Der Straftatbestand der Volksverhetzung


Akademische Arbeit, 2021

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

2 Was ist Volksverhetzung?
2.1 § 130 StGB
2.2 Opfergruppen

3 Geschichte des Straftatbestands der Volksverhetzung
3.1 Der Straftatbestand der Volksverhetzung im deutschen Kaiserreich
3.2 Erneuerung des § 130 StGB im Jahr 1960
3.3 Erstarkender Rechtsterrorismus in den 1990ern - Zusatz der Holocaustleugnung
3.3.1 Der Fall Deckert

4 Vorfälle der Volksverhetzung im Journalismus
4.1 Holocaustleugnung in einer Radioshow
4.1.1 Antisemitismus im Regensburger Wochenendblatt?
4.1.2 „All cops are berufsunfähig"

5. Volksverhetzung im Zeitalter der Digitalisierung

6. Fazit: Zunehmende Relevanz des Straftatbestands der Volksverhetzung in der Gegenwart

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nachdem die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel im August 2019 eine Podiumsdiskussion in Stralsund abhielt, erhob sich ein Kommunalpolitiker der Alternative für Deutschland (AfD) im Plenum und richtete das Wort mit einem harten Angriff an Merkel. Der AfD-Politiker Thomas Naulin behauptete, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland „massiv eingeschränkt" sei. Darüber hinaus beschuldigte er die CDU-Politikerin, dass sie Deutschland spalte und dass es für Personen, die sich zur AfD bekannten, keine Meinungsfreiheit gebe.1

Bundeskanzlerin Merkel reagierte gelassen und entgegnete ihm: „Also erstmal ist die Tatsache, dass Sie hier in Reihe eins sitzen und mit Ihrer Frage nicht gefährdet sind, einfach Ausdruck, dass Sie mir das Sagen können und dass ich selbstverständlich auch auf Ihre Frage antworte."2 Darüber hinaus äußerte Sie, dass jene Meinungsfreiheit in Deutschland existiere, diese allerdings durchaus von Schranken begrenzt sei: Die Meinungsfreiheit sei dann beschränkt, wenn Äußerungen die Würde andere Menschen in Gefahr brächten.3

Für ihre Äußerung erhielt Merkel im Nachhinein großen medialen Zuspruch, während der AfD- Kommunalpolitiker Naulin viel Spott erntete. DerTagesspiegelreagierte mit der Hauptzeile „Sie ist zurück: Die Gelassenheit der Kanzlerin"4 auf das Vorkommen; dieWelttitelte „Auf den Diktatur-Vorwurf reagiert Merkel ruhig, aber pointiert"5.

Um eine große Schranke der Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland soll es in dieser Hausarbeit gehen: den Straftatbestand der Volksverhetzung. Volksverhetzung ist in der westlichen Welt omnipräsent. Ob in den Kommentarspalten der sozialen Medien - oder in vollen Veranstaltungssälen: Die Begriffe „Hate Speech" und Volksverhetzung werden im heutigen digitalen Zeitalter zunehmend relevanter.

In den folgenden Seiten wird geschildert, worum es sich beim Straftatbestand der Volksverhetzung handelt und welche Opfergruppen dies betrifft. Außerdem wird erläutert, wie der Straftatbestand der Volksverhetzung entstanden ist und innerhalb der vergangenen Jahrzehnte erweitert wurde.

Darüber hinaus wird auf Volksverhetzung im klassischen Journalismus eingegangen sowie auf Beispiele der Volksverhetzung im Internet im modernen Zeitalter der Digitalisierung.

2. Was ist Volksverhetzung?

In der Bundesrepublik Deutschland gilt die Meinungsfreiheit. Alle Bürgerinnen Deutschlands dürfen ihre Meinung in der Öffentlichkeit frei äußern. Auf der einen Seite ist die Würde des Menschen in der Bundesrepublik Deutschland unantastbar sowie der öffentliche Friede schützenswert. Auf der anderen Seite existieren Schranken dieser Meinungsfreiheit. Wer beispielsweise eine bestimmte Personengruppe durch Hetze angreift oder zu Hass und Gewalt gegen sie aufruft, macht sich strafbar. Dies regelt der § 130 im Strafgesetzbuch.

Der Paragraf 130 unterteilt sich in insgesamt sieben verschiedene Absätze. Die ursprünglichen beiden Absätze werden im Folgenden beschrieben, die verbleibenden vier Absätze werden unter Punkt 3.3.2 näher erläutert.

2.1 Paragraf 130 Absatz 1,2,3

Im Falle der Volksverhetzung nach § 130 StGB endet die Meinungsfreiheit. So mache man sich strafbar, wenn man „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, [...] zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert"6. Auch der Angriff auf die Menschenwürde anderer durch die Beschimpfung von Teilen der Bevölkerung oder böswillige Verleumdung ist strafbar. Wer auf diese Weise den öffentlichen Frieden stört, muss mit einer Freiheitstrafe von drei bis zu fünf Jahren rechnen.7

Auch für die Verbreitung oder Veröffentlichung von Inhalten oder Zugänglichmachen von Schriften an Personen unter 18 Jahren, die zum Hass gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe aufstacheln8, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen bestimmte Personengruppen auffordern9 oder jene Personengruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet10, können Bürgerinnen mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafen rechnen.

2.2 Opfergruppen

Im § 130 StGB bildet einerseits eine durch „eine nationale, rassische, religiöse oder durch die ethnische Herkunft bestimmte"11 Gruppe eine potenzielle Opfergruppe. So können darunter beispielsweise sowohl in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund zählen als auch Deutsche; dazu zählen religiöse Gemeinschaften, die sich von anderen unterscheiden, beispielsweise Juden, Christen, Muslime oder Buddhisten, zu den potenziellen Opfergruppen.12

Neben dieser existierenden Gruppe sind mit „Teilen der Bevölkerung" Personengruppen gemeint, welche als eigenständige Gruppe innerhalb der inländischen Gesellschaft erkennbar sind, individuell nicht mehr überschaubar sind und sich aufgrund bestimmter Merkmale von der Allgemeinheit unterscheiden. Hierzu gehören beispielsweise Menschen mit Behinderung.13

Ein drittes potenzielles Angriffsobjekt bilden einzelne Gruppenmitglieder, beziehungsweise den Bevölkerungsteilen zugehörige Einzelpersonen. Wenn zu einer bestimmten Gruppe angehörige Individuen auf eine Art und Weise angegriffen werden, die sich durch die Zugehörigkeit der Person zu dieser bestimmten Gruppe von der Allgemeinheit begründet, ist dies ein Straftatbestand der Volksverhetzung. Zu diesen Personen gehören beispielsweise Berufsgruppen wie Soldat*innen, Polizist*innen Journalistinnen oder Anwältinnen, Arbeitslose, Menschen mit Behinderung oder Mitglieder einer Partei. Selbst bei einem Angriff auf eine Person, welche diese Gruppe vertritt, wird dies als Angriff auf jede Gruppe, zu der jene Einzelperson zugehörig ist, gewertet.14

3. Geschichte des Straftatbestands der Volksverhetzung

Im Vergleich zu vielen anderen demokratischen, pluralistischen Staaten in der westlichen Welt wie den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland deutlich strenger.15 Dies hat historische Gründe, die im Folgenden dargelegt werden. So gibt es den Straftatbestand der Volksverhetzung bereits seit 150 Jahren - wenn auch heute in abgeänderter Form als noch vor eineinhalb Jahrhunderten.

3.1 Der Straftatbestand der Volksverhetzung im Deutschen Kaiserreich

Der Tatbestand der Volksverhetzung fand bereits lange vor der Schaffung demokratischer Strukturen unter dem Namen „Klassenkampfparagraf" Platz im deutschen Reichsstrafgesetzbuch. So heißt es im § 130 RStGB (Strafgesetzbuch des deutschen Kaiserreichs), dass man mit einer Geldstrafe „bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß [sic!] bestraft [wird]", wenn man „in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeinen [sic!] gegen einander [sic!] öffentlich anreizt"16. Vorlage dieses Paragrafen war die Gesetzeslage in Frankreich, wo bereits im Jahr 1822 beschlossen wurde, dass Bürgerinnen der Prozess gemacht werden würde, sobald man „Hass oder Verachtung der Bürger gegen eine oder mehrere Klassen von Personen erregt."17 Zu dieser Zeit wurde der § 130 RStGB von der Obrigkeit als Angriff auf das sozialistische und sozialdemorkratische lager innerhalb der Bevolkerung instrumentalisiert.

[...]


1 Vgl. FAZ, 2019 (0:14-1:19)

2 Ebd. (1:21-1:47)

3 Ebd. (2:15-2:24)

4 Fiedler, 2019.

5 Die Welt 2019.

6 §130 Absatz.l Satz 1 StGB

7 Vgl. ebd.

8 Vgl. §130 Absatz 2 Satz 1 (StGB)

9 Vgl. §130 Absatz 2 Satz 2 (StGB)

10 Vgl. §130 Absatz 2 Satz 3 (StGB)

11 §130 Absatz 1 Satz 1 (StGB)

12 Vgl. §6 Absatz lVStGB)

13 Vgl. OLG Stuttgart NJW 2002, 2893

14 Vgl. BT-DRS. 17/3124, 10.

15 Oswald, 2020.

16 Ebd.

17 Hofmann, 2017.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Straftatbestand der Volksverhetzung
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt  (Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät)
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
19
Katalognummer
V1177097
ISBN (eBook)
9783346600271
ISBN (Buch)
9783346600288
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medienrecht, Deutschland, Hate Speech, Journalismus, Medien, Volksverhetzung
Arbeit zitieren
Markus Maisel (Autor:in), 2021, Der Straftatbestand der Volksverhetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1177097

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