Die Einheitlichkeit des Menschenbildes im klassischen Realismus. Eine vergleichende Analyse von Reinhold Niebuhr und Hans J. Morgenthau


Examensarbeit, 2021

101 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Hans J. Morgenthau und das „Realismus-Idealismus-Puzzle“
2.1 Morgenthaus Schweigen
2.2 Eine kurze Erzählung des Realismus
2.3 Ein Leben - viele Facetten
2.4 Die ,rätselhafte‘ Kritik an der US-Außenpolitik

3. Von der Entwicklung eines Menschenbildes
3.1 Kindheit und Jugend (1904-1922)
3.1.1 Hoffen und Bangen
3.1.2 Ein Skript fürs Leben
3.2 Studienjahre (1922-1927)
3.2.1 Strohhalme eines Ertrinkenden
3.2.2 Denkursprünge eines Realisten
3.3 Referendariat, Promotion, Staatsexamen (1927 -1932)
3.3.1 Ein Ende und ein Anfang
3.3.2 Der ,Tod Gottes‘ und die Folgen
3.4 Genf und Spanien (1932 - 1937)
3.4.1 Vom Regen in die Traufe
3.4.2 Über das Wesen des Politischen
3.5 Synthese zwischen Altem und Neuem
3.5.1 Vom Ende einer Odyssee
3.5.2 Die tragische Qualität menschlicher Existenz
3.5.3 Von der Übersetzung des Denkens
3.6 Hans J. Morgenthau: ,synthetic thinker‘

4. Reinhold Niebuhr und der Weg ,Beyond Tragedy‘
4.1 Von Freiheit, Angst und Sünde
4.2 Über das Tragische hinaus

5. Die Wiederverzauberung der Welt

6. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Wissenschaftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien trägt den Titel: „Die Einheitlichkeit des Menschen­bildes im klassischen Realismus. Eine vergleichende Analyse von Reinhold Nie­buhr und Hans J. Morgenthau.“ Dieser Titel wirft eine ganze Reihe von Fragen auf, die im Vorfeld der eigentlichen Arbeit geklärt werden müssen: Was versteht der Autor unter ,klassischem Realismus‘? Was ist unter dem Attribut ,Einheitlichkeit‘ zu verstehen? Warum werden ausgerechnet Morgenthau und Niebuhr betrachtet? Worum handelt es sich bei einer vergleichenden Analyse‘?

Christoph Rohde beschreibt den Begriff wie folgt: „Der Klassische Realismus ist klassisch deshalb, da er auf einer spezifischen und expliziten Vorstellung vom Men­schen gegründet ist.“ (Rohde 2004: 79; Hervorhebung im Original) In diesem Sinne wird der Begriff als Sammelbegriff für alle Spielarten des Realismus verwendet, die ihre Aussagen über das Wesen des internationalen Systems aus einer Übertra­gung anthropologischer Annahmen auf ebenjenes System internationaler Beziehun­gen herleiten und dient damit insbesondere der Abgrenzung zu neueren Spielarten des Realismus wie denNeo-Realismus im Sinne Kenneth Waltz‘, der seine Theorie nicht aus dem Wesen des Menschen sondern aus dem Wesen des internationalen Systems an sich herleitet. Eine Folge dieser in der akademischen Disziplin Interna­tionale Beziehungen etablierten, vergleichsweise vagen Definition des klassischen Realismus als Theorietradition ist, dass große Uneinigkeit darüber besteht welche Autoren, Politiker, Philosophen und Wissenschaftler dieser Tradition zuzuordnen sind. So konstatiert Gert Krell in einem Lehrbuch zur Disziplin eine große „Hete­rogenität der Praxis“ (Krell & Schlotter: 144) hinsichtlich der dem Realismus zu­geordneter Autoren, dass diese Heterogenität in der wissenschaftlichen Disziplin nur zum Teil abgebildet wird und zu vielen Missverständnisses bezüglich des Rea­lismus als politisch-philosophischer Tradition und ihm zugeordneter Autoren führt. Unter den zeitgenössischen Autoren ist die Zugehörigkeit eines Wissenschaftlers zum Realismus wohl am wenigsten bestritten - zumindest entsteht dieser Eindruck nach Lektüre einschlägiger Lehrbücher1. Bei diesem Wissenschaftler handelt es sich um den in Deutschland geborenen und später hauptsächlich in den Vereinigten Staaten tätigen Politikwissenschaftler Hans Joachim Morgenthau. Es wird sich des­halb der Expertise eines ehemaligen Schülers Morgenthaus und Begründers des ,Synoptischen Realismus‘ angeschlossen, der den Begriff ,Klassischer Realismus‘ als synonym anwendbar für das Werk Hans J. Morgenthaus hält (Kindermann 2010: 41). Um nun die angesprochenen Missverständnisse zu vermeiden, wird deshalb unter Klassischem Realismus - so die erste Setzung dieser Arbeit - hier jene Spiel­art des Realismus bezeichnet, die vom Politikwissenschaftler Hans J. Morgenthau im Laufe seiner akademischen Karriere in unterschiedlichen Schriften entwickelt wurde.

Im Vorwort zur deutschen Ausgabe des ursprünglich 1948 veröffentlichten Buches Morgenthaus Politics Among Nations schreibt Kindermann außerdem: „Als Be­gründer ihrer (der realistischen Schule; Anmerkung SG) philosophischen Tendenz gilt [...] zu Recht der als ,Vater‘ der Realistischen Schule bezeichnete Theologe Reinhold Niebuhr. Als ihr bedeutendster politikwissenschaftlicher Theoretiker wird Professor Hans J. Morgenthau [.] betrachtet.“ (Kindermann 1963: 45) Reinhold Niebuhr - ein amerikanischer Theologe und Philosoph, ebenfalls mit deutschen Wurzeln, von Morgenthau selbst als „greatest living political philosopher of Ame­rica“ (Morgenthau 2001: 109) bezeichnet, war ein Kollege Morgenthaus an der Universität in Chicago und langjähriger Freund und Weggefährte. Niebuhr entwi­ckelte eine eigene Form des Realismus, den sogenannten ‘Christlichen Realismus' und stellte trotz bestehender inhaltlicher und intellektueller Differenzen für Mor- genthau einen wichtigen Bezugspunkt während seiner amerikanischen Karriere dar: „Reinie and I come out about the same on politics, but I do not need all his meta­physics to get where we both get.” (Marty 1976: 569) Es darf vor diesem Hinter­grund nicht verwundern, dass Michael Smith kurz im Anschluss an Morgenthaus Tod 1980 die These aufstellt, „Morgenthau, trained in political theory and interna­tional law, sought to incorporate Niebuhrs insights (in the process, of course, secularizing them) into a general theory of international politics.“ (Smith 1986: 134)

Die Frage nach der Einheitlichkeit des Menschenbildes im Realismus Hans J. Mor- genthaus beinhaltet demnach zwei unterschiedliche Dimensionen: Eine vertikale und eine horizontale Dimension. Die vertikale Dimension stellt die Frage nach der Einheitlichkeit des Menschenbildes Hans J. Morgenthaus im Zeitverlauf, also nach der Kontinuität des Menschenbildes im Verlauf seines persönlichen und insbeson­dere akademischen Lebens. Die horizontale Dimension stellt die Frage nach der Einheitlichkeit des Menschenbildes im Hinblick auf das hier betrachtete Ver­gleichsobjekt, nämlich das Menschenbild Reinhold Niebuhrs, also ein Vergleich zwischen dem Menschenbild des im Sinne der ersten Setzung dieser Arbeit Ras­sischen Realismus‘ und des durch Reinhold Niebuhr begründeten ,Christlichen Re­alismus‘. Auf Grundlage dieser zweidimensionalen Konzeption des Begriffes Ein­heitlichkeit formuliere ich folgende forschungsleitende Fragestellungen:

1. Inwieweit ist das Menschenbild Hans J. Morgenthaus im Laufe seines Le­bens, Wandel und Änderungen unterworfen und welche Prozesse, Erfah­rungen und Einflüsse sind für diesen Wandel verantwortlich?
2. Inwieweit kann hinsichtlich des ,Klassischen Realismus[4] nach Hans J. Morgenthau und dem ,Christlichen Realismus[4] nach Reinhold Niebuhr von einem ,einheitlichen‘ Menschenbild gesprochen werden?

Um der vertikalen Dimension der hier zu untersuchenden Eigenschaft ,Einheitlich- keit‘ Rechnung zu tragen, werden im Laufe der Arbeit an bestimmten Punkten (Ka­pitel 3.1.2, 3.2.2, 3.3.2, 3.4.2, und 3.5.2) Darstellungen des Menschenbildes Mor- genthaus vorgenommen, die in den chronologischen Ablauf seines Lebens (Kapitel 3.1.1, 3.2.1, 3.3.1, 3.4.1 und 3.5.1) eingebettet sind. Um der Frage, inwieweit hin­sichtlich des Rassischen[4] und des ,Christlichen‘ Realismus von einem ,einheitli- chen‘ Menschenbild gesprochen werden kann, auf den Grund zu gehen, wird zu­nächst im Kapitel 4.1 das Menschenbild Reinhold Niebuhrs skizziert und in Kapitel

4.2 Niebuhrs Weg ,Beyond Tragedy[4] beschrieben. Diese Ausführungen dienen im Kapitel 5 einem Vergleich des Menschenbildes Niebuhrs und Morgenthaus. Im die Arbeit abschließenden 6. Kapitel wird ein die Erkenntnisse zusammenfassendes Fa­zit hinsichtlich der hier formulierten Forschungsfragen gezogen.

2. Hans J. Morgenthau und das „Realismus-Idealismus- Puzzle“

2.1 Morgenthaus Schweigen

„Ich bedarf eines Gegners, einer großen Polemik.“2 3 - so steht es bereits im Tage­buch des 24-jährigen Morgenthaus. Er sollte sie Zeit seines Lebens suchen und im­mer wieder finden, die großen Auseinandersetzungen und Kämpfe im Dienst einer „great idea, [...] an important goal; [...] a great task; [...] something that is more important than life and will last longer than my body; [...] my goal worthy to life for and, if need be, die for.“ (Morgenthau 1984: 3) Gleichzeitig begleitete den Wis­senschaftler das Gefühl, „immer und bewusst missverstanden und falsch dargestellt zu werden“4 (Reichwein 2021a: 290). Ein Schüler Morgenthaus - der deutsche Po­litikwissenschaftler Gottfried Karl Kindermann - erklärt diesen Umstand in einem Vorwort zur deutschen Ausgabe von Morgenthaus erfolgreichstem Werk Politics among Nations wie folgt: Morgenthau habe „stets den Mut zu jener Methode des großen Wurfes gezeigt“ (Kindermann 1963: 46) und dabei „die Methode didakti­scher Überbetonung in Anwendung“ (Kindermann 1963: 47) gebracht.

Christoph Frei findet in seiner intellektuellen Biographie für die ,Methode‘ Mor- genthaus härtere Worte: „Morgenthaus Stil, der die Argumentation mitunter gleich­ermaßen verkürzte und verzerrte.“ (Frei 1993: 217) Es ist dieser Stil, der wesentlich mit dafür verantwortlich ist, dass Morgenthau „was much criticized for his alleged amorality.“ (Kissinger 1980: 13). Das folgenschwerste Missverständnis in Bezug auf Morgenthau versteht Frei wie folgt:

„,So ist die politische Wirklichkeit', hatte Morgenthau eigentlich sagen wollen - in der

Absicht, falsche Ansichten rundum zu korrigieren. Diese Absicht musste natürlich seinen Aussagen eine versteckte Normativität verleihen: ,So ist die Wirklichkeit - so müsst ihr sie sehen, um darin bestehen zu können.‘ Verstanden wurde er indessen anders: ,So soll die Wirklichkeit auch sein!‘“ (Frei 1993: 217)

Die Kontroversen und Missverständnisse rund um Morgenthau sind neben dem po­lemisierenden Charakter seiner Äußerungen außerdem darauf zurückzuführen, dass der Wissenschaftler die europäischen, die deutschen, Ursprünge seines Denkens verschwieg, „questions about his German past were taboo.“ (Lebow 2003: 219). Morgenthau schwieg - damit ist gemeint: Morgenthau schrieb in keinem Buch oder Aufsatz darüber - über seine Beeinflussung durch Friedrich Nietzsche und Max Weber, Hugo Sinzheimer, Karl Mannheim oder Carl Schmitt. Im Gegenteil: Mor-genthau belegte seine Schriften während seiner akademischen Tätigkeit in den USA nicht mehr mit den europäischen Bezugsquellen, sondern suchte gezielt amerikani-sche Autoren, „verortete sich selbst in der Denktradition Hobbes [.], Washing-tons, Lincolns und Thomas Jeffersons.“ (Reichwein 2021a: 279) Christoph Frei be-tont die Rolle eines weiteren Amerikaners mit deutschen Wurzeln für die „unver-dächtige Äusserung deutschen Gedankenguts in Amerika“ durch Morgenthau: Reinhold Niebuhr[5], der sich „als profunden Kenner, als Kritiker, in mancherlei Be-ziehung aber auch als geistigen Verwandten eines anderen Denkers über Gott und die Menschen; gemeint ist natürlich - Friedrich Nietzsche.“ (Frei 1993: 114) zu erkennen gegeben hat - im Gegensatz zu Morgenthau selbst.

Alexander Reichwein kommt in seiner im Hinblick auf Morgenthaus spezifisch deutschen Erfahrungshintergrund kontextualisierten Interpretation zu folgendem Schluss: „Morgenthau tat nach seiner Emigration nahezu alles dafür, mit seiner deutschen Herkunft hinter dem Berg zu halten beziehungsweise Elemente seines deutschen Denkens zu verschleiern und in eine andere Sprache zu kleiden. Dabei verleugnete er seine deutsche Vergangenheit regelrecht.“ (Reichwein 2021a: 280) Ein anschauliches Beispiel für die Anpassungsbemühungen Morgenthaus an die neue amerikanische Heimat lieferte dieser in der von ihm verfassten Einleitung zum Buch „The german talks back“ von Heinrich Hauser aus dem Jahr 1945: Gerade seit 8 Jahren in der neuen Heimat, seit zwei Jahren amerikanischer Staatsbürger, spricht Morgenthau hier distanziert von „the German“ zahlt sich selbst zu jenen

[5] Mehr zur Beziehung Niebuhrs und Morgenthaus im Kapitel 3.5.3

„Victorians“, die zweimal innerhalb einer Generation gegen die Deutschen ge­kämpft haben. „ We know, or ought to know, from our own national experience , how self-defeating such an attitude toward other peoples is; for we have tried to make the world safe for democracy by assuming that all peoples would think and act like Americans .” (Morgenthau 1945: XV; Hervorhebung S.G.)

Die Verschleierungsstrategie schien vorläufig aufgegangen zu sein: „Am 19. Juli 1980 starb Morgenthau, und es fand sich niemand, der an der Beisetzung über die ersten vierzig Jahre im Leben dieses Mannes hätte sprechen können.“ (Frei 1993: 3)

2.2 Eine kurze Erzählung des Realismus

Alexander Reichwein stellt sich bezüglich des im vorangegangen Kapitel 2.1 be­schriebenen Schweigens Morgenthaus hinsichtlich der Ursprünge seines Denkens und seiner politischen Theorie die Frage, „ob er die Folgen bedacht hatte, die dies nach sich zog und über die er sich zu Lebzeiten schon beschwerte.“ (Reichwein 2021a: 281). An anderer Stelle kommt Reichwein zu dem Schluss:

„‘Realism‘ is the most simplified, shortened and misunderstood intellectual tradition in IR. It is almost always caricatured as an American Cold War theory and foreign policy guide and it is often equated with nationalism, conservatism and power politics no matter the cost. Quite the contrary the realist tradition has a long and rich history, and a liberal and norma­tive core.” (Reichwein 2021b: 1)

William E. Scheuerman beschreibt die am häufigsten propagierten Missverständ­nisse bezüglich des Realismus mithilfe eines unterhaltsamen Gedankenspiels, das hier nicht vorenthalten werden soll5 : Der Student ,Ernie‘ legt am Ende des Semes­ters eine Prüfung im Fach Internationale Beziehungen ab und wird vom Dozenten dazu aufgefordert, eine Definition der Theorietradition ,Realismus‘ abzugeben. Zur Vorbereitung dienten Sekundärtexte und Vorlesungen des Dozenten - eine übliche Prüfungssituation. Im Selbstverständnis gut vorbereitet zu sein, beschreibt Ernie das Gelernte: Der Realismus steht in der Tradition Machiavellis und Hobbes‘ und begründet seine theoretischen Aussagen mit einem pessimistischen Menschenbild und der Annahme des unstillbaren menschlichen Machttriebes, woraus die Realis­ten die Permanenz eines natürlichen Kriegszustandes folgern. Diesen Naturzustand halten Realisten für grundsätzlich unüberwindbar, da es keine Möglichkeiten gibt, das innerstaatlich angewandte Prinzip der Sanktionierung regelwidrigen Verhaltens auf die Ebene zwischenstaatlicher Beziehungen zu übertragen. Folglich stehen Re­alisten dem Geltungsbereich internationalen Rechts und internationaler Institutio­nen und der Vertiefung der internationalen Kooperation insgesamt ablehnend ge­genüber.

Stattdessen propagieren sie die Aufrechterhaltung des machtpolitischen Status Quo und des Nationalstaatsprinzips, wodurch die Nationen durch ein gegenseitiges Sich- Ausbalancieren den besten Garanten für die Vermeidung kriegerischer Auseinan­dersetzungen darstellen. Die Wirkungslosigkeit des internationalen Rechts hat für Realisten die Empfehlung zur Folge, dass die Nationen im Sinne der ,Realpolitik‘ Bismarcks ausschließlich ihre eigenen Interessen zum Machterhalt und zur Machterweiterung verfolgen sollen, selbst wenn diese im Konflikt mit moralischen Prinzipien stehen. Selbst jene Realisten, die das Wesen des Politischen nicht aus dem Wesen des Menschen herleiten, unterstellen, dass das aus dem Naturzustand resultierende Sicherheitsdilemma lediglich unter den Bedingungen hegemonialer Machtstrukturen und dann auch nur für das Andauern dieser Machtstrukturen zeit­weise gelöst werden kann. Aus diesem Grund - so schließt Ernie seine Argumen­tation ab - könne der Realismus keine Antworten auf drängende Fragen der Zeit, wie die zunehmende Globalisierung und die Lösung internationaler Konflikte, ge­ben und können Realisten keine Erklärung anbieten für das zunehmende Aufkom­men internationaler Institutionen. Ernies Dozentin „Professor Conventional (,Con- nie4) Wisdom“ bewertet die Arbeit mit einer guten Note, die wichtigsten Punkte und insbesondere die Schwächen des Realismus seien benannt. Es kann darüber gestritten werden, ob Scheuermans im Anschluss gezogenes provokantes Resümee: „Why (almost) everything you learned about realism is wrong“6 geteilt werden muss. Doch entbehrt die enthaltene Kritik wohl auch nicht jeglicher Grundlage:

Ulrich Menzel stellt in einer 1999 gehaltenen Vorlesungsreihe, die 2001 als Buch veröffentlich wurde, die Disziplingeschichte als wesentlich durch vier Paradigmen strukturiert dar: „Diese vier Paradigmen oder auch ,Traditionen‘ [...] verhelfen jedenfalls zu einem Gliederungsschema, anhand dessen sich die Ideengeschichte der Lehre von den internationalen Beziehungen darstellen läßt.“ (Menzel 2015: 24) Dabei präsentiert Menzel den Realismus und Idealismus als die Endpunkte eines Spektrums, zwischen deren unauflösliches Spannungsverhältnis alle anderen The­orien und Theoretiker einzuordnen seien. Zu den , wichtigsten Vertretern des Rea­lismus der frühen Jahre' werden da unterschiedslos Reinhold Niebuhr, Hans J. Mor- genthau, Hans Hermann Herz, George F. Kennan und Raymond Aron7 aufgelistet. Ergänzend zum paradigmatischen Gliederungsschema, präsentiert Menzel die Ent­wicklungsgeschichte der Disziplin Internationale Beziehungen, in der der Realis­mus als „akademischen Gegenbewegung“ zu einer idealistischen Politik entstanden sei (Menzel 2015: 36). Denkbar klar und deutlich verläuft die Trennlinie zwischen den unterschiedlichen Theorien dort: Der Idealismus, so beschreibt es Menzel, sei vom „Glauben an den Fortschritt durchtränkt“, vom Glauben an „das Gute im Men­schen“ oder zumindest seine Vernunftfähigkeit und Erziehbarkeit. Der „ewige Frie­den“ im Sinne Immanuel Kants ist erreichbar, „weltweite Demokratie“ realisierbar, der „Wohlstand aller Nationen“ im Sinne Adam Smiths nicht prinzipiell auszu­schließen. Die Ziele seien beispielsweise durch Institutionen wie den Völkerbund, internationales Recht und zunehmenden Freihandel sowie mit Menschenrechten, moralischen Prinzipien und Gerechtigkeit zu erreichen (Menzel 2015: 21, 29/30, 66-71). Der Realismus wird mit den „schlechten triebgesteuerten Menschen“ im Sinne Hobbes' und einem „permanenten Zustand von Angst“, mit „Macht als Selbstzweck“, mit „Aufrüstung“ und „Abschreckung“ als Techniken des „Selbst­hilfeprinzips“ und mit „Merkantilismus“ sowie mit pragmatischer Interessenpolitik unter Rückgriff auf militärische Mittel assoziiert (Menzel 2001: 21/22, 28, 78).

Eingebettet in den Hintergrund der die Disziplin aus Sicht Menzels außerdem we­sentlich strukturierenden ,Großen Debatten' erhält man nach der Lektüre dieses und diverser anderer Einführungstexte zur Disziplin den Eindruck, die unterschiedli­chen Autoren befänden sich in einem akademischen Grabenkampf, in dem Freund und Feind klar identifizierbar sind und eine scharfe Trennlinie zu ziehen ist zwi­schen den eigenen und den Methoden der anderen. Anja Jetschke bezeichnen die gewählte paradigmatische Gliederung als dienlich um die „Entwicklung von theo­rieorientiertem Denken“ zu fördern, welches „Priorität vor einer bloßen Vermitt­lung von größtmöglicher Kenntnis über diverse Ansätze“ besitzt (Jetschke 2017: 131). Hier wird neben der Vermengung unterschiedlichster Autoren auch ein ande­rer, im Hinblick auf den Realismus weit verbreiteter Irrtum propagiert und der Ne­orealismus oder auch struktureller Realismus im Sinne Kenneth Waltz' als schlichte Weiterentwicklung dargestellt, obwohl die Differenzen zwischen den beiden The­orien und insbesondere der hier hauptsächlich assoziierten Autoren - Kenneth Waltz und Hans J. Morgenthau - beträchtlich sind.8 Während nachvollziehbar er­scheint, aus welchen Gründen diese didaktische Reduktion vor dem Hintergrund der durch Studenten zu bewältigenden Stoffmenge sinnvoll, vielleicht sogar not­wendig sind, leisten die akademisch über Jahrzehnte reproduzierten Verkürzungen und Simplifizierungen einen maßgeblichen Beitrag für die weitverbreiteten Irrtü­mer bezüglich des Realismus in den Internationalen Beziehungen.

Scheuerman erklärt neben der Verkürzung und Verzerrung des Realismus unter Studenten und der allgemeinen Öffentlichkeit durch das Wesen der akademischen Lehre auch Publikationen der Sekundärliteratur für verantwortlich, zu diesen Ver­kürzungen beigetragen zu haben:

„Obsessed with explaining the origins of Morgenthau's post-war realism, it offers both anachronistic and overly partisan readings of his early writings. Commentators dig around in search of parallels to post-war arguments and ideas in his prewar reflections, typically focusing on precisely those pieces of the puzzle which, not surprisingly, confirm their own evaluations of Morgenthau's post-war realist theory.” (Scheuerman 2009: 43)

Dabei betont Scheuerman, dass dieser Trend sowohl in Versuchen zum Ausdruck kommt, Morgenthaus Werk gezielt in einem negativen Licht erscheinen zu lassen als auch in mit dem umgekehrten Anliegen verfassten Schriften.

Michael Williams erklärt sich dieses Phänomen mit einer zynischen, wenn auch nachvollziehbaren, Argumentation:

“.it is difficult to escape the impression that for several decades Morgenthau was more often cited than read, and that in the process he has been reduced by both his supporters and his critics primarily to an implacable opponent of liberalism and an advocate of power politics.“ (Williams 2009: 82)

Im Folgenden wird ein dem Umfang und der Zielsetzung dieser Arbeit angepasster Einblick in die Vielzahl der Wiederbeschreibungen Morgenthaus gegeben.

2.3 Ein Leben - viele Facetten

“I now actually feel less like a traveler between two worlds than a traveler between all worlds. That is, I see myself less as a European or American and more as a resident of this planet, a planet that is becoming too small. I feel cosmopolitan more than limited to a particular cultural field or part of the earth.”9 (Puglierin 2008: 424)

Im Gegensatz zur verbreiteten paradigmatischen Betrachtungsweise der Theorien der internationalen Beziehungen, die, wie dargelegt, einen Beitrag zu den beschrie­benen Verkürzungen bezüglich ,des Realismus‘, beziehungsweise bezüglich dieser Denktradition zugeordneter Autoren, Wissenschaftler und Politiker, leistet, existie­ren eine Reihe von Arbeiten, die einen im Hinblick auf die einzelnen Autoren dif­ferenzierteren Ansatz verfolgen: „Dabei erweist es sich [.] als sinnvoll, zwischen realistischen Ansätzen innerhalb der Denktradition [.] und zwischen einzelnen re­alistischen Vertretern wie Raymond Aron (1905-1983), Carr, Deutsch, Herz, Hoff­mann, Morgenthau, Niebuhr, Spykman oder Wolfers und deren individuellen Denkstilen zu unterscheiden.“ (Reichwein 2021a: 156)

Vor dem Hintergrund der Vielzahl und der großen Differenzen der Wiederbeschrei­bungen Morgenthaus, erscheint eine im Hinblick auf die Fragestellung dieser Ar­beit zielgerichtete Darstellung und Analyse der zur Verfügung stehenden Ansätze notwendig. Alexander Reichwein identifiziert im Rahmen seiner Dissertation zwei verschiedene Forschungsstränge in der Morgenthau-Rezeption, die unter sehr un­terschiedlichen Prämissen arbeiten und demgemäß ein insgesamt sehr fragmentier­tes Bild zeichnen: Es wird zwischen kontextualisierten und nicht-kontextualisierten Wiederbeschreibungen unterschieden. Die Prämisse einer kontextualisierten Wie­derbeschreibung besteht in einem angenommenen engen Zusammenhang zwischen den persönlichen Lebensumständen, intellektuellen Einflüssen in einem konkreten akademischen Milieu, dem größeren historischen Kontext und dem Werk eines zu betrachtenden Autors, wobei die Notwendigkeit zu dieser Form der Kontextualisie- rung des Werkes eines Autors abhängig vom konkreten Fall festgestellt und be­gründet werden muss (Reichwein 2021a: 26).

Eine Begründung der Notwendigkeit zur Kontextualisierung im Falle Morgenthaus liefert zum Beispiel Ned Lebow in seiner Weiterentwicklung der Sichtweise des Politologen und Juristen Franz Neumann[11], eines Weggefährte Morgenthaus und selbst ein Emigrant aus der ,alten Welt'. In einer um die ehemaligen Freunde und Kollegen ebenfalls jüdischen Glaubens und deutscher Herkunft erweiterten (Selbst- )Betrachtung, ordnete Neumann die Reaktionen der Emigranten auf die Migrati­onserfahrung vier unterschiedlichen Kategorien zu. Dabei ging es Neumann insbe­sondere um das jeweilige Verhältnis zum ,Alten' und zum ,Neuen', dem die Auto­ren und Wissenschaftler in ihren neuen Heimaten begegnet sind (Neumann 1961: 4 - 26). Aufbauend auf diesen Kategorien entwickelt Lebow eine Typologisierung in Form von vier Verhaltensmustern der europäischen Emigranten, deren Prämisse in Anlehnung an Neumanns Kategorisierung formuliert wurde:

For Morgenthau and Herz, and for some other social scientist émigrés, research agendas and identities were co-constitutive. They chose research problems that were substantively important but also critical to developing new and more complex identities for themselves. Their research fed back on the process of identity formation.” (Lebow 2011: 562)

Das erste Muster wird durch eine ausgeprägte Form des Kulturpessimismus cha­rakterisiert, eine beidseitige Ablehnung des alten und des neuen politischen Sys­tems und der menschlichen Möglichkeiten. Als Beispiele nennt Lebow hier Her­mann Broch, Thomas Mann, Wilhelm Reich, Leo Strauss, Max Horkheimer und Theodor Adorno. Der zweite und dritte Typus zeichne sich zwar gleichermaßen durch eine konsequente Ablehnung des Alten und eine enthusiastische Annahme des Neuen aus, unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Über­nahme des Neuen: Der zweite Typus setzte sich erst nach seiner Ankunft in der neuen Heimat mit dem Fremden auseinander, während Typus drei sich bereits wäh­rend der Zeit in Europa mit dem Neuen anfreundete. Als Beispiel für den zweiten Typus erwähnt Lebow lediglich den Kunsthistoriker Erwin Panofsky, beispielhaft für den dritten Typus stünden Karl Deutsch und Paul Lazarsfeld (Lebow 2011: 552­553)

Schließlich, der vierte und für den Kontext dieser Arbeit wichtigste Typus: “The fourth pattern is best described as synthesis and involves combining features of the old and the new.” (Lebow 2011: 554) Zu dem Typus der ,synthetik thinker‘ rechnet Lebow neben Erich Fromm, Hannah Arendt und John Herz auch Hans J. Morgent- hau. Auch wenn Lebow hervorhebt, dass jeder der genannten Autoren unterschied­liche Routen der Synthese beschritten hat, zeichne sich das späte Werk und Denken dieser Autoren durch eine jeweils individuelle Verbindung der während der euro­päischen und während der amerikanischen Zeit angeeigneten Perspektiven aus. Be­züglich Morgenthau stellt Lebow fest, dass seine Erfahrungen mit der Funktionali­tät und Stabilität der amerikanischen Demokratie im späteren Verlauf seiner akade­mischen Karriere einen Wandel der im Laufe der in vielerlei Hinsicht traumatisie­renden europäischen Jahre entwickelten Perspektive geführt haben: „America taught Morgenthau a more important lesson than constitutional engineering: it was possible to create a society that minimizes violent conflict by providing security and equal opportunity to its citizens.“ (Lebow 2011: 558) Anstelle des noch im seinem amerikanischen Frühwerk Scientific Man vs. Power Politics und Politics among Nations dominierenden Pessimismus im Hinblick auf die Realisierungs­chancen einer dauerhaft friedlichen Gesellschaftsordnung, manifestiert sich in Mor- genthaus Spätwerken wie The Purpose of American Politics oder Science: Servant or Master? eine optimistischere Haltung in Bezug auf diese Chancen[12] (Lebow 2011: 557).

Nicht-kontextualisierte Wiederbeschreibungen verzichten im Gegensatz zu kontex- tualisierten Wiederbeschreibungen auf eine Einbettung in das Gesamtwerk und die Entstehungsbedingungen des Denkens und Werkes eines Autors und betrachten beispielsweise gezielt, aber isoliert einzelne vermeintliche ,Hauptwerke‘ und darin getroffene Aussagen. Im Falle Morgenthaus existiert eine breite Fülle an Analysen und Darstellungen seines amerikanischen Schaffens, wobei Politics among Nations als einem der weitesten verbreiteten Lehrbücher der Lehre von den Internationalen

Beziehungen ein unverhältnismäßig großes Maß an Aufmerksamkeit zukommt. Auf Grund dieser Beschränkung auf Morgenthaus amerikanische Schriften identi­fiziert Alexander Reichwein diese Wiederbeschreibungen als „Verkürzte Darstel­lungen des Realismus und Machttheoretikers“ (Reichwein 2021a: 44-77). Ob und inwieweit die dort aufgezählten Wiederbeschreibungen verkürzte Lesarten Mor- genthaus darstellen oder nicht, kann und soll hier nicht beantwortet werden. Für den Rahmen dieser Arbeit schließe ich mich jenen Autoren an, die eine Kontextualisie- rung Morgenthaus auf Grund der genannten Argumente für notwendig erachten.

Morgenthaus Schweigen über die Ursprünge des eigenen Denkens hatte unter den kontextualisierten Wiederbeschreibungen zur Folge, dass dieser immer wieder den Traditionslinien unterschiedlichster Autoren, Weggefährten und Mentoren zuge­ordnet wird, wodurch eine Vielzahl von sehr voneinander abweichenden und teil­weise gegensätzlichen Betrachtungen und Deutungen des Menschen Hans J. Mor- genthau existieren10. Sie alle teilen die Prämisse, dass ein adäquates Werkverständ­nis nur durch eine Betrachtung von Morgenthaus spezifischem Erfahrungshinter­grund möglich wird.

Wie bereits dargestellt, beschwerte sich Morgenthau schon während seiner akade­mischen Karriere in den USA über die Missverständnisse und Unterstellungen von unterschiedlichen Seiten. Alexander Reichwein stellt in seiner umfänglichen Be­trachtung der unterschiedlichen kontextualisierten Wiederbeschreibungen ein wei­teres Unterscheidungsmerkmal fest: Während die bereits erwähnten verkürzten Lesarten lediglich das amerikanische Wirken Morgenthaus in ihre Erwägungen mit­einbeziehen, haben es bislang die wenigsten Autoren unternommen, wiederrum die­ses Frühwerk im größeren Zusammenhang mit Morgenthaus amerikanischer Schriften zu betrachten.

„Jütersonke, Konskenniemi, Roesch and Söllner, in a nutshell, argue that Morgenthau was always a conservative and pessimistic thinker of his time who just moved from the disci­pline of international law to IR after his emigration into the United States. [.] Frei and Scheuermann, in a nutshell, argue that Morgenthau was a formerly liberal thinker who has given away his critical, normative, and progressive ideas about international law, liberal democracy, human nature, and his faith in science completely and become a conservative thinker after World War II.” (Reichwein 2011: 8-9)

Im Abgrenzung zu diesen Lesarten Morgenthaus geht Reichwein wie Lebow von Morgenthau als ,synthetic thinker‘ aus, dessen von einigen Autoren konstatierte Widersprüchlichkeit im Verhältnis zwischen seinen Äußerungen zu Beginn und ge­gen Ende seiner amerikanischen Schaffenszeit nur erklärt und womöglich aufgelöst werden könne, wenn ein sinnstiftender Zusammenhang zwischen dem Alten und Neuen, seinem frühen und späten Werk hergestellt oder ausgeschlossen werden kann (Reichwein 2011: 45-46; Reichwein 2021a: 157-161)[14]. So kommt Reichwein schließlich bezüglich der kontextualisierten Wiederbeschreibungen zu dem Schluss: „Der Eindruck, es gäbe mehrere Morgenthaus mit mehreren Identitäten, hat sich bestätigt. Mal erscheint er als strategischer Machttheoretiker, mal als ideo­logischer Moralapostel und mal als Verteidiger der republikanischen Demokratie.“ (Reichwein 2021a: 358)

Dieser Annahme Morgenthaus als ‘synthetic thinker‘ schließe ich mich an, weshalb im folgenden Versuch, dem Menschenbild Hans J. Morgenthaus auf den Grund zu gehen, sowohl sein spezifisch deutscher Erfahrungshintergrund als auch die (Wei- ter-)Entwicklung dieses Menschenbildes und der darauf basierenden politischen Theorie im Rahmen seines Wirkens in den Vereinigten Staaten betrachtet werden. Besonderes Augenmerk wird dabei im zweiten Teil der Arbeit auf die Bedeutung des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhrs für die Ausprägung und Formu­lierung ebenjenes Menschenbildes gerichtet. Dabei soll William E. Scheuermans Feststellung im Hinblicki auf die Morgenthau Rezeption dem Autor dieser Arbeit als Warnung und Richtschnur für die eigene Vorgehensweise dienen: “one of the chief problems with recent attempts to classify Morgenthau's thought— of seeking to identify the ‘real' Morgenthau— is that scholars often do a ‘disservice to the astonishingly creative and exploratory character' of much of his early work.” (Scheuerman 2009: 43)

2.4 Die ,rätselhafte‘ Kritik an der US-Außenpolitik

Bisher wurde dargestellt, wie Morgenthaus Schweigen über die Ursprünge seines Denkens in Verbindung mit seinem zuspitzenden Argumentationsstil (Kapitel 2.1.1) einen eigenen Beitrag zur von ihm bereits während seiner Lebzeiten kritisier­ten Missverständnisse (Kapitel 2.1.2) geleistet hat. Es wurden außerdem die Viel­zahl teils widersprüchlicher, zumindest aber fundamental unterschiedlicher, Lesar­ten und ,Wiederbeschreibungen‘ des Werkes Morgenthaus vorgestellt (Kapitel 2.1.3), die das Vakuum des entstandenen Unsicherheitsspielraumes zu füllen ver­suchten.

Alexander Reichwein befasst sich in seiner 2013 veröffentlichten Dissertation „Hans J. Morgenthau und die Twenty Years' Crisis - Eine kontextualisierte Inter­pretation des realistischen Denkens in den IB“ mit der im vorangegangenen Kapitel aufgezeigte Forschungslücke im Hinblick auf einen sinnstiftenden Zusammenhang im Gesamtwerk Morgenthaus. Ein besonderes Augenmerkt wird dabei auf den von Christoph Frei durch die Betrachtung von Morgenthaus Entwicklung in Deutsch­land und Europa aufgeworfenen und in anderen Wiederbeschreibungen aufgegrif­fenen Widerspruch zwischen dem kulturpessimistischen und jedwede moralisie­rende Politikbegründung ablehnenden Realisten auf der einen Seite und dem mo­ralisierende „Predigen“ (Frei 1993: 214) haltenden glühenden Idealisten und Kri­tiker der amerikanischen Außenpolitik geworfen. Reichwein verwendet für diesen scheinbaren Widerspruch in Morgenthaus Denken und Wirken den Begriff des ,Re- alismus-Idealismus-Puzzles4: „Das vermeintliche Spannungsverhältnis zwischen Macht und Moral und Demokratie bei Morgenthau.“ (Reichwein 2021a: 14; Her­vorhebung SG)

Der von Reichwein verfolgte Ansatz in dem zuvor vorgestellten Typisierungs­schema der Wiedererzählungen Morgenthaus ist jenen Ansätzen zuzuordnen, die eine umfängliche Gesamtschau des Werkes Morgenthaus für notwendig halten: Reichwein argumentiert, dass erst durch die Kontextualisierung von Morgenthaus Kritik an der US-Außenpolitik eine Einordnung dieser Kritik in den Kontext des Gesamtwerkes Morgenthaus möglich wird. Erst durch diesen umfassenden Blick auf die Schriften Morgenthaus wird die Frage beantwortbar, ob es sich dabei - wie z.B. BELEG FÜR AUTOREN DIE DAS SAGEN argumentieren (Kapitel 2.1.3) - um einen fundamentalen Bruch in Morgenthaus politischer Theorie handelt, der von ihm „nicht theoretisch reflektiert“ (Reichwein 2021a: 103) wurde und im Sinne po-litischen und beruflichen Opportunismus zu verstehen sei, oder ob es sich beim Idealisten Morgenthau stattdessen - wie z.B. Reichwein, Scheuerman, Behr und Rösch argumentieren - um eine ,Kontinuitätslinie' im Leben Morgenthaus handelt.

„Ich argumentiere ferner, dass erst das Wissen um den spezifisch deutschen Erfahrungs­hintergrund Morgenthaus den Schlüssel zu einem besseren Verständnis seines Denkens darstellt. Und ich argumentiere, dass dieses Wissen auch den Umgang mit den Rätseln und Fragen ermöglicht, die uns seine erklärungsbedürftige Kritik an der Außenpolitik und seine Reflexionen über den Zustand der amerikanischen Demokratie und Gesellschaft inklusive aller Spannungen und Widersprüche aufgibt.“ (Reichwein 2021a: 30 f.)

Die nun folgende kontextualisierte Wiederbeschreibung berücksichtigt neben den wenigen vorhandenen Originalquellen über Morgenthaus Zeit in Deutschland und Europa, seinen Werken und politischen Schriften folgende drei Aspekte: „Morgent- haus persönliche Lebensumstände und sein soziales Umfeld während seiner Zeit in Deutschland und im europäischen Exil. [.] sein akademischer Werdegang und die intellektuellen Einflüsse, die über all die Jahrzehnte an verschiedenen Orten, an de­nen er war, auf ihn wirkten. [.] die gesellschaftlichen und politischen Entwicklun­gen und Ereignisse in der Weimarer Republik und in Europa zwischen den beiden Weltkriegen.“

3. Von der Entwicklung eines Menschenbildes

3.1 Kindheit und Jugend (1904-1922)

3.1.1 Hoffen und Bangen[15]

„My relationship to the social environment is determined by three facts: I'm a German, I'm a Jew, and I have matured in the period following the war.“ (Morgenthau 1984: 1)

Hans J. Morgenthau wurde am 17. Februar 1904 als einziges Kind des Arztes Lud­wig Morgenthau und Frieda Morgenthau, geborene Bachmann, in der Stadt Coburg im nördlichen Bayern geboren. Ab 1923 bis 1932 absolvierte Morgenthau zunächst in Frankfurt am Main und München, später in Berlin sein Studium der Jurisprudenz mit anschließender Promotion. Mit einigem Zynismus könnte man behaupten, mit dieser nüchternen Auflistung von Tatsachen sind die zentralen Stationen des Le­bensweges Morgenthaus in Deutschland beschrieben. Es ist jedoch davon auszuge­hen, dass die in diesem Abschnitt zu betrachtende, durch dramatische zeitgeschicht­liche Ereignisse geprägte Zeitspanne der frühen Entwicklungsjahre Morgenthaus, einen nachhaltigen und prägenden Einfluss auf den Menschen Hans J. Morgenthau sowie das durch ihn vertretene Menschenbild ausgeübt hat.

Christoph Frei leistete 1993 mit seiner Dissertation „Hans J. Morgenthau. Eine in­tellektuelle Biographie“ einen wichtigen Beitrag dazu, das spätere Leben und Wir­ken Morgenthaus in der ,neuen Welt‘, den Vereinigten Staaten, anzuknüpfen an das vorangegangene Leben in der ,alten Welt‘, in Deutschland und Europa. Vor dem Hintergrund der lebenslangen Bestrebungen Morgenthaus, die Entstehungsbedin­gungen seines Denkens zu verschleiern, ist Christoph Freis Arbeit insbesondere deshalb von Bedeutung, weil hier wesentliche Teile der lebenslang geführten Ta­gebücher Morgenthaus und seiner Frau Irma Thormann sowie die umfangreiche Korrespondenz zwischen Morgenthau und anderen Familienmitgliedern, Bezugs­personen, Freunden, Gegnern und Weggefährten, einbezogen wurde, aus denen im nun folgenden Abschnitt zu den frühen Entwicklungsjahren Morgenthaus zahlrei­che wesentliche Hinweise stammen.11

Von frühester Kindheit an war Morgenthau einem zweiseitigen Druck ausgesetzt: Auf der einen Seite stand sein Vater Ludwig Morgenthau, ein respektierter Arzt mit einer Praxis in Coburg, ein Veteran des ersten Weltkrieges, „enormously authorita- rian“12, „a Jew who wanted to be a German“13. Der junge Hans - von seiner Mutter liebevoll „allerliebstes Hänschen“ (Frei 1993: 17) genannt - litt in seiner Kindheit unter der Einsamkeit eines Einzelkindes, dem die ungeteilte Aufmerksamkeit des engstirnigen und jähzornigen Vaters mit der unantastbaren Autorität zuteilwurde. Ein Weggefährte Morgenthaus seit den frühen 1930er Jahren - George Eckstein - beschrieb den Vater Ludwig Morgenthau wie folgt: „a devoted but narrow-minded physician, [.] an autocrat at home, a conservative German patriot in politics.“ (Eckstein 1981: 642) Positive emotionale Bezugspersonen stellten seine Mutter Frieda und seine Großmutter Sophie Bachmann dar, bei der Morgenthau über die Sommerferien eine Zuflucht vor dem tyrannischen Vater suchte.14 Dies war der Hintergrund, vor dem Morgenthau seine ersten Schuljahre zunächst in der Bürger­schule, spater im Herzoglichen Gymnasium ,Casimirianum‘ in Coburg sowie den ersten Weltkrieg erlebte. Aufschluss über das Selbstverständnis Morgenthaus zu dieser Zeit im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zum deutschen Volk gewährt ein von ihm verfasster Schulaufsatz mit dem Titel ,Gerechtigkeit erhöht ein Volk‘ aus dem Jahr 1918, in dem er die Kriegsgegner Deutschlands vehement kritisiert und die Kriegsanstrengungen Deutschlands heroisiert (Frei 1993: 18).

Mit dem Ende des ersten Weltkrieges beschleunigt sich eine Entwicklung in der deutschen Gesellschaft, für die Morgenthaus Heimatstadt Coburg einen Kristallisa- tionspunkt15 darstellt und den zweiten eingangs beschriebenen durch Morgenthau erfahrenen Druck darstellt: Die zunehmende Verbreitung des Antisemitismus.

In einem bemerkenswerten persönlichen Interview zwischen Morgenthau und Ber­nard Johnson berichtet ersterer von zwei besonders prägenden Erfahrungen zwi­schen 1918 und 1922, um die damalige Stimmungslage gegenüber Juden zu illust­rieren: Zunächst beschreibt Morgenthau eine Erfahrung als Mitglied der in der Ent­stehung begriffenen Pfadfinderbewegung in Deutschland, deren Gegenstand die Ausgrenzung und Abwertung durch seine Altersgenossen darstellte: „I remember beeing spit at when marching in a group. This treatment aggravated the traumatic experiences I had at home and led to a kind of retrenchment.“ (Johnson 1984: 339) Die Beschreibung des zweiten demütigenden und traumatisierenden Ereignisses, welches Morgenthau im bereits angesprochenen Interview thematisiert, nimmt ge­genüber dem ersten einen größeren Raum im Gespräch und - wie zu vermuten ist - in der Erfahrungswelt Morgenthaus ein: Geschildert wird eine Feier zu Ehren des Gründers des Herzoglichen Gymnasiums im Jahre 1922, auf der Morgenthau als ,primus omnium' eine zentrale Rolle zur Ehrung des Gründers sowie zur Verab­schiedung des abgehenden Abiturjahrganges einnahm. Schon im Vorfeld der Rede wurden antisemitische Pamphlete über ,Herrn Abendnebel' öffentlich verteilt und während der Zeremonie hielten sich einige Gäste - darunter der ehemalige Herzog Carl Eduard - die Nase zu, wegen des angeblichen Gestanks des Juden. Bei einem Umzug im Nachgang der Feier wurde Morgenthau von Schaulustigen angeschrien und bespuckt. Morgenthau selbst resümiert: „This was probably the worst day of my life [.]. It was terrible, absolutely terrible.“ (Johnsons 1984: 341)

3.1.2 Ein Skript fürs Leben

An dieser Stelle bietet sich an, kurz innezuhalten und einen Blick auf die persönli­chen Konsequenzen der bisher geschilderten Lebensumstände Morgenthaus zu werfen, den Charakter und die emotionale Disposition des hier gerade 18-jährigen:

„.my hopes for the future move into two directions. I hope for the lifting of the pressure to which I am exposed by the social environment, and I hope to find a direction and purpose for my future activities. The latter cannot be realized before the former is fulfilled.“ (Mor- genthau 1984: 1)16

Hier beschreibt Morgenthau in eigenen Worten den großen Einfluss, den der durch ihn familiär und sozial erfahrene ,Druck' ausübt: Seine eigenen Ziele meint der Autor erst erreichen zu können, wenn er sich aus der misslichen Lage befreit hat. Im Widerspruch zur äußeren Wahrnehmung Morgenthaus als reserviert und intro- vertiert17, zeigt der Autor dieser Zeilen jedoch ein bemerkenswertes Maß an Wehr­haftigkeit der eigenen sozialen Ächtung gegenüber:

„The accusations that are directed against me as a Jew are totally unjustified. Hence, I con­sider the hostile actions evoked by these accusations [.] as a crying injustice and a dis­honoring humiliation. Since I am not, like many others, sufficiently callous and indifferent to bear injustice and humiliation in silence, there remains for me only the struggle against the representatives of this movement. I shall find myself in total opposition to that social group, and my intellectual attitude toward them will be purely negative.“ (Morgenthau 1984: 2)

Doch ist es eine stumme Wehrhaftigkeit, der Traum von der eigenen Zukunft ist noch Vision für den jungen Abiturienten, nicht greifbar in der bedrückenden Atmo­sphäre seiner Heimatstadt. In Anlehnung an Christoph Frei erkennt Alexander Reichwein in dieser Reaktion eine das ganze Leben Morgenthaus durchziehende Konstante: Die Ohnmacht den als ungerecht empfundenen Ausgrenzungs- und Er­niedrigungserfahrungen gegenüber führt zu einer tiefen Verunsicherung (Reich­wein 2021a: 244); sein „christlich geprägter Kinderglaube“ (Frei 1993: 100) ist bis zum Studienbeginn verloren im Folge der ausbleibenden göttlichen Unterstützung im Zusammenhang mit den erlittenen Diskriminierungen und Ausgrenzungen. Die Verbitterung über das eigene Erleben ist entsprechend groß: „Embittered by lone­liness of many years, excluded from all the pleasures of youth, expelled from my Fatherland.“ (Morgenthau 1984: 2) Trotz - oder vielleicht gerade wegen - dieser Resignation der eigenen sozialen Umwelt gegenüber, formuliert der gerade 18-jäh­rige klare Ambitionen und Zielsetzungen für das eigene Streben:

„Thus to be able to work in the service of a great idea, on behalf of an important goal; to be able to commit every nerve, every muscle and every drop of sweat to a work, to a great task; to grow with the work; to become greater oneself in the struggle with ones betters and then tob e able to say at the end: I die but here remains something that is more important than life and will last longer than my body; my work that is my hope, worthy of tremendous efforts to realize it, that is my goal worthy to life for and, if need be, die for.“ (Morgenthau 1984: 3)

Alexander Reichwein zu Folge wird aus dem Schulaufsatz Morgenthaus bereits je­nes Spannungsverhältnis deutlich, welches das Denken des späteren Gelehrten nachhaltig prägen sollte: Hoffen und Bangen, ein auf die Zukunft gerichteter idea­listischer Optimismus gegenüber einem in der Vergangenheit und Gegenwart ver­wurzeltem ,realistischen‘ Pessimismus (Reichwein 2021a: 247). Orientierungslos und im Selbstverständnis eines sozialen Außenseiters und Alleingängers verlässt Morgenthau 1923 seine Heimatstadt Coburg - mit großen Hoffnungen auf eine Bes­serung seiner Lebensumstände. Doch, „Hätte Morgenthau gewusst um das, was ihm bevorstand, er wäre vielleicht zu Hause geblieben.“ (Frei 1993: 51) Denn mit dem Wegzug aus seiner Heimatstadt sollte eine Odyssee ihren Anfang nehmen, die erst weit später wieder in einer langfristigen örtlichen Verwurzelung Morgenthaus an einem Ort münden sollte.

3.2 Studienjahre (1922-1927)

3.2.1 Strohhalme eines Ertrinkenden

Die erste Station nach dem Wegzug aus Coburg war die Stiftsuniversität in Frank­furt am Main, an der Morgenthau mit den höchsten Erwartungen18 ein Studium der Philosophie begann. Entscheidend für den Studienwechsel, der nach einem Semes­ter erfolgte, war nicht die einsetzende Enttäuschung der hohen Ansprüche der Phi­losophie gegenüber19, sondern die ökonomische Realität im Nachkriegsdeutsch­land: Begründet durch die Hyperinflation im Jahr 1923 machte ein väterliches Veto die Pläne Morgenthaus, nun ein Germanistik-Studium aufzugreifen, zunichte - die Entscheidung fiel zugunsten des ,Brotberufes‘ Jurisprudenz.20 Mit dem Wechsel des Studienfaches ging auch ein Wechsel des Aufenthalts einher: Sein Jura-Stu­dium absolvierte Morgenthau größtenteils in München, unterbrochen lediglich durch einen einjährigen Studienaufenthalt in Berlin. Die Begeisterung des jungen Studenten Morgenthaus für die Vernunftlösung Rechtsstudium hielt sich in Gren­zen; die Studienleistungen entsprachen eher dem Mittelmaß als herauszuragen. Stattdessen investierte er neben dem Pflichtstudium viel Zeit in zusätzliche Semi­nare zur Vertiefung seiner historischen Kenntnisse, darunter bei dem Historiker Hermann Oncken und dem Verfassungs- und Kirchenrechtler Karl Rothenbücher - zwei Erfahrungen, die das Denken Morgenthaus nachhaltig prägen sollten.21 Diese und weitere intellektuelle Vorbilder und prägende Erfahrungen, werden im folgenden Kapitel 3.2.2 gesondert dargestellt.

[...]


1 Siehe z.B. (Krell & Schlotter: 145), (Tuschoff 2015: 26), (Jacobs 2010: 39), (Jetschke 2017: 138), (Kindermann 2010: 41)

2 (Reichwein 2021a: 14)

3 Tagebucheintrag 1929, zitiert nach (Frei 1993: 119)

4 Morgenthaus Vorwort zur deutschen Ausgabe von ,Politics among nations': „Es ist indes das Schicksal aller Autoren, die ,kontroverse' Themen behandeln, wegen Ansichten kritisiert zu werden, die sie nie vertreten haben. Diese Gemeinsamkeit der Erfahrung ist auf lange Sicht ein Trost, zu­nächst ist es jedoch für den Autor weniger angenehm, wegen Ansichten getadelt zu werden, die er nicht nur nicht geäußert, sondern auch ausdrücklich und wiederholt zurückgewiesen hat und die im Widerspruch zu seinen Überzeugungen stehen.“ (Morgenthau 1963: 9)

5 (Scheuermann 2011: 1-2)

6 (Scheuermann 2011: 15)

7 Eine ähnliche Auflistung findet sich z.B. in den aktuelleren Lehrbüchern (Jacobs 2010: 43) und (Krell / Schlotter 2018: 143).

8 In (Tuschoff 2015: 26) wird die Existenz des Realismus als eigener Theorietradition gleich in Gänze verschwiegen und die Traditionslinie von Thucydides über Morgenthau, Kissinger und Ken­nan direkt unter dem Neorealismus subsummiert.

9 John H. Herz (1908-2005), ursprünglich deutscher Name Hans Hermann Herz, studierte ab 1927 unter Hans Kelsen Rechtswissenschaften in Frankfurt, emigrierte 1935 zunächst wie Morgenthau nach Genf und 1938 in die Vereinigten Staaten.

10 “.there is little agreement on the character of his political vision. We now have almost as many Morgenthaus as there are interpreters of him, and he has been presented as everything from an arch­conservative to a critical theorist.” (Bell 2010: 8)

11 Der persönliche Nachlass Morgenthaus ist in der Library of Congress in Washington D.C. und im Leo Baeck Institute in New York archiviert. Diese Schriften haben die Signatur HJM-B und eine Ziffer (z.B. HJM-B 1) und werden in dieser Arbeit auch so zitiert. Die Zitate werden von unter­schiedlichen, im Laufe dieser Arbeit angegebener Autoren, bezogen, die im Rahmen ihrer Arbeiten diese Archive besucht haben.

12 Postscript eines unveröffentlichten Interviews mit Bernard Johnson. Die 1984 im Morgenthau- Gedenkband ,Truth and Tragedy‘ von Kenneth Thompson und Robert J. Myers veröffentlichte Ab­schrift des Interviews, stellt trotz der enthaltenen Fehler eine der wenigen öffentlich zugänglichen Originalquelle, abgesehen von Morgenthaus Tagebüchern und seinem im selben Band veröffent­lichten autobiographischen Fragment (Morgenthau 1984), dar, in denen dieser selbst von seiner Zeit in Deutschland berichtet.

13 Aufzeichnungen von Irma Thormann, zitiert nach (Frei 1993: 15)

14 „I really owe it to my constitution and to my mother that I survived relatively intact.“ (Johnson 1984: 339)

15 Bereits zu Beginn der 1920er Jahre war der Antisemitismus in Coburg besonders ausgeprägt. Morgenthau erlebte hier einen Auftritt Hitlers 1922. 1932 verlieh die Stadt Coburg Adolf Hitler als erste deutsche Stadt die Ehrenbürgerschaft (Frei 1993: 23).

16 Schulaufsatz auf dem Jahr 1922 mit dem Titel „What I hope for my future and the foundations for that hope“.

17 Aus einem Brief an Geheimrat Démuth (1935): „Ich bin von Natur aus [.] kein durch herzliche Liebenswürdigkeit bezwingender Mensch. Es ist meine Veranlagung [.] ernst zu sein. Ich bin manchmal, vielleicht in Fällen, in denen ich reden sollte, schweigsam.“ (HJM-B 211, zitiert nach Frei 1993: 26)

18 Christoph Frei bezeichnet die Philosophie als „ein inneres, innerstes Anliegen“ Morgenthaus, der sich „lebens-wichtige Antworten, und Richtung für sein noch richtungsloses Streben“ (1993: 33) erhoffte.

19 „.philosophy, so I thought, would answer my quest for the meaning of human existance and unravel the riddles of the universe. I was to be profoundly disappointed.“ (Morgenthau 1984: 4), oder auch: „I began studying philosophy, thinking that it would give me the answers to the riddles of the universe, but it did not.“ (Johnson 1984: 342)

20 „Actually I would have liked to study literature but my father said, ,You can't make a living out of this. Study law and you can always make a living.‘ He was probably right. In any event this is what I did.“ (Johnson 1984: 344)

21 „For the first time, I felt the impact of a coherent system of thought, primarily a distillation of Bismarck's Realpolitik “ (Morgenthau 1984: 6; Hervorhebung im Original), sowie: „Rothenbücher's Weber had a similarly reassuring influence on me as had Oncken's Bismarck.“ (Morgenthau 1984: 7)

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
Die Einheitlichkeit des Menschenbildes im klassischen Realismus. Eine vergleichende Analyse von Reinhold Niebuhr und Hans J. Morgenthau
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1.0
Autor
Jahr
2021
Seiten
101
Katalognummer
V1175541
ISBN (eBook)
9783346596017
ISBN (Buch)
9783346596024
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Realismus, Morgenthau, Niebuhr, Menschenbild
Arbeit zitieren
Sebastian Grünberg (Autor:in), 2021, Die Einheitlichkeit des Menschenbildes im klassischen Realismus. Eine vergleichende Analyse von Reinhold Niebuhr und Hans J. Morgenthau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1175541

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