Weltweit gibt es mehr Menschen, die zwei oder mehr Sprachen beherrschen, als Monolinguale. Obwohl die Mehrsprachigkeit demnach nicht selten ist, sind einige Fragen insbesondere hinsichtlich des mehrsprachigen Spracherwerbs noch unbeantwortet. Dies liegt vor allem daran, dass sich die Situationen der mehrsprachig aufwachsenden Kinder stark unterscheiden. Einen Unterschied in solchen Situationen findet man bereits darin, ob die mehrsprachig aufwachsenden Kinder die betreffenden Sprachen seit ihrer Geburt zu gleichen Anteilen erwerben oder ob eine Sprache die andere überwiegt.
Daraus resultiert die Frage, welche Konsequenzen hinsichtlich der Sprachentwicklung des Kindes aus einem solchen ausgeglichenen und einem unausgeglichenen Erwerb zu erwarten sind. Die Studie von Müller & Kupisch (2003) versucht Antworten auf diese Frage zu finden, indem sie ein ausgeglichenes und ein unausgeglichenes Kind hinsichtlich deren Spracherwerbe und Entwicklungsstände miteinander vergleichen.
Die vorliegende Arbeit stellt eine Textkritik zu dieser Studie dar. Dementsprechend soll im Folgenden diskutiert werden, inwiefern die von Müller & Kupisch (2003) aufgeführten Annahmen, Methoden sowie Schlussfolgerungen valide sind. Dazu soll im zweiten Kapitel die Studie von Müller & Kupisch (2003) zusammengefasst und deren Ergebnisse kurz dargestellt werden. Im dritten Kapitel werden die theoretische, terminologische sowie methodologische Kritikpunkte, die in der besagten Studie festzustellen sind, erläutert und diskutiert. Die Untersuchung wird demnach textbasiert vorgenommen, wobei zur Diskussion weitere Studien, die sich ebenfalls mit der Thematik befassen, hinzugezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Studie von Müller & Kupisch (2003)
3. Diskussion
3.1 Theoretische Kritikpunkte
3.2 Terminologische Kritikpunkte
3.3 Methodische Kritikpunkte
4. Zusammenfassung
5. Literaturverzeichnis
6. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
Weltweit gibt es mehr Menschen, die zwei oder mehr Sprachen beherrschen, als Monolinguale (vgl. MacLeod et al. 2012: 132). Obwohl die Mehrsprachigkeit demnach nicht selten ist, sind einige Fragen insbesondere hinsichtlich des mehrsprachigen Spracherwerbs noch unbeantwortet. Dies liegt vor allem daran, dass sich die Situationen der mehrsprachig aufwachsenden Kinder stark unterscheiden. Einen Unterschied in solchen Situationen findet man bereits darin, ob die mehrsprachig aufwachsenden Kinder die betreffenden Sprachen seit ihrer Geburt zu gleichen Anteilen erwerben oder ob eine Sprache die andere überwiegt.
Daraus resultiert die Frage, welche Konsequenzen hinsichtlich der Sprachentwicklung des Kindes aus einem solchen ausgeglichenen und einem unausgeglichenen Erwerb zu erwarten sind. Die Studie von Müller & Kupisch (2003) versucht Antworten auf diese Frage zu finden, indem sie ein ausgeglichenes und ein unausgeglichenes Kind hinsichtlich deren Spracherwerbe und Entwicklungsstände miteinander vergleichen.
Die vorliegende Arbeit stellt eine Textkritik zu dieser Studie dar. Dementsprechend soll im Folgenden diskutiert werden, inwiefern die von Müller & Kupisch (2003) aufgeführten Annahmen, Methoden sowie Schlussfolgerungen valide sind. Dazu soll im zweiten Kapitel die Studie von Müller & Kupisch (2003) zusammengefasst und deren Ergebnisse kurz dargestellt werden. Im dritten Kapitel werden die theoretische, terminologische sowie methodologische Kritikpunkte, die in der besagten Studie festzustellen sind, erläutert und diskutiert. Die Untersuchung wird demnach textbasiert vorgenommen, wobei zur Diskussion weitere Studien, die sich ebenfalls mit der Thematik befassen, hinzugezogen werden.
Insofern Müller & Kupisch (2003) einige kontroverse Themen ansprechen, ist zu vermuten, dass die von ihnen angenommenen Thesen sich von den Thesen anderer Studien unterscheiden. Insofern lediglich der Spracherwerb zweier Proband*innen erforscht wird, ist ebenso zu erwarten, dass die Ergebnisse der Studie möglicherweise mit den Ergebnissen ähnlicher Studien widerspricht und es weiterer Studien mit einer höheren Anzahl von Proband*innen für aussagekräftigere Ergebnisse bedarf.
2. Die Studie von Müller & Kupisch (2003)
Im Rahmen ihrer Studie befassen sich Müller & Kupisch (2003) mit dem simultanen Erwerb zweier Erstsprachen (2L1-Erwerb). Darunter versteht man, dass mind. zwei Sprachen von Geburt an gleichzeitig von einem Kind als Erstsprachen (L1) erworben werden (vgl. Müller et al. 2011: 9). Hierbei spricht man von einem ausgeglichenen 2L1-Erwerb, wenn die 2L1 gleichmäßig erworben werden bzw. von einem unausgeglichenen 2L1-Erwerb, wenn eine L1 weiterentwickelt ist als die andere L1 (vgl. Müller et al. 2011: 15). Die weiterentwickelte L1 bezeichnet man als die stärkere bzw. dominante L1 (vgl. Müller et al. 2011: 246). Anhand der Studie soll aufgezeigt werden, dass ein unausgeglichenes Kind, d. h. ein Kind mit einem unausgeglichenen 2L1-Erwerb, die gleichen Erwerbsphasen wie ein ausgeglichenes bzw. ein monolinguales Kind durchläuft. Deshalb werden die Entwicklungen in einigen grammatischen Bereichen, die für monolinguale Kinder bereits ausführlich erforscht sind, mit den Entwicklungen eines unausgeglichenen sowie eines ausgeglichenen Kindes verglichen. Dazu werden die Subjekt-Objekt-Asymmetrie im Französischen (Fr.), d. h. das Phänomen, dass Subjektklitika vor Objektklitika erworben werden sowie die Verwendung von Determinanten (DET) im Fr. als auch die Genusmarkierung an den DET untersucht (vgl. Müller & Kupisch 2003: 157, 162ff).
Als Proband*innen werden die zwei Kinder Alexander und Céline ausgewählt. Ein Elternteil der Proband*innen spricht als L1 Fr. und das andere Elternteil als L1 Deutsch (Dt.). Mit dem Kind sprechen die Elternteile jeweils in ihrer L1, sodass die Kinder bilingual aufwachsen, d. h. sowohl Dt. als auch Fr. als L1 erwerben. Diese Strategie wird Eine-Person-eine-Sprache-Methode (1P-1Sp-Methode) genannt (vgl. Müller et al. 2011: 246). Zudem haben Alexander sowie Céline einen älteren, ebenso bilingualen Bruder. Alexander spricht mit seinem Bruder auf Fr., Céline mit ihrem in beiden L1. Des Weiteren wird Céline von einem deutschsprachigen Kindermädchen betreut (vgl. Müller & Kupisch 2003: 149).
Die Äußerungen der Proband*innen werden im Alter von 2;01 bis 5;0 etwa zweiwöchentlich bei den Familien zuhause aufgenommen. Laut Müller & Kupisch (2003: 153) besteht das Team, mit dem Céline und Alexander interagieren, aus zwei Monolingualen des Dt. bzw. des Fr. Jede Aufnahme enthält demnach einen dt. sowie einen fr. Teil. Während der Aufnahmen interagieren die Proband*innen spontan mit dem*der Interaktionspartner*in auf der jeweiligen Zielsprache, d. h. der L1 der Interaktionsperson. Untereinander spricht das Interaktionsteam auf Fr. (vgl. Müller & Kupisch 2003: 148).
Für einen Vergleich der Kompetenzen, d. h. des zugrundeliegenden Sprachwissens der Proband*innen (vgl. Müller et al. 2011: 17), werden die durchschnittliche Äußerungslänge (MLU), die längste Äußerung pro Aufnahme (LAA) sowie die Anzahl verschiedener Verben als Vergleichskriterien ermittelt. Überdies wird sowohl die Äußerungsanzahl pro Aufnahme als auch der relative Anteil gemischter Äußerungen vermerkt, da anhand dieser die Sprachpräferenz festgestellt wird (vgl. Müller & Kupisch 2003: 148ff.). Die Auswertung der Sprachaufnahmen zeigt, dass Alexanders 2L1-Erwerb ausgeglichen verläuft, da sich die Werte der MLU, der LAA sowie des Verbzuwachses in beiden L1 etwa gleichen. Im Gegensatz dazu wird anhand von Célines Werten einen höheren Entwicklungsgrad im Dt. sowie eine deutliche Präferenz für das Dt. erkennbar (vgl. Müller & Kupisch 2003: 150f.).
Bezüglich der Subjekt-Objekt-Asymmetrie zeigt die Studie auf, dass Alexander und Céline wie monolinguale Kinder Subjektklitika vor Objektklitika erwerben, wobei starke Pronomina, d. h. jene, die sowohl als Subjekt als auch als Objekt realisiert werden, Ausnahmen dazu darstellen (Müller & Kupisch 2003: 156ff.). Hinsichtlich der DET-Verwendung wird bei Alexander eine zielsprachliche Verwendung, d. h. eine relative Anzahl von 4,3%, etwa ein Jahr vor Céline festgestellt. Überdies verwendet Alexander etwa ein Jahr vor Céline neben Artikeln noch weitere DET (vgl. Müller & Kupisch 2003: 164). Hinsichtlich der Genusmarkierung bildet Alexander seit Beginn der Aufnahmen wie monolinguale Kinder kaum inkorrekte Formen, wohingegen Céline erst mit 3;8 eine ähnlich hohe Akkuratheit vorweist (vgl. Müller & Kupisch 2003: 166). Demnach zeigt die Studie auf, dass unausgeglichene, ausgeglichenen sowie monolinguale Kinder die gleichen Erwerbsphasen durchlaufen, wobei unausgeglichene Kinder die schwächere L1 im Vergleich zu ausgeglichenen bzw. monolingualen Kindern verzögert erwerben (vgl. Müller & Kupisch 2003: 166f.).
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1 Altersangaben werden in der Form Jahre;Monate bzw. bei Bedarf in der Form Jahre;Monate,Tage angegeben.
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