Wenngleich der Zweite Weltkrieg mit all seinen Schrecken und ungekannten Gräueltaten
ganz sicher als die „größte historische Katastrophe der Deutschen“ gelten muss, so
war er doch auch, wie man ganz leidenschaftslos feststellen muss, einfach das zentrale
Ereignis Europas und speziell der Deutschen im vergangen Jahrhundert.
Wie jedes große Ereignis hinterließ er Spuren; recht eindeutige in der Erinnerung eines
ganzen Kontinents, sehr widersprechende in der Erinnerung der Deutschen.
Kollektive Erinnerung ist natürlich stets im Wandel, ein andauernder Prozess, und dabei
stets den Formungen durch äußere Einwirkung und den nicht anhaltenden Weltenlauf
unterworfen. Solche äußeren Einwirkungen sind bei vielen Menschen Eindrücke, die ihre
eigenen Erinnerungen durch gehörte oder gelesene fremde Erinnerungen umdeuten,
verfälschen, erweitern, bereichern. Insofern ist gerade die Kriegsliteratur ein mächtiges
Werkzeug für das Formen kollektiver Erinnerungen.
Die vorliegende Untersuchung will nicht so sehr einen rein literaturwissenschaftlichanalytischen
Romanvergleich liefern, weshalb hier auf eine ausgeprägte Darstellung
von Figurenkonstellationen und Plot-Nachzeichnungen ebenso verzichtet wird wie auf
intensive Interpretationsansätze.
Diese Arbeit versteht sich vielmehr als literaturgeschichtsphilosophische Grundlagenarbeit,
die einen Beitrag leisten möchte für die künftige, interdisziplinäre Gedächtnisforschung
zu bewältigbaren Kollektiverinnerungen der Deutschen bezüglich des Zweiten
Weltkrieges. Denn, wie schon Kant erkannt hatte, es wird künftige Generationen „in
wenigen Jahrhunderten“ nur noch interessieren, was die vorherigen „in weltbürgerlicher
Absicht zu leisten“ im Stande waren, und nur die Fortschritte jeder Generation an die
Nachkommen weiterzugeben kann sinnvoller Inhalt eines Erziehungsbegriffes sein.
„Vielleicht daß die Erziehung immer besser werden und daß jede folgende Generation
einen Schritt näher thun wird zur Vervollkommnung der Menschheit; denn hinter der
Education steckt das große Geheimniß der Vollkommenheit der menschlichen Natur.
[...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Darstellung des Untersuchungsgebietes
1.1 Weltkriegsliteratur als kollektives Erinnerungsprojekt und die Schwierigkeiten der ‚geteilten‘ Kriegserfahrung
1.2 Krieg und Roman
1.3 Unterschiede in der literarischen Aufbereitung der beiden Weltkriege
1.4 Der frühe und der späte Roman zum Zweiten Weltkrieg
1.5 Zur Wahl der Autoren und Romane
2. Konsaliks Roman Der Arzt von Stalingrad (1956)
2.1 Kriegserfahrung und Entstehungsgeschichte
2.1.1 nach Angaben Heinz G. Konsaliks
2.1.2 nach Ergebnissen der Forschungsliteratur
2.2 Handlungsraum und Figurenkonstellation
2.3 Der Mythos als Grundlage des narrativen Schemas
2.4 ‚Viktimisierung‘ als telos, topos und selling point
3. Buchheims Roman Das Boot (1973)
3.1 Kriegserfahrung und Entstehungsgeschichte
3.2 Entlarvung durch Überzeichnung, Zynismus und Persiflage
3.3 Fiktionalisierung und (Ent-)Mythisierung
4. Gegenüberstellung beider Romane und Vergleich der Darstellung der Kriegserlebnisse
III. Fazit
IV. Literaturverzeichnis und Ehrenwörtliche Erklärung
I. Einleitung
Wenngleich der Zweite Weltkrieg mit all seinen Schrecken und ungekannten Gräueltaten ganz sicher als die „größte historische Katastrophe der Deutschen“[1] gelten muss, so war er doch auch, wie man ganz leidenschaftslos feststellen muss, einfach das zentrale Ereignis Europas und speziell der Deutschen im vergangen Jahrhundert.
Wie jedes große Ereignis hinterließ er Spuren; recht eindeutige in der Erinnerung eines ganzen Kontinents, sehr widersprechende in der Erinnerung der Deutschen.
Kollektive Erinnerung ist natürlich stets im Wandel, ein andauernder Prozess, und dabei stets den Formungen durch äußere Einwirkung und den nicht anhaltenden Weltenlauf unterworfen. Solche äußeren Einwirkungen sind bei vielen Menschen Eindrücke, die ihre eigenen Erinnerungen durch gehörte oder gelesene fremde Erinnerungen umdeuten, verfälschen, erweitern, bereichern. Insofern ist gerade die Kriegsliteratur ein mächtiges Werkzeug für das Formen kollektiver Erinnerungen.
Die vorliegende Untersuchung will nicht so sehr einen rein literaturwissenschaftlich-analytischen Romanvergleich liefern, weshalb hier auf eine ausgeprägte Darstellung von Figurenkonstellationen und Plot-Nachzeichnungen ebenso verzichtet wird wie auf intensive Interpretationsansätze.
Diese Arbeit versteht sich vielmehr als literaturgeschichtsphilosophische Grundlagenarbeit, die einen Beitrag leisten möchte für die künftige, interdisziplinäre Gedächtnisforschung zu bewältigbaren Kollektiverinnerungen der Deutschen bezüglich des Zweiten Weltkrieges. Denn, wie schon Kant erkannt hatte, es wird künftige Generationen „in wenigen Jahrhunderten“ nur noch interessieren, was die vorherigen „in weltbürgerlicher Absicht zu leisten“ im Stande waren, und nur die Fortschritte jeder Generation an die Nachkommen weiterzugeben kann sinnvoller Inhalt eines Erziehungsbegriffes sein.[2]
„Vielleicht daß die Erziehung immer besser werden und daß jede folgende Generation einen Schritt näher thun wird zur Vervollkommnung der Menschheit; denn hinter der Education steckt das große Geheimniß der Vollkommenheit der menschlichen Natur.“[3]
Entgegen Kants Hoffnungen noch im 18. Jahrhundert hat sich mit dem Zweiten Weltkrieg vor allem eines gezeigt: Die menschliche Natur kann auch ungekannte Abgründe vorweisen, und einem fehlleitenden aber charismatischen Führer folgen die Massen nur zu gerne wie die Lemminge in den Abgrund – und reißen dabei alles und jeden mit sich. Die Erinnerung an dieses Desaster soll und muss wachgehalten und geformt werden, gerade die Deutschen müssen ‚aus der Geschichte lernen‘.
Noch leben wir parallel und gemeinsam mit den Zeitzeugen. „Opa war kein Nazi“, wie einer gleichnamigen Studie zufolge fast drei Viertel der Enkelgeneration glauben. Die mündliche Überlieferung scheint also durchaus auch geschönt zu funktionieren. ‚Auch‘, da die schriftliche Überlieferung auf jeden Fall Schönungen erfährt und vornimmt. Das Buch, das erzählt, woran sich die Überlebenden gern oder wenigstens lieber erinnern, ist ein Verkaufserfolg a priori. Wo die Täter sich als Opfer wiedererkennen können, zeigen sie gerne mit dem Finger darauf und sagen „So war es, das hab´ ich erlebt!“[4] Insofern nimmt es nicht wunder, dass der ‚frühe‘ Roman zum zweiten Weltkrieg, in welche Kategorie etwa Heinz G. Konsaliks Der Arzt von Stalingrad gehört, deutlich zur Viktimisierung der deutschen (Soldaten) neigt.[5] Dagegen wurde mit zunehmendem zeitlichem Abstand und zunehmender Wahrnehmung der kollektiven ‚Schuld‘ in jener Zeit auch die Erinnerung der Autoren zunehmend kritischer und reflektierter. Etwa in Lothar Buchheims Roman Das Boot kommen zwar die deutschen Soldaten moralisch eigentlich nicht schlecht weg, werden gar Heldenbilder der Kommandanten gezeichnet – doch die politische und ideologische Dimension ist hier eine ganz andere. Diesen vergleichsweise ‚späten‘ Weltkrieg-II-Roman zeichnet schärfere System- und Kriegskritik aus.
Für die vergleichende Untersuchung der beiden Romane waren besonders hilfreich Michael Salewskis „Von der Wirklichkeit des Krieges“ zu Buchheims Das Boot und Matthias Harders Dissertation „Erfahrung Krieg – Zur Darstellung des Zweiten Weltkrieges in den Romanen von Heinz G. Konsalik“.
Nach einer recht detaillierten, allgemeinen Darstellung von Weltkriegsliteratur und Erinnerungsprozessen, deren Nutzen und zugehöriger Forschung, werden in den folgenden Schritten die Autoren und Werke vorgestellt und auf die auf sie eingewirkte und von ihnen dargestellte Kriegserfahrung hin befragt, um in einem letzten Schritt die beiden Romane Der Arzt von Stalingrad und Das Boot als exemplarische Vertreter des frühen und späten Weltkrieg-II-Romans einander gegenüberzustellen.
Letztes Ziel dieser Arbeit ist die Präzision von hier zu beschreibenden und künftig gezielter zu lenkenden Erinnerungsdimensionen der Deutschen zum Zweiten Weltkrieg.
II. Hauptteil
1.Darstellung des Untersuchungsgebietes
Im Fokus dieser Arbeit steht die Darstellung der Varianten des Erinnerns an den Zweiten Weltkrieg als gesellschaftlich-soziale wie auch als literarische Aufgabe, wobei letztere hier explizit erörtert wird anhand des Vergleichs eines ‚frühen‘ und eines ‚späten‘ Weltkrieg-II-Romans unter Einbeziehung der subjektiven Kriegserfahrung der Autoren und Einwirkungen dieser auf deren schriftstellerisches Arbeiten.
Dass bei der literarischen Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs in der zugehörigen Forschung meist eher Autoren der „höheren“ oder „ernsten“ Literatur berücksichtigt werden, hat durch die Qualität und tiefe Reflexion derselben sicher seine Berechtigung. Bei der Frage nach Entstehungen und Wandlungen der gesamtdeutschen Erinnerungsprozesse jedoch scheinen jene Autoren bei weitem nicht so wichtig wie die ein viel breiteres Publikum erreichenden Schriftsteller des eher „Unterhaltungs-“ oder „Trivial“-Romane produzierenden Literatensegments.
Da die kollektiven Erinnerungsprozesse der Deutschen an die Weltkriege gerade durch die verstärkt Anfang der 1990er Jahre aus einer Kombination von Historikern, Soziologen, Psychologen und Literaturwissenschaftlern entstandene „Gedächtnisforschung“,[6] welche immer mehr zur eigenen interdisziplinaren Wissenschaft zu wachsen scheint, mehr und mehr beschreibbar und neu formbar werden,[7] sollte die tradierte Einteilungen oft übernehmende analytische Literaturwissenschaft sich diesem neuen Projekt, eine bewältigbare Erinnerung eines ganzen Volkes zu schaffen, auch durch die Toleranz der Lesegewohnheiten und Wissensbezugsquellen von dessen Bürgern, zunehmend öffnen.[8]
Dies geschah zwar bereits, etwa bei der „Beat“- und „Pop“-Literatur des letzten Jahrhunderts,[9] geschieht zudem bereits verstärkt gegenüber heute erscheinenden Neulingen auf dem literarischen Markt, wie etwa Feridun Zaimoglu, Wladimir Kaminer oder Zoe Jenny. Die Untersuchung älterer vermeintlicher Trivial-Autoren dagegen wird jedoch in der Forschung meist vernachlässigt oder gar vermieden,[10] obwohl gerade diese durch die in früheren Jahrzehnten bei weitem nicht so breit gefächerte Palette eine sehr breite Masse von Lesern pro Einzelwerk erreichte und somit schon lange auf die Urteile, Fehl urteile und Vor urteile eines ganzen Volkes weit mehr Einfluss haben konnte als die von der ‚geistigen Elite‘ befürworteten Werke des Schul- und Universitäts-Kanons.
Aufgrund dieser Sachlage muss für die künftige Gedächtnisforschung bezüglich des Zweiten Weltkrieges, die in einem späteren Schritt über empirische Ergebnisse etwa zu Verkaufszahlen und Rezeptionserlebnissen die Wirkung der Romane auf die Millionen von Lesern zu analysieren haben wird, sicherlich zunächst eine zentrale Frage sein, was auch Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist:
Wie erlebten und schildern viel gelesene Romanautoren diesen Krieg?
1.1 Weltkriegsliteratur als kollektives Erinnerungsprojekt und die Schwierigkeiten
der ‚geteilten‘ Kriegserfahrung
Gedächtnis als eine deskriptiv-analytische Kategorie „findet sich vor allem in den Formen der Erinnerung, mit denen kollektiv geteiltes Wissen vermittelt wird. Kollektives Gedächtnis ist damit immer eine Konstruktion der Vergangenheit aus dem Blickpunkt der Gegenwart.“[11] Eine Universalisierung erfolgt bei den hier wirkenden Konstruktionsmechanismen Claudia Krieg zufolge insofern, „dass die sozialen, politischen und ökonomischen Voraussetzungen, unter denen sich das Gedächtnis der Wir-Identität konstituiert, als adäquat angenommen werden.“[12] Diese Voraussetzungen jedoch waren und sind durch Kategorien wie Geschlecht, ‚Schichten‘-Zugehörigkeit, Bildungsstand etc. sehr komplex und kaum verallgemeinerbar. „Vielmehr finden […] öffentlich-diskursive Universalisierungen ihr Pendant in der individuellen Erinnerung, die für sich ebenfalls universelle Gültigkeit reklamiert“,[13] was für heute noch lebende erinnernde Leser ebenso gilt wie für die Literatur produzierenden Kriegsteilnehmer von damals.
Nicht nur die öffentliche, kollektive Erinnerung ist dabei im dauernden Wandel, sondern mit zunehmendem Abstand und durch gewonnene Erkenntniszugewinne oder Verdrängungsprozesse auch die vermeintlich autobiographische Erinnerung. „Das autobiographische Gedächtnis ist […] ein ‚ungleichzeitiges‘ Gedächtnis. Wenn die Ebenen bedeutsamer Lebensabschnitte, allgemeiner Ereignisse und spezifischer Einzelereignisse ineinander fließen, wirft sich oft das Problem der ‚Quellenamnesie‘ auf“, was bedeutet, dass der Realitätsgehalt von Erinnerungen „schwankt in Abhängigkeit von dem Rahmen, in denen autobiographische Erinnerungen kontextualisiert werden.“[14]
Daher rührt also wohl speziell bezüglich der Weltkriege auch die mit zunehmendem zeitlichem Abstand zunehmend kritischer werdende Literatur und Leserschaft.
1.2 Krieg und Roman
Der Kriegs- bzw. Antikriegsroman ist keine echte eigene Untergattung des Romans,[15] wie etwa der Bildungsroman, da die Ähnlichkeit verschiedener Werke „nicht durch eine bestimmte Struktur oder inhaltlich-gehaltliche Vorgaben geprägt ist […]. Das einigende Band ist lediglich ein thematisches, das seine Ausprägung in verschiedensten Formen, vom autobiographischen Bericht bis zur skeletthaft-kühlen Tatsachenauswahl der dokumentarischen Auflistung, findet.“[16] Wenngleich also Kriegsroman laut Wagener „eher eine Buchhändlerbezeichnung“ ist, so ist doch „von größter Wichtigkeit dagegen der Krieg als literarisches Thema.“[17] Denn „Literatur ist in diesem Zusammenhang als Erinnerungs- und Trauerarbeit im Freudschen Sinne zu verstehen.“ In der explizit erst Anfang der 1990er Jahre entstandenen internationalen Forschung zur Kulturgeschichte der Erinnerung an den Ersten und Zweiten Weltkrieg wird die Bedeutung dieser Kriege aus der Trauerarbeit für deren Tote erschlossen.[18] Dabei kommen der fiktionalen Prosa und ihrer erzählerischen Differenzen in der Aufbereitung der Erlebnisse beider Weltkriege zentrale Bedeutung zu.[19]
1.3 Unterschiede in der literarischen Aufbereitung der beiden Weltkriege
Es scheint völlig unmöglich, die Schwierigkeiten der WK-II-Literatur darzustellen und zu verstehen, ohne die von dieser gänzlich verschiedene WK-I-Literatur wenigstens anzureißen. Denn dass die Literatur gewissermaßen diese beiden Weltkriege gemeinsam umfasst, ist eine nicht nur semantisch, sondern auch temporal treffende Wahrheit: Zum ersten Weltkrieg existiert hauptsächlich diesen vor bereitende, hin arbeitende Prosa und Lyrik, zum zweiten hingegen fast ausschließlich nach bereitende, auf arbeitende Literatur. In der kurzen Phase zwischen den Weltkriegen dagegen, sowie in den insgesamt immerhin fast 10 Jahren reiner Kriegszeit, blieben die Blätter vieler großer Schriftsteller leer.[20] Anders jedoch die Blätter des ‚kleinen Mannes‘, Zeitschriften und Autoren, an die sich später ungern erinnert wird. So schreibt etwa Julius Bab im Literarischen Echo vom 1. Oktober 1914, dass allein „seit Kriegsbeginn täglich etwa 50.000 Gedichte mit Kriegsthematik verfasst wurden.“[21] Die Beteiligung an dieser „poetischen Mobilmachung“ scheine gleichermaßen alle Schichten und Gruppierungen der zeitgenössischen Gesellschaft erfasst zu haben,[22] was sich bei der Prüfung der namhafteren Autoren und Intellektuellen jener Zeit mehr als bewahrheitet.[23]
Diese den Krieg und die Idee von Einheit durch gemeinsames Erleben mythisierende Vorstellung läßt sich in Analogie lesen zu den ebenfalls ins Mythisch verklärten Idealen der Einheit von Volk und Nation […]. Der Krieg stellt in der Textlogik ferner einen Einschnitt in zeitlicher Hinsicht dar – eine unbefriedigende, dekadente, von ‚feigem Unwohlsein‘ (Hesse) geprägte Epoche wird abgelöst, der Krieg erhält kathartische Funktion und ermöglicht einen neuen Lebenszustand,[24]
wie Andreas Schumann zufolge beinahe alle zeitgenössischen deutschen Dichter und Denker vor dem und zu Beginn des Ersten Weltkrieges glaubten.
Laut Hans Wagener unterscheidet sich die deutsche Kriegsprosa nach 1945 von derjenigen über den Ersten Weltkrieg „vor allem dadurch, daß sie fast ausschließlich gegen den Krieg Stellung bezieht. Den aus national(istisch)er Begeisterung verfaßten Kriegsroman, wie er besonders in der Spätphase der Weimarer Republik florierte, gibt es nach 1945 nicht mehr.“[25]. Ebenso entfalle nun „die heroische Bewährung angeblicher Tugenden“, welche ersetzt werde durch „das Bemühen, die Schrecken des Krieges zu zeigen“.[26] Allerdings müssten gerade den frühen Kriegsromanen der Fünfziger Jahre erneut unkritische bis revisionistische Tendenzen zur Last gelegt werden, da sie eine Tabuisierung der Deutschen Wehrmacht, das Verdrängen aller Schuld am Genozid und den Verbrechen der Eroberungsstreitmächte begünstigten.[27] Anders sieht dies Lew Kopelew, der schon in der frühen deutschen und russischen Kriegsliteratur eine enorme Vielfalt erwachsen sieht, und daran eine nur für die Zukunft noch zu erweiternde Tendenz festmachen will:
[...]
[1] Salewski, Michael (1976): Von der Wirklichkeit des Krieges, S. 9.
[2] Vgl. Kant, Immanuel in Idee zu einer allgemeinen Geschichte in Weltbürgerlicher Absicht, 9. Satz.
[3] Kant in Pädagogik, Akad. IX, S. 444.
[4] Konsalik im Interview, über die Reaktionen auf seine Schilderungen der Zustände in den Kriegsgefangenenlagern im Roman Der Arzt von Stalingrad. In: Harder (1999): S. 224 [Hervorh. v. Autor].
[5] Vgl. zum Begriff der „Viktimisierung“ Krieg, Claudia(2008): Dimensionen der Erinnerung, S. 85f.
[6] Vgl. dazu: Assmann, Jan: Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis. In: Merten, Klaus
(1994): Die Wirklichkeit der Medien, S. 114 ff.
[7] Vgl. dazu: Welzer, Harald: Der Krieg der Erinnerung, S. 7 ff.
[8] Vgl. dazu: Assmann (1994): S. 114 ff.
[9] Vgl. ebd.
[10] Vgl. dazu: Assmann, Jan (1992): Das kulturelle Gedächtnis, S. 82.
[11] Krieg, Claudia(2008): Dimensionen der Erinnerung. Geschichte, Funktion und Verwendung des Erinnerungsbegriffs im Kontext mit den NS-Verbrechen, S. 101 f.
[12] Ebd. S. 102.
[13] Ebd. S. 102 f.
[14] Ebd. S. 36.
[15] Anmerkung: Vielen Literaturwissenschaftlern ist schon die Einteilung in Kriegs- und Antikriegs-Filme
und -Romane zu „oberflächlich. Wer vom Krieg schreibt, schreibt ein Kriegsbuch. Es gibt keine ‚Anti-
Kriegsbücher.“ Salewski, Michael(1976): Von der Wirklichkeit des Krieges. Analysen und Kontrover
sen zu Buchheims ‚Boot‘, S. 11.
[16] Wagener, Hans (Hg)(1997): Von Böll bis Buchheim. Deutsche Kriegsprosa nach 1945, S. 11.
[17] Ehrhard Bahr: Defensive Kompensation. Kriegsromane von Bamm und Konsalik. In: Wagener(1997):
S. 199-213, S. 199.
[18] Vgl. Ebd.
[19] Vgl. Ebd. S. 201.
[20] Anmerkung: Etwa in Werken wie Alfred Döblins Roman Wallenstein (1920) führten jedoch auch bereits die Schockerfahrungen des Ersten Weltkrieges zur Infragestellung der Darstellbarkeit von Gewalt, sodass hier das Medium selbst also sehr wohl auch schon – wie später durch Adorno und andere nach dem Zweiten Weltkrieg – in Frage steht. Vgl. dazu: Scherpe, Klaus (2002): Stadt. Krieg. Fremde: Literatur und Kultur nach den Katastrophen, S. 99-104.
[21] Julius Bab, Die Kriegslyrik von heute, in: Literarisches Echo, Halbmonatsschrift für Literaturfreunde 17, eft 1 (1. Oktober 1914) Spalte 5. Zitiert nach: Schumann, Andreas: „Der Künstler an die Krieger“. Zur Kriegsliteratur kanonisierter Autoren. In: Wolfgang Mommsen (Hg.)(1996): Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im ersten Weltkrieg, S. 221.
[22] Ebd.
[23] Anmerkung: Vgl. dazu etwa Hofmannsthals Apell an die oberen Stände, Gerhart Hauptmanns Zeitschriftenbeiträge, Thomas Manns Politische Schriften und Reden, Ernst Tollers aus seiner Jugend in Deutschland berühmt gewordenes Zitat „Ja, wir leben in einem Rausch des Gefühls. Die Worte Deutschland, Vaterland, Krieg haben magische Kraft, […] sie schweben in der Luft, kreisen um sich selbst, entzünden sich in uns.“* und andere mehr. * Toller, Ernst (1933): Eine Jugend in Deutschland, S. 23.
[24] Andreas Schumann in Mommsen(1996): S. 224 f.
[25] Wagener (1997): S.11 [Hervorhebung v. Autor].
[26] Ebd.
[27] Vgl. Ehrhard Bahr S. 200 f.
- Arbeit zitieren
- Jonas Zech (Autor:in), 2008, Kriegserfahrung und Erinnerungsdimensionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118566
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