Die Dienstleistungsbetriebsstätte unter besonderer Berücksichtigung aktueller Entwicklungen


Seminararbeit, 2021

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition der Betriebsstätte
2.1 Die Betriebsstätte im nationalen Recht
2.2 Die Betriebsstätte im Abkommensrecht gem. Art. 5 OECD-MA

3 Aktuelle Entwicklungen
3.1 Aufweichung des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsmacht
3.2 Unterscheidung echter und unechter Betriebsstätte
3.3 Umsetzung des BEPS Aktionsplan

4 Problematik
4.1 Verteilung des Steuersubstrat
4.2 Rechtsunsicherheit durch Widerspruch OECD-MA und OECD-MK
4.3 Interessenkonflikt zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Dienstleistungsbetriebsstätte BFH-Urteil 24.08.2011

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Des Weiteren werden auf die üblichen Abkürzungen aus dem Wörterbuch „Duden-
Das Wörterbuch der Abkürzungen“1 verwiesen.

Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden lediglich die männliche Form gewählt. Hierbei sind jedoch alle Geschlechter gemeint und es wird lediglich aus Gründen des Umfangs und des Leseflusses auf die weibliche und diverse Form verzichtet.

Diese Arbeit basiert auf dem Rechtsstand im Zeitpunkt der Abgabe.

1 Einleitung

Ziel eines DBA ist es, Doppelbesteuerung sowie Nicht- oder Niedrigbesteuerung zu vermeiden.2 Um starke Abweichungen der Verträge der einzelnen Staaten zu verhindern wurde das OECD-MA eingeführt.3 Das OECD-MA wurde in der Vergangenheit mehrmals überarbeitet, der aktuelle Stand stammt aus dem Jahr 2017.4 Im Abschnitt II den Begriffsbestimmungen ist im Art. 5 die Betriebsstättendefinition vorhanden. Gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Gem. Art 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA können Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates nur in dem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Tätigkeit in einem anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte aus. Bisher hat das Erbringen von Dienstleistungen keine Betriebsstätte begründet, doch viele Entwicklungsländer vertreten die Auffassung, dass allein die Erbringung von Dienstleistungen über einen Zeitraum von mehr als 183 Tage zu der Begründung einer Dienstleistungs-Betriebsstätte führt.5 Im DBA-China mit Deutschland ist in Art. 5 Abs. 3 b eine entsprechende Regelung zu finden, so dass das Erbringen von Dienstleistungen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten zu einer Betriebsstätte führt. Generell lehnen aber Industriestaaten wie Deutschland diese Auffassunga ab und möchten bei der enger gefassten Betriebsstättenbegründung bleiben.6

Durch die zunehmende Digitalisierung stellt sich die Frage, ob die Definition des Betriebsstättenbegriffs noch zeitgemäß ist. Eine feste Geschäftseinrichtung ist in der digitalen Wirtschaft nicht mehr notwendig.7 Hinzu kommt, dass durch die Globalisierung vermehrt grenzüberschreitende Dienstleistungen erbracht werden.8 Viele Dienstleistungen können ohne Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat erbracht werden.9

Ziel dieser Arbeit ist es, die aktuelle Betriebsstättendefinition sowohl im nationalen Recht als auch im Abkommensrecht aufzuzeigen und die aktuellen Entwicklungen darzustellen, insbesondere die Aufweichung des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsmacht im Abkommenrecht sowie die Unterscheidung einer echten und unechten Dienstleistungsbestriebstätte und die Umsetzung des BEPS Aktionsplans. Anschließend werden Kritikpunkte wie die Aufteilung des Steuersubstrats, die Rechtsunsicherheit durch den Widerspruch des OECD-MA und des OECD-MK und die Interessengegensätze von Industriestaaten und Entwicklungsländer aufgegriffen, sodass abschließend ein Fazit gezogen werden kann.

2 Definition der Betriebsstätte

2.1 Die Betriebsstätte im nationalen Recht

Gem. § 12 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die dem Unternehmen dient. Ein Gebäude muss nicht zwingend vorhanden sein, auch Lagerplätze, Spielautomaten oder ein Schließfach können eine Geschäftseinrichtung oder Anlage sein.10 Das bloße Halten von Rechten wie z.B. einer Kapitalbeteiligung stellt keine Betriebstätte dar, da es an sachlichem Substrat fehlt.11 Ein weiteres Tatbestandsmerkmal nach § 12 Satz 1 AO ist, dass die Geschäftseinrichtung fest sein muss. Dabei wird auf die zeitliche Komponente und örtliche Verfestigung abgestellt.12 Ein Händler auf dem Wochenmarkt begründet auch dann eine Betriebsstätte, wenn er zwar keinen Rechtsanspruch auf einen festen Standplatz hat, den Platz aber ständig benutzt.13

Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht.14 Zur Wahrung dieser Voraussetzung muss der Unternehmer an der Einrichtung oder Anlage eine Rechtsposition innehaben, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht ohne Weiteres entzogen oder geändert werden kann.15 Die Rechtsposition muss nicht ausdrücklich vereinbart worden sein, aus der tatsächlichen Gestaltung kann sich auch eine entsprechende Gewährung ergeben.16 Der Unternehmer muss nicht zwingend Eigentümer sein, auch dingliche und schuldrechtliche Nutzungsrechte z.B. Nießbrauch oder Miete, die das Recht zum unmittelbaren Besitz mit sich bringen, genügen.17

Die alleinige Verfügungsmacht ist nicht erforderlich, sofern die gemeinsame Benutzung der Einrichtung für jeden Mitbesitzer ausreicht.18 Es spielt keine Rolle, ob die Nutzungsüberlassung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt und nach außen erkennbar ist.19 Grundsätzlich muss sich die Verfügungsmacht auf eine bestimmte Einrichtung beziehen, sie muss örtlich konkretisierbar sein und auf Dauer angelegt sein.20

Zusätzlich muss nach § 12 AO die Geschäftseinrichtung dem Unternehmenszweck unmittelbar dienen. Dabei kann es sich um eine kaufmännische, technische, Hilfs- oder Nebentätigkeit oder unwesentliche Tätigkeit handeln.21

In § 12 Satz 2 AO ist eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für verschiedene Geschäftseinrichtungen, die als Betriebsstätte angesehen werden enthalten. Dazu zählt zum Beispiel die Stätte der Geschäftsleitung, Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen oder das Warenlager. Die in § 12 Satz 2 AO genannten Geschäftseinrichtungen gelten nach Auffassung der Finanzverwaltung und der Meinung des BFH auch dann als Betriebsstätte, wenn die Voraussetzungen des § 12 Satz 1 AO nicht erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine Betriebsstättenfiktion.22

2.2 Die Betriebsstätte im Abkommensrecht gem. Art. 5 OECD-MA

Nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Unter einer Geschäftseinrichtung versteht die OECD Räumlichkeiten, Einrichtungen und Anlagen, welche zur Ausübung der Unternehmenstätigkeit genutzt werden.23 Es ist gem. Art. 5 Rn. 4 OECD-MK nicht zwingend erforderlich, dass die Geschäftseinrichtung erworben wurde, sie kann auch gemietet oder dem Unternehmen anderweitig zur Verfügung gestellt werden.

Im Art 5 Abs. 2 OECD-MA ist wie im § 12 S. 2 AO eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für Betriebsstätten vorhanden. In Art 5 Abs. 4 OECD MA ist ein Negativkatalog vorhanden. So zählen gem. Art. 5 Abs. 4 a) OECD-MA zum Beispiel Einrichtungen die ausschließlich zur Lagerung unterhalten werden, nicht als Betriebsstätte nach dem Abkommensrecht.

3 Aktuelle Entwicklungen

3.1 Aufweichung des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsmacht

Der BFH hatte sich bereits in verschiedenen Urteilen zur Verfügungsmacht geäußert. Mit BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07 wird die Relevanz des Kriteriums der Verfügungsmacht aus Sicht des BFH dargestellt.24 In diesem konkreten Fall erbrachte eine niederländische Gesellschaft Reinigungsarbeiten auf einem deutschen Flughafen. Das Reinigungspersonal wurde mit Sicherheitsausweisen ausgestattet, der ihnen den Zutritt zur Reinigungshalle und zu den Umkleide- und Pausenräume ermöglichte. Der BFH verneinte das Vorliegen einer Betriebsstätte, da das bloße Tätigwerden aufgrund mangelnder Verfügungsmacht keine Betriebsstätte begründen kann. Daraus resultiert, dass aus Sicht des BFH das bloße Zutrittsrecht keine Betriebsstätte begründet.25

Im BFH-Urteil vom 14.07.2004 hatte der BFH hingegen eingeräumt, dass die Verfügungsmacht gegeben ist, wenn der Auftraggeber sich verpflichtet, die benötigten Räumlichkeiten mit den entsprechenden Vorrichtungen zur Verfügung stellt.26 Es handelte sich um Räumlichkeiten auf einem Kasernengelände, die von der Armee dem beauftragten Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. Das US-Unternehmen übernahm auf einem deutschen Gelände der US Armee den Betrieb und die Wartung eines Kampfsimulationssystems. Die US-Armee stellte dazu dem Unternehmen zwei Gebäude auf dem Kaserngelände zur Verfügung. Während der Vertragslaufzeit hatte das Unternehmen die alleinige Verantwortung für die Gebäude. Insgesamt waren die beauftragten Mitarbeiter über mehrere Jahre dort tätig und benötigten die Gebäude, um ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Nachdem die Verfügungsmacht vorhanden war, wurden die Räumlichkeiten als Betriebsstätte identifiziert.27 Die ständige Rechtsprechung zeigt, dass bei der Beurteilung des Vorhandenseins einer Betriebsstätte der Einzelfall konkret geprüft werden muss und es auf viele Faktoren ankommt.28

Das „Private-Equity-Urteil“ des BFH im Jahr 2011 wurde als Wendepunkt angesehen.29 Das Urteil könnte so interpretiert werden, dass der BFH seine Ansicht gegenüber dem tatbestandsmerkmal der Verfügungsmacht geändert hat und von der unechten Dienstleistungsbetriebsstätte nicht mehr abgeneigt ist.30 Zwei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige GmbHs sind an einer in Großbritanien in der Rechtsform einer Personengesellschaft (Limited Partnershio (LP)) ansässigen Fondsgesellschaft E-LP als Kommanditisten beteiligt31.

[...]


1 Vgl. Steinhauer, Duden, 2020.

2 Vgl. Wassermeyer, Allgemeines zum DBA, 2021, Rz.1.

3 Vgl. Fey, OECD-Musterabkommen, 2021, Rz. 2.

4 Vgl. Fey, OECD-Musterabkommen, 2021, Rz. 2.

5 Vgl. OECD-MK 2014 zu Art. 5 Abschn. 42.11, OECD-MK 2017 zu Art. 5 Abschn. 132;

Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2020, Rz. 372.

6 Vgl. Müller-Gattermann, Aktuelle deutsche Abkommenspolitik, 2012, S. 1-12.

7 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2020, Rz. 374.

8 Vgl. Stunk, Doppelbesteuerungsabkommen, 2010, S. 523-713.

9 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2020, Rz. 374.

10 Vgl. BFH-Urteil vom 02.04.2014, I R 689/12, BStBl. 2014 II S. 875;

BFH-Beschluss vom 09.01.2019, I B 138/17, nv.

11 Vgl. BFH-Urteil vom 19.08.1984, I R 68/81, BStBl. 1984 II S. 120.

12 Vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07, BStBl. 2008 II S. 922.

13 Vgl. BFH-Urteil vom 09.10.1974, I R 128/73, BStBl. II 1975, S. 203

14 Vgl. BFH-Urteil vom 11.10.1989, I R 77/88, BStBl. II 1990, S. 166.

15 Vgl. BFH-Urteil vom 16.05.1990, I R 113/87, BStBl. II 1990, S. 983.

16 Vgl. BFH-Urteil vom 23.02.2011, I R 52/10, nv.

17 Vgl. BFH-Urteil vom 30.01.1974, I R 87/72, BStBl. II 974, 327.

18 Vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2004, I R 106/03, nv.

19 Vgl. BFH-Urteil vom 03.02.1993, I R 80/91, BStBl. II 1993, S. 462.

20 Vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07, BStBl. 2008 II S. 922.

21 Vgl. BFH-Urteil vom 30.10.1996, II R 12/92, BStBl. 1997, S. 12.

22 Vgl. BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, S. 1076; BFH-Urteil vom 28.07.1993, I R 15/93, BStBl. II 1994, S.148.

23 Vgl. OECD MK Art 5 Rn. 4.

24 Vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07, BStBl. 2008 II S. 922.

25 Vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07, BStBl. 2008 II S. 922.

26 Vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2004, I R 106/03, nv.

27 Vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2004, I R 106/03, nv.

28 Vgl. Endres/Brunsbach, Kriterien Dienstleistungsbetriebsstätte, S. 159 ff.

29 Vgl. Kahle/Kindich, unechte Dienstleistungsbetriebsstätte, IStR 2016, S 89-96.

30 Vgl. Kahle/Kindich, unechte Dienstleistungsbetriebsstätte, IStR 2016, S 89-96.

31 Vgl. BFH-Urteil vom 24.08.2011, I R 46/10, BStBl. 2014 II S. 764.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Dienstleistungsbetriebsstätte unter besonderer Berücksichtigung aktueller Entwicklungen
Hochschule
Hochschule Aalen
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
22
Katalognummer
V1177053
ISBN (eBook)
9783346600233
ISBN (Buch)
9783346600240
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dienstleistungsbetriebsstätte, berücksichtigung, entwicklungen
Arbeit zitieren
Anna-Lena Raab (Autor:in), 2021, Die Dienstleistungsbetriebsstätte unter besonderer Berücksichtigung aktueller Entwicklungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1177053

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