Policeyordnungen des 16. Jahrhunderts. Gemeinnutz oder Eigennutz?


Hausarbeit, 2019

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Gemeinnutz versus Eigennutz - ein normierter Gegensatz?

3. Gute Policey - Entstehung eines Ordnungsmodells

4. Beispielhafte Policeyordnungen des 16. Jahrhunderts
4.1 Von Gottßlesterung und Gotts schwüren - Lebensbereich Religion
4.2 Von unordenlicher und köstlicheyt der kleidung - Lebensbereich Kleidung
4.3 Verkauffung - Lebensbereich Handel
4.4 Von wucherlichen Contracten - Lebensbereich Geld- und Kreditwesen
4.5 Von zutrincken, büchsen und bettlern - weitere Lebensbereiche

5. Fazit

6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur

1. Einleitung

„Und dass alle und jede obgemelte punct und artickel dieser unser ordnung/ so zu auffnemen und gedeihen gemeynes nutz mit radt/ wissen und willen Churfürsten/ Fürsten und Stend also fürgenommen unnd auffgericht sein/ durch eynen jeden Standt des Reichs/ was wirden oder wesens der were/ bei Vermeidung straff unnd peen/ wie obgemelt/ strenglich gehalten und volnzogen werden/ das ist unser will und ernstlich meynung.“1

Karl V. legitimierte die Reichspoliceyordnung von 1530 im letzten Absatz durch den Gemeinen Nutzen. Bereits 18 Jahre später, 1548, findet sich diese Bekräftigung in der Präambel der Reichspoliceyordnung wieder. Dort heißt es: „Der Römischen Keyserlichen Maiestat Ordnung und Reformation/ guter Policey/ zu befürderung deß gemeynen nutz“2. Diese Umplatzierung verweist bereits auf die besondere Bedeutung des Gemeinwohls zu dieser Zeit. Doch warum bedurfte es einer solchen Hervorhebung? Ist es nicht selbstverständlich, dass eine Reichsordnung allen davon betroffenen Menschen nützt? Oder versteckten sich hinter dieser Vorgabe auch Maßnahmen wie beispielsweise die Sicherung der „gottgewollten“ Ständeordnung, wodurch die Herrschenden den eigenen Nutzen zu Recht deklarierten? Diese Hausarbeit beschäftigt sich deshalb mit der Frage, ob die Policeyordnungen des 16. Jahrhunderts eher dem Eigennutz der Obrigkeiten oder doch dem propagierten Gemeinnutz entsprachen.

Dazu soll im ersten Schritt definiert werden, was im 16. Jahrhundert unter den beiden Begriffen Gemein- und Eigennutz verstanden wurde. Anschließend wird das früh­neuzeitliche Ordnungsmodell der Policey3 näher betrachtet, da sich dieses grundlegend von der uns heutzutage bekannten Institution unterscheidet. Darauf aufbauend wird die anfangs zitierte Reichspoliceyordnung von 1530 dahingehend untersucht, welche Regelungen eher das Gemeinwohl bzw. den Eigennutz der Obrigkeiten beförderten. Gleichzeitig erfolgt dazu die Einbeziehung des Quellenbands Policeyordnungen in den fränkischen Reichsstädten und die Studie Policey, Handel und Kredit von Thomas Dehesselles. Beide Werke bieten eine ausgiebige Quellenlage zu Policeyordnungen des 16. Jahrhunderts, welche einerseits in verschiedenen Reichsstädten und andererseits im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel herausgegeben wurden. Ziel ist es dabei, den Blick nicht nur auf die überregionale Reichspoliceyordnung, sondern auch auf deren Spezifizierung anhand territorialer Beispiele zu richten. Letztendlich soll die genaue Untersuchung zur Beantwortung der Fragestellung im Fazit führen.

Richtig entdeckt wurde das Forschungsfeld der Policey erst 1966 durch Hans Maiers Studie Staats- und Verwaltungslehre. Später setzte sich Gerhard Oestreich mit der Policey als Instrument der Obrigkeit auseinander. Seine These der Sozialdisziplinierung gilt jedoch als entkräftet.4 Der Auslöser für intensivere Forschungen war 1996 der erste Band aus dem Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit von Karl Härter und Michael Stolleis. Besonders das Max-Planck-Institut für Europäische Rechts­geschichte in Frankfurt am Main ist seitdem bei der Erforschung der Geschichte der Policey federführend. In diesem Rahmen entstanden die Studien zu Policey und Policeywissenschaft, wovon zwei in die Hausarbeit einbezogen werden. Auch Matthias Webers Quellenedition Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 ist ein Teil dieser Studien. Ein umfangreiches Quellenwerk gab Wolfgang Wüst mit Die „gute“ Policey im Reichskreis heraus, wovon der siebte Band verwendet wird. Die Quellenarbeit der Hausarbeit stützt sich deshalb hauptsächlich auf die beiden Quelleneditionen. Ebenso wird die bereits erwähnte Studie von Thomas Dehesselles in die Arbeit einfließen. Eine detaillierte Darstellung der Geschichte der Policey, ihrer Theorie, Praxis und Bedeutung findet sich außerdem in Andrea Iselis Monographie Gute Policey, welche ebenfalls von besonderer Bedeutung für die Arbeit ist.

2. Gemeinnutz versus Eigennutz - ein normierter Gegensatz?

Das erste Kapitel beschäftigt sich nun mit dem gegensätzlich gebrauchten Begriffspaar Gemeinnutz und Eigennutz.5 Dazu sollen die beiden Wörter zunächst genauer definiert werden, damit deren Bedeutung und Stellungswert zu Beginn der Frühen Neuzeit hervorgehoben werden kann. Außerdem soll gleichzeitig die These „Gemeinnutz und Eigennutz waren im 16. Jahrhundert stark religiös-christlich geprägte Begriffe“ genauer untersucht werden.

Der Gemeine Nutzen sieht Handlungen vor, die einer Gemeinschaft zugutekommen und das Wohl eines jeden Einzelnen in dieser sichern. Eigennutz bedeutet dagegen, nach dem eigenen Vorteil zu streben und zu handeln. Die gegensätzlichen Intentionen der beiden Begriffe führten dazu, dass der Gemeinnutz für die Menschen der Frühen Neuzeit das anzustrebende Ideal war, während der Eigennutz als Fehlverhalten abgestempelt wurde. Wolfgang Weber ergänzt dazu: „Um die erfahrungsgemäß oft gemeinschaftsbedrohende Intensität individueller Bestrebungen zu zügeln, setzten die Anhänger des G[emeinwohls] vielmehr auf seine Sakralisierung, also auf seine heilsgeschichtliche und normative Verankerung im christlichen] Weltbild.“6 Dies unter­stützt auch die anfangs formulierte These der religiösen Prägung.

Johann Ferrarius, Professor an der protestantischen Universität Marburg, definierte 1533 den Gemeinnutz als eine gute Ordnung einer Stadt oder Kommune: „Also in einer Stadt oder Commun mussen alle stueck zusammen Stimmen/ sich vergleichen/ und keins dem andern in sein Ampt fallen/ daraus kompt ein Harmonia und schöner lieblicher Thon/ das wir nennen ein Gemeiner Nutze.“7 Er selbst schrieb dieses Traktat, „damit die Leut ins gemeine gebessert/ und das zubeginnen angehalten werden/ [...] unnd also der Eigennuetzigkeit unnd andern Lastern vorkommen werde“8. Hierbei wird wiederum die christliche Bedeutung der beiden Wörter ersichtlich. Weber ergänzt hierzu, dass auch andere Traktate dieser Zeit das Gemeinwohl als eine christlich vorgegebene Größe behandelten, „die nicht von der Zustimmung der Bürger abhängig sei, sondern der diese sich unterzuordnen hätten“9.

Winfried Schulze zeigt darüberhinaus in seinem begriffsgeschichtlichen Aufsatz, dass der Gemeinnutz in der Frühen Neuzeit ein ambivalenter Terminus staatlichen und individuellen Verhaltens war. Auf der einen Seite sei er der „zentrale programmatische Begriff [...] frühneuzeitlichen Staatsdenkens[, ... mit einer] an Recht und Frieden orientierten Erstbedeutung [... und] eine[r] aktive[n] Politik zur Förderung und Sicherung des Handels“10. Andererseits sei der Gemeinnutz „auch ein Regulativ für das individuelle Wohlverhalten des einzelnen Bürgers“11 gewesen. Der Eigennutz stehe dagegen „in der ständischen Gesellschaft [. für] sozialschädliches Verhalten[, . das] als individuell zu verantwortendes Abweichen vom Schöpfungsauftrag des Menschen angesehen [wurde]“12. Hierbei wird ein weiteres Mal der religiöse Aspekt der beiden Begriffe ersichtlich. Sowohl Schulze als auch Weber verweisen jedoch auch auf Oswald Gut und Leonhard Fronsberger sowie ihre Schrift Von dem Lob des Eigennutzen. 1564 versuchten sie zu zeigen, dass jegliches menschliche Handeln aus eigennützigem Interesse hervorgehe. Alle seien jedoch auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen, weshalb Kooperation unabdingbar sei.13 Dies zeigt, dass bereits damals die vorgegebene Verachtung eigennützlichen Handelns infrage gestellt wurde.

[...]


1 Weber: Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, S. 165.

2 Ebd., S. 167.

3 Die Hausarbeit verwendet die zeitgenössische Schreibweise „Policey“, um den Begriff explizit vom modernen Verständnis der Polizei abzugrenzen.

4 Iseli: Gute Policey, S. 9.

5 Gemeinnutz und Gemeinwohl werden in dieser Arbeit als Synonyme gebraucht und sind gleichwertig.

6 Weber: Gemeinwohl.

7 Ferrarius: Tractatus De Repvblica Bene Institvenda, S. 57.

8 Ebd., Vorrede.

9 Weber: Gemeinwohl.

10 Schulze: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz, S. 597.

11 Ebd., S. 598.

12 Ebd., S. 600 - 602.

13 Vgl. Schulze: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz, S. 606 - 608.; Weber: Gemeinwohl.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Policeyordnungen des 16. Jahrhunderts. Gemeinnutz oder Eigennutz?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Historisches Institut)
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
17
Katalognummer
V1183347
ISBN (eBook)
9783346608338
ISBN (Buch)
9783346608345
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Policey, Policeyordnungen, 16. Jahrhundert, Gemeinnutz, Eigennutz, Ständeordnung, Geschichte der Policey
Arbeit zitieren
Felix Hutschenreuter (Autor:in), 2019, Policeyordnungen des 16. Jahrhunderts. Gemeinnutz oder Eigennutz?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1183347

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