Karl R. Popper widmet sich im ersten Kapitel der Logik der Forschung der logischen
Analyse der empirisch-wissenschaftlichen Forschungsmethoden (Popper
1966, 3). Er führt hierbei acht Grundprobleme der Erkenntnislogik an, u. a. auch
die Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium. Popper befürwortet dabei die Falsifizierbarkeit
als Abgrenzungskriterium „durch das wir die empirische Wissenschaft
gegenüber Mathematik und Logik, aber auch gegenüber ‚metaphysischen’
Systemen abgrenzen können“ (Popper 1966, 9). Die Falsifizierbarkeit, die prinzipielle
Möglichkeit eines Aussagensystems an der Empirie scheitern zu können
(Popper 1966, 15), ist auch in der heutigen empirischen Wissenschaft, zu der
auch die Sozialwissenschaften zählen, ein grundlegendes Elemente der wissenschaftlichen
Tätigkeit und scheint auf den ersten Blick in allen wissenschaftlichen
Disziplinen problemlos anwendbar. Dabei müssen die Begriffe Falsifizierbarkeit
und Falsifikation differenziert werden. Während Falsifizierbarkeit die prinzipielle
Möglichkeit eines Scheiterns an der Realität ausdrückt, bedeutet die Falsifikation
das tatsächliche Scheitern (Popper 1966, 54 – 55). Auch wenn Popper den Begriff
der Falsifizierbarkeit auf Theorien bzw. Theoriesysteme bezogen hat, kann
die Forderung der Falsifizierbarkeit auch auf die wissenschaftliche Erklärung angewendet
werden. Dies entspricht auch dem von Popper geprägten kritischen
Rationalismus, der die Falsifikation als Mittel der Annäherung an die Wahrheit
sieht. Für eine erfolgreiche Falsifikation muss zunächst das Kriterium der Falsifizierbarkeit
erfüllt sein. Dieses Kriterium gilt auch für wissenschaftliche Erklärungen,
wird eine solche als falsch erkannt, kann eine Annäherung an die Wahrheit
stattfinden. Diese Arbeit widmet sich der Frage, ob eine sozialwissenschaftliche
Erklärung dem Kriterium der Falsifizierbarkeit genügen kann.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Problemstellung
- Die wissenschaftliche Erklärung
- Die Struktur der Erklärung
- Die Elemente des Explanans
- Das Verständnis von Theorie und Gesetz
- Erklärungen in den Sozialwissenschaften und ihre Falsifizierbarkeit
- Wahrscheinlichkeitsaussagen als Mittel der Erkenntnisgewinnung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob eine sozialwissenschaftliche Erklärung dem Kriterium der Falsifizierbarkeit genügen kann. Sie analysiert die Struktur der wissenschaftlichen Erklärung anhand des HO-Schemas, untersucht die Übertragbarkeit des Falsifizierbarkeitskriteriums von Theorien auf Gesetze und erörtert die Anwendbarkeit dieses Kriteriums auf sozialwissenschaftliche Erklärungen. Darüber hinaus wird diskutiert, inwiefern probabilistische Gesetze in den Sozialwissenschaften einen Erkenntnisgewinn ermöglichen.
- Die Struktur der wissenschaftlichen Erklärung im HO-Schema
- Die Übertragbarkeit des Falsifizierbarkeitskriteriums von Theorien auf Gesetze
- Die Falsifizierbarkeit von sozialwissenschaftlichen Erklärungen
- Die Rolle probabilistischer Gesetze in den Sozialwissenschaften
- Die Zweckmäßigkeit der Falsifizierbarkeit in den Sozialwissenschaften
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Problemstellung Dieses Kapitel stellt die Problemstellung der Arbeit vor: die Frage, ob eine sozialwissenschaftliche Erklärung dem Kriterium der Falsifizierbarkeit genügen kann. Es wird auf die Bedeutung der Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium im Sinne Karl Poppers eingegangen und die Problematik der Anwendung dieses Kriteriums auf sozialwissenschaftliche Erklärungen aufgezeigt.
- Kapitel 2: Die wissenschaftliche Erklärung Dieses Kapitel beschreibt die Struktur der wissenschaftlichen Erklärung anhand des HO-Schemas (Hempel & Oppenheim). Es werden die Bestandteile des Explanans und des Explanandum erläutert und die deduktive Vorgehensweise des HO-Schemas dargestellt. Darüber hinaus werden die Adäquatheitsbedingungen für Erklärungen nach Hempel & Oppenheim vorgestellt.
- Kapitel 3: Das Verständnis von Theorie und Gesetz Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, inwiefern das Kriterium der Falsifizierbarkeit von Theorien auf Gesetze übertragen werden kann. Es wird auf die Unterscheidung zwischen deterministischen und statistischen Gesetzen eingegangen und die jeweiligen Eigenschaften und Probleme im Hinblick auf die Falsifizierbarkeit diskutiert.
- Kapitel 4: Erklärungen in den Sozialwissenschaften und ihre Falsifizierbarkeit Dieses Kapitel analysiert die Anwendbarkeit des Falsifizierbarkeitskriteriums auf sozialwissenschaftliche Erklärungen. Es werden die spezifischen Herausforderungen der Sozialwissenschaften im Hinblick auf Falsifizierbarkeit diskutiert und verschiedene Ansätze zur Bewältigung dieser Herausforderungen vorgestellt.
- Kapitel 5: Wahrscheinlichkeitsaussagen als Mittel der Erkenntnisgewinnung Dieses Kapitel erörtert die Rolle probabilistischer Gesetze in den Sozialwissenschaften. Es wird diskutiert, inwiefern Wahrscheinlichkeitsaussagen einen Erkenntnisgewinn ermöglichen und welche spezifischen Probleme und Chancen mit ihnen verbunden sind.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen der wissenschaftlichen Erklärung, der Falsifizierbarkeit, der Sozialwissenschaften, des HO-Schemas, der deterministischen und statistischen Gesetze, der Wahrscheinlichkeitsaussagen und des kritischen Rationalismus. Weitere wichtige Begriffe sind: Explanans, Explanandum, Antecedenzbedingungen, Randbedingungen, kausale Erklärungen, Erkenntnisgewinnung, empirische Wissenschaft und Theoriesysteme.
- Citation du texte
- Britta Buhl (Auteur), 2007, Die sozialwissenschaftliche Erklärung und ihr Dilemma mit der Falisifizierbarkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118330