Vokalveränderungen des New Zealand English

Lautwandel und ihre sozialen Faktoren


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entstehung und Entwicklung von NZE

3. Vokalsystem des NZE
3.1 Monophthonge
3.2 Diphthonge

4. Vokalveränderungen
4.1. Der ”short” front vowel shift
4.1.1. Akustische Analyse von Maclagan und Hay (2007)
4.1.2. Methodisches Vorgehen
4.1.3. Resultate und Diskussion
4.2. Der NEAR-SQUARE Merger
4.2.1. Studien von Maclagan und Gordon (1996)
4.2.2. Methodisches Vorgehen
4.2.3. Resultate und Diskussion
4.3. Überschneidung von FOOT mit GOOSE und THOUGHT
4.3.1. Studie von Warren (2017)
4.3.2. Methodisches Vorgehen
4.3.3. Resultate und Diskussion

5. Soziale Faktoren als mögliche Erklärungsansätze

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

Abstract

Diese Arbeit befasst sich mit der kontinuierlichen phonologischen Wandlung von New Zealand English Vokalen. Zur Erläuterung dieser Veränderungsprozesse werden hier die Verschiebung der vorderen Vokale /^/, /s/ und /i/, die Vereinigung der Diphthonge /is/ und /es/ sowie der Überschneidung von /u/ mit den Vokalen /«:/ und /o:/ behandelt. Hierzu werden die erhobenen Daten mehrerer Studien genutzt, um unter anderem zu präsentieren, dass der Lautwandel des kurzen Vordervokals /s/ eine Zentralisierung des langen /i:/ Vokals verursacht hat, was ihn zu einem Bestandteil des front vowel shifts macht. Ebenso zeigen die Studienergebnisse eine Generierung des NEAR-SQUARE Mergers zum /is/ Diphthong hin. Mögliche Erklärungsansätze für diese Vokalveränderungen lassen sich aus soziolinguistischer Sicht ermitteln. Bei Betrachtung der Probanden wird deutlich, dass soziale Faktoren, wie Geschlecht und sozioökonomischer Status, den phonologischen Lautwandel beeinflussen.

1. Einleitung

New Zealand English (NZE) ist lediglich eine der zahlreichen Variationen der englischen Sprache. Aufgrund der relativ neuen Entfaltung vor etwa 200 Jahren ist ihre Entwicklungsgeschichte, im Vergleich zu anderen Variationen, durch zahlreiche, akustische Aufzeichnungen evident dokumentiert. Die ersten aufgezeichneten Daten entstanden etwa 1946 durch das Mobile Disc Recording Unit Projekt. Hierbei wurden Gespräche, Gesang und Erzählungen im ganzen Land aufgezeichnet, welche gegenwärtig noch als Ausgangsdaten für viele Studien in der Sprachwissenschaft dienen.

Obwohl ein sprachwissenschaftliches Interesse an der neuseeländischen Derivation des Englischen bereits seit dem Zuwachs an englischsprachigen Siedlern bestand, nahm dieses jedoch ab den 1960er Jahren merklich zu. Eines der umfangreichsten Projekte zur sprachlichen Analyse des NZE ist das „Origins of New Zealand English project“ (ONZE), welches sich seit etwa 1996 mit der Transkription und Analyse aufgezeichneter Audiodaten heterogener Sprecher beschäftigt.

Zur Erkennung morphologischer und phonologischer Veränderungen der Sprache werden die Audiodaten aus unterschiedlichen Archiven genutzt, welche Aufzeichnungen von NZE- Sprecher diverser Generationen beinhalten. Durch Gegenüberstellung solcher Audiodaten und der Durchführung mehrerer Studien und Analysen lässt sich die Entstehung der Sprache und ihr fortwährender Wandel identifizieren (Hay, Maclagan & Gordon, 2008, S. 16). Folglich ist auch die phonetische Wandlung der NZE Vokale in den letzten 100 Jahren ersichtlich geworden.

Diese Arbeit konzentriert sich auf einige dieser Vokalveränderungen und versucht ihre Entwicklung durch die Präsentation durchgeführter Studien zu veranschaulichen und neue Erkenntnisse zu exponieren.

Zur Einführung ins Thema erfolgt zunächst ein historischer Einblick in die Entstehung und Entwicklung der neuseeländischen Variation des Englischen, dessen Herkunft sehr mit der Einwanderungsgeschichte des Landes verknüpft ist. Im weiteren Abschnitt wird das standardisierte Vokalsystem präsentiert, aufgeteilt in Monophthonge und Diphthonge. Anschließend werden der “short“ front vowel shift, der NEAR-SQAURE Merger und die Überlappungen der Vokale /ü/, /o:/ und /«:/ erläutert, welche zu den bekanntesten Vokalveränderung des NZE zählen. Hierzu werden die Ergebnisse einiger Studien und Analysen aufgeführt, welche zur Untersuchung und Ermittlung dieser Lautwandel durchgeführt wurden, indem ihr methodisches Vorgehen erklärt und die bedeutendsten Ergebnisse zusammengefasst werden. Zum Schluss erfolgt eine Betrachtung der sozialen Faktoren, wie Geschlecht und gesellschaftliche Schicht, um eine mögliche Erklärung aus soziolinguistischer Sicht für die Vokalveränderungen des NZE zu formulieren.

2. Entstehung und Entwicklung von NZE

Die Inselgruppe, welche Neuseeland bildet, umfasst drei Haupt- und mehrere kleine Inseln, die im südlichen Pazifik gelegen sind und einen Teil des antarktischen Kontinents beanspruchen. Aufgrund ihrer geographisch isolierten Lage erfolgte die erste Besiedlung des Landes um das 10. Jahrhundert durch polynesische Erkunder, wodurch Neuseeland als eines der letzten durch Menschen besiedelte Gebiet der Welt gilt (Hay et al, 2008. S. 3).

“The origins and development of New Zealand English are, quite obviously, intimately intertwined with the history of immigration to New Zealand” (Gordon, Campbell, Hay, Maclagan, Sudbury & Trudgil, 2004, S.36). Eine präzise Rekonstruktion der Einwanderungsgeschichte des Landes ist zwar nicht möglich, bekannt ist jedoch, dass die ersten europäischen Erkunder Neuseeland im Jahre 1642 erreichten. Der holländische Seefahrer Abel Tasman und seine Besatzung betraten das Land zwar nicht, fertigten jedoch die ersten kartographischen Aufzeichnungen an und verhalfen dem Gebiet zu seinem Namen. Bis zum Jahre 1769, in dem die ersten englischsprachigen Einwanderer mit dem Kapitän James Cook eintrafen, waren die polynesischen Siedler die singulären Einwohner des Inselstaats. Durch die Unterzeichnung des Waitingi Vertrags im Jahre 1840 erlangte Großbritannien die Herrschaftsgewalt über Neuseeland, welches von da an als britische Kolonie gezählt wurde. Es folgte ein Zuwachs an Einwanderern, wobei die meisten erwartungsgemäß von den britischen Inseln stammten. Die Herkunft dieser Siedler setzt sich aus unterschiedlichen Regionen Englands, Irlands und Schottlands zusammen, aber auch über Australien reisende Briten siedelten zu der südpazifischen Inselgruppe um, wodurch eine Verschmelzung der unterschiedlichen Dialekte erfolgte. Zum Jahre 1858 führte dieser Einwanderungszuwachs im Land zu einer Prädomination der englischen Sprache gegenüber dem vorherrschenden Maori, der Sprache der polynesischen Siedler.

Doch welcher konkrete Ursprung lässt sich für die Entstehung des NZE ermitteln? Hierzu teilen sich die Annahmen der Sprachwissenschaftler in verschiedene Theorien: die „single-origin theory“, welche die „Cockney explanation“ und die „Australian hypothesis“ miteinschließt, die „mixing-bowl theory“ und die „new-dialect formation“.

Der hohe Anteil an Emigranten aus dem Südosten Englands und ihre vielen sprachlichen Affinitäten zur neuseeländischen Variation des Englischen sind eine mögliche Erklärung für die „single-origin theory“. Ihr zufolge handelt es sich beim NZE demnach um die Abwandlung eines englischen Dialekts, beispielsweise vom südöstlichen Teil des Landes. Dazu zählt ebenfalls die „Cockney explanation“, welche sich auf die Annahme stützt, dass NZE eine importierte Modifikation des englischen Cockney ist, einem Dialekt der Londoner Arbeiterklasse (Gordon et al., 2004, S. 71). Diese Theorie basiert eher auf akustischen Wahrnehmungen, denn viele Engländer identifizieren die NZE-Artikulation als Cockney Dialekt, da vornehmlich die Realisierung der Vokale sehr analog klingt. Eine weitere „single- origin theory“ ist die Hypothese, dass NZE dem australischen Englisch entstammt. Diese Theorie stützt sich auf den offenbaren Analogien beider Variationen des Englischen. NZE und Australian English (AE) gleichen sich nicht nur in ihren phonetischen und phonologischen Eigenschaften, sondern besitzen auch Worte und Ausdrücke, welche sich in keiner weiteren englischsprachigen Variation wiederfinden lassen (Bauer, 1994 zitiert in Gordon et al, 2004, S. 74). In der Linguistik werden sie jedoch als zwei eigenständige Variationen des Englischen gewertet (Hay et al., 2008, S.86).

Die „mixing-bowl theory“ basiert auf der Emigrationsgeschichte des Landes und suggeriert, dass NZE das Produkt einer dialektalen Koalition ist. Durch die Besiedlung Neuseelands aus verschiedenen englischsprachigen Regionen erfolgte, nach dieser Theorie, eine Zusammenkunft unterschiedlicher Dialekte zu einer neuen Variation.

Die „new-dialect formation“ verfolgt ebenfalls die Annahme, dass die Entwicklung des NZE mit der Vereinigung diverser Dialekte verknüpft ist. Jedoch wird hier noch ein weiterer Gedanke hinzugefügt: „[...] when people come to a new country or a new region speaking different dialects, over time the different dialectal variants become levelled out and a single new dialect develops, which is different from those dialects that the first settlers used” (Hay et al., 2008, S. 86). Bei Betrachtung des historischen Hintergrunds und der einzelnen Herkunftstheorien erscheint die Theorie der „new-dialect formation“ am ersichtlichsten, da sie die anderen Theorien partiell mit einbindet.

In seinem Werk „Dialects in Contact“ (1986) definiert Peter Trudgill die Bildung eines neuen Dialekts als chronologische Entwicklungsabfolge, welche sich in drei Stadien segmentieren lässt: Zuerst erfolgt die Selektion der offenkundigsten Dialektdifferenzen durch zwischenmenschliche Kommunikation, gefolgt von einer Phase starker, phonologischer Variabilität (Hay et al., 2008, S. 87). Im zweiten Stadium der Dialektformung kombinieren Sprecher (insbesondere Kinder) verschiedene dialektale Formen und kreieren neue sprachliche Kombinationen (Gordon et al., 2004, S. 79). Folglich entsteht im letzten Stadium durch „Fokussierung“ der neue Dialekt. Dieser Prozess setzt sich aus dem Entfallen demografischer Variationsminderheiten und der Simplifizierung der sprachlichen Eigenschaften zusammen. (Hickey, 2003, S. 4) Die hohe sprachliche Homogenität und die kaum vorhandenen regionalen Variationen des NZE demonstrieren das Ergebnis dieser Fokussierung. Trudgills deterministische Entstehungshypothese schließt jedoch keine sozialen Einflüsse mit ein, welche allerdings eine elementare Funktion in der Entwicklung dieser englischen Variation einnehmen (Hay et al, 2008, S. 93).

Wie jede andere weltliche Sprache durchläuft auch NZE einen fortwährenden Entwicklungsprozess durch sprachliche Erweiterungen und phonetische Wandlungen. Um diese Entwicklung analysieren und nachvollziehen zu können, nutzen Sprachwissenschaftler, wie zu Beginn bereits erwähnt, gesammelte Audioaufnahmen von NZE-Sprechern diverser Generationen. Durch die Untersuchung dieser Daten lassen sich einige beachtliche Entwicklungen in der Artikulation bestimmter Vokale und Konsonanten in den letzten 100 Jahren erkennen, welche vermehrt zu Kommunikationsproblemen mit Sprechern anderer Englischvariationen führen. Die prägnantesten Vokalveränderungen werden im weiteren Abschnitt ausführlich erklärt.

3. Vokalsystem des NZE

Die einzigartige Realisierung der Vokale ist es zumeist, die NZE von den anderen Englischvariationen separiert und vermehrt auch zu Misskommunikationen mit ihren Sprechern führen. NZE ist, ebenso wie die meisten englischen Variationen, ein nicht­rhotischer Dialekt. Dies bedeutet, dass der stimmhafte postalveolare Approximant [r] einzig unmittelbar vor Vokalen realisiert wird.

Die Vokale lassen sich einem betonten und einem unbetonten Vokalsystem zuweisen und werden unter anderem in „lang“ und „kurz“ unterschieden. Das betonte Vokalsystem des NZE gleicht, ausgenommen einiger Besonderheiten, dem standardisierten System der Received Pronounciation (RP). Auffallend ist jedoch, dass NZE Sprecher keine strenge Ausprägung der Lippenöffnung bei der Realisierung aufweisen, welche aber akustisch als solche wahrgenommen wird. Bauer & Warren (2008) beschreiben dies als „some as-yet unexplained articulatory compensation for lip-rounding which can give the auditory impression of lip­rounding without any difference in the actual lip-position” (S. 42). Das unbetonte Vokalsystem besteht aus drei phonetisch kontrastierenden Einheiten mit jeweils weiteren Allophonen bestehend aus dem happY-Vokal, der Vokalisierung vom alveolaren Konsonanten /l/ und den homophon realisierten Vokalen von commA und horsES (Bauer & Warren, 2008, S. 44).

Um die Realisierung der einzelnen Vokale besser darzustellen und einzuordnen, werden diese in einem Vokaltrapez angegeben, welches lediglich auf einer generalisierten Realisierungswiedergabe basiert. Denn während Konsonanten in den verschiedenen englischen Variationen überwiegend kongruent artikuliert werden, unterscheiden sich Vokalrealisierungen zumeist jedoch stark. Daher werden oft Stichworte genutzt, um klare Differenzierungen zwischen den Vokalphonemen herzustellen, unabhängig von den Artikulationsabweichungen der einzelnen Variationen (Hay et al., 2008, S.15).

3.1 Monophthonge

Als Monophthonge werden singuläre Vokalphoneme bezeichnet, deren Qualität bei der Artikulation unverändert bleibt. Im NZE sind elf Vokalphoneme vorhanden, welche in sechs „kurz“ und fünf „lang“ realisierte Vokale unterteilt werden. Zu den kurzen Vokalen zählen der zentralisierte KIT Vokal /i/, der angehobene DRESS Vokal /s/, der angehobene TRAP Vokal /«/, der STRUT Vokal /a/, der leicht zentralisierte LOT Vokal /d/, der FOOT Vokal /ü/ und der COMMA Vokal /s/. Bei den langen Vokalen handelt es sich um den diphthongierten FLEECE Vokal /i:/, den zentralen STRUT Vokal /e:/, den geschlossenen THOUGHT Vokal /□:/, den vorderen GOOSE Vokal /u:/ und den NURSE Vokal /3:/. Die phonetischen Parameter der NZE Monophthonge weisen mehrere Abweichungen gegenüber äquivalenten, standardisierten RP Vokale auf. So werden beispielsweise der KIT Vokal /i/ und der LOT Vokal /d/ im modernen NZE zentralisierter artikuliert als ihre Äquivalente im standardisierten RP.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Vokalveränderungen des New Zealand English
Untertitel
Lautwandel und ihre sozialen Faktoren
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Sprachwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Phonetisch-phonologische Prozesse
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
24
Katalognummer
V1180643
ISBN (eBook)
9783346599957
ISBN (Buch)
9783346599964
Sprache
Deutsch
Schlagworte
New Zealand, New Zealand English, Phonetic, Phonology, Phonologie, Phonetik, Vokalveränderung, Merger, Lautwandel, front vowel shift, Warren, Maclagan, Hay, NZE
Arbeit zitieren
Olga Reich (Autor:in), 2020, Vokalveränderungen des New Zealand English, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1180643

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