Die Durchlässigkeit ehemaliger und aktueller Junioren-Nationalspieler in den Profifußball seit Einführung der Nachwuchsleistungszentren


Bachelorarbeit, 2017

63 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung
1.1 Forschungsstand
1.2 Forschungsdefizit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsbestimmung
2.1.1 Talent
2.1.2 Durchlässigkeit
2.1.3 Kategorisierung nach Leistungsniveau beim Debüt
2.1.4 Kategorisierung nach benötigtem Zeitraum bis zum Debüt
2.1.5 Relative Age Effect

3 Empirische Untersuchung
3.1 Fragestellung und Hypothese
3.2 Methodik
3.2.1 Untersuchungsobjekt und Datenerhebung
3.2.2 Untersuchungsgang
3.2.3 Statistische Methoden
3.2.4 Methodenkritik
3.2.5 Überprüfung der Gütekriterien
3.3 Ergebnisse
3.3.1 Durchlässigkeit des 1. FC Köln
3.3.2. Fallbeispiele
3.4 Anwendung der Fragestellung

4 Diskussion
4.1 Ausblick

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Entwicklung des DFB-Talentfördersystems seit 1998 nach SCHOTT (2010a)

Abb. 2 Entwicklung des Altersdurchschnitts der Spieler in der 1. Fußball-Bundesliga in den ersten 10 Jahren nach Einführung der NLZs (DFL, 2011)

Abb. 3 Ausschnitt aus der UEFA Verbands-Koeffizienten-Rangliste vom 05. März 2017 (UEFA, 2017a)

Abb. 4 Übersicht der zentralen Talentförderebenen auf der jeweiligen Ausbildungsstufe (DFB, 2007, S. 15)

Abb. 5 Pyramide der Altersstufen mit Beginn des fußballspezifischen Grundlagentrainings bis zum Lizenzspielerbereich (DFB, 2010, S. 9)

Abb. 6 Modell zur Entstehung und Verstärkung eines RAE nach LAMES et al. 2008 (aus GROSSMANN & LAMES, 2013)

Abb. 7 Auszug der erstellten Excel Maske mit den für die Auswertung relevanten Informationen der U17-Nationalmannschaft aus der Saison 2009/2010

Abb. 8 Beispiel zur Ermittlung des Jugendvereins von Stephen Sama - U17 Nationalspieler der Saison 2009/2010 (vgl. KRÄMER, 2017)

Abb. 9 Prozentuale Verteilung der Durchlässigkeit in der U17-Nationalmannschaft

Abb. 10 Verteilung der Leistungskategorien der U17 Spieler zum Zeitpunkt des Debüts im Profifußball

Abb. 11 Verteilung der Debüts nach dem Zeitraum zwischen Nationalmannschaftszugehörigkeit und dem erstem Profieinsatz in der U17

Abb. 12 Prozentuale Verteilung der Durchlässigkeit in der U19-Nationalmannschaft

Abb. 13 Prozentuale Verteilung der Durchlässigkeit von Talenten des 1. FC Köln in der U17-Nationalmannschaft

Abb. 14 Prozentuale Verteilung nach Vereinszugehörigkeit beim Debüt von Talenten des 1. FC Köln in der U17-Nationalmannschaft

Abb. 15 Verteilung der Leistungskategorien von Talenten des 1. FC Köln zum Zeitpunkt des Debüts im Profifußball (U17-Nationalmannschaft)

Abb. 16 Verteilung der Leistungskategorien von Talenten des 1. FC Köln zum Zeitpunkt des Debüts im Profifußball (U19-Nationalmannschaft)

Abb. 17 Verteilung der Debüts nach dem Zeitraum zwischen Nationalmannschaftszugehörigkeit und dem erstem Profieinsatz von Talenten des 1. FC Köln in der U19-Nationalmannschaft

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Kadergröße sowie Anzahl der durchlässigen/nicht durchlässigen Spieler in der U17-Nationalmannschaft

Tab. 2 Verteilung der Debüts nach Vereinszugehörigkeit der U17-Nationalspieler

Tab. 3 Häufigkeitsverteilung der Geburtsquartale der durchlässigen U17-Nationalspieler

Tab. 4 Verteilung der U17-Nationalspieler des 1. FC Köln im Untersuchungszeitraum pro Saison.

Tab. 5 Verteilung der U19-Nationalspieler des 1. FC Köln im Untersuchungszeitraum pro Saison.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

The aim of this thesis is to determine the transition rate of German national Under-17 players to professional soccer leagues. In addition the transition rate of the Under-17 players is being compared to the transition rate of talents who made their first national team appearance in the Under-19. Furthermore the group of successful players is being examined more detailed.

The period of investigation includes the last 16 years and begins with the season 2001/2002 where the German clubs of the first Bundesliga were obligated to implement a professional youth academy.

During this period, 622 Under-17 players and 172 Under-19 players were examined. The data analysis shows a highly significant higher transition rate for the Under-19-teams (U=37949, z=-6,757; p=,000). 76,6 % of these talents made their debut in a professional league. In contrast to the Under-19 players, only half of the talents of the Under-17 national team successfully changed to a professional clubs. The proficiency level of successful players was high. Most of the players (U17: 54,3 %; U19: 51,1 %) made their debut in one of the Top 5 Leagues in Europe. The results of the study also show that there is a significant higher chance to become a professional player in indigenous clubs (U17: p=,003; U19: p=,000). Moreover, it could be proved that 70 % of the talents in both age groups made their debut before the ending of the youth affiliation or after the regular transition. The Relative Age Effect (RAE) appears in both age groups. However, the RAE disappears in the group of successful Under-19 players, while he is present in the group of successful Under-17 players.

The findings of the study will be included into the current state of research. Besides that, all results will be discussed critically. Eventually the effectiveness of the German talent program will be assessed and future developments and changes will be evaluated.

1 Einleitung

Als Oliver Bierhoff die deutsche Fußballnationalmannschaft am 30. Juni 1996 mit dem ersten Golden Goal der EM-Geschichte zum dritten Mal auf Europas Thron hievte (GEIßLER, 2016), dachte niemand daran, dass die Leistungskurve in den kommenden Jahren eine andere Richtung einschlagen würde. Bereits bei der folgenden Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich schnitt die Mannschaft eher enttäuschend ab. Man gewann zwar die Vorrundengruppe und konnte im Achtelfinale Mexiko besiegen, schied dann aber durch ein 0:3 gegen Kroatien aus, welches man im Viertelfinale bei der EM zwei Jahre zuvor noch besiegen konnte. Den "absoluten Tiefpunkt", wie Jupp Heynckes urteilte (HANS, 2000), erreichte man bei der Europameisterschaft 2000. Mit einer in die Jahre gekommenen Mannschaft, welche sich laut dem Nationalspieler Jens Jeremies in einer „jämmerlichen Verfassung“ befand (MIRBACH, 2008), schied man mit zwei Niederlagen und lediglich einem Unentschieden als Titelverteidiger bereits in der Vorrunde aus. Erstmals in der Verbandsgeschichte des Deutschen Fußball Bundes kehrte eine Mannschaft ohne Sieg von einem großen Turnier zurück. Diese Negativerlebnisse erhöhten den öffentlichen Druck auf den DFB und führten zu einem Umdenken im Bereich der Nachwuchsförderung.

Bereits nach der WM 1998 wurde ein vorläufiges Talentförderprogramm ins Leben gerufen. Dieses sah vor, die Landesverbände finanziell zu unterstützen, damit 11- bis 12-jährige intensiver gefördert werden. Zudem investierte der DFB etwa 3,2 Mio. DM, um 120 Stützpunkte deutschlandweit einzurichten, in denen 13- bis 17-jährige Spieler gefördert werden sollten (SCHOTT, 2010a). Somit wurde jedem Talent die gleichen Chancen zugesichert, gesichtet und gefördert zu werden.

Auf die Nationalmannschaft hatten diese Neuerungen allerdings noch keinen Einfluss, weshalb man im Jahr 2000 mit einer gealterten Nationalmannschaft zur Europameisterschaft in den Niederlanden und Belgien fuhr. Die Mannschaft hatte einen Altersschnitt von 32 Jahren und in Person von Sebastian Deisler nur einen Spieler im Kader, der unter 21 Jahren war (SCHOTT, 2010c). Nachdem der deutsche Fußball durch das katastrophale Abschneiden bei der EM 2000 endgültig am Boden lag, wurde eine Task Force gegründet, die weitere Maßnahmen hinsichtlich der Talentförderung erarbeiten sollte. Eine Maßnahme der Task Force war es die Anzahl der Stützpunkte auf 390 zu erhöhen. Zudem sollten dort nun Talente im Alter von 11 bis 17 Jahren gefördert werden. Um die Jugendarbeit in Vereinen zu fördern, wurden zur Saison 2001/2002 zunächst alle Bundesligisten verpflichtet ein Nachwuchsleistungszentrum nach einem vom DFB vorgegebenen Kriterienkatalog aufzubauen. Eine Einführung für alle Zweitligisten scheiterte zunächst am Veto der Vereine, welche die Jugendförderung teilweise immer noch als lästig ansahen. Ein Jahr später wurde die Regelung allerdings auch in der 2. Bundesliga verpflichtend durchgesetzt. So sollte jeder Lizenzverein durch Anstellung hauptamtlicher Trainer, einer professionellen Infrastruktur und der Kooperation mit Schulen den Jugendspielern eine hochwertige fußballerische und schulische Ausbildung ermöglichen. Die Nachwuchsleistungszentren sollen sportliche Anlaufstelle und Förderzentrum der besten Talente und Perspektivspieler einer Region darstellen. Die Ziele dieser Maßnahme sind unter anderem der perspektivische Aufbau einer erfolgreichen ersten Mannschaft auf Basis einer vereinsinternen Spielphilosophie und die Integration möglichst vieler eigener Talente in den Lizenzspieler-Kader. Aktuell gibt es in Deutschland 55 NLZs, die von der DFL lizenziert wurden (Stand Juni 2017; vgl. DFB, 2017).

Im Jahr 2003 wurde zudem die A-Jugend Bundesliga eingeführt, in welcher sich fortan in drei Staffeln die besten U19-Mannschaften Deutschlands messen konnten. In den folgenden Jahren wurden weitere Optimierungen am Talentförderprogramm vorgenommen. Neben der Auszeichnung als 'Eliteschule des Sports' für mit Vereinen kooperierende Schulen (2006), wurde 2008 auch die Zertifizierung für NLZs eingeführt. Es wurde jedes Leistungszentrum anhand etwa 200 Kriterien geprüft und abschließend je nach Qualität mit null bis drei Sternen ausgezeichnet (SCHOTT, 2010b). Außerdem wurde das 2002 eingeführte Talentförderprogramm überarbeitet. So wurde die Zahl der Stützpunkte auf 366 reduziert, in denen nun etwa 14.000 Talente aus den Altersstufen der U12 bis zur U15 von 1.000 Trainern zusätzlich zum Vereinstraining gefördert wurden (SCHOTT, 2010b). GROSSMANN & LAMES (2013) nennen aktuellere Zahlen, wonach mittlerweile etwa 29.000 Fußballer im Alter von 10 bis 15 Jahren gefördert werden. Außerdem wurde zur Saison 2007/2008 auch für die B-Junioren die Bundesliga als höchste Spielklasse eingeführt. Die Juniorenteams des DFB wurden ebenfalls neu geordnet, sodass ab sofort sieben Junioren-Nationalmannschaften von der U15 bis zur U21 geführt wurden (vgl. DFB, 2007). Die chronologische Entwicklung des Talentförderprogramms ist in Abbildung 1 noch einmal schematisch aufgeführt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Entwicklung des DFB-Talentfördersystems seit 1998 nach SCHOTT (2010a)

Dass sich die immer weiter steigenden Investitionen in die eigene Jugendausbildung, bis 2010 immerhin 520 Mio. € (vgl. DFL, 2011), zu lohnen scheinen, kann anhand des sinkenden Altersschnitts in der Bundesliga gesehen werden. Betrachtet man die Entwicklung des Altersschnittes der 1. Bundesliga, scheint das Ziel der Talentförderung und des erfolgreichen Einbindens in den Profikader durchaus erreicht worden zu sein. Der Schnitt fiel in den ersten zehn Jahren nach der Einführung der NLZs im Jahre 2001 von 27,09 Jahren deutlich ab (vgl. DFL, 2011, siehe Abb. 2). Zwischenzeitlich sank er in den Saisons 2011/2012 bis 2013/2014 auf 23,6 Jahren. In der aktuellen Saison 2016/2017 lag er bei 25,5 Jahren (vgl. STATISTA, 2017).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abb. 2 Entwicklung des Altersdurchschnitts der Spieler in der 1. Fußball-Bundesliga in den ersten 10 Jahren nach Einführung der NLZs (DFL, 2011)

Auch auf die Nationalmannschaft hatte die Einführung des gesamten Talentförderprogramms und besonders der Nachwuchsleistungszentren Einfluss. Im Jahr 2009 gewannen gleich drei Junioren-Nationalteams (U17, U19, U21) den Europameistertitel. Zudem erhielt der DFB im gleichen Jahr für seine erfolgreiche Jugendarbeit die 'Maurice-Burlaz-Trophäe' für die beste Nachwuchsarbeit in Europa (KRAUSE et al., 2012). Desweiteren standen zehn Jahre nach dem Debakel bei der Europameisterschaft alleine sechs Spieler im deutschen Kader für die WM in Südafrika, die noch für die U21-Nationalmannschaft hätten auflaufen können (SCHOTT, 2010a).

1.1 Forschungsstand

Seit der verpflichtenden Einführung der Nachwuchsleistungszentren ist der deutsche Nachwuchsfußball häufig Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Viele Untersuchungen beschäftigen sich mit der Turnover-Rate, die angibt, welche Anzahl an Spielern beim Übergang in die nächste Altersstufe aussortiert wird (u.a. GÜLLICH, 2013; STÜGELMAIER, 2014). Auch der Relative Age Effect und dessen Auftreten im deutschen Juniorenfußball vor (COBLEY et al., 2008) und nach Einführung der NLZs (HELSEN et al., 2005; COBLEY et al., 2008; LAMES et. al., 2008; AUGSTE & LAMES, 2011; GROSSMANN & LAMES, 2013) wurde bereits viel Aufmerksamkeit geschenkt. Selbst im Talentförderprogramm des DFB ist dieser Effekt zu beobachten. VOTTELER & HÖNER (2014) stellten in ihrer Studie fest, dass das relative Alter einerseits positive Effekte, wie erhöhte Leistungen bei Sprint (U12-U14), Agilität (U12), Dribbling (U12, U13) und Ballkontrolle (U12) mit sich bringen kann. Indirekt sind durch ein erhöhtes Längenwachstum und Gewichtszunahme auch negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit möglich (Sprint U12, U13; Agilität U12-U15; Dribbling U12, U14, U15; vgl. Ebd., 2014, S. 437). Abschließend schätzen die Autoren das Risiko eines Übersehens von relativ jüngeren Talenten als gering ein (Ebd., 2014, S. 441). Die Effektivität der Talentförderung ist sportartenübergreifend ein vieldiskutiertes Thema. So stellten GÜLLICH & EMMRICH (2012) bei der Untersuchung olympischer Sportarten fest, dass ein Talent jünger aus dem Sport austritt, je früher es einem Kader angehört hat. Ergänzend zu diesen Ergebnissen führte GÜLLICH (2013) eine weitere Studie im Fußball durch. Er untersuchte den Eintritt in ein NLZ und die Verweildauer in einem solchen. Auch hier glichen sich die Ergebnisse. Je früher der Eintritt erfolgte, desto geringer ist die Chance auch in hohen Altersklassen noch im NLZ zu spielen. Die deutschen Fußball-Junioren-Nationalteams wurden in diese Studie ebenfalls untersucht, mit gleichem Ergebnis. Die Wahrscheinlichkeit alle Junioren-Nationalteams zu durchlaufen (U15-U19) liegt lediglich bei 5,9 %. Auch die Durchlässigkeit in den Profibereich wurde von GÜLLICH (2013) erhoben. Es konnte gezeigt werden, dass jeder vierte U-Nationalspieler es in den Profibereich schafft. Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit, je später das Debüt im Nationaltrikot erfolgt. Dass die Talentförderung ihre Früchte trägt, geht aus den Daten von SCHOTT (2010b) hervor. Waren in der Saison 2000/2001 nur 8% der Spieler 21 Jahre oder jünger, verdoppelte sich dieser Wert bis 2010. Auch die DFL (2011) zog eine positive 10-Jahres-Bilanz, da zum Erhebungszeitpunkt bereits 52,4 % der Bundesligaspieler in NLZs ausgebildet wurden. ROSENTHAL (2012) bestätigte in seiner Doktorarbeit die Erfolge der verbesserten Nachwuchsförderung. Seine Daten zeigten auf, dass lediglich 68 Talenten im Zeitraum von 1996 bis 2002 der Sprung in den Profibereich gelang, während zwischen 2002 und 2008 diese Zahl verfünffacht werden konnte (320 Spieler). Einen weiteren Beweis, dass die Neuerungen in der Talentförderungen griffen, lieferten auch MOLLOCHER & OFORI (2010), die zwischen der Saison 2003/2004 und der Hinrunde der Saison 2009/2010 die Wertigkeiten der Debütanten in der ersten Spielzeit im Profibereich mithilfe der Einsatzzeiten analysierten. Es wurde eine kontinuierliche Verbesserung der Anzahl der debütierenden Talente und deren Spielzeit festgestellt.

1.2 Forschungsdefizit

Auch wenn einige wenige Studien bereits die Erfolgsquote und die Durchlässigkeit von Nachwuchsfußballern in den Profibereich untersucht haben, so bleiben noch einige Bereiche unerforscht. Zwar können die Ergebnisse von GÜLLICH (2013) einen ersten Einblick in diese Thematik geben, allerdings wurde in GÜLLICHs Studie nur ein kurzer Zeitraum untersucht. Es liegen nach Wissen des Autors momentan keine Studien vor, welche die Durchlässigkeit von Junioren-Nationalspielern über einen längeren Zeitraum untersuchen. Aus diesem Grund konnten bisher auch noch keine Eindrücke über Veränderungen seit der Einführung der Nachwuchsleistungszentren gegeben werden. Desweiteren beschränkte sich die Untersuchung auf Debüts in der ersten und/oder zweiten Bundesliga in Deutschland. Ein erfolgreicher Wechsel in den ausländischen Profibereich wurde nicht erhoben. MOLLOCHER & OFORI (2010) bewerteten in ihrer Diplomarbeit zwar die Wertigkeiten der Debütanten in der ersten Saison, bezogen sich hierbei allerdings auch nur auf den deutschen Profifußball. Der RAE ist im Vergleich zur Erfolgsquote bereits häufiger untersucht worden (vgl. Kap. 1.1). Auch ein Auftreten in den Junioren-Nationalmannschaften wurde nachgewiesen (vgl. u.a. SCHOTT, 2010b; HELSEN et al., 2005; GROSSMANN & LAMES, 2013; AUGSTE & LAMES, 2011). Dennoch wurde nur das Auftreten des Effekts untersucht. Ob der RAE eine Rolle beim Übergang in den Profibereich spielt, wurde bisher nur spärlich erforscht.

Diese Defizite ergeben die Motivation für die vorliegende Arbeit, welche neben der Durchlässigkeit von Junioren-Nationalspielern in den Profibereich über einen längeren Zeitraum (seit Einführung der NLZs) auch weitere Aspekte wie das Leistungsniveau, den beschrittenen Weg (Vereinszugehörigkeit beim Debüt, Zeitraum bis zum Debüt) und den Einfluss des RAE für zwei unterschiedliche Altersklassen untersuchen.

2 Theoretische Grundlagen

Im diesem Teil soll auf die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit eingegangen werden.

2.1 Begriffsbestimmung

Durch die folgenden Begriffsbestimmungen werden alle relevanten Sachverhalte, die zum Verständnis dieser Arbeit benötigt werden, erläutert.

2.1.1 Talent

Die Bezeichnung einer Person als 'Talent' fällt in den verschiedensten Situationen, eine einheitliche Definition des Begriffs ist in der vorherrschenden Talentforschung allerdings nicht zu finden. Dennoch gibt es diverse Herangehensweisen und demnach unterschiedliche Ansätze, was ein Talent ausmacht bzw. wer als Talent gilt. Im Allgemeinen beschreibt das Wort eine
"Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, [...] Gebiet befähigt". (DUDENREDAKTION, o. J.)

Somit spricht man nicht nur im Sport, sondern auch in anderen Handlungsbereichen, wie der Mathematik, der Naturwissenschaft oder der Musik von Talenten (vgl. HOHMANN et al., 2002). Diese Allgemeingültigkeit fassen auch RÖTHIG & PROHL (2003) in ihrer Definition auf, die 'Talent' folgendermaßen definieren:

„[…] Person, der man die Fähigkeit zuspricht, bei qualifizierter Förderung überdurchschnittliche oder sogar herausragende Leistungen in einem speziellen Handlungsfeld zu erzielen, […]“ (2003, S. 578-579).

Im deutschsprachigen Raum bezieht sich der Talentbegriff typischerweise auf das Kindes- und Jugendalter (GÜLLICH & KRÜGER, 2013).
Diese zunächst allgemein gehaltenen Definitionen lassen sich auch auf den Sport übertragen. GÜLLICH & KRÜGER (2013) fassen als Talent eine Person auf,

"die sich noch in der Entwicklung zu ihrer individuellen Höchstleistung in einer Sportart befindet und von der eine künftige Entwicklung besonders hoher Leistungsfähigkeit und hoher Erfolge im Spitzensport erwartet wird" (2013, S. 628).

Während sich diese Definition direkt auf eine Sportart bezieht, sieht es CARL für nötig an, zunächst "allgemeine (nicht auf eine Sportart bezogene) von speziellen (sportart- oder sportspezifischen) Talenten" (1988, S.11) zu unterscheiden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass er in seinen Definitionen ererbte und erworbene Leistungsmerkmale berücksichtigt. So lautet seine Begriffsdefinition eines sportlichen Talents wie folgt:

"[...] eine Person [...], von der man aufgrund ihres Verhaltens oder aufgrund ererbter oder erworbener Verhaltensbedingungen annimmt, dass sie für sportliche Leistungen eine besondere Begabung oder Hochbegabung besitzt" (Ebd.).

Dass die Bezeichnung als sportliches Talent nicht allgemeingültig ist, belegt CARL mit dem Beispiel, dass eine Person innerhalb einer Schulklasse zwar als sportliches Talent gelten kann, da sie nach den Leistungen dieser spezifischen Gruppe im vorderen Bereich anzusiedeln ist, im Verein oder in Auswahlkadern ihre Leistungen aber nicht herausragen, was dazu führt, dass sie in diesem Umfeld nicht mehr als Talent gilt (vgl. 1988, S.12). Demnach führte CARL zusätzlich den Begriff des 'Spitzensporttalents' ein, welches er folgendermaßen definiert:

"Ein Talent für den Spitzensport (Spitzensporttalent) ist eine sich noch in der Entwicklung zur Höchstleistungsfähigkeit befindende Person, von der man aufgrund bisher erreichter sportlicher Leistungen oder diagnostizierter personinterner Leistungsbedingungen begründet annimmt, dass sie, falls sie sich einem nach neusten Erkenntnissen durchgeführten Training unterzieht und unter leistungsfördernden Umweltbedingungen aufwächst, im Höchstleistungsalter in einer Sportart/Sportdisziplin ein Leistungsniveau erreichen kann, das größte sportliche Erfolge ermöglicht" (1988, S.13).

JOCH nimmt bei seinen Definitionen des Talentbegriffs eine andere Unterscheidung vor. Er erarbeitete zunächst einen statischen und einen dynamischen Talentbegriff, eher er beide Aspekte zu einer vollständigen Talentdefinition zusammenfügt.

Zum statischen Talentbegriff gehören vier Begriffe, welche vor allem die Zustandsebene eines Talents beschreiben. Sie gelten als Voraussetzung, wobei der Zeitpunkt an dem diese wirksam werden, zunächst eher unbedeutend ist. Dennoch liegt die Aufmerksamkeit vorwiegend im frühen Kindes- und Jugendalter (vgl. JOCH, 2001, S. 90). Die vier Charakteristika des Talentbegriffs nach JOCH lauten:

-"Dispositionen, die das Können betonen,
- Bereitschaft, die das Wollen hervorhebt,
- soziales Umfeld, das die Möglichkeiten bestimmt und
- Resultate, die das wirklich erreichte (Leistungs-)Ergebnis dokumentieren." (2001, S. 90)

Diese vier Voraussetzungen bedingen sich gegenseitig und machen nur in ihrer Gesamtheit ein (sportliches) Talent aus. Die Dispositionen, welche die individuellen körperlichen, psychischen und motorischen Voraussetzungen beschreiben, sind unabdingbar, um Leistung zu erbringen. Jedoch führen diese Dispositionen nicht automatisch, sondern nur mit der Bereitschaft auch derartige Leistungen erbringen zu wollen, zum gewünschten Ergebnis. Damit das Talent allerdings akzeptiert, gewürdigt und als förderungswürdig angesehen wird, muss das soziale Umfeld eine förderliche Umwelt bieten. Als letzter, aber sehr wichtiger Bestandteil sieht JOCH erbrachte Leistungen an, welche "mindestens über dem Durchschnitt" (2001, S. 92) liegen müssen. Ein Talent ohne nachgewiesene Leistungsfähigkeit kann es nicht geben; ohne Leistungsresultate ist die Talentdefinition unvollständig (vgl. 2001, S-90-93). Aus dem Zusammenspiel dieser Begriffe ergibt sich nach JOCH die statische Talentdefinition:

"Als (sportliches) Talent kann eine Person bezeichnet werden, die über (vorwiegend genetisch bedingte) Dispositionen zum Erreichen von hohen sportlichen Leistungen verfügt, die Bereitschaft mitbringt, solche Leistungen auch zu vollbringen, die Möglichkeiten dafür in der sozialen Umwelt vorfindet und letztlich mit den erzielten Leistungsresultaten den Eignungsnachweis dokumentiert" (2001, S. 93).

Da eine möglichst hohe Endleistung das Ziel der Talentförderung ist, kommt der perspektivischen Komponente eine besondere Bedeutung zu. Dementsprechend muss dem Talentbegriff auch ein dynamischer Aspekt zugesprochen werden. JOCH sieht dabei den aktiven Veränderungsprozess, die Steuerung durch Training und die pädagogische Begleitung als wichtig an. So ergibt sich für ihn der dynamische Talentbegriff, der folgendermaßen definiert wird:

"Talententwicklung ist ein aktiver, pädagogisch begleiteter Veränderungsprozess, der intentional durch Training gesteuert wird und das Fundament für ein später zu erreichendes hohes (sportliches) Leistungsniveau bildet" (JOCH, 2001, S. 94).

Unter Berücksichtigung dieses Definitionsansatzes kann ausgeschlossen werden, dass ein bloßes 'Wachsen lassen' und damit eine selbstständige Weiterwicklung stattfindet. Der Veränderungsprozess sollte dementsprechend intentional und aktiv gestaltet werden, wobei die Aktivität sich sowohl auf den Antrieb, als auch auf das Training bezieht, das neben der Talententfaltung auch die Leistungsprogression als Ziel hat. Zusätzlich muss der gesamte Talentförderungsprozess pädagogisch begleitet werden, da vorwiegend mit Kindern gearbeitet wird, welche Pädagogik unbedingt brauchen, auch wenn Talentförderung keine rein pädagogische Veranstaltung ist (vgl. Ebd., 2001, S. 94-96).
Fasst man beide, die statische und die dynamische Komponente zusammen, ergibt sich für JOCH eine vollständige Talentdefinition:

"Talent besitzt, oder: ein Talent ist, wer auf Grundlage von Dispositionen, Leistungsbereitschaft und den Möglichkeiten der realen Lebensumwelt über dem Altersdurchschnitt liegende (möglichst im Wettkampf nachgewiesene) entwicklungsfähige Leistungsresultate erzielt, die das Ergebnis eines aktiven, pädagogisch begleiteten und intentional durch Training gesteuerten Veränderungsprozesses darstellen, der auf ein später zu erreichendes hohes (sportliches) Leistungsniveau zielstrebig ausgerichtet ist" (2001, S. 97).

Da der Schwerpunkt dieser Arbeit in Fußballsport liegt, wird zum Abschluss dieser Begriffsbestimmung die Talentdefinition noch auf Sportspiel-Talente angewendet. Dies ist nötig, da Sportspiele, wie der Fußball, besonders komplexe Anforderungskonstellationen darstellen und so spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten, besonders im Leistungssport, von Nöten sind (vgl. FRIEDRICH, 2015, S. 9). So könnte eine mögliche Definition eines Sportspiel- und damit eines Fußballtalents folgendermaßen lauten:

"Ein Talent für Sportspiele im Leistungs- und Spitzensport ist durch Anlagen und wird durch Umfeldbedingungen befähigt, die besonderen Anforderungen der Sportspiele und eines besonderen Sportspiels in überdurchschnittlichem Maße zu bewältigen und selber mitzugestalten. Überdurchschnittlich sind dabei die Anstrengungsbereitschaft, das Lerntempo, die motorische Aktivität, die spielsituativen Wahrnehmungs- und Entscheidungsleistungen sowie der spielerische Einfallsreichtum" (HAGEDORN, 1999, S. 191; zitiert nach FRIEDRICH, 2015, S. 9).

2.1.2 Durchlässigkeit

Laut Duden bedeutet das Adjektiv 'durchlässig': "einen Austausch, Wechsel, Wandel o. Ä. ermöglichend" (DUDENREDAKTION, o. J.).

Im übertragenen Sinn kann man, nach dem Online-Wörterbuch 'wortbedeutung.info', also von einer Eigenschaft sprechen, welche "Personen in verschiedene Systeme wechseln [lässt]" (MOOSBACH, 2016).

Angewendet auf den Sport und dem Thema dieser Arbeit wird unter 'Durchlässigkeit' verstanden, ob ein Wechsel vom Jugend- in den Profibereich stattgefunden hat. Als Profibereich werden alle ersten und zweiten Ligen angesehen. Als durchlässig gilt ein Spieler, sobald er mindestens eine Minute in einem Pflichtspiel einer ersten bzw. zweiten Liga zum Einsatz gekommen ist. Diese Definition entspricht dem Verständnis von Durchlässigkeit eines deutschen Bundesligisten.

2.1.3 Kategorisierung nach Leistungsniveau beim Debüt

Um das Niveau eines Vereins, bei welchem die Junioren-Nationalspieler debütieren, bestimmen zu können, wurde ein Kategoriensystem erarbeitet. Als Grundlage diente die UEFA-Rangliste für Klubwettbewerbe. Dieser Verbands-Koeffizienten-Rangliste liegen die Ergebnisse jedes Klubs eines Verbands der letzten fünf Saisons in den internationalen Wettbewerben (Champions League und Europa League) zu Grunde. Die Liste wird nach jeder Spielrunde im Europapokal aktualisiert. Für erfolgreiche Spiele, aber auch das Erreichen verschiedener Qualifikations- und K.O.-Runden sammelt jeder Verein Punkte für seinen entsprechenden Verband (vgl. UEFA, 2017a/b).
Zur Berechnung werden alle gesammelten Punkte der Vereine addiert und durch die Vereinsanzahl geteilt, welche in der aktuellen Saison im internationalen Geschäft vertreten ist. Anschließend wird das Ergebnis mit den Punktzahlen der letzten vier Saisons addiert. Diese Summe bildet den Koeffizienten, nach welchem dann eine Rangliste erstellt wird (vgl. UEFA, 2017a).

Für die Kategorisierung wurde die Verbands-Koeffizienten-Rangliste vom 05. März 2017 herangezogen. Der Stand ist in Abbildung 3 aufgeführt.
Die Vereine wurden in drei Kategorien aufgeteilt. Zur ersten Kategorie wurden die ersten Ligen der Top Fünf Verbände der Rangliste gezählt.
Die zweite Kategorie bestand aus den ersten Ligen der Länder, welche sich auf den Plätzen sechs bis fünfzehn befanden. Zudem gehörten die zweiten Ligen der Top fünf dieser Kategorie an. In Kategorie drei fielen alle ersten Ligen ab Platz sechzehn der UEFA-Rangliste, sowie die zweiten Ligen der Plätze sechs bis fünfzehn.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Ausschnitt aus der UEFA Verbands-Koeffizienten-Rangliste vom 05. März 2017 (UEFA, 2017a )

2.1.4 Kategorisierung nach benötigtem Zeitraum bis zum Debüt

Der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat spätestens mit dem optimierten Talentförderprogramm, das im Jahre 2008 eingeführt wurde, klare Strukturen geschaffen, welche Stufen Jugendspieler in ihrer fußballerischen Ausbildung durchlaufen. Diese Ausbildungsstufen wurden verschiedenen Altersklassen bis zum Erwachsenenalter zugeordnet. Diese Einteilung ist zusammen mit den Ausbildungsinstitutionen in Abbildung 4 dargestellt. Es lässt sich erkennen, dass die Jugendförderung mit den Bambinis beginnt, welche Spieler beinhaltet, die jünger als sieben Jahre sind. Danach folgen die Altersstufen der F-, E-, D-, C-, B-, und A-Junioren. In jeder Stufe spielt ein Spieler im Normalfall zwei Jahre, ehe er in die nächst höhere Altersklasse aufrückt. Der nach diesem Schema planmäßige Übergang vom Junioren- in den Seniorenbereich (Lizenzspielerbereich) erfolgt nach der U19, wie Abbildung 5 zeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Übersicht der zentralen Talentförderebenen auf der jeweiligen Ausbildungsstufe (DFB, 2007, S. 15)

[...]

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Die Durchlässigkeit ehemaliger und aktueller Junioren-Nationalspieler in den Profifußball seit Einführung der Nachwuchsleistungszentren
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln
Note
2,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
63
Katalognummer
V1176949
ISBN (eBook)
9783346603968
ISBN (eBook)
9783346603968
ISBN (eBook)
9783346603968
ISBN (Buch)
9783346603975
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fußball, Durchlässigkeit, Profibereich
Arbeit zitieren
Philipp Walther (Autor:in), 2017, Die Durchlässigkeit ehemaliger und aktueller Junioren-Nationalspieler in den Profifußball seit Einführung der Nachwuchsleistungszentren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176949

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