Die Bedeutung des Gesundheitssystems für die Sozialstruktur einer Gesellschaft


Dossier / Travail, 2007

20 Pages, Note: 1,7


Extrait


Gliederung

1 Einleitung

2 These zur Rolle des Gesundheitssystems in der Gesellschaft

3 Sozialstruktur der Gesellschaft

4 Gesundheitssystem der Gesellschaft

5 Bedeutung der Ausgestaltung des Gesundheitssystems für die Sozialstruktur am Beispiel Deutschlands

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

Niedrige soziale Schichtzugehörigkeit ist vermutlich die stärkste einzelne Einflussgröße auf vorzeitige Erkrankungen und Sterbefälle, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern weltweit. (R.B. Williams 1998)1

1 Einleitung

Kaum ein Thema wurde und wird mit solcher Ausdauer und so kontrovers in der deutschen Gesellschaft diskutiert, wie das Gesundheitssystem, seine Probleme und mögliche Lösungen für die Zukunft. Zentraler Gegenstand der heutigen Debatte sind die steigenden Kosten einer älter werdenden Gesellschaft und die daraus resultierenden Finanzierungsund Verteilungsprobleme. In einem mehr und mehr ökonomisch ausgerichteten, dem Marktprinzip huldigenden Politikverständnis gewinnen Rationierungsgedanken an Raum. Schon diskutieren Gesundheitspolitiker den Wert einer kurzen Lebensverlängerung eines Krebskranken aus ökonomischer Sicht:„Sind uns die zwei Monate Lebensverlängerung für einen Krebskranken 40000 Euro wert?“, sollen die Patienten mehr Verantwortung für ihre Gesundheit, d.h. im Klartext mehr Eigenbeteiligung an den Kosten übernehmen bzw. werden die Leistungen, für die die Gemeinschaft solidarisch aufkommt, rationiert.2

Mit der Finanzierungsund Rationierungsdebatte eng verknüpft ist die Frage der sozialen Ungleichheit der verschiedenen Gruppen der Gesellschaft im Hinblick auf den Zugang zu Gesundheitsleistungen und die Finanzierung des Gesundheitssystems. So erklärt es der Soziologe Weede in der F.A.Z. vom 15.06.2007 als „völlig unmöglich, ein System zu schaffen, das keine Ungleichheit schafft"3. Sauga4 geht noch weiter und präzisiert diese Ungleichheit der Finanzierung der deutschen Sozialsysteme (dessen eine zentrale Säule das Gesundheitssystem darstellt) als eine beispiellose Verlagerung der Lasten auf die Schultern der abhängig Beschäftigten, der Arbeitnehmer. Zugleich alimentieren die jungen Erwerbstätigen überproportional die ältere Generation der Rentner, besteht ein Ungleichgewicht in der Lastenverteilung zwischen den Generationen der Gesellschaft.

Sauga belegt zudem, das die zahlreichen Reformanstrengungen der letzten Regierungen diesen Trend der ungleichen Verteilung der Soziallasten in der Gesellschaft jeweils dramatisch verstärkt haben. Hier, und das soll in der vorliegenden Arbeit näher untersucht werden, muss die Frage aufgeworfen werden, ob unterschiedliche Konzepte der Ausgestaltung eines Gesundheitssystems, seine Finanzierung, die Zugangsregeln zu den Leistungen und natürlich der gebotene Leistungsumfang selbst einen Einfluss auf den Grad der sozialen Gleichheit, der „Gerechtigkeit5“ hat. Hat also das Gesundheitssystem einen Einfluss auf die Sozialstruktur und insbesondere die Zugangs- und die Finanzierungsgerechtigkeit aller in ihr abgebildeten sozialen Schichten und Gruppen?

Die Beurteilung von verschiedenen Gesundheitssystemen ist schwierig, das zeigen zahlreiche Studien6, in deren Folge kontrovers die Ergebnisse diskutiert und interpretiert werden7. Jedoch kann mit den empirischen Daten zu verschiedenen Gesundheitssystemen in Europa und weltweit sicher ein Beitrag zur Objektivierung der in Deutschland geführten Diskussion zu verschiedenen Reformkonzepten und ihren so ziologischen Auswirkungen auf die Gesellschaft geleistet werden. In dieser Arbeit soll daher nach einer kurzen Einführung in den Begriff der Sozialstruktur einer Gesellschaft und des Gesundheitssystems eine Beurteilung verschiedener Konzepte eines Gesundheitssystems auf die Sozialstruktur, auch und mit Hilfe empirischer Daten unternommen werden. Der Schwerpunkt der Analyse liegt hierbei auf der Beurteilung des Einflusses der Ausgestaltung des Gesundheitssystems auf die Gleichheit bzw. Ungleichheit zwischen sowohl vertikaler Gesellschaftsschichten wie auch horizontaler Differenzierungen etwa von Altersgruppen und Lebensweisen. Gegenstand der Arbeit bildet das deutsche Gesundheitssystem und die deutsche Gesellschaft.

2 These zur Rolle des Gesundheitssystems in der Gesellschaft

Wie im nachfolgenden Kapitel 4 noch genauer dargestellt, definiert das Gesundheitssystem den Zugang, die Finanzierung und das Leistungsniveau der Gesundheitsversorgung der Gesellschaft. Als positiv bewertet werden soll bei der Beurteilung eines Gesundheitssystems eine hohe Zugangsgerechtigkeit und Finanzierungsgerechtigkeit sowie ein möglichst hohes Leistungsniveau bei der Versorgung. Indikatoren für eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems sind daneben beispielsweise der Gesundheitszustand, Krankenstand, Lebenserwartung der Gesamtgesellschaft und (für die Beurteilung der Gleichheit bzw. Ungleichheit von besonderem Interesse) der einzelnen sozialen Schichten und Gruppen.

In dieser Arbeit sollen zwei Thesen diskutiert werden, wobei die erste These am Status Quo des deutschen Gesundheitssystems die Relevanz des Gesundheitssystems für die Sozialstrukturanalyse adressiert:

These (1): Niedrige soziale Schichten haben im bestehenden deutschen Gesundheitssystem einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsleistungen, einen ungesünderen Lebenswandel und höhere Risiken für Krankheit und früheren Tod. Dies ist Ausdruck einer Differenzierung der Sozialstruktur nach Merkmalen8, die durch das Gesundheitssystem determiniert werden.

Die zweite These soll einen Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung eines Gesundheitssystems und den durch das Gesundheitssystem determinierten Merkmalen der Sozialstruktur adressieren:

These (2): Die Ausgestaltung des Gesundheitssystems hat einen direkten Einfluss auf den Zugang zu Gesundheitsleistungen und damit den Gesundheitszustand der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Konzepte wie die hinter Kopfpauschale und Bürgerversicherung versteckten unterschiedlichen Systemansätze zeigen, dass Zugangsgerechtigkeit, Finanzierungsgerechtigkeit und Leistungsniveau der verschiedenen sozialen Schichten und Gruppen eng mit dem Gesundheitssystem der Gesellschaft zusammenhängen.

3 Sozialstruktur der Gesellschaft

Um die Auswirkungen des Gesundheitssystems auf die Sozialstruktur einer Gesellschaft beschreiben zu können, gilt es vorab zu klären, was eigentlich darunter zu verstehen ist. Zapf9 definiert den Begriff Sozialstruktur auf drei verschieden Weisen: Zum einen ist darunter die demographische Grundgliederung der Bevölkerung und die Verteilung zentraler Ressourcen wie Bildung, Beruf und Einkommen zu verstehen, wobei dies üblicherweise im Querschnitt untersucht wurde. Neuere Theorien erweitern diesen Sozialstruktur-Begriff um eine Längsschnittbetrachtung der sozialen Prägung des Lebenslaufs in der Abfolge der Generationen. Ein zweiter Ansatz erklärt die Sozialstruktur durch die Gliederungen der Gesellschaft in soziale Klassen und Schichten, wobei in neueren Ansätzen neben den Klassen und Schichten eine weitere Dimension, sogenannte Sozialmilieus und Lebensstile beachtet werden (siehe zum Beispiel Abbildung 1). Eine dritte Definition erklärt den Begriff als ein historisch ausgeprägtes System gesellschaftlicher Ordnungen oder Grundinstitutionen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung1: Beispiel eines Sozialstrukturmodells: Die Sinus Milieus10

Für diese Arbeit soll ein Schichtenansatz zur Beschreibung der Sozialstruktur der Gesellschaft genutzt werden. Die Gesellschaft wird dazu durch verschiedene soziale Schichten beschrieben, wobei neben der Schichtzugehörigkeit auch eine Einteilung in horizontale Gruppen, insbesondere in Alters-Generationen (bzw. Minderjährige, Erwerbsfähige und Rentner) und Familienstand (Single, Familie ohne/mit Kind) für die Untersuchungen von Interesse ist.

[...]


1 aus Siegrist (2005), S. 2

2 vgl. Plickert (2007), S. 14

3 ebenda, S.14

4 vgl. Sauga (2007)

5 zum Gerechtigkeitsbegriff vgl. z.Bsp. Schramme (2004) S. 72f., mehr in Kapitel 3

6 vgl. lögd (2003), Döring / Dudenhöffer / Herdt (2005), WHO 2000

7 vgl. Meas (2000)

8 vgl. in Kapitel 3: Sozialstruktur - Merkmale sozialer Schichten und Gruppen

9 in Korte/Schäfers (2003), S. 257

10 nach SevenOne (2004), S.4

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Die Bedeutung des Gesundheitssystems für die Sozialstruktur einer Gesellschaft
Université
University of Hamburg  (Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Cours
Sozialstrukturanalyse
Note
1,7
Auteur
Année
2007
Pages
20
N° de catalogue
V118326
ISBN (ebook)
9783640213719
ISBN (Livre)
9783640213870
Taille d'un fichier
711 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bedeutung, Gesundheitssystems, Sozialstruktur, Gesellschaft, Sozialstrukturanalyse
Citation du texte
Inga Schirrmann (Auteur), 2007, Die Bedeutung des Gesundheitssystems für die Sozialstruktur einer Gesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118326

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