Diese Darbietungsform in der Presse stellt das Schicksal einer Identifikationsfigur in den Mittelpunkt des Berichts (human interest) und berichtet/erzählt eine Begebenheit (story), die der Leser als typisch für dieses Schicksal rezipieren soll. Sie beansprucht einen großen Flächenanteil in der Boulevardpresse (BP), Regenbogenpresse (RP), Illustrierten und dringt auch zunehmend in die sog. seriöse überregionale Presse (z.B. 'Der Spiegel'). Die human interest story hat ihren Ursprung in den penny dailies des 19. Jhs. Für ihre Leser wurden die news in erzählende stories verpackt und aufbereitet 'in the language of the street'. Noch um die Jahrhundertwende konnten die Empfänger der stories kaum lesen; jedenfalls waren sie nicht Leser der für sie kostspieligen daily-news-papers. Die 'Yellow Press' entwickelte die h. i. st. weiter und sprach damit neue Leserschichten an: Frauen und Einwanderer - Frauen durch die love stories und Warenhaus-Anzeigen, die Einwanderer durch Bilder und kurze Wörter, Syntagmen, Sätze. Die frühe h. i. st. in der 'Yellow Press' war geprägt durch märchenhafte Züge und eine Wirklichkeitsauffassung, die die Erwartungshaltung ihrer Leser erfüllte.
Ekkehart Mittelberg
Human Interest Story
Begriff und Funktion
Diese Darbietungsform in der Presse stellt das Schicksal einer Identifikationsfigur in den Mittelpunkt des Berichts (human interest) und berichtet/erzählt eine Begebenheit (story), die der Leser als typisch für dieses Schicksal rezipieren soll. Sie beansprucht einen großen Flächenanteil in der Boulevardpresse (BP), Regenbogenpresse (RP), Illustrierten und dringt auch zunehmend in die sog. seriöse überregionale Presse (z.B. 'Der Spiegel'). Die human interest story hat ihren Ursprung in den penny dailies des 19. Jhs. Für ihre Leser wurden die news in erzählende stories verpackt und aufbereitet 'in the language of the street'. Noch um die Jahrhundertwende konnten die Empfänger der stories kaum lesen; jedenfalls waren sie nicht Leser der für sie kostspieligen daily-news-papers. Die 'Yellow Press' entwickelte die h. i. st. weiter und sprach damit neue Leserschichten an: Frauen und Einwanderer - Frauen durch die love stories und Warenhaus-Anzeigen, die Einwanderer durch Bilder und kurze Wörter, Syntagmen, Sätze. Die frühe h. i. st. in der 'Yellow Press' war geprägt durch märchenhafte Züge und eine Wirklichkeitsauffassung, die die Erwartungshaltung ihrer Leser erfüllte.
Motive/Stoffe
Auch heute noch interessieren sich die Leser der human interest stories viel mehr für Personalia und Einzelschicksale als für den gesellschaftlichen Ursachenzusammenhang, aus dem sie hervorgehen und für den sie in unverzerrter Form repräsentativ sein könnten. Bevorzugt werden dabei die romantisierend dargestellte Lebensweise der Reichen, der Stars. der Prominenz schlechthin, präsentiert werden aber auch seit den Anfängen schon und in der BP zunehmend mehr stories über die Lebensform der Armen und vereinsamten Menschen, soweit sie durch Scheinlösungen Identifikationsangebote für den Leser enthalten. Typisch ist, daß das Thema Armut häufig mit Kriminalität verbunden wird, ohne dass der potentielle Kausalzusammenhang offen gelegt wird. Die dominierenden Motive liegen auf einer vordergründig psychologisierenden Ebene und werden als naturwüchsig unveränderbar hingestellt, z. B. enttäuschte Liebe, Hass, Eifersucht, Mitleid, Ruhmsucht, Habsucht.
Identifikationsfiguren
Für die Regenbogenpresse ist der soziale Abstand der Identifikationsfiguren (Adel oder prominente Stars) typisch (Schäfer). In der Boulevardpresse kann auch ein Mensch, der unverdienterweise 'vom Schicksal geschlagen' wurde, zur Identifikationsfigur werden. Wichtig ist hier jedoch, daß das anonyme Schicksal bzw. anonym dargestellte Institutionen wie die Bürokratie für das Unglück des 'Helden' verantwortlich gemacht werden und dass nicht die konkretisierte Sozialpolitik des jeweils Herrschenden kritisiert wird. Nicht nur wegen der Verschleierung der Verantwortung für Sozialfälle in der Boulevardpresse, sondern auch wegen der Tendenz zum Autoritäten in der Regenbogenpresse ist die h. i. st. eine antidemokratische Darstellungsform. Die aus der Oberschicht stammenden Identifikationsfiguren in der RP bieten dem Leser autoritäre Verhaltensmuster an. Schäfer erklärt von der sozialen Instabilität (z. B. Arbeitslosigkeit) der Unterschicht her deren Anpassungsbedürfnis an Normen der Mittel- und Oberschicht, die in größerer sozialer Sicherheit leben.
Human Interest Stories und Realitätsferne
Die h. i. st. erweist sich insbesondere durch ihre Realitätsferne bzw. Scheinrealität als entpolitisierende Darbietungsform. Der Eindruck von Wirklichkeitsflucht drängt sich beispielsweise bei den stories in der RP dadurch auf, daß alle Lebensumstände der Identifikationsfiguren besonders hervorgekehrt werden, die einen feudalistischen bzw. feudalen Lebensstil suggerieren. Fakten und Kräfte hingegen, die sich aus deren Leben in einer hochindustriellen Gesellschaft ergeben, werden weitgehend ausgeklammert. Das Kriterium der Realitätsferne gilt auch für die BP, die den sog. 'kleinen Mann' zum Helden in zufälligem sozialen Aufstieg (z. B. Lottogewinn) oder in schicksalhafter Bedrohung (z. B. wirtschaftliche Krisen) macht und durch Individualisierung das gesellschaftliche Umfeld völlig ausklammert oder verzerrt.
Nachrichtenwert
Häufig gestellte Fragen
Was ist eine Human Interest Story laut Ekkehart Mittelberg?
Laut Ekkehart Mittelberg ist eine Human Interest Story eine Darbietungsform in der Presse, die das Schicksal einer Identifikationsfigur in den Mittelpunkt des Berichts stellt und eine Begebenheit erzählt, die der Leser als typisch für dieses Schicksal rezipieren soll. Sie ist besonders präsent in der Boulevardpresse, Regenbogenpresse und Illustrierten.
Woher stammt die Human Interest Story?
Die Human Interest Story hat ihren Ursprung in den Penny Dailies des 19. Jahrhunderts.
Welche Motive und Stoffe werden in Human Interest Stories bevorzugt behandelt?
Leser interessieren sich oft mehr für Personalia und Einzelschicksale als für gesellschaftliche Ursachenzusammenhänge. Bevorzugte Themen sind das romantisierte Leben der Reichen und Prominenten, aber auch Geschichten über Arme und vereinsamte Menschen. Armut wird häufig mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Dominierende Motive sind enttäuschte Liebe, Hass, Eifersucht, Mitleid, Ruhmsucht und Habsucht.
Wer sind typische Identifikationsfiguren in Human Interest Stories?
In der Regenbogenpresse sind es oft Adlige oder prominente Stars. In der Boulevardpresse kann auch ein Mensch, der unverdientermaßen vom Schicksal geschlagen wurde, zur Identifikationsfigur werden. Oft wird anonymes Schicksal oder Bürokratie für das Unglück verantwortlich gemacht.
Warum wird die Human Interest Story als antidemokratisch bezeichnet?
Wegen der Verschleierung der Verantwortung für Sozialfälle in der Boulevardpresse und der Tendenz zur Autorität in der Regenbogenpresse. Die Identifikationsfiguren aus der Oberschicht bieten autoritäre Verhaltensmuster an.
Inwiefern ist die Human Interest Story realitätsfern?
Die Human Interest Story suggeriert oft eine Scheinrealität, indem sie feudale Lebensstile hervorhebt und Faktoren aus dem Leben in einer hochindustriellen Gesellschaft ausklammert. Die Boulevardpresse individualisiert soziale Probleme und klammert das gesellschaftliche Umfeld aus oder verzerrt es.
Wie ist der Nachrichtenwert von Human Interest Stories einzuschätzen?
In der Boulevard- und Regenbogenpresse ist der Nachrichtenwert aufgrund der starken Unterhaltungskomponente, der Newsarmut und der Realitätsferne sehr gering. Der Leser erhält keinen Einblick in den gesellschaftlichen Hintergrund des dargestellten Ereignisses. Auch im 'Spiegel' wird der gesellschaftliche Kontext personalisiert und Information mit Unterhaltung vermischt.
- Citation du texte
- Dr. Ekkehart Mittelberg (Auteur), 2008, Human interest story, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117651