Der Streit um das Kosovo zwischen Serben und Albanern ist eine
Auseinandersetzung, die vor allem die Historiker beider Nationen sehr stark in den
Konflikt miteinbezogen hat. Die Kernfragen „Wer war zuerst da?“ bzw. „Wer war
wann da?“ sind wohl kaum unterschiedlicher zu beantworten, als das bei den
beiden Parteien der Fall ist. Beide Seiten beanspruchen für sich das Recht auf das
Gebiet des Kosovo und berufen sich u.a. auf ihre jeweiligen Geschichtsschreiber.
Die hierbei vertretenen Standpunkte sind recht einfach wiederzugeben. Die Albaner
sehen sich als Nachkommen der Illyrer, der antiken „Urbevölkerung“ des Kosovo1
und Umgebung, und leiten davon ihre Besitzansprüche auf das Gebiet ab.2 Die
Serben hingegen sehen das Kosovo als „Wiege der Kultur und des Staates des
serbischen Volkes“3 und stützen dies auf die Aussage, dass das Kosovo ab dem
Mittelalter rein serbisch besiedelt war.4 Eine Verbindung zwischen den Illyrern der
Antike und den Albanern wird von serbischer Seite nicht anerkannt.
Ganz besondere Bedeutung innerhalb der Geschichte des Kosovo kommt dem Jahr
1690 zu. Nach der Niederlage der Habsburger gegen die Osmanen bei Kaçanik
schlossen sich eine große Zahl von Menschen, die die Habsburger im Krieg
unterstützt hatten, aus Angst vor türkischen Vergeltungsaktionen der
Fluchtbewegung der habsburgischen Truppen an und verließen das Kosovo. Hier
liegt einer der Hauptstreitpunkte zwischen Vertretern der serbischen und
albanischen Volksgruppen. Wer waren die Flüchtigen? Mitglieder welcher
ethnischen Gruppe kämpften auf Seiten der Habsburger gegen die Türken? Wie
viele Menschen verließen das Kosovo 1690? Und vor allem stellt sich die zentrale
Frage: War es diese Migration, die einen kompletten Wandel der Ethnostruktur des
Kosovo herbeiführte?
1 Bezüglich der Vokabel „Kosovo“ sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass diese in der
gesamten Arbeit natürlich aus dem heutigen Verständnis heraus gebraucht wird, da in der
behandelten Zeit Kosovo noch kein festgelegtes Gebiet darstellte.
2 Vgl. z.B. Klaus Lange: Der Kosovo Konflikt. Aspekte und Hintergründe, München 1999, S. 6
3 So heißt es im offiziellen Belgrader Standpunkt zum Thema Kosovo, abgedruckt in: Werner Daum
(Hrsg): Albanien. Zwischen Kreuz und Halbmond, München 1998, S.267
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Ethnostruktur im Kosovo vor der Migration von 1690.
- Religionszugehörigkeit und Ethnizität im Kosovo der Frühen Neuzeit
- Orts- und Personennamen als Indiz ethnischer Herkunft
- Zusammenfassung - Die Situation vor 1690
- Die große Migration und ihre Folgen
- Die Habsburger Niederlage und die Flucht - Diskussion um die Migration
- 1690 als Wendepunkt? Migrationsbewegungen nach der großen Flucht
- Fazit
- Literatur- und Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich kritisch mit der Bedeutung der großen Migration von 1690 für die Verschiebung der Ethnostruktur im Kosovo. Sie untersucht zunächst die Situation im Kosovo vor 1690, um eine Veränderung in der Bevölkerungsstruktur zu analysieren. Im zweiten Teil wird die Habsburger Niederlage und die darauf folgende Fluchtbewegung näher beleuchtet, um deren Einfluss auf die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung im Kosovo zu ergründen.
- Die ethnische Zusammensetzung des Kosovo vor 1690
- Der Einfluss der Religionszugehörigkeit auf die Bestimmung der ethnischen Zugehörigkeit
- Die Habsburger Niederlage und die daraus resultierende Fluchtbewegung
- Die Bedeutung der großen Migration von 1690 für die ethnische Struktur des Kosovo
- Die Rolle der Migration in der Geschichte des Kosovo
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Hintergrund des Konflikts zwischen Serben und Albanern im Kosovo dar und beleuchtet die unterschiedlichen historischen Narrative beider Seiten. Sie hebt die Bedeutung des Jahres 1690 hervor, in dem eine große Fluchtbewegung aus dem Kosovo stattfand, die bis heute Gegenstand von Kontroversen ist.
Kapitel 2 untersucht die ethnische Struktur des Kosovo vor der Migration von 1690. Es beleuchtet die Rolle der Religionszugehörigkeit bei der Bestimmung der ethnischen Zugehörigkeit und analysiert die Schwierigkeiten, eindeutige Schlussfolgerungen aus den Quellen zu ziehen.
Kapitel 3 widmet sich der großen Migration und ihren Folgen. Es analysiert die Habsburger Niederlage bei Kaçanik, die zur Flucht einer großen Zahl von Menschen führte, und diskutiert die Gründe und die Auswirkungen dieser Migrationsbewegung auf die Ethnostruktur des Kosovo.
Schlüsselwörter
Kosovo, Ethnostruktur, Migration, Habsburger, Osmanen, Serben, Albaner, Religionszugehörigkeit, Historiographie, Konflikte, Ethnizität, Bevölkerungsstruktur, Fluchtbewegung, 1690
- Citation du texte
- Stephan Scheeder (Auteur), 2003, Die Bedeutung der großen Migration von 1690 für die Ethnostruktur des Kosovo, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11758