Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition der Glückseligkeit
2.1 Das philosophische Verständnis von Glückseligkeit
3 Das theologische Verständnis von Glückseligkeit
4 Glückseligkeit nach einem Philosophen und einem Theologen
4.1 Glückseligkeit nach Abü Hämid Muhammad al-Gazzäli
4.2 Glückseligkeit nach Immanuel Kant
4.2.1 Kategorischer Imperativ
4.2.2 Glückseligkeit
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die Frage nach der Glückseligkeit ist von großem Interesse, dajeder Mensch nach einem guten Leben strebt, in dem er die Glückseligkeit erreichen kann.1 Also steht das gute Leben mit der Glückseligkeit in einer engen Verbindung. Laut dem Philosophen Walter Patt ist die Glückseligkeit sogar das endgültige Ziel des Menschen, die seit der antiken Ethik zu einem der wichtigsten Themen wurde, das immer wieder von Philosophen behandelt wird.2
Es ist uns aus den Literaturen bekannt, dass bedeutende Philosophen seit der Antike und später muslimische Philosophen und Theologen sich mit den Themen Ethik, Moral und Glückseligkeit befassen, insbesondere nach dem 9. Jahrhundert, als die griechische Philosophie begann, die islamische Wissenschaft zu beeinflussen.3 Somit liegt eine äußerst umfangreiche Literatur zum Thema Glückseligkeit zugrunde. Zu den bedeutendsten Philosophen, die sich in ihren Werken mit diesen Themen beschäftigt haben, zählen unter anderem folgende klassische antike sowie moderne Philosophen, wie Aristoteles, Platon, Epikur, Stoa, Immanuel Kant, John Stuart Mill und Friedrich Nietzsche. Diesbezüglich sind bei den muslimischen Philosophen wie Ya'qüb b. Ishäq al- Kindl, Abü Bakr ar-Räzi, Nasir ad-Dm af- Tüsi, al-Färäbi, al-Gazzäli und Ibn Rusd zu erwähnen, die ebenfalls als angesehene Theologen gelten.4 Bei der vorliegenden Arbeit bilden bei Kants Glückseligkeitsverständnis seine Werke GMS, KPV und KRV die Grundlage. Bei al-Gazzäli hingegen basiert in der vorliegenden Arbeit sein Glückseligkeitsverständnis auf seinem Werk DasElixier der Glückseligkeit.
Bei der Untersuchung der verschiedenen Theorien der Philosophen und Theologen zum Thema Glückseligkeit ist auffallend, dass es zwischen beiden zu Differenzen kommt. Obwohl beide Partien auf dasselbe hinauswollen, haben sie dennoch unterschiedliche Ansichten, wie man zur Glückseligkeit gelangt.
Selbst unter den Philosophen gibt es voneinander variierende Denkweisen, die dazu führen, dass sie sich gegenseitig auch mal ohne Weiteres kritisieren.5
Doch was genau wird unter Glückseligkeit verstanden, nach der sich der Mensch sehnt und die zu solch vielen unterschiedlichen Meinungen führt? Wann und wie gelangt man zu ihr? Das sind Fragen, die sehr interessant sind und zunächst offenbleiben. Um diesen Fragen nachzugehen, würde ich gerne die Argumentationswege von einem Philosophen der Moderne und einem muslimischen Theologen des Mittelalters untersuchen und miteinander vergleichen. Der Philosoph, den ich in meiner Hausarbeit behandle, ist Immanuel Kant (gest. 1804)6 und der Theologe ist Abü Hämid Muhammad al-Gazzäli (gest. Illi)7. Der Grund für den Vergleich der gegensätzlichen Positionen ist, die Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten von beiden einflussreichen Persönlichkeiten zu erkennen und ihre Denkanstöße für ihre Theorien zu dem bereits erwähnten Thema zu verstehen.
In der vorliegenden Hausarbeit wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich die Verständnisse über die Glückseligkeit von dem Theologen Abü Hämid Muhammad al-Gazzäli und dem Philosophen Immanuel Kant voneinander unterscheiden. Zu Beginn der Arbeit wird der Begriff „Glückseligkeit“ einmal aus der Perspektive von Philosophen und einmal aus der Sichtweise von Theologen definiert, um einen allgemeinen Vergleich zwischen beiden machen zu können. Anschließend wird in einem neuen Kapitel das Glückseligkeitsverständnis von al- Gazzäli vorgestellt. Darauf folgt im nächsten Kapitel eine Darstellung von Kants „kategorischem Imperativ“, um nachfolgend sein Glückseligkeitsverständnis zu behandeln. Es hat einen Grund, weshalb bei Kant zunächst sein „Kategorischer Imperativ“ vorgestellt werden muss, der sich im Laufe der Arbeit erklären wird. Letztendlich wird zum Schluss ein Vergleich von al-Gazzäli und Kants Verständnis von Glückseligkeit erfolgen, worin beleuchtet wird, inwiefern ihre Ansichten Gemeinsamkeiten oder Unterschiede haben.
2 Definition der Glückseligkeit
2.1 Das philosophische Verständnis von Glückseligkeit
In diesem Kapitel wird das philosophische Verständnis von Glückseligkeit definiert. Zunächst ist bemerkenswert, dass der Ausdruck „Glück“ nicht aus der Philosophie entstanden ist, sondern seinen Ursprung in der Alltagssprache hat.8 Im deutschen Sprachgebrauch werden zwei unterschiedliche Bedeutungen mit dem Begriff assoziiert. Diese Unterscheidung wird deutlich gemacht, indem man von „glücklich sein“ oder „Glück haben“ spricht.9 Während „glücklich sein“ einen seligen Wert hat, bedeutet „Glück haben“ so gut wie zufälliges Glück.10 Dieser Arbeit wird durchaus die erstere Bedeutung zugrunde liegen. Um zu dem Ursprung des Wortes in der Philosophie zurückzukommen, bedeutet der Ausdruck „Glück“ im Griechischen „eudaimonia“, welcher den Zustand eines glücklichen Menschen beschreibt, bei dem man glaubt, dass sich ein „guter Geist“ befindet.1112 Nach Wolfgang Pleger hat das Wort „eudaimonia“ mehrere Bedeutungen, welche er in seinem Werk wie folgt erwähnt: „Glück“, „Glückseligkeit“, „glücklicher Zustand“, „Segen“, „Wohlergehen“, „Wohlstand“ und sogar „Macht“ n Nach dem antiken Philosophen Aristoteles ist das höchste Gut des Menschen seine Glückseligkeit, welcher mit „Gut-Leben“ und „Sich-gut-Verhalten“ erreicht wird.13 Er verbindet also das glückselige Leben mit tugendhaften Handlungen.14
In diesem Kapitel wurde das philosophische Verständnis von Glückseligkeit definiert und nun folgt eine theologische Definition des Begriffs im nächsten Kapitel.
3 Das theologische Verständnis von Glückseligkeit
Mit dem theologischen Verständnis von Glückseligkeit meine ich sowohl die islamische Theologie als auch die islamische Philosophie, da die muslimischen Gelehrten seit dem Mittelalter diese beiden Gebiete nicht voneinander getrennt, sondern vielmehr bewusst oder unbewusst zusammengedacht haben. Darüber hinaus wurde die Glückseligkeit durch den Einfluss der antiken Philosophie zu einem der Hauptthemen in der islamischen Philosophie.15 Glückseligkeit bedeutet im Arabischen „sa'ödb“16 und beschreibt in der islamischen Philosophie, genauso wie in der griechischen Philosophie, das höchste Ziel des menschlichen Strebens.17 Nach der islamischen Philosophie kann dieses höchste Ziel durch die ethische Vervollkommnung und zunehmendes Wissen erreicht werden.18 Es gibt auch eine weitere Definition des Begriffs saäda. aus der nichtphilosophischen Literatur des Islam, welcher glückliche Lebensumstände, ein unerwartetes Glück eines langen Lebens, die Bewahrung vor Versuchungen oder den ewigen Aufenthalt im Paradies beschreibt.19
Auch im Koran kommt der Ausdruck saada vor, jedoch im Zusammenhang mit dem gegensätzlichen Begriff„sagäma“20, welcher generell als Unglück oder Elend übersetzt wird.21 Im westlichen Sprachraum ist dieser Ausdruck als „Tragödie“ bekannt.22 Es handelt sich bei saqöwa um die Textstelle in der Sure Hudl 11:105108, in der über die Menschen im Jenseits berichtet wird, von denen einige unglücklich (saqi)2324 und andere glückselig (sa7<J)' sein werden.25 Laut der bereits erwähnten Textstelle in der oben genannten Sure, gelten diejenigen im Jenseits als unglücklich, die im Höllenfeuer landen und für eine ewige Zeit dort weilen werden.
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1 Vgl. Pleger: Das gute Leben (2020), S. 1.
2 Vgl. Patt: Kants Kritik der praktischen Vernunft (2004), S.ll.
3 Vgl. Endress: Der arabische Aristoteles (1990), S. 3.
4 Vgl. Qagnci: Saadet (2008), Bd. 35, S. 320.
5 Vgl. Himmelmann: Kants Begriff des Glücks (2003), S. 130 f.
6 Vgl. Pleger: Das gute Leben (2020), S. 126.
7 Vgl. al-Ghasäli: Das Elixier der Glückseligkeit (2017), S. 9.
8 Vgl. Buridan: Über Freiheit und Glück (2020), S. 56.
9 Vgl. ebd., S. 56 f.
10 Vgl. Buridan: Über Freiheit und Glück (2020), S. 57.
11 Vgl. Pleger: Das gute Leben (2020), S.ll.
12 Vgl. ebd.
13 Vgl. Pauer-Studer: Einführung in die Ethik (2003), S.62.
14 Vgl. ebd., S.64.
15 Vgl. Qagnci: Saadet (2008), Bd. 35, S. 320.
16 Wehr: Arabisches Wörterbuch (1998), S. 571.
17 Vgl. Daiber: Sa'äda (2012), s.p.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. ebd.
20 Wehr: Arabisches Wörterbuch (1998), S. 668.
21 Vgl. Qagnci: Saadet (2008), Bd. 35, S. 319.; Vgl. Daiber: Shakäwa (2012), s.p.
22 Vgl. al-Attas: Die Bedeutung und das Erleben von Glückseligkeit im Islam (1998), S. XIII.
23 Wehr: Arabisches Wörterbuch (1998), S. 668.
24 Wehr: ebd., S. 571.
25 Vgl. Qagnci: Saadet (2008), Bd. 35, S. 319.
- Arbeit zitieren
- Hatice Kübra Yildirim (Autor:in), 2021, Das philosophische und theologische Verständnis der Glückseligkeit. Glückseligkeit nach Immanuel Kant und Muhammad al-GazzalI im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1183243
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