Die Faszination des Menschen, Erfahrungen und Gesetze der Tierzüchtung auf die eigene Art zu übertragen, hat eine lange Geschichte, die bis tief in die Antike zurückreicht. Jedoch seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nahm diese Idee bereits Konturen einer gesellschaftlichen Praxis an.
Über Eugenik in Deutschland zu schreiben, bedeutet zwangsläufig sich mit ihrer Radikalisierung unter dem Nationalsozialismus auseinander zu setzen, der mit Hilfe eugenischer Konzepte die „Verbesserung der Rasse“, die Massensterilisation von geistig Behinderten und psychisch Kranken, das Verbot der Heirat zwischen Behinderten und Nichtbehinderten und die Massenmorde an Behinderten und Kranken legitimiert hat. Mehr noch, fast alle Arbeiten über „Euthanasie“ beginnen mit der Eugenik als ihrer Vorstufe1 und so wird Eugenik häufig auf die Praktiken des Nationalsozialismus reduziert. War es wirklich so? Führte die Eugenik unbedingt zur „Euthanasie“ oder kann man die deutsche Eugenik und ihre Forderungen zur Zeit des Kaiserreichs als ein Phänomen der Zeit betrachten, das sich über die Grenzen hinwegsetze? In welcher Stimmungslage entstanden eugenische Gedanken? Welche Resonanz besaßen ihre Theorien? Dies sind die Fragen, auf die das vorliegende Referat eine Antwort zu geben versucht. Die Literatur zu diesen Themen kann als gut bezeichnet werden, nicht zuletzt wegen der Bedeutung, die die „Rassenhygiene“ im Zeichen des Nationalsozialismus erhielt. Hervorzuheben sind die Werke von Jürgen Reyer, der eine verständliche Erklärung der verschiedenen biologischen Theorien wiedergibt und die Einflüsse der Eugenik in weiten Teilen der Fürsorge skizziert.2 Auch erwähnenswert ist das Buch von Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz, das umfassend die Geschichte der Entwicklung der Eugenik darlegt.3 Methodologisch soll die Entwicklung eugenischen Gedankenguts nicht vom Nationalsozialismus als ihrem Endpunkt aus zu betrachten sein, sondern vorwiegend mitten in ihrer Zeit. Die Arbeit ist deswegen nicht chronologisch ausgebaut. Sie versucht verschiedene Aspekte aufzudecken, um eine breite Perspektive zu verschaffen. Besonders viel Wert wurde auf die Verständlichkeit der eugenischen Ansätze gelegt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- II.1. Begriffsdefinition und Entstehung der Eugenik
- II.2. Wichtige Vertreter
- II.3. Beziehung der Eugenik zu der Vererbungswissenschaft (Genetik) und zu der Rassenanthropologie
- II.3.1. Rassenhygiene und Vererbungswissenschaft
- II.3.2. Rassenhygiene und Rassenanthropologie
- II.4. Die staatliche Bevölkerungspolitik und die rassenhygienischen Forderungen
- II.5. Die Eugenik und die deutsche Gesellschaft: Kulturpessimismus und die Forderung nach Euthanasie
- II.5.1.Der Kulturpessimismus
- II.5.2 Die Forderung nach Euthanasie
- III. Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung des eugenischen Gedankenguts im Deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1918. Sie strebt danach, die Entstehung, die Verbreitung und die gesellschaftlichen Auswirkungen eugenischer Ideen in dieser Zeit aufzuzeigen. Dabei werden die wichtigsten Vertreter der Eugenik, die Verbindung zur Vererbungswissenschaft und Rassenanthropologie sowie die Rolle der Eugenik in der staatlichen Bevölkerungspolitik betrachtet.
- Begriffsdefinition und Entstehung der Eugenik
- Die Rolle wichtiger Vertreter der Eugenik
- Die Beziehung der Eugenik zur Vererbungswissenschaft und Rassenanthropologie
- Der Einfluss der Eugenik auf die staatliche Bevölkerungspolitik
- Die Rezeption eugenischer Ideen in der deutschen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Faszination des Menschen, Erkenntnisse aus der Tierzucht auf die eigene Spezies zu übertragen, und stellt die Bedeutung der Eugenik in der Geschichte Deutschlands dar. Sie führt die zentrale Fragestellung ein, die sich mit der Entwicklung des eugenischen Gedankenguts und seiner gesellschaftlichen Rezeption beschäftigt.
Das Hauptteil befasst sich zunächst mit der Begriffsdefinition der Eugenik und ihrer Entstehung. Anschließend werden wichtige Vertreter des eugenischen Gedankenguts vorgestellt. Der Fokus liegt anschließend auf der Beziehung der Eugenik zur Vererbungswissenschaft und Rassenanthropologie. Die Bedeutung der Eugenik für die staatliche Bevölkerungspolitik sowie ihre Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf Kulturpessimismus und Euthanasie, werden im weiteren Verlauf des Hauptteils beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der Eugenik im Kaiserreich, insbesondere mit den Begriffen der Rassenhygiene, Vererbungswissenschaft, Rassenanthropologie und Kulturpessimismus. Der Fokus liegt auf der gesellschaftlichen Rezeption eugenischer Ideen und deren Einfluss auf die staatliche Bevölkerungspolitik sowie auf das Aufkommen der Euthanasie.
- Quote paper
- Mila Francisco (Author), 2002, Die Entwicklung des eugenischen Gedankengutes im Kaiserreich 1871-1918, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11835