich (16) sowie Malta (16) - sowohl aktives als auch passives Wahlrecht für das seit 1979 unmittelbar gewählte EP innehaben.15 Das EP repräsentiert die Unionsbürger und überträgt ihnen zumindest indirekt eine Einflussmöglichkeit auf die europäische Gesetzgebung.16 Auch wenn Art. 10 Abs.1 EUV den Grundsatz repräsentativer Demokratie festlegt, werden direktdemokratische Elemente nicht ausgeschlossen. So wird die indirekte Beteiligung durch direktdemokratische Elemente wie das Petitionsrecht ergänzt (Art. 44 Grundrechtscharta).

3 Demokratiedefizit in der EU vor dem Lissabonner Vertrag

„Die EU hat ein Demokratiedefizit.“ Diesen Vorwurf erheben Europagegner und stellen die Legitimation europäischen Handelns infrage.17 Insbesondere vor dem VvL kursierten Vorwürfe, die europäische Demokratie sei defizitär, wobei die Literatur von der Darstellung geringer Mängel bis hin zu der Feststellung, die EU sei nicht demokratiefähig, reicht.18

Ein Demokratiedefizit resultierte aus der Besetzung des EP.19 Die Sitze im EP wurden nicht 1:1 im Verhältnis zur Bevölkerung auf die Mitgliedsstaaten verteilt, sondern es erfolgte eine degressiv proportionale Verteilung, bei der der Einfluss der Bevölkerungszahl auf die Anzahl der Sitze bei größerer Bevölkerung immer mehr abnimmt.20 Somit wurden Wahlberechtigte in bevölkerungsmäßig größeren Mitgliedstaaten benachteiligt, während diejenigen in kleinen Mitgliedstaaten verhältnismäßig überrepräsentiert waren.21

Aufgrund der unmittelbaren Wahl der Abgeordneten durch das Volk stellt das EP das Repräsentativorgan der Unionsbürger dar. Gerade Entscheidungen des unmittelbar vom Volk gewählten Parlaments beruhen auf höherer Legitimation als die einer lediglich mittelbar auf das Volk zurückzuführenden Regierung.22 Folglich existiert in vielen Staaten der Parlamentsvorbehalt, bei dem wesentliche Entscheidungen einer direkten Zustimmung des gewählten Parlaments bedürfen.23 Verglich man das EP vor dem VvL bspw. mit dem deutschen Bundestag, so besaß es verhältnismäßig geringe Kompetenzen, traf wesentliche Entscheidungen nicht alleine und nahm eine eher schwache Stellung ein, aus der ein weiteres Demokratiedefizit resultierte.24 Verantwortungen werden in der EU auf verschiedene Organe verteilt, sodass die EU als Staaten- und Verfassungsverbund über eine duale Legitimationsstruktur verfügt, da Handlungen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU auf unionalen (EP) und nationalen (ER bzw. Rat) Legitimationssträngen beruhen.25 Es existiert eine „Verantwortungsdiversifizierung und Steuerungskumulierung“26. So ist unter anderem das Gesetzgebungsverfahren nicht alleine Aufgabe des EP, sondern auch der EK und des Rates ("institutionelles Dreieck").27 Kritisiert wurden daher vor dem VvL bezugnehmend auf das EP beispielsweise Defizite im Gesetzgebungsverfahren wie fehlende Gesetzesinitiative oder generell eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz, sowie unzureichende Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem Rat.28

Infolge der schwachen Stellung des EP existierten außerdem Demokratiedefizite bei direktdemokratischen Elementen, wie dem seit dem Vertrag von Maastricht (Inkrafttreten 01.11.1993) existierenden Petitionsrecht (Art. 44 Grundrechtscharta). Dieses erlaubt Unionsbürgern Petitionen an das EP zu richten, die praktisch jedoch eher wirkungslos erschienen, wenn berücksichtigt wurde, dass die EK „das Initiativmonopol im Gesetzgebungsverfahren“29 hatte und das EP Gesetze lediglich verhandelte und verabschiedete.

Der VvL sollte bestehende Demokratiedefizite lösen oder zumindest mindern. Ob und inwiefern dies gelungen ist, wird im Folgenden erläutert.

[...]


1 Bächler, 2015, 4.

2 EK Vertretung in Deutschland, 2019.

3 Vorländer, 2017.

4 De Melo, 2020: 8.

5 Schiffauer, 2014: 11.

6 Kirsch, 2008: 37.

7 Schiffauer, 2014: 10ff.

8 Bächler, 2015: 5.

9 Kirsch, 2008: 77.

10 Ebd.; Schiffauer, 2014: 10.

11 Kost, 2013: 10.

12 Ebd.

13 Ebd.

14 EK Vertretung in Deutschland, 2019.

15 EP (5), 2020; Huber, in: Streinz/Michl, Art. 10 EUV, Rn. 24.

16 Möstl, 2010: 83.

17 EK Vertretung in Deutschland, 2019.

18 Bollmohr, 2017: 68.

19 Möstl, 2010: 69.

20 Bächler, 2015: 13; Lenz/Gerhard, 2019: Rn. 14.

21 Lenz/Gerhard, 2019: Rn. 14.

22 Schmitz, 2010: 128.

23 Ebd.

24 Kirsch, 2008: 48; Möstl, 2010: 69.

25 Huber, in: Streinz/Michl, Art. 10 EUV, Rn. 25.

26 Ebd.: 17.

27 EP Verbindungsbüro in Deutschland, o.J.

28 Kirsch, 2008: 48; Möstl, 2010: 69.

29 Sauer, 2010: 29.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Der Vertrag von Lissabon und die Demokratie
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,7
Jahr
2020
Seiten
23
Katalognummer
V1175509
ISBN (eBook)
9783346596130
ISBN (Buch)
9783346596147
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europarecht, Vertrag von Lissabon, Lissabonvertrag, Demokratie, Europäisches Mehrebenensystem, Mehrebenensystem, Demokratiedefizit, EU, Europa, Völkerrecht, Europäische Kommission, Europäisches Parlament, Europäische Union, EUV, AEUV
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Anonym, 2020, Der Vertrag von Lissabon und die Demokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1175509

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