Vom kleinsten gemeinsamen Nenner zum Doppelhut

Die Entwicklung der europäischen Außenpolitik im Spannungsfeld von Vergemeinschaftung und nationalstaatlicher Souveränität (GASP, ESVP)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Fragestellung

2 Die Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit
2.1 Die EVG und die Fouchet-Pläne
2.2 Der Luxemburger Bericht 1970
2.3 Der Kopenhagener Bericht 1973
2.4 Der Londoner Bericht 1981
2.5 Die Einheitliche Europäische Akte 1986

3 Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im Maastrichter Vertrag
3.1 EPZ oder GASP?
3.2 Der institutionelle Rahmen der GASP
3.3 Das Kohärenzgebot in der europäischen Außenpolitik
3.4 Die Zielsetzungen der GASP
3.5 Die Instrumente und Entscheidungsverfahren der GASP

4 Neuere Entwicklungen in der GASP
4.1 Die GASP im Vertrag von Amsterdam
4.2 Die institutionelle Struktur der GASP nach Amsterdam
4.3 Sicherheitsstrategie und Verfassungsentwurf

5 Fazit und Schluss

6 Literaturverzeichnis:

1 Einleitung und Fragestellung

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägte der Ost-West-Konflikt als globaler Konflikt die Weltordnung, standen die Außenpolitiken der (west-) europäischen Staaten unter dem Zeichen der Bipolarität und der Einbindung in die NATO. Der seit 1957 eingeleitete Ansatz der europäischen Integration beschränkte sich zunächst auf wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit, eine europäische Außenpolitik wurde für die folgenden 40 Jahre als „out of bounds“ betrachtet.[1] Während die ökonomische, politische und gesellschaftliche Integration voranschritt, wurde die Sicherheit im Kalten Krieg durch die NATO (und damit durch die USA) und durch die Verteidigungsstärke der Mitgliedstaaten gewährleistet. Durch das Entstehen einer gemeinsamen politischen Ordnung für Europa, gab es immer wieder Ansätze, wenn nicht zu einer gemeinsamen Außenpolitik, so doch zu einer stärkeren Koordinierung und Absprache zwischen den Mitgliedsstaaten – die EPZ.

Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion sahen sich die europäischen Staaten neuen Herausforderungen ausgesetzt. Im EU-Vertrag von Maastricht wurde die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) geschaffen, die nunmehr als zweite Säule in einen einheitlichen institutionellen Rahmen mit der EG verbunden war.[2] Trotzdem bleibt eine viel kritisierte Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Macht der EU und ihrer außenpolitischen Stärke. Nicht zuletzt im Irakkonflikt schien Europa seine gemeinsame Stimme verloren zu haben.

Im Rahmen dieser Arbeit wird die Entwicklung von der EPZ über die GASP im Maastrichter Vertrag bis zu ihrer Stellung im Verfassungsentwurf als historischer Transformationsprozess untersucht werden und die damit einhergehenden Veränderungen in den Mitteln und Verfahren einer europäischen Außenpolitik. Im ersten Teil wird die Entwicklung der koordinierten europäischen Außenpolitik im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) zwischen 1969 und 1991 untersucht werden. Der zweite Teil der Arbeit behandelt die GASP als zweite Säule der Tempelkonstruktion, wie sie durch den Maastrichter Vertrag von 1992 eingeführt wurde. Im dritten Teil wird die aktuelle Entwicklung vom Vertrag von Amsterdam von 1997 über die Europäische Sicherheitsstrategie zum Verfassungsentwurf des Konvents 2003 verfolgt. Dabei wird die Geschichte der EPZ und GASP chronologisch als Wettstreit von intergouvernementalen und supranationalen Kräften der Integration betrachtet werden. Schließlich wird überprüft werden, ob sich entlang dieses „roten Fadens“ Muster einer fortschreitenden Integration der Außenpolitik erkennen lassen.

Um den gegeben Rahmen nicht zu sprengen wird Außenpolitik im Sinne von Außenhandels- oder Entwicklungspolitik ebenso wenig betrachtet werden, wie die Erweiterungsrunden der EU. Des weiteren kann nur am Rande auf die weltpolitischen Umstände eingegangen werden, obwohl die untersuchten Verträge und Entwicklungen selbstverständlich nicht im „luftleeren Raum“ entstanden sind, sondern von diesen Umständen beeinflusst und teilweise erst angestoßen sind.

Die Auswahl an Literatur zu den Themen „Europäischen Politische Zusammenarbeit “ und „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ ist riesig. Für die chronologische Entwicklung der europäischen Außenpolitik in EG, EPZ und GASP wurden dieser Arbeit neben verschiednen Standardwerken besonders die Monographien von Frank R. Pfetsch, Jan Höhn und Marc Gottschald zugrunde gelegt.[3] Des Weiteren wurden die Texte der Verträge und Berichte untersucht. Zur neuesten Entwicklung sind die Artikel von Wolfgang Wessels und Thomas Risse zu nennen, bei der Analyse nimmt der deliberative Ansatz von Helene Sjursen eine zentrale Stellung ein.[4]

2 Die Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit

2.1 Die EVG und die Fouchet-Pläne

Die ersten Ansätze einer gemeinschaftlich koordinierten Außenpolitik lassen sich 1950 in dem Plan des französischen Ministerpräsidenten René Pleven für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), angesiedelt im institutionellen Rahmen der Montanunion finden.[5] Geplant war die Aufstellung einer europäischen Armee. Der Gründungsvertrag zur EVG wurde tatsächlich von allen Regierungen der Mitglieder der Montanunion am 25.5.1952 unterzeichnet. Der Vertrag scheiterte jedoch, als die französische Nationalversammlung am 30.8.1954 die Beratungen über die EVG unterbrach. Der nächste Versuch, einen politischen Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den EWG-Staaten zu schaffen, eingeschlossen einer außenpolitischen Komponente, waren die Fouchet-Pläne 1961 / 1962. Wieder scheiterte das Vorhaben an unterschiedlichen Integrationsvorstellungen der Franzosen gegenüber den anderen EWG-Staaten.

Erst das Scheitern beider Pläne war der Anlass, eine schrittweise Teilintegration auf wirtschaftlichem Gebiet quasi als Minimallösung durchzuführen.[6] Und im Übrigen hatte bereits die Idee der EGKS einen politischen Hintergrund: „Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen“, so steht es in der Präambel des EGKS-Vertrages, Versöhnung verfeindeter Nationen, Kontrolle Deutschlands. Auch die Montanunion war letztlich als erster Schritt auf dem Weg zu einem langfristig auf eine Politische Union angelegten Ziel konzipiert worden. Das Bewusstsein über die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik war bei den europäischen Staatsmännern also durchaus gegeben. An der Aufstellung eines für alle EWG-Staaten verfolgbaren Konzepts scheiterte man jedoch.

2.2 Der Luxemburger Bericht 1970

Den Anstoß für die Entwicklung einer allgemeinen europäischen Außenpolitik gaben die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten am 2. Dezember 1969 auf ihrem Gipfel in Den Haag, indem „sie [...] die Außenminister mit der Prüfung der Frage [beauftragten], wie, in der Perspektive der Erweiterung, am besten Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Einigung erzielt werden können“.[7] In der Folge entstand der Luxemburger Bericht, der die Europäische Politische Zusammenarbeit EPZ, den Vorläufer der heutigen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik GASP, begründete. Verabschiedet am 27. Oktober, sollte auf europäischer Ebene ein Konsultationsmechanismus zu Fragen der Außenpolitik errichtet werden und eine Abstimmung der einzelstaatlichen Standpunkte erfolgen. Der Grundgedanke des Luxemburger Berichts war die Möglichkeit zur praktischen außenpolitischen Zusammenarbeit, allerdings auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners. Diese Einstellung kristallisierte sich zum kennzeichnenden Merkmal der EPZ heraus.[8]

Als Instrumente sah der Luxemburger Bericht zum Ersten halbjährliche Tagungen der Außenminister vor, die sich ansonsten im Ministerrat der EG, zweimal jährlich im NATO-Rat und dreimal im Rat der WEU trafen. Im Falle von aktuellen Krisensituationen sollte es auch möglich sein, dass die Regierungen zu außerordentlichen Konsultationen zusammentrafen.[9] Die Treffen wurden von einem Politischen Komitee vorbereitet, das sich aus den Leitern der Politischen Abteilungen der damals sechs Außenministerien zusammensetzte. Das Komitee konnte Arbeitsgruppen zur thematischen (nicht organisatorischen) Bearbeitung von außenpolitischen Sonderaufgaben einsetzen. Von der Errichtung eines gemeinsamen Sekretariats wurde abgesehen, da dieses den auf nationale Souveränität bedachten Staaten zu gemeinschaftlich wirkte.[10] Der Kommission und der Europäischen Parlamentarischen Versammlung wurden keine nennenswerten Teilnahmerechte gewährte. So wurde die Europäische Kommission lediglich zur Stellungnahme aufgefordert, wenn die Tätigkeit der Außenminister Auswirkungen auf die Arbeit der Europäischen Gemeinschaften hatten. Die EG-Kommission wertete deshalb auch die Einrichtung der EPZ als ein Misstrauensvotum gegenüber dem gesamten Beamtenapparat beziehungsweise gegenüber dem supranationalen Konzept der Gemeinschaft.

Mit dem Parlament waren nur ein halbjährliches informelles Kolloquium zwischen den Außenministern und der zuständigen Parlamentskommission sowie eine jährliche Mitteilung an das Parlament über die Fortschritte der EPZ vorgesehen.[11] Diese Regelung blieb hinter den Fouchet-Plänen zurück. Teilweise wirken die Bestimmungen des Luxemburger Berichts bis in die heute bestehenden Regelungen der europäischen Außenpolitik hinein. Insbesondere das zwischenstaatliche Organisationsprinzip der gemeinsamen Außenpolitik gilt auch heute noch als deren Charakteristikum, genau wie sich der Wettstreit zwischen intergouvernementalen und supranationalen Kräften wie ein roter Faden durch die weitere Entwicklung der gemeinsamen Außenpolitik zieht.

2.3 Der Kopenhagener Bericht 1973

Im Bericht von Luxemburg war festgelegt worden, dass die Minister zur Gewährleistung der Kontinuität des begonnenen Werkes „weiter prüfen [wollen], wie am besten Fortschritte in der politischen Einigung erzielt werden können; sie beabsichtigen einen zweiten Bericht vorzulegen.“[12] Im Kopenhagener Bericht vom 23. Juli 1973 wurde hauptsächlich eine Bestandsaufnahme der ersten drei Jahre der EPZ vorgenommen. Darüber hinaus beinhaltet er die Fixierung von Koordinationsmechanismen, die sich während des „Probebetriebs“ seit Luxemburg als organisatorisch effizient herausgebildet hatten, worunter v.a. eine Ausweitung des Instrumentariums zu verstehen ist.[13] Die Zahl der Außenministertagungen wurde auf vier pro Jahr erhöht und die Leiter der politischen Abteilungen der Mitgliedstaaten sollten sich im Politischen Komitee entsprechend der außenpolitischen Erfordernisse, und nicht nach einem fixen Zeitplan, treffen. Zusätzlich kam es zu Verbesserungen der Konsultationsqualität: es wurde eine Korrespondentengruppe aus den europäischen Gesprächspartnern in den Außenministerien gebildet, deren Aufgabe es war, die organisatorische Durchführung der EPZ zu verfolgen. Auch die Botschaften der Mitgliedstaaten in Drittländern wurden eingebunden zur Abstimmung ihrer Positionen angehalten. Die Mitwirkung von Kommission und Parlament an der politischen Zusammenarbeit wurde nur geringfügig erweitert.[14]

[...]


[1] Vgl. Deighton, Anne, The European Security and Defence Policy, in: JCMS 40/2002, S. 721.

[2] Vgl. Schröder, Maximilian H., Von der EPZ zur GASP. Versuch einer Bilanz, in: Integration 3/97, S. 189.

[3] Pfetsch, Frank R., Die Europäische Union. Eine Einführung, München 1997; Höhn, Jan, Außenpolitik der EG-Staaten im Fall der KSZE. Geschichte, Struktur, Entscheidungsprozess, Aktion, Möglichkeiten und Grenzen, München 1978; Gottschald, Marc, Die GASP von Maastricht bis Nizza, Baden-Baden 2001.

[4] Wessels, Wolfgang, Der Verfassungsvertrag im Integrationstrend. Eine Zusammenschau zentraler Ergebnisse, in: Integration 4/2003, S. 284 - 300; Risse, Thomas, Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik? Der Verfassungsentwurf und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, in: Integration 4/2003, S. 564 – 575; Sjursen, Helene, Understanding the Common Foreign and Security Policy: Analytical Building Blocs, ARENA Working Paper 9/03, www.arena.uio.no/publications/wp03_9.pdf, Zugriff 30.7.2004.

[5] Zur folgenden Darstellung, vgl. Glöckler-Fuchs, Juliane, Institutionalisierung der europäischen Außenpolitik, München/Wien 1997, S. 80 – 96.

[6] Vgl. Kneuer, Marianne, Die Erweiterungspolitik Europas als politisches Ziel. Eine Analyse der Beweggründe des europäischen Einigungsprozesses, in: PM 413/2004, S.25.

[7] Kommuniqué der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 2.

Dezember 1969 in Den Haag, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Dokumentation: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP), Bonn 1994, S. 30.

[8] Vgl. Höhn, Außenpolitik, S.104.

[9] Vgl. Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27. Oktober 1970, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Dokumentation: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP), Bonn 1994, S. 33ff.

[10] Vgl. Pfetsch, Europäische Union, S.211.

[11] Vgl. Luxemburger Bericht, S. 35 und Höhn, Außenpolitik, S. 111f.

[12] Luxemburger Bericht, S. 35.

[13] Vgl. Kopenhagener Bericht: Zweiter Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 23. Juli 1973, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Dokumentation: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP), Bonn 1994, S. 38.

[14] Die Zahl der jährlichen Kolloquien zwischen den neun Außenministern und dem Politischen Ausschuss des Europaparlaments wurde von zwei auf vier erhöht und die Direktoren des Politischen Komitees wurden angewiesen, die Vorschläge des Parlaments auf dem Gebiet der Außenpolitik an die Außenminister weiterzugeben.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Vom kleinsten gemeinsamen Nenner zum Doppelhut
Untertitel
Die Entwicklung der europäischen Außenpolitik im Spannungsfeld von Vergemeinschaftung und nationalstaatlicher Souveränität (GASP, ESVP)
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Möglichkeiten und Grenzen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V117881
ISBN (eBook)
9783640210176
ISBN (Buch)
9783640210213
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nenner, Doppelhut, Möglichkeiten, Grenzen, Außen-, Sicherheitspolitik
Arbeit zitieren
Daniel Daimer (Autor:in), 2006, Vom kleinsten gemeinsamen Nenner zum Doppelhut, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117881

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