Belletristische Texte auf Schreibplattformen. Produktion, Distribution und Rezeption

Der Feind der Buchbranche


Bachelorarbeit, 2021

48 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Produktion, Distribution und Rezeption im klassischen Buchhandel
2.1. Veröffentlichung über den Verlag
2.1.1. Lektorat und Herstellung
2.1.2. Marketing und Vertrieb
2.2. Das Kulturgut „Buch“ in der Krise

3. Produktion, Distribution und Rezeption im Mobile Publishing
3.1. Neue Veröffentlichungswege durch Mobile Publishing
3.2. Veröffentlichung über Schreibplattformen
3.2.1. Konzeption und Erfolgsbeispiele
3.2.2. Veröffentlichen auf Wattpad

4. Die Verlockungen und Gefahren der Schreibplattformen
4.1. Der leichterfüllte Traum vom Autorendasein
4.1.1. Umfrageergebnisse
4.1.2. Faszination Fanfiktion
4.2. Die Schattenseiten
4.2.1. Über Copyright und Datendiebstahl
4.2.2. Die scheinbare Neutralität des Algorithmus

5. Mögliche Zukunftsstrategien für erfolgreiches Publizieren
5.1. Ausspielen der eigenen Stärken
5.1.1. Gezielte Autorenakquise
5.1.2. Austauschmöglichkeiten schaffen
5.1.3. Vertrieb von Merchandise
5.2. Schwächen erkennen und umwandeln
5.2.1. Story-First-Strategie
5.2.2. Größeres E-Book-Angebot
5.2.3. Social-Media-Konzepte

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abstract

Diese Arbeit zeigt die aktuelle Lage des herstellenden Buchhandels auf und geht auf die Veränderungen ein, die sich durch die Entwicklung neuer Publizierungsmöglichkeiten ergeben. Das Ziel der Arbeit ist es aufzuzeigen, dass die technischen Innovationen der letzten Jahre nicht nur eine Bedrohung, sondern auch neue Chancen für den Buchhandel bereithalten. In diesem Zusammenhang wurden die klassischen Publikationswege des Verlages denen des Mobile Publishings gegenübergestellt. Eine besondere Form des Mobile Publishings, die Schreibplattformen wie Wattpad und Archive Of Our Own, wird dabei hervorgehoben und als Beispiel einer neuen Art des Lesens und Schreibens genutzt. Dafür wurde eine Umfrage unter den User*innen von Schreibplattformen erhoben, in welcher Vor- und Nachteile dieser Art der Veröffentlichung ausgearbeitet wurden. Das Wissen um die Unterschiede nutzt diese Arbeit, um Strategien zu entwickeln, wie der Buchhandel weiterhin für Leser*innen attraktiv bleiben kann. Die vorliegende Arbeit ist daher vor allem für Mitglieder der Buchbranche, aber auch für Studierende und Forschende mit den Schwerpunkten Social Reading und Collaborative Writing interessant.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Marketing Mix (Quelle: Eigene Grafik)

Abbildung 2: Beispiel einer Geschichte auf Wattpad (Quelle: Eigene Aufnahme)

Abbildung 3: Alter der Teilnehmer*innen (Quelle: Google Forms)

Abbildung 4: Beliebte Genres (Quelle: Google Forms)

1. Einleitung

Der Buchhandel ist eine der am meisten dem Wandel unterworfenen Branchen und gleichzeitig eine, die nur langsam auf technologische Veränderungen reagiert. Wie keine andere werde die Buchbranche „[…] von kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und technischen Faktoren beeinflußt […]“ weil das Buch „[…] einerseits Wirtschaftsgut, andererseits Kulturträger ist.“1 Die Sorge, dass die Buchbranche und das Buch als Kulturträger von neuen Medien bedroht wird, ist dabei keinesfalls neu. Mit der Erfindung des Fernsehers gingen bereits ähnliche Aufschreie einher: 1965 wurde aufgrund der steigenden Beliebtheit des Fernsehens „[…] das Ende des Buchzeitalters ausgerufen.“2 Doch mit der Erfindung des Internets wurde nicht einfach nur ein konkurrierendes Medium erschaffen, sondern eines, dass Bücher in ihrer traditionellen Form archaisch anmuten lässt, das digitale E-Book. Schon 1945 gab es erste Versuche, elektronische Bücher herzustellen, und bis zur Jahrtausendwende entstanden verschiedenste Modelle und Ansätze zu den inhaltlichen wie auch technischen Möglichkeiten zur Realisierung.3 Der springende Punkt ist allerdings, dass diese Forschungen von Unternehmen durchgeführt wurden, die nicht der Buchbranche entstammen. E-Reader, die Lesegeräte, werden hauptsächlich von Großunternehmen in den Zweigen Hardware und Mobilfunk hergestellt und vertrieben und diese sind es auch, die die Entwicklungen in diesem Bereich bis heute vorantreiben.4 Auch die ersten echten E-Books, nämlich rein elektronische Bücher ohne Vorausgänger in Papierform, wurden nicht von Verlagen in den Umlauf gebracht, sondern von einer Firma, die eigentlich Computerspiele entwickelte.5

Schlussfolgernd liegt das Problem mit den „neuen Medien“ nicht darin, dass sie das Buch ersetzen können, sondern dass sie helfen es weiterzuentwickeln und der Buchhandel dabei außenvor bleibt. Dass diese Technologien die Art des Lesens und Schreibens verändern und bereits verändert haben, ist gewiss, so wie es auch damals Gutenbergs Druckerpresse getan hat.6 Die neue Lesegeneration teilt ihre Leidenschaft für Bücher auf sozialen Netzwerken statt im engen Bekanntenkreis, Buchclubs finden zunehmend in digitalen Räumen statt. Durch die fortschreitende Digitalisierung wird Lesen auf andere Art gemeinschaftsstiftend und es ist wichtig, dass der Buchhandel darauf eingeht. In Deutschlang hat das Buch als Ware eine Sonderstellung und verschafft dem Buchhandel einige Privilegien im Vergleich zu anderen Branchen. So können Bücher beispielsweise günstiger versendet werden und sie sind preisgebunden. Das ist ein großer Unterschied im Vergleich zur Buchbranche im Ausland und ändert auch die Herangehensweise des Markts, sichert aber eine größere Titelvielfalt und sorgt für die Konkurrenzfähigkeit inhabergeführter Buchhandlungen in einer von Filialisten dominierten Wirtschaft.7 Das führte allerdings dazu, dass der Buchhandel unvorbereitet war, als andere Wirtschaftszweige aus dem Ausland in ihre Branche eindrangen und sich der Wettbewerb verschärfte. Das Ziel dieser Arbeit ist allerdings es nicht nur, die Veränderungen in der Branche darzustellen, denn diese kündigen sich bereits seit Jahrzehnten an. Stattdessen soll sie einen Schritt weiter gehen und Möglichkeiten aufzeigen, wie diese Veränderungen für den Erhalt der Buchbranche genutzt werden können. „Erhalt“ bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nicht das Bewahren der traditionellen Abläufe. Diese Arbeit vertritt die These, dass der Buchhandel sich verändern muss, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Sie ist somit als ein Plädoyer für initiatives Handeln und das Lernen von der Konkurrenz zu sehen.

Im ersten Teil dieser Arbeit werden grundlegende Prozesse der Veröffentlichung belletristischer Texte im Verlagswesen geschildert. Die Belletristik zählt als wichtigste Warengruppe des Buchhandels, dicht gefolgt vom Jugendbuch.8 Diese Kategorien dominieren auch auf den Schreibplattformen. Das zweite Kapitel soll also ein Grundverständnis für die Verlagsabläufe und eine Vergleichsbasis für die des Mobile Publishings schaffen. Im Anschluss daran wird auf die aktuelle Problematik in der Buchbranche allgemein aufmerksam gemacht, der Schwerpunkt liegt hier allerdings ebenfalls auf den Entwicklungen in der Erzählliteratur. Dazu zählen die rückläufigen Absatzzahlen, die eingangs erwähnt große Bedrohung durch branchenferne Betriebe und auch die bisherigen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Das dritte Kapitel stellt den Begriff des Mobile Publishings vor, was für Möglichkeiten es mit sich bringt und wie es die Publizierungsprozesse , mit besonderer Aufmerksamkeit auf der Entwicklung des E-Books, verändert. Außerdem wird im zweiten Teil dieses Kapitels auf die besondere Veröffentlichungsform der Schreibplattformen eingegangen. Dazu wird zuerst die grundlegende Funktionsweise erläutert, ehe Beispiele berühmter Werke genannt werden, die genau diesen Prozess anfänglich durchlaufen haben. Der letzte Teil dieses Kapitels beschreibt eine Veröffentlichung über die Plattform Wattpad.

Nachdem die grundlegenden Prozesse erklärt wurden, ergründet das vierte Kapitel, wieso die Beliebtheit der Schreibplattformen zunimmt, während im klassischen Buchhandel von Leserabwanderungen gesprochen wird. Um das zu erreichen, werden Meinungen der Nutzer*innen herangezogen, die in einer vorab erhobenen Umfrage gesammelt wurden. Die User*innen konnten darin ihre Meinungen zu den Vor- und Nachteilen von Schreibplattformen kundtun, sowie die Gründe für ihren Beitritt angeben. Ihre Angaben fließen in das Kapitel ein und illustrieren sowohl die positiven Aspekte als auch mögliche Gefahren, die diese Art der Publikation mit sich bringen kann. Das fünfte Kapitel bietet Lösungsvorschläge und Strategien, die der herstellende Buchhandel nutzen kann, um nicht nur mit den veränderten Leserbedürfnissen mitzugehen, sondern auch davon zu profitieren. Damit das gelingt, müssen die in den vorherigen Kapiteln benannten Vorteile der Schreibplattformen auf das Verlagswesen übertragen werden, während die Stärken des herstellenden Buchhandels erhalten bleiben und nur weiter ausgebaut werden. Am Schluss werden die gezogenen Erkenntnisse zusammengefasst.

2. Produktion, Distribution und Rezeption im klassischen Buchhandel

2.1. Veröffentlichung über den Verlag

2.1.1. Lektorat und Herstellung

Um ein Manuskript zu veröffentlichen, können Autor*innen verschiedene Wege beschreiten. Der bekannteste und traditionsreichste Weg ist die Zusammenarbeit mit einem Verlag. Ein Verlag ist ein wirtschaftlich agierendes Unternehmen, dass die Aufgabe hat, geistige Werke im Auftrag der Urheber zu verbreiten und somit einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen und zählen somit zum herstellenden Buchhandel.9 Das Wort „Verlag“ leitet sich aus dem Spätmittelhochdeutschen ab und bedeutet „auslegen“ im Sinne von Geld vorstrecken.10 Dies ist bezeichnend für die Arbeit eines Verlags, besonders für Buchverlage mit belletristischem Schwerpunkt, auf die sich die vorliegende Arbeit konzentriert. Dieses Kapitel soll einen vereinfachten Überblick in gängige Produktionsprozesse ermöglichen. Es ist dabei aber zu beachten, dass eine immer stärkere Konzentration im Buchhandel stattfindet, sowohl bei dem herstellenden wie auch dem vertreibenden. Das führt dazu, dass viele Abteilungen zusammengelegt werden und Handlungsschritte von Freiberufler*innen oder in Kooperation mit anderen Unternehmen erfolgen können, statt im Verlag selbst.

Die Verlagsspitze bilden Verlagsleiter*innen, die aber nicht unbedingt auch die Besitzer*innen darstellen; in den meisten Fällen sind die Kapitaleigner nicht die Geschäftsführer oder direkt an der Unternehmensführung beteiligt.11 Sie sind vor allem für die Programmleitung und die Verlagsphilosophie zuständig und bestimmen somit, welche Art von Titeln veröffentlicht werden.12 Zudem sind folgende Abteilungen vertreten: Die Cheflektorate für diverse Warengruppe, zum Beispiel Belletristik, die Herstellung, die Abteilung Verkauf und Vertrieb, Werbung, Presse, Lizenzen und das Rechnungswesen.13 Heutzutage ist es jedoch, vor allem bei unabhängigen, kleineren oder Nischenverlagen, üblich, Abteilungen zusammenzulegen oder auf freiberufliche Lektor*innen und Übersetzer*innen zurückzugreifen, um Arbeitskosten einzusparen. Doch auch bei großen Verlagen wird die Unternehmensstruktur ständig angepasst.14 Im Rahmen dieser Arbeit sind aus den produktbezogenen Funktionen eines Verlages vor allem die inhaltlichen wichtig, nämlich das Lektorat, in dessen Zuständigkeit die Produktentwicklung liegt und in den unter anderen für die Autor*innen, Agent*innen, Scouts und Übersetzer*innen fallen.15 Die technische Produktion, die im Verantwortungsbereich der Abteilung Herstellung liegt, ist hauptsächlich im Bereich des Digitalen für die Analyse interessant. Neben den produktiven sind die erlösbezogenen Funktionen, die sich um den Absatz und Vertrieb kümmern, zentral für diese Arbeit. Dazu zählen die Werbung und die Rechteverwertung. Aus Relevanzgründen werden viele Abteilungen lediglich erwähnt und in ihrer Funktion nicht weiter erläutert.

Wie der Wissenschafts- und Fachverlag auch, sind auch literarische Verlage stark von ihren Autor*innen abhängig, die ihre Produkte erstellen.16 Doch ihr Einfluss auf diese Produkte ist geringer, der ihrer Autor*innen entsprechend umso größer. Die ersten Personen im Verlag, die mit einem neuen Buchprojekt in Kontakt treten, sind in der Regel die Lektor*innen.17 Es muss sich dabei nicht um ein fertiges Manuskript handeln, sondern kann auch lediglich die Idee zu einem neuen Titel, Schreibproben oder ein Exposé sein, entweder von Autor*innen, Scouts und Agent*innen eingesandt oder verlagsintern entwickelt.18 Es ist die erste Aufgabe der Lektor*innen, das Buchprojekt zu begutachten und zu entscheiden, ob es in das Verlagsprogramm passt und das Erfolgspotenzial einzuschätzen.19 Das Programm ist nicht nur eine Richtlinie an Genres, die der Verlag vertreibt, sondern steht für dessen gesamtes Angebot. Im Programm wird festgelegt, welche Bestandstitel weitere Auflagen erhalten und die sogenannte Backlist eines Verlags bilden, wie die Kapazitäten für neue Buchprojekte aussehen und in welche Richtung sie gehen sollen.20 Bei belletristischen Verlagen ist der Anteil an Neuerscheinungen in der Regel größer als der prozentuale Backlistanteil, da diese viel stärker auf einen schnelllebigen Markt reagieren müssen als beispielsweise Schulbuchverlage, in dem sich auch erfolgreiche Titel selten länger als ein Jahr halten.21 Das bedeutet für das Lektorat, dass die Entwicklung von neuen Buchprojekten zwar einen hohen Stellenwert einnimmt, aber auch sehr risikoreich ist. Im Jahr 2019 erschienen in Deutschland insgesamt über 14.460 neue Titel allein in der Belletristik.22 Bis aus einem Projekt eine tatsächliche Neuerscheinung wird, können mehrere Jahre vergehen. Aus diesem Grund arbeiten Verlage in der Regel an mehr Projekten, als letztendlich tatsächlich zum angekündigten Zeitpunkt erscheinen.23 Wie bereits erwähnt, zählen belletristische Verlage zu der Kategorie der Autoren- und Lektoratsverlage und sind somit stark von ihren Autor*innen abhängig. Müssen Neuerscheinungen nach hinten verschoben werden, weil die Schriftsteller*innen aufgrund einer Schreibblockade nicht rechtzeitig liefern können, muss direkt Ersatz vorhanden sein. Bei im Voraus angekündigten Spitzentiteln kann eine Verzögerung allerdings trotzdem zu großen Umsatzeinbrüchen führen.24 Neben Originalpublikationen erwerben Verlage auch die Rechte an Übersetzungen aus anderen Sprachen, wobei die Lektoren dann anstelle des Urhebers die Übersetzer*innen betreuen und mehr für die Markteinführung als für die Arbeit am eigentlichen Projekt zuständig sind.25 In manchen Fällen werden diese Lizenzen auf der Buchmesse erworben, häufig aber greift das Lektorat zur Unterstützung auf Scouts zurück, die den ausländischen Buchmarkt beobachten und Trends übermitteln.26 Auch hier gibt es noch immer ein gewisses Risiko, denn nur weil der Titel im Ausland erfolgreich war bedeutet es nicht, dass sich auch auf dem deutschen Markt ein Erfolg einstellt.

Sobald die inhaltliche Produkterstellung abgeschlossen ist, wird das Buchprojekt an die Herstellung weitergeleitet, die sich um die technische Produktion sowohl über Druckereien als auch im Digitalbereich kümmert. Sie übernehmen nicht die eigentliche Produktion, diese findet in separaten Betrieben statt. Die Herstellung ist allerdings für die Schritte zuständig, die bis zur Produktion führen. Sie erstellt die druckfähigen Dateien aus den Inhalten der Lektoratsabteilung und betreut den Produktionsvorgang.27 Sie holt die Angebote diverser Druckereien ein, bestimmt die Druckart und das Papier im Rahmen des gegebenen Budgets, arbeiten aber noch immer eng mit dem Lektorat zusammen. Häufig ist es sogar so, dass die Herstellung dem Lektorat eher beratend beiseite steht, da die Lektor*innen mit den Autor*innen in Kontakt stehen und deren Gestaltungswünsche ebenfalls miteinfließen.28 Aus diesem Grund wird diese Abteilung häufig verkleinert und die Abteilungsmitglieder sind dann eher als Lektoratsassistenten mit Kompetenzen in Text- und Bildverarbeitung zu sehen.29

2.1.2. Marketing und Vertrieb

Nachdem das Buchprojekt inhaltlich und technisch fertiggestellt wurde, kümmern sich hauptsächlich die Abteilungen Marketing, Vertrieb und Werbung um den Absatz. Häufig werden die drei Bereiche auch kombiniert und nicht in einzelne Abteilungen getrennt.30 Generell werden Vertriebskanäle in mehrere Stufen unterteilt. Der Direktvertrieb benötigt keinen Handel als Zwischenstopp, die Bücher gelangen ohne Umwege vom Verlag zum Kunden, egal ob Privat- oder Großkunde.31 Der einstufige Vertrieb erfolgt über den Handel, darunter fallen sämtliche Buchhandelsorten, vom Sortiment, über Nebenmärkte bis hin zum Online-Buchhandel. Der zweistufige Vertrieb hat zwischen dem Handel und dem Verlag noch die Barsortimente zwischengeschaltet.32 Die Barsortimente sind Teil des Buchgroßhandels, die eine große Anzahl an Titeln lagern und an die Buchhandlungen weiterverkaufen. Eine Bestellung über Barsortimente kann in der Regel bereits am nächsten Werktag eintreffen, während eine Einzelbestellung über den Verlag eine längere Bearbeitungszeit erfordert. Besonders für belletristische Verlage sind die Barsortimente unverzichtbar, denn sie sorgen dafür, dass ein großer Anteil ihres Programmes für Buchhändler*innen und somit auch für Kunden verfügbar bleibt. Titel, die über das Barsortiment bezogen werden, sind meistens Einzeltitel aus einer älteren Saison oder Nischenbücher. Der Außendienst setzt sich aus Verlagsvertretern zusammen, die für den Verlag unterwegs sind und versuchen, das Buchprojekt an möglichst viele Händler zu verkaufen.33 Sie sind es, die in sogenannten Vertreterrunden die Bestellungen von Sortimentsbuchhändlern aufnehmen und vor Ort Werbung für das Verlagsprogramm betreiben. Sie sind auch die ersten Ansprechpartner für ihre Kunden, daher ist es wichtig, dass sie vom Verlag gut über das geplante Programm informiert werden.34 Der Innendienst kümmert sich derweil um Bestellungen, die direkt beim Verlag eingehen.35

„Marketing [als] systematisch geplante marktorientierte Unternehmenspolitik“ ist eine Aufgabe, die in den sogenannten Verlagskonferenzen, bei der die Leiter sämtlicher Abteilungen zusammenkommen, vom gesamten Verlag betrieben wird.36 Es ist wichtig zu planen, welche Titel welche Zielgruppen im vorgegebenen Segment überhaupt erreichen können. Diskutiert wird alles vom Verlagsprogramm über die Gestaltung bis hin zum Preis, Absatzwegen und natürlich den geplanten Werbemaßnahmen.37 Beim Marketing geht es dabei hauptsächlich um Beobachtung, Analyse und Planung. Der aktuelle Markt wird genaustens untersucht, um sich einerseits der eigenen Stellung darin bewusst zu sein und andererseits auch um eventuelle Änderungen der Konsumentenbedürfnisse frühzeitig zu erkennen und darauf einzugehen.38 Dabei werden verschiedene Marketinginstrumente genutzt: Die Produkt-, Distributions-, Kontrahierungs- und Kommunikationspolitik.39 Alle vier Instrumente sind für eine

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Marketing Mix
(Quelle: Eigene Grafik)

Markengestaltung gleichermaßen bedeutend. Die folgende Grafik stellt ihre Inhalte dar:

Wie in der obigen Grafik ersichtlich wird, gehört die Werbung zur Kommunikationspolitik. Ihr Ziel ist es, die Informationen zu neuen Buchprojekten, den Novitäten, zu verbreiten, aber auch allgemein neue Kunden anzuwerben und somit den Absatz zu steigern.40 Man unterscheidet zwischen Publikums- und Händlerwerbung, wobei erstere sich auf den Buchnutzen konzentriert und den Bedarf wecken soll und letztere auf den Händlernutzen stützt, sprich die zu erwartenden Gewinne.41 Die Art der Werbung ist stark an das jeweilige Produkt und somit die Zielgruppe gebunden. Einen Schwarzwaldkrimi, der sich an eine ältere Zielgruppe richtet, wird sich nicht verkaufen, wenn er nur online beworben wird. Stattdessen sollte er in Touristeninformationen und Bahnhofskiosken zu finden sein. Um das Werbebudget festlegen zu können, ist es natürlich wichtig sich zu fragen, was wann wie lange wie und an wen gerichtet beworben wird.42 Im Buchhandel ist außerdem üblich, Leseexemplare an Sortimentsbuchhandlungen und an eventuelle Rezensenten zu verteilen. Das sorgt dafür, dass bereits vor Verkaufsstart über das Buch gesprochen wird und gleichzeitig können besonders gute Rezensionen für weitere Werbemaßnahmen verwendet werden. Neben den klassischen Werbemitteln wie Flyern und einem Vorschau- beziehungsweise Werbekatalog, ist die Pflege einer Verlagshomepage unerlässlich, da über sie heutzutage ein großer Teil des Direktvertriebes läuft.43 Die Kosten für die Homepagepflege und den Webshop werden ebenfalls in das Werbebudget eingerechnet.

2.2. Das Kulturgut „Buch“ in der Krise

Es gibt wohl kaum Lesebegeisterte, die Bücher nicht mit einer sentimentalen Einstellung bewerten. Sie sind Wissenshorte, Rückzugsorte und Erinnerungsstücke. Als der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2018 im Rahmen einer Studie die Teilnehmer*innen fragte, was sie mit Büchern verbinden, fielen nicht umsonst die Begriffe „Rückzug und Achtsamkeit“, „Entspannung“ und „Alltagsflucht“.44 Bücher stehen aber auch für kulturelle Vielfalt und Meinungsfreiheit.45 Dies ist vermutlich einer der Gründe, weshalb sich die Buchbranche bis Ende der Neunziger gut über Wasser halten und sogar erweitern konnte.46

Doch das Buch allein genügt nicht mehr. Leser*innen erwarten mehr von ihrer Lektüre, sie wollen Autoreninterviews, Bonuskapitel und vor allem ein großes Angebot.47 Da die traditionellen Marktteilnehmer*innen den Kundenwünschen nicht rechtzeitig entsprachen, ist es kein Wunder, dass die größten Anteile am Buchmarkt nicht mehr bei den alteingesessenen Mitgliedern der Branche, sondern außerhalb liegen. Google Books ist einer der wichtigsten Anbieter für Informationen zu Büchern weltweit geworden, während der Online-Buchhandel vom Unternehmen Amazon dominiert wird.48 Diese ursprünglichen branchenfernen Teilnehmer sind aufgrund ihrer Marktmacht in der Lage, in direkte Konkurrenz zu dem herstellenden und vertreibenden Buchhandel zu treten, sowohl was die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle angeht als auch Produkte.49 Google, Microsoft, Amazon und Apple sind global agierende, milliardenschwere Konzerne, die großen Druck beim Verhandeln der Konditionen ausüben können.50 Wenn sich Amazon entscheiden würde, die Bücher eines bestimmten Verlags nicht mehr zu vertreiben, würde das einen großen Verlust im Bereich des Internetbuchhandels bedeuten, der immerhin ca. 20 Prozent des Branchengesamtumsatzes generiert.51 Zu den Herausforderungen, denen sich die Buchbranche schon immer stellen musste wie dem Sichern der Leserschaft und der Bedrohung durch andere Freizeitaktivitäten, kommt nun also ein Verlust der Stellung im eigenen Wirtschaftszweig hinzu.52

In den letzten Jahren verlor die Buchbranche Millionen an Käufer*innen. Die derzeit aktuellen Zahlen bietet das vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels herausgegebene Werk Buch und Buchhandel in Zahlen 2020.

[...]


1 Vgl. Simone Preuß: Buchmarkt im Wandel wissenschaftliches Publizieren in Deutschland und den USA. Stuttgart, Weimar 1999. Zitat S. 22.

2 Vgl. Ebd. Zitat S. 26.

3 Vgl. Christiane Oehlke et al.: Was tun? Open Access, digitale Buchformen, Wikis. Wiesbaden 2007, S. 16-18.

4 Vgl. Wulf D. von Lucius: Verlagswirtschaft. Ökonomische, rechtliche und organisatorische Grundlagen. Konstanz 2005, S. 343.

5 Vgl. Oehlke et al: Was tun? S. 19.

6 Vgl. Maier, Matthias/Simon-Ritz, Frank: Alles digital? E-Books in Studium und Forschung; Weimarer EDOC-Tage 2011. Weimar 2012. S.13.

7 Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hg.): Buch und Buchhandel in Zahlen 2020. Zahlen, Fakten und Analysen zur wirtschaftlichen Entwicklung. Frankfurt am Main 2020. S. 11.

8 Vgl. Ebd. S. 14f.

9 Vgl. Thomas Breyer-Mayländer: Wirtschaftsunternehmen Verlag. Frankfurt am Main 2000 (Edition Buchhandel 5), S. 17.

10 Vgl. Ebd.

11 Vgl. Hans-Helmut Röhring: Wie ein Buch entsteht. Eine Einführung in den modernen Buchverlag. Darmstadt 1983, S. 8.

12 Vgl. Wulf D. von Lucius: Verlagswirtschaft. Ökonomische, rechtliche und organisatorische Grundlagen. Konstanz 2005, S. 82.

13 Vgl. Röhring: Wie ein Buch entsteht. S. 8.

14 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 80f & 92f.

15 Vgl. Ebd. S. 81.

16 Vgl. Ebd. S. 76f.

17 Vgl. Röhring: Wie ein Buch entsteht. S. 18.

18 Vgl. Ebd.

19 Vgl. Ebd. S. 19.

20 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 71-75.

21 Vgl. Ebd. S. 75.

22 Vgl. Börsenverein: Buch und Buchhandel in Zahlen 2020. S. 86.

23 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 77.

24 Vgl. Ebd. S. 84.

25 Vgl. Ebd. S. 86.

26 Vgl. Ebd.

27 Vgl. Ebd. S. 133.

28 Vgl. Ebd. S. 137f.

29 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 139.

30 Vgl. Ebd. S. 177.

31 Vgl. hier und im Folgenden: Breyer-Mayländer: Wirtschaftsunternehmen Verlag. S.250-258.

32 Vgl. Ebd. S. 257.

33 Vgl. Ebd S.237.

34 Vgl. Breyer-Mayländer: Wirtschaftsunternehmen Verlag. S. 238.

35 Vgl. Ebd. S. 239.

36 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 177. Zitat S. 177.

37 Vgl. Ebd.

38 Vgl. Ebd. S. 179.

39 Vgl. Ebd. S.181.

40 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 206.

41 Vgl. Breyer-Mayländer: Wirtschaftsunternehmen Verlag. S. 258.

42 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 207.

43 Vgl. Ebd. S. 224.

44 Vgl. Börsenblatt: Jetzt sind Ideen gefragt. 12.06.2018. Online unter: https://www.boersenblatt.net/archiv/1479026.html (aufgerufen am 14.07.21).

45 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 18.

46 Vgl. Michel Clement, Eva Blömeke: Ökonomie der Buchindustrie. Herausforderungen in der Buchbranche erfolgreich managen. Wiesbaden 2009. S.11.

47 Vgl. Clement: Ökonomie der Buchindustrie. S.12.

48 Vgl. Ebd.

49 Vgl. Clement: Ökonomie der Buchindustrie. S. 13.

50 Vgl. Lucius: Verlagswirtschaft. S. 69.

51 Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hg.): Buch und Buchhandel in Zahlen 2020. Zahlen, Fakten und Analysen zur wirtschaftlichen Entwicklung. Frankfurt am Main 2020. S. 8f.

52 Vgl. Clement: Ökonomie der Buchindustrie. S. 13.

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Belletristische Texte auf Schreibplattformen. Produktion, Distribution und Rezeption
Untertitel
Der Feind der Buchbranche
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
48
Katalognummer
V1176795
ISBN (eBook)
9783346610003
ISBN (eBook)
9783346610003
ISBN (eBook)
9783346610003
ISBN (Buch)
9783346610010
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Buchwissenschaft, Schreibplattform, Wattpad, Selfpublishing, mobile publishing
Arbeit zitieren
Vanessa van Stipriaan (Autor:in), 2021, Belletristische Texte auf Schreibplattformen. Produktion, Distribution und Rezeption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176795

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