Kinder aus alkoholbelasteten Familien

Präventions- und Interventionsmaßnahmen im sozialpädagogischen Kontext


Facharbeit (Schule), 2021

31 Seiten, Note: 1,0

Aline Riwe (Autor:in)


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung
1.1 Wahl des Themas und Zielsetzung

2. Alkohol und Sucht
2.1 Alkohol als Substanz
2.1.1 Physiologische Wirkung von Alkohol
2.1.2 Folgeschäden der Alkoholabhängigkeit

3. Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien
3.1 Merkmale von alkoholbelasteten Familien
3.1.1 Mögliche Auswirkungen und Folgen auf die Kindesentwicklung
3.1.2 Rollen von betroffenen Kindern und Jugendlichen

4. Entwicklungspsychologische Perspektive
4.1 Grundbedürfnisse
4.1.1 Entwicklungsaufgaben
4.2 Folgerung der Grundbedürfnisse und Entwicklungsaufgaben von Kindern 15 und Jugendlichen in Bezug auf alkoholbelastete Familien

5. Präventions- und Interventionsmaßnahmen aus sozialpädagogischer Perspektive
5.1 Kindertagesstätte
5.2 Kinder- und Jugendhilfe

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Alkohol gilt als eines der meist konsumierten Suchtmittel in unserer Gesellschaft und stellt ein allzeit aktuelles Thema dar. „Neueste Ergebnisse der bevölkerungsweiten Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA)“ zeigen, dass 22 % der Elternteile, die mit mindestens einem eigenen minderjährigen Kind im Haushalt leben, einen riskanten Alkoholkonsum aufweisen (RKI, 2016). In Bezug auf regelmäßiges Rauschtrinken („binge drinking“) ist von 14 % der Eltern auszugehen.“ (Donath 2017, S. 5). Auf die Bevölkerungszahl in Deutschland hochgerechnet sind dies etwa 3,8 Millionen Elternteile, die einem riskanten Trinkverhalten ausgesetzt sind und rund 2,4 Millionen Elternteile, die sich einem regelmäßigen Rauschtrinken hingeben.

Rechnen wir dies einmal auf die durchschnittliche Kinder- und Jugendzahl in Deutschland hoch, so wird deutlich, dass rund 6,6 Millionen Kinder und Jugendliche in einer Familie aufwachsen, dessen Elternteil(e) ein riskantes Trinkverhalten aufzeigt bzw. aufzeigen. Rund 4,2 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Familien auf, wo sich mindestens ein Elternteil einem regelmäßigen Rauschtrinken hingibt (vgl. Donath 2017, S. 5).

1.1 Wahl des Themas und Zielsetzung

2. Alkohol und Sucht

2.1 Alkohol als Substanz

Bei der chemischen Verbindung aus Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O), Wasserstoff (H) und der Hydroxylgruppe (-OH) handelt es sich um Ethanol (Trinkalkohol), welches in allen alkoholischen Getränken enthalten ist. Diese Verbindungen entstehen durch die Vergärung von Zucker oder stärkehaltigen Substanzen durch Hefe oder Bakterien.

Je nachdem, wie stark das Ethanol destilliert wird, kann der Alkoholgehalt erhöht werden. Hierbei wird unterschieden zwischen niedrigprozentigem Alkohol wie zum Beispiel Bier und Wein und hochprozentigem Alkohol wie zum Beispiel Whiskey und Wodka (vgl. Delhalt, 2006).

2.1.1 Physiologische Wirkung von Alkohol

Die Aufnahme von Alkohol erfolgt über den gesamten Verdauungstrakt, beginnend in der Mundschleimhaut und geht in das Blut über. Daher kann sich der Alkohol binnen kürzester Zeit im gesamten Körper ausbreiten. Hierbei bleibt auch das Gehirn nicht aus, welches schon durch niedrige Mengen an Alkohol beeinträchtigt werden kann.

Die Auswirkungen auf das Nervensystem, insbesondere auf das Gehirn, zeigen sich unter anderem durch eine verlangsamte Reaktionszeit, eine abnehmende Konzentration und Koordination, Verhaltensauffälligkeiten wie zum Beispiel Distanzlosigkeit, aber auch durch Auffälligkeiten wie Gereiztheit oder bei schwerem Alkoholismus auch Aggressionen, Halluzinationen und psychotische Symptome (vgl. Gaßmann 2020, S. 108).

2.2 Alkoholabhängigkeit

Um eine Alkoholabhängigkeit zu diagnostizieren, werden Kriterien herangezogen, die fachärztlich aufgestellt wurden. In diesem Fall wurden die Kriterien von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt. Hierbei gibt es kein spezifisches Muster, welches auf eine Alkoholabhängigkeit zurückzuführen ist. Grundsätzlich gilt jedoch, dass mindestens drei von sechs Kriterien auf den Zustand der Person zutreffend sein müssen, um eine Abhängigkeit diagnostizieren zu können. Wie bei jeder anderen Krankheit auch, obliegt die Diagnose schlussendlich immer dem Arzt oder der Ärztin.

Das erste Kriterium würde bedient werden, wenn die Person ein „(…) zwanghaftes Verlangen nach einer Substanz (…)“ (Gaßmann 2020, S. 24) aufzeigt.

Ein zweites Kriterium würde zutreffen, wenn die Person keine Kontrolle oder nur eine dezimierte Kontrolle darüber hat, wann mit dem Konsumieren einer Substanz begonnen wird, wann es wieder beendet wird und auch in welchem Mengenumfang dies passiert.

Das dritte Kriterium würde erfüllt werden, wenn die Person Entzugserscheinung aufzeigt, bei der Wegnahme der Substanz oder auch bei eingeschränktem Konsum.

Das vierte Kriterium, das auf eine Suchabhängigkeit hindeuten könnte, zeigt sich in der Toleranzentwicklung in Hinblick auf die jeweilige Substanz. Dies kann dadurch erkannt werden, dass die Person zunehmend die Dosis erhöht, um eine gleichbleibende Wirkung zu erzielen.

Damit das fünfte Kriterium erfüllt wird, muss ersichtlich werden, dass die Person alltägliche Tätigkeiten nicht mehr bewältigen kann, da diese ihrem Substanzkonsum nachgeht.

Das sechste und letzte Kriterium würde zutreffen, wenn die Person ein permanentes gesundheitsschädliches Handeln aufzeigt, trotz des Wissens über die Wirkung der Substanz, die eingenommen wird.

Diese Kriterien können nicht nur auf die Diagnostik einer Alkoholabhängigkeit transferiert werden, sondern auf alle gesundheitsschädigenden Substanzen (vgl. Gaßmann 2020, S.14).

2.2.1 Folgeschäden der Alkoholabhängigkeit

Die Folgeschäden einer Alkoholabhängigkeit lassen sich zumeist an Anzeichen festhalten, die sich sowohl an physischen als auch an psychischen Symptomen bemerkbar machen und demnach auch für Außenstehende sichtbar werden.

Personen, die an einer Alkoholabhängigkeit erkrankten, sind häufig gekennzeichnet durch ein gerötetes, aufgedunsenes Gesicht und zudem durch ein übermäßiges Schwitzen und Zittern, was sich zum Beispiel in Form von feuchten und zittrigen Händen bemerkbar macht. Weiterhin können Erbrechen und Übelkeit auftreten, was in den meisten Fällen auch zu Gewichtsverlust führen kann. Auch eine vorzeitige Hautalterung, eine belegte Zunge und Tränensäcke können als äußere Symptome bei einer Person, die an einer Alkoholsucht leidet, verzeichnet werden (vgl. Gaßmann 2020, S. 26).

In Hinblick auf die Verhaltensmerkmale lässt sich sagen, das eine abnehmende geistige Leistungsfähigkeit und ein damit einhergehender Konzentrations- und Aufmerksamkeitsmangel eine Folge der Alkoholabhängigkeit sein könnten. Die erkrankte Person kann zudem durch Stimmungsschwankungen auffallen und auch durch die Vernachlässigung der Körperhygiene oder des Haushaltes. Oft versuchen diese Personen außerdem, ihre Alkoholfahne mit Pfefferminzbonbons oder Ähnlichem zu verstecken.

Auch in diesem Fall ist anzumerken, dass nicht jedes Symptom gleich auf eine Folge von Alkoholabhängigkeit zurückzuführen sein muss. Die Begründungen der Symptome könnten auch anderweitig herzuleiten sein, weshalb mögliche Ursachen immer ganzheitlich betrachtet werden sollten (vgl. Gaßmann 2020, S. 26).

3. Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien

Im Folgenden werde ich mich speziell mit der Thematik „Alkoholabhängigkeit im familiären Kontext“ auseinandersetzen. Dazu werde ich zunächst die Perspektive auf die Familienstruktur und vor allem auf die Merkmale von alkoholbelasteten Familien richten, um dann im weiteren Verlauf die möglichen Auswirkungen auf die Kindesentwicklung darzulegen.

3.1 Merkmale von alkoholbelasteten Familien

Die Suchterkrankung mindestens eines Elternteils betrifft zum einen Familien mit einem schwächeren sozioökonomischen Status und prekären Wohnverhältnissen. Meist geht dies auch mit einer Arbeitslosigkeit einher. Nicht selten betrifft es zudem Familien, die von sozialer Ausgrenzung und einer Stigmatisierung durch die Gesellschaft betroffen sind.

Andererseits können auch Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status betroffen sein. Oft lässt sich dies durch die hohe gesellschaftliche Erwartungshaltung begründen und dem damit einhergehenden Arbeits- und Leistungsdruck (vgl. Wurdak 2015, S. 5).

In alkoholbelasteten Familien zeigt sich oft, dass der*die Betroffene nicht mehr oder nur unzureichend in der Lage ist, sich um sich selbst und die andren Familienmitglieder zu kümmern, weshalb die übrigen Familienmitglieder versuchen, diesen Ausfall zu kompensieren. Nur dadurch kann innerhalb der Familie, trotz des Ausfalls eines Elternteils, ein strukturierter Tagesablauf bestehen bleiben (vgl. Wurdak 2015, S. 16).

Zudem sind die Betroffenen dadurch gekennzeichnet, dass ihr Verhalten sehr instabil ist. Wenn die betroffene Person heute etwas sagt, kann sie es am nächsten Tag oder in der nächsten Woche schon wieder ganz anders meinen. In Bezug auf das Kind bzw. die Kinder geht dies oft mit Versprechungen seitens des betroffenen Elternteils einher, die dann im Endeffekt aufgrund der physischen und/- oder psychischen Verfassung des Betroffenen nicht eingehalten werden können. Durch diese Unzuverlässigkeit besteht zwischen der erkrankten Person und dem jeweiligen Familienmitglied eine unsichere Bindung. Darüber hinaus kann es dazu führen, dass ein erhöhtes Konfliktpotenzial, eine erhöhte Aggressivität und schlimmstenfalls Gewalt innerhalb der Familie ausgeübt wird (vgl. Wurdak 2015, S. 17).

Einer der wichtigsten Punkte jedoch ist der, dass die Suchtproblematik innerhalb von Familien in den meisten Fällen versteckt gehalten wird. Hierbei setzen sowohl die betroffene Person als auch die Familienmitglieder alles daran, dieses Thema nicht nach außen zu tragen, weshalb sehr viel Energie dahingehend investiert wird, diese „Fassade“ aufrechtzuhalten. Der Grund hierfür ist, dass die Thematik „Abhängigkeit“ immer noch ein Tabuthema in unserer heutigen Gesellschaft darstellt (vgl. Gaßmann 2020, S. 7).

3.1.1 Mögliche Auswirkungen und Folgen auf die Kindesentwicklung

Die durch Alkohol entstandene Suchtproblematik birgt nicht nur für das betroffene Familienmitglied eine Menge Risiken. Die Suchterkrankung kann zudem weitreichende Auswirkungen und Folgen auf die Familiendynamik haben und vor allem auch auf die Kindesentwicklung, denn Kinder, die in einer alkoholbelasteten Familie aufwachsen, könnten unter diesen Umständen eine negativ beeinflusste Entwicklung aufzeigen (vgl. Wilkens 2017, S. 18).

Vor allem die Auswirkungen auf die soziale, seelische und körperliche Entwicklung sind häufig stärker, je eher Kinder sich mit einer familiären Suchtproblematik auseinandersetzen müssen. Dies kann in vielen Fällen darauf zurückzuführen sein, dass die betroffenen Elternteile sich nicht oder nur unzureichend um ihre Kinder kümmern können (vgl. Wurdak 2015, S. 12). Begründete Aspekte hierfür könnten sein, dass häusliche Strukturen fehlen und/-oder Defizite in der Kommunikations-, Interaktions- und Erziehungsfähigkeit auftreten. Im schlimmsten Fall können diese Folgen und Auswirkungen auf das Kind auf Vernachlässigungen oder sogar Misshandlungen zurückzuführen sein. Dies kann vor allem für jüngere Kinder drastische Folgen darstellen, da insbesondere diese mindestens eine Person im familiären Kontext benötigen, die mit ihnen in einem vertrauensvollen Austausch stehen und ihnen als Vorbild dienen können. Dies wäre ein wichtiger Schritt für eine individuelle Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Durch das Konsumverhalten der Eltern oder des Elternteils fehlt jedoch mindestens eine Person im Haushalt, die dieser Aufgabe nachgehen kann.

Einige Kinder und Jugendliche übernehmen schon sehr früh Verantwortung für sich, ihre Eltern, den Haushalt und ggf. für ihre Geschwister. Dies drückt sich dann in einer sogenannten Co-Abhängigkeit oder auch Parentifizierung aus. Hier findet ein Umtausch der sozialen Rollen innerhalb der Familienstrukturen statt, weshalb die Kinder und Jugendlichen die elterlichen Verhaltensweisen übernehmen, um so die Struktur des Familienlebens aufrechtzuerhalten. Somit ermöglichen sie es, dass das Elternteil oder ggf. auch beide Elternteile, ihrem Alkoholkonsum weiter nachgehen können. Aufgrund dessen bleibt ihnen nur noch wenig Zeit, ihre alltagsspezifischen Interessen auszuleben, weshalb dies auch oft mit einer sozialen Isolation seitens der Kinder einhergeht (vgl. Wilkens 2017, S. 23 f.).

Darüber hinaus unterliegen Kinder und Jugendliche aus einer alkoholbelasteten Familie einem höheren Risiko, selbst eine Alkoholabhängigkeit zu entwickeln. Unterstützende Faktoren könnten hierfür zum Beispiel die Verfügbarkeit von Alkohol im Elternhaus sein. Einen weiteren Grund könnte die Toleranz des jugendlichen Trinkverhaltens seitens der Eltern darstellen oder auch die alkoholspezifische und allgemeine Kommunikation, die innerhalb der Familie angewandt wird (vgl. Wurdak 2015, S. 12 f.).

Ein weiterer Aspekt, weshalb Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien eher dazu neigen, selbst eine Alkoholabhängigkeit zu entwickeln, könnte sich darin zeigen, dass nur einseitige Konfliktlösungs- und Bewältigungsstrategien entwickelt werden. Da die Eltern als Vorbildfunktion dienen, erfahren die Kinder in ihrer Primärsozialisation nur Probleme zu lösen, indem Alkohol konsumiert wird. Somit steht der Alkohol als Strategie zur Bewältigung von Problemen. Die Kinder und Jugendlichen bekommen eventuell gar nicht die Möglichkeit, sich andere Konfliktlösungs- und Bewältigungsstrategien anzueignen, da sie diese nicht aufgezeigt bekommen (vgl. Wurdak 2015, S. 12).

Des Weiteren ist es möglich, dass die Kinder und Jugendlichen ein Schamgefühl für die eigene Familie entwickeln und dies kann wiederum dazu führen, dass sich die Kinder und Jugendlichen von ihren sozialen Kontakten isolieren. Zwar ist der Kontakt zu anderen Peergroups wahrscheinlich gewünscht, jedoch fürchten die Kinder und Jugendlichen, dass sie aufgrund ihrer Familiensituation ausgegrenzt oder stigmatisiert werden könnten. Dies bildet eine Art Teufelskreis, der sich vor allem auf die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen negativ auswirkt (vgl. Zobel 2017, S. 200).

3.1.2 Rollen von betroffenen Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche, die in alkoholbelasteten Familien aufwachsen, können unterschiedliche Verhaltensweisen entwickeln, um von der Problematik abzulenken und um sich selbst zu schützen. Diese Rollen können neben alkoholbelasteten Familien jedoch auch in jeder Familie auftreten, die Dysfunktionen aufzeigt. Im Folgenden werde ich vier mögliche Rollen mit ihren Charaktereigenschaften anführen.

Hierbei kann zum einem die Rolle des „Helden“ eingenommen werden. Meistens wird diese Rolle von dem ältesten Kind in der Familie eingenommen. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass ein hohes Maß an Selbstverantwortungsbewusstsein und Selbstständigkeit vorliegt. Sowohl schulisch als auch bei allen anderen Aktivitäten versucht der „Held“ in Form von guten Leistungen Anerkennung zu bekommen. Dies wertet nicht nur den Ruf des Kindes auf, sondern lässt das gesamte Familienbild in einem besseren Licht dastehen. Durch ein aktives Engagement versuchen die Kinder und Jugendlichen, das trinkende Elternteil zu ersetzen, sodass das Familienleben weiterhin funktionieren kann (vgl. Wurdak 2015, S. 18).

Eine weitere Rolle, die eingenommen werden könnte, ist die des „Sündenbocks“. Da in dieser Rolle ein sehr rebellisches Verhalten gezeigt wird, provoziert das Kind bzw. der*die Jugendliche oft negative Aufmerksamkeit. Gesetzesverstöße und die frühe Einnahme von Alkohol und Drogen kennzeichnet die Rolle des „Sündenbocks“ ebenfalls. Durch das Einnehmen dieser Rolle werden die Kinder und Jugendlichen oft ausgegrenzt. Um anderweitig Aufmerksamkeit zu suggerieren, schließen sie sich dann anderen „Sündenböcken“ an. Durch ihr trotziges, wütendes und feindseliges Verhalten versuchen diese Kinder und Jugendlichen von der eigentlichen Problematik, nämlich die Alkoholabhängigkeit der Eltern und die damit einhergehende Problemlage innerhalb der Familie abzulenken. Mit diesem Verhalten versuchen sie die Schuld auf sich zu nehmen, um eine Erklärung für die Probleme in der Familie zu geben (vgl. Wurdak 2015, S. 18).

„Das verlorene Kind“ ist eine weitere Rolle, die von Kindern und Jugendlichen eingenommen werden kann. Diese Rolle ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind bzw. der*die Jugendliche ein sehr zurückgezogenes Verhalten aufzeigt. Vor allem in pädagogischen Einrichtungen wird dieses Verhalten oft als sehr unkompliziert und umgänglich wahrgenommen, da sie ein sehr ruhiges und unauffälliges Verhalten zeigen. Sie meiden Konflikte, tuen das, was man ihnen sagt und sie möchten keinesfalls im Mittelpunkt stehen. Durch ihre Unsicherheit, in dem Glauben etwas falsch zu machen, fällt es den Kindern und Jugendlichen schwer, neue Kontakte zu knüpfen. Grund für dieses Verhalten ist zum einen, dass die Kinder und Jugendlichen durch diese zurückgezogene Art versuchen, sich vor den willkürlichen und unkontrollierten Reaktionen der Eltern zu schützen. Zum anderen erhoffen sie sich durch das brave und ruhige auftreten zumindest ein wenig Anerkennung von den erkrankten Eltern oder dem erkrankten Elternteil zu bekommen (vgl. Wurdak 2015, S. 19).

Des Weiteren wäre das „Maskottchen“ eine Rolle, die von Kindern und Jugendlichen eingenommen werden könnte. Im Gegensatz zur Rolle des „Verlorenen Kindes“ agieren Kinder und Jugendliche hier sehr aufgeschlossen und humorvoll. Durch ein belustigendes und unterhaltsames Auftreten wird vor allem darauf abgezielt, die familiären Alltagssorgen temporär ausblenden zu können und Aufmerksamkeit entgegengebracht zu bekommen. Teilweise kann das Verhalten auch ausarten und von aufgeschlossen und humorvoll zu überaktiv und aufdringlich umschwenken. Diese Verhaltensweisen können aber vor allem in pädagogischen Einrichtungen von Nachteil sein, da es oft als störend und strapaziös wahrgenommen wird und deshalb ein Konfliktpotenzial vor allem unter Gleichaltrigen birgt. In der Rolle des „Maskottchens“ versucht das Kind oder auch der*die Jugendliche jedoch nur der Außenwelt zu vermitteln, dass diese fröhliche und aufgeschlossene Art auf einer intakten Familienstruktur aufbaut, weshalb niemanden glauben soll, dass ein Problem vorliegt (vgl. Wurdak 2015, S. 19).

Diese Rollen sind immer veränderbar, sodass Kinder und Jugendliche im Verlaufe ihrer Entwicklung auch unterschiedliche Rollen einnehmen können. Kommt es dazu, dass diese Rollen im Kindes- und/- oder Jugendalter verfestigt werden, könnten diese so internalisiert werden, dass die Verhaltensmuster nur schwer wieder abgelegt werden können und sich darüber hinaus bis ins Erwachsenenalter übertragen (vgl. Wurdak 2015, S. 19f.).

4. Entwicklungspsychologische Perspektive

Bevor Präventions- und Interventionsmaßnahmen im sozialpädagogischen Kontext herangezogen werden können, sollte zunächst die entwicklungspsychologische Perspektive beleuchtet werden. Hierzu werde ich zum einen die Grundbedürfnisse und zum anderen die Entwicklungsaufgaben von Kindern und Jugendlichen aufzeigen, da diese notwendig sind für einen ganzheitlich gelingenden Entwicklungsprozess.

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Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Kinder aus alkoholbelasteten Familien
Untertitel
Präventions- und Interventionsmaßnahmen im sozialpädagogischen Kontext
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
31
Katalognummer
V1176382
ISBN (eBook)
9783346596390
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialpädagogik, Erzieher*in, Elementarbereich, Jugendhilfe, Alkohol, Familie, Aufgaben, Maßnahmen, Entwicklung, Entwicklungspsychologie, Prävention, Intervention
Arbeit zitieren
Aline Riwe (Autor:in), 2021, Kinder aus alkoholbelasteten Familien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176382

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