Entwürfe der Identität und Legitimität im europäischen Mittelalter: Paulus Diaconus und die Historia Langobardorum


Hausarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Auseinandersetzung mit der Geschichte
2.1 Paulus Diaconus und die Historia Langobardorum
2.2 Die Vielschichtigkeit der Historia Langobardorum
2.2.1 Vollständigkeit
2.2.2 Intention und Leserschicht

3 Elemente der Identitäts- und Legitimitätsstiftung
3.1 Der Ursprung der Langobarden
3.2 Das Bild der Könige und Herzöge
3.3 Abgrenzung von den anderen

4 Resümee und Ausblick

5 Literaturverzeichnis

„Das Wesen der Geschichte , ist die Wandlung."[1]

1 Einleitung

Die Diskussion über Herleitung und Bestimmung der eigenen Identität durchzieht die Geschichte Europas und seiner Nationalstaaten. Herkunftsmythen gehören dabei zu den favorisierten Methoden, die eigene Existenz als Individuum oder als Kollektiv zu kontextualisieren.[2] Mit der Beantwortung der Herkunftsfrage glaubt man erklären zu können, wie die eigene Gegenwart zustande gekommen ist. Die Erklärung der Gegenwart gibt wiederum Vertrauen in die bestehende Ordnung und Zuversicht für die Zukunft, so dass Erzählungen über den Ursprung eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllen. Eine Stabilisierung, die durch Herkunftserzählungen geleistet wird, dient der Etablierung oder Bewahrung einer Gesellschaftsordnung. Schließlich wurden Herkunftserzählungen zum Zweck einer Identitätsstiftung und Legitimierung der Ordnung des Volkes niedergelegt. Dies scheint vor allem in Zeiten der Veränderung notwendig.

Die „ethnische Wende“ des Frühmittelalters markiert eine derartige Zeit des Umbruchs. Es war eine Zeit von „Völkern im Werden“, aus denen sich bis heute wirksame Identitäten entwickelten. Gleichzeitig etablierte sich die abendländische Art und Weise, wie man über Völker dachte und wie ethnische Identitäten zur Grundlage politischer Macht und individueller Selbstwahrnehmung wurden.

Innerhalb dieser Hausarbeit möchte ich die zentralen Angelpunke von Identität und Legitimität, um die Herkunftserzählungen kreisen, anhand der Historia Langobardorum des Paulus Diaconus näher betrachten.[3]

Der Langobarde Paulus Diaconus gilt als einer der bedeutendsten Historiographen des Mittelalters. In seinem Werk Historia Langobardorum zeichnet er die Geschichte seines Volkes nach und zwar zu einem Zeitpunkt, als das Langobardenreich bereits dem Frankenreich zugehörte. Eine Identitätsstiftung und Legitimierung im Kontext einer Herrschaft nach dem Untergang erscheint eigentlich nicht mehr sinnvoll.[4]

Dieses Umfeld des Autors führte zu spezifischen Schwerpunkten bei der Identitäts- und Legitimitätsstiftung. Um dies möglichst genau zu erfassen, ist es sinnvoll, den Geschichtsschreiber und sein Werk zunächst in den historiographischen Kontext einzuordnen.

Dabei soll die Überlieferung hier nicht im Sinn der klassischen Quellenkunde auf ihre Authentizität und ihren Tatsachengehalt befragt werden, sondern als Ganzes Untersuchungsgegenstand bleiben. Geschichte war für den historiographischen Geschichtenerzähler Paulus nicht beliebig als Stoff verfügbar, auch wenn er sie bis zu einem gewissen Grad gestalten konnte. Die Spuren dieser Auseinandersetzung eines Geschichtsschreibers mit seiner Geschichte sollen hier an einem Text und seiner Intention skizziert werden. Es soll deutlich werden, wie Paulus auf die Brüche und Widersprüche seiner Situation antwortete, was sich unter anderem in der Vielschichtigkeit des Textes widerspiegelt.

Vor diesem Hintergrund kann der anschließende zweite Teil besser erkannt und bewertet werden. Hier steht nun die Darstellung der identitäts- und legitimitätsstiftenden Elemente der Historia Langobardorum im Mittelpunkt.

Aufgrund der Komplexität des Werkes von Paulus kann eine umfassende Darstellung an dieser Stelle nicht geleistet werden. So beschränke ich mich in dieser Arbeit auf gezielt ausgewählte Schwerpunkte, die beispielhaft das Thema „Identitäts- und Legitimitätsstiftung“ verdeutlichen. Dabei gilt es zunächst, den Gebrauch der Ursprünge zur Sinnstiftung hinreichend zu erfassen, um im Anschluss die Elemente von Herrschaftslegitimation und Gemeinschaftsbindung zu untersuchen.[5] Im Mittelpunkt steht dabei der gesellschaftspolitische Zweck, das Volk zu konstruieren, und die Frage, wie dieser Zweck erfüllt wurde.

Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der Darstellung von Identität und Legitimität in einer Herkunftserzählung. Die Historia Langobardorum wird betrachtet vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Langobardenreiches im Spannungsfeld zwischen fränkischer Okkupation und Auseinandersetzung mit den Römern. Statt einer einseitigen Betonung der kulturellen Unterschiede bietet die Historia Langobardorum dadurch die Möglichkeit, einen gemeinsamen Blick auf ein kulturelles Erbe zu richten, das von gegenseitigen Berührungen und Beeinflussungen geprägt ist.

Im letzten Teil möchte ich ein Resümee ziehen und einen abschließenden Ausblick auf das Erbe der Langobarden geben.

2 Auseinandersetzung mit der Geschichte

2.1 Paulus Diaconus und die Historia Langobardorum

Paulus Diaconus[6] entstammte einer angesehenen langobardischen Adelsfamilie aus dem Herzogtum Friaul, die 569 im Gefolge König Alboins nach Italien gelangte und die laut eigenen Erzählungen des Paulus auf eine lange Geschichte zurückblicken konnte.[7]

Der junge Paulus genoss am langobardischen Königshof zu Pavia eine gediegene grammatisch-rhetorische und juristische Ausbildung, die noch von der Tradition römischer Bildung lebte.

Zu keinem langobardischen König gewann Paulus ein so vertrautes Verhältnis wie später zu Karl und dessen Hof, auch wenn er zumindest nach Ausweis späterer Quellen zeitweise als Schreiber und politischer Berater bei König Desiderius, dem letzten Langobardenkönig, beschäftigt war.[8] Vor dem Untergang des Langobardenreiches im Jahr 774 schrieb Paulus seine Historia Romana, ein für Herzog Arichis und seine Frau Adelperga, der Tochter des letzten Langobardenkönigs Desiderius, in 16 Büchern verfasstes Werk.[9]

Sieben Jahre nach der Verbannung seines Bruders Arichis, der an einem Aufstand des Herzogs Rodgauds vom Friaul beteiligt war,[10] begab sich Paulus an den Hof Karls des Großen um mit einem Gedicht die Freilassung seines aufständischen Bruders zu erwirken.[11]

Von diesem Zeitpunkt an verschrieb sich Paulus ganz dem Dienst an der karolingischen Sache, wie besonders an den Gesta archiepiscoporum Mettensium deutlich wird.[12]

Auf die Gesta folgten kleinere Werke,[13] ehe Paulus sich in seinen letzten Lebensjahren,[14] nachdem er sich nach Montecassino zurückgezogen hatte, der Arbeit an seinem berühmtesten Werk widmete, der Geschichte des Langobardenvolkes, der Historia Langobardorum. Die Darstellung der Ereignisse erfolgt aus langobardischer Sicht und stellt die wichtigste Quelle zu ihrer Geschichte dar. Mit diesem Werk setzt Paulus seinem Volk ein unvergängliches Denkmal, und das zu einem Zeitpunkt, als das Langobardenreich im eigentlichen Sinn nicht mehr existierte. Schließlich war mit dem erfolgreichen Italienzug Karls des Großen im Jahr 774 das souveräne langobardische Königreich von der historischen Bildfläche verschwunden.[15]

[...]


[1] Burckhardt, J.: Weltgeschichtliche Betrachtungen, Kröner Verlag, Stuttgart, 1978, S. 26.

[2] Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass die niedergeschriebenen Herkunftsgeschichten bestenfalls als Einstieg in die Suche nach den Ursprüngen dienen. Sie dokumentieren diese ebenso wenig wie Moses die Erschaffung der Welt. Siehe hierzu: Wolfram, H.: Auf der Suche nach den Ursprüngen, in: Pohl, W. (Hrsg.): Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters, Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Band 8, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien, 2004, S. 15.

[3] Paulus Diaconus’ Person markiert den Übergang in eine neue Epoche: jene der klassizistisch gezähmten karolingischen Einheitsliteratur. Siehe hierzu: Smolak, K.: Literarische Kultur in langobardischen Rhythmen, in: Pohl, W. / Erhart, P. (Hrsg.): Die Langobarden, Herrschaft und Identität. Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Band 9, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien, 2005, S. 542.

[4] So bieten die langobardischen Origines Gelegenheit, Identitäts- und Legitimitätsstiftung unter der Bedingung eines Umbruchs zu untersuchen, der über die gewohnte Verarbeitung der Christianisierung und der Etablierung hinausgeht. Siehe hierzu: Plassmann, A.: Origo Gentis, Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen. Akademie Verlag, Berlin, 2006, S. 29.

[5] „Herrschaft braucht Herkunft“. Assmann, J.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, Beck Verlag, München, 1992, S. 71.

[6] Paulus Diaconus wurde zwischen 720 und 730 in Cividale im Friaul geboren. Er starb vermutlich im Jahre 799 im Montecassineser Kloster des heiligen Benedict, der Mutter aller abendländischen Klöster. Siehe hierzu: Goffart, W.: The Narrators of Barbarian History. Jordanes, Gregory of Tours, Bede and Paul the Deacon, Princeton University Press, New Jersey, 1988, S. 329-347.

[7] Siehe hierzu: Diakonus, P.: Historia Langobardorum, übers. v. Abel, O., hg. v. Heine, A., Phaidon Verlag, Essen, Stuttgart, 1986, IV 37.

[8] Siehe hierzu: Plassmann, A.: Origo Gentis, S. 192.

[9] Siehe hierzu: Goffart, W.: The Narrators of Barbarian History, S. 347ff.

[10] Bis auf diesen Aufstand gab es kaum Bestrebungen langobardischer Unabhängigkeit. Die Eingliederung des eroberten Langobardenreiches in das Reich Karls des Großen verlief relativ problemlos. Siehe hierzu: Plassmann, A.: Origo Gentis, S. 203.

[11] Siehe hierzu: Goffart, W.: The Narrators of Barbarian History, S. 341f.

[12] Diese bilden eine nach dem Vorbild des römischen Liber pontificalis gestaltete Geschichte der Bischöfe von Metz, in denen der karolingische Spitzenahn Arnulf von Metz im Mittelpunkt steht. Ebd., S. 342 und S. 370-378.

[13] Ebd., S. 343.

[14] Man vermutet zwischen 786 und 796. Siehe hierzu: Plassmann, A.: Origo Gentis, S. 192.

[15] Siehe hierzu: Jarnut, J.: Geschichte der Langobarden, Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1982., S. 123.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Entwürfe der Identität und Legitimität im europäischen Mittelalter: Paulus Diaconus und die Historia Langobardorum
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V118481
ISBN (eBook)
9783640215454
ISBN (Buch)
9783640215515
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwürfe, Identität, Legitimität, Mittelalter, Paulus, Diaconus, Historia, Langobardorum
Arbeit zitieren
Caterina Herold (Autor:in), 2008, Entwürfe der Identität und Legitimität im europäischen Mittelalter: Paulus Diaconus und die Historia Langobardorum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118481

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