In der fachlichen Diskussion zum angemessenen Umgang der Gesellschaft mit dem Phänomen der Behinderung ist nahezu unumstritten, dass eine Beschäftigung behinderter Menschen, die sich mehr oder weniger stark an der Arbeitstätigkeit Nichtbehinderter auf dem allgemeinen Markt orientiert, notwendig ist, um Betroffenen die Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen sowie nicht zuletzt eine Steigerung ihrer Lebensqualität zu erreichen. Im bundesdeutschen Sozia lrecht schlägt sich dieser grundsätzliche Konsens in der Existenz des Rechts der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen nieder.
Im ersten Teil dieser Arbeit wird die Auseinandersetzung mit diesem Recht, seit Einführung des SGB IX die ‚Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben’, allerdings zeigen, dass die angebotenen Maßnahmen mit wachsender Schwere einer Behinderung immer ungeeigneter sind, Behinderte bzgl. ihrer Persönlichkeitsentwicklung, fälschlicherweise oft mit Leistungsfähigkeit gleichgesetzt, positiv zu unterstützen bzw. ihre Lebensqualität zu steigern. Menschen mit schwersten Behinderungen, für den Gesetzgeber im Kontext der beruflichen Rehabilitation offenbar in erster Linie ‚Minderproduktive’, wird gar ein Rechtsanspruch auf die entsprechenden Maßnahmen verwehrt.
Um ein Bewusstsein für die Tragweite der Defizite im deutschen Rehabilitationsrecht zu schaffen, soll die normative Bedeutung entwicklungsgemäßer Beteiligung am gesellschaftlichen Arbeitsprozess für alle Menschen, gleich welcher Schwere ihre Behinderung sei, in diesem ersten Teil der Arbeit untersucht werden, um schließlich aus dem Herausgearbeiteten die Forderung nach Reformen des bestehenden Rechts abzuleiten. Die Situation schwerstbehinderter Menschen steht dabei im Mittelpunkt der Überlegungen.
Im zweiten Teil der Arbeit wird dem bestehenden Leistungssystem ein Alternativkonzept gegenübergestellt, welches auf einem ganzheitlichen Verständnis von Arbeit bzw. Tätigkeit als Medium für menschliche Persönlichkeitsentwicklung basiert. Das Praxismodell einer ‚Werkstatt für alle’ soll insbesondere als Alternative zur ‚Werkstatt für behinderte Menschen’ und verschiedene Formen von Beschäftigungsstätten verstanden werden. Die Leistungen des Rehabilitationsrechts, die behinderten Menschen bzgl. einer direkten Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Unterstützung bieten, werden in der gesamten Arbeit aufgrund der mangelnden Relevanz für Schwerstbehinderte vernachlässigt. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Teil A: Reflexionen zur Teilhabe schwerstbehinderter Menschen am Arbeitsleben...……………………………………….
- Zum Personenkreis der Schwerstbehinderten...
- Zum Terminus..
- Definitionsversuche für Schwerstbehinderung ....
- Am Normalitätsbegriff orientierte Definitionen...
- Am Hilfebedarf orientierte Definitionen......
- An sozialen Bedingungen orientierte Definitionen.......
- Menschen mit schwerster Behinderung als,Minderproduktive’
- Kritische Betrachtung der Werkstatt für behinderte Menschen..
- Zur Geschichte
- Die heutige Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) als Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben
- Zur Struktur der WfbM und ihrer Kostenträgerschaft.
- Zur Rechtsstellung behinderter Mitarbeiter der WfbM
- Zum Stellenwert der Pädagogik in der WfbM.
- Zur, einheitlichen Werkstatt und ihrer Beschränkung...
- Beschäftigungsstätten unter dem verlängerten Dach der WfbM
- Zur Bedeutung der Arbeit für den Menschen.
- Zum Arbeitsbegriff.
- Zur Bedeutung von Arbeit im gesellschaftlichem Kontext
- Erwerbstätigkeit als, Kerndimension moderner Industriegesellschaften'
- Soziales Bedrohtsein durch minderproduktive Arbeitsleistung.................
- Zur Bedeutung der Erwerbstätigkeit für behinderte Menschen
- Einfluss der Erwerbstätigkeit auf das Individuum...
- Tendenzen einer alternativen Anpassung von Arbeit an die Bedürfnisse' der Schwerstbehinderten ......
- Ein neues Verständnis der Arbeitsrehabilitation?
- Zum Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Realität und „normativer” Utopie............
- Die, Utopie der Ganzheitlichkeit versus Entfremdung in der Erwerbstätigkeit
- Die Forderung eines neuen Verständnisses der Arbeitsrehabilitation als Konsequenz des Sozialstaates.
- Teil B: Psychologisch-pädagogische Grundlagen und Überlegungen zur praktischen Gestaltung einer, Werkstatt für alle'
- Zur Bedeutung von Tätigkeit für die Persönlichkeitsentwicklung ..
- Zum Tätigkeitsbegriff der,Kulturhistorischen Schule'.
- Zur Struktur der Tätigkeit......
- Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen zur Tätigkeitstheorie ......
- Zur Tätigkeit als ästhetisches Spiel............
- Die Theorie der, Zone der nächsten Entwicklung' als Instrumentarium einer entwicklungsgemäßen Persönlichkeitsförderung in der Werkstatt
- Zur, Zone der nächsten Entwicklung' (ZdnE)..\li>
- Zur Tätigkeit auf verschiedenen Entwicklungsniveaus
- Zur Bedeutung des sozialen Bezuges
- Entwurf einer, Werkstatt für alle' in Anlehnung an eine dänische Modelleinrichtung
- Grundsätze der, Werkstatt für alle’.
- Exkurs: Die beschützte Werkstatt, Trekanten' als Einrichtung des dänischen Sozialsystems.......
- Umsetzungsmöglichkeiten eines ganzheitlich-tätigkeitsorientierten Werkstattkonzeptes in der Praxis.
- Integration in der Werkstatt
- Das Angebot der Haupttätigkeiten.….…………….
- Die additiven Tätigkeitsangebote ......
- Selbstbestimmte Entscheidungen als Indikatoren für die ZdnE ..............
- Zur Berücksichtigung der Erfahrungskategorien von Erwerbstätigkeit .
- Schlussbemerkungen......
- Verzeichnis der Abkürzungen..
- Quellenverzeichnis ……………………………………….
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Teilhabe schwerstbehinderter Menschen am Arbeitsleben in Deutschland. Ziel ist es, die Defizite im bestehenden Rehabilitationsrecht aufzuzeigen und ein alternatives, ganzheitliches Konzept für die Arbeitsrehabilitation zu entwickeln.
- Definition und Abgrenzung des Begriffs „Schwerste Behinderung“
- Kritik an der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)
- Bedeutung der Arbeit und Erwerbstätigkeit im gesellschaftlichen Kontext
- Entwicklung eines neuen Verständnisses von Arbeitsrehabilitation
- Die „Werkstatt für alle“ als alternatives Konzept
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Teilhabe schwerstbehinderter Menschen am Arbeitsleben ein und zeigt die Defizite im deutschen Rehabilitationsrecht auf. Anschließend beleuchtet Kapitel 1 den Personenkreis der Schwerstbehinderten und diskutiert verschiedene Definitionen. In Kapitel 2 wird die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) kritisch betrachtet und deren historische Entwicklung sowie die heutige Struktur und Rechtsstellung beleuchtet. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Bedeutung der Arbeit für den Menschen im Allgemeinen und für behinderte Menschen im Besonderen.
Kapitel 4 stellt die Forderung nach einem neuen Verständnis der Arbeitsrehabilitation auf und diskutiert den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Realität und normativer Utopie. Schließlich präsentiert Kapitel 5 die Bedeutung der Tätigkeit für die Persönlichkeitsentwicklung und stellt die Theorie der „Zone der nächsten Entwicklung“ als Instrumentarium einer entwicklungsgemäßen Persönlichkeitsförderung vor.
Schlüsselwörter
Schwerste Behinderung, Teilhabe am Arbeitsleben, Rehabilitationsrecht, Werkstatt für behinderte Menschen, Arbeitsrehabilitation, Tätigkeit, Persönlichkeitsentwicklung, Zone der nächsten Entwicklung, ganzheitliches Konzept, Werkstatt für alle.
- Arbeit zitieren
- Matthias von Mackensen (Autor:in), 2002, Teilhabe am Arbeitsleben auch für 'Minderproduktive'?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11819