Inwiefern kann die literarische Kompetenz durch Serien gefördert werden? Dargelegt anhand der Serie "La Casa de Papel"


Hausarbeit, 2018

28 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Medienzeitalter

3. Lesekompetenz vs. Literarische Kompetenz
3. 1. Kompetenzbegriff
3. 2. Lesekompetenz
3. 3. Das Literarische an Literatur
3. 3. 1. Die ästhetische Erfahrung
3. 4. Literarische Kompetenz
3. 4. 1. Ulf Abraham
3. 4. 2. Kaspar Heinrich Spinner
3. 4. 2. 1. Die elf Aspekte

4. Literarisches Lernen durch Serien
4. 1. La Casa de Papel
4. 1. 1. Inhalt und Figuren
4. 2. Subjektive Involviertheit und genaue Wahrnehmung
4. 3. Sprachliche Gestaltung aufmerksam wahrnehmen
4. 4. Perspektiven literarischer Figuren nachvollziehen
4. 5. Narrative und dramaturgische Handlungslogik verstehen
4. 6. Mit Fiktionalität bewusst umgehen
4. 7. Szenische Darstellung verstehen
4. 8. Sich auf Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses einlassen
4. 9. Prototypische Vorstellungen von Gattungen/ Genres gewinnen
4. 10. Literaturhistorisches Bewusstsein entwickeln

5. Literarische Kompetenz im Adoleszenzalter

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das 21. Jahrhundert ist geprägt von neuen Unterhaltungs- und Kommunikationsmög- lichkeiten. Der Fernseher wird von seiner ursprünglichen Funktion zunehmend ent- fremdet, indem der Kunde nun durch gewisse Dienste seine eigenen Senderabläufe und –uhrzeiten auswählen kann. Somit richtet sich der Kunde nicht mehr nach der Uhrzeit seiner Lieblingsserie, sondern umgekehrt. Dazu kommt ebenfalls, dass mit dem Fernse- her dieselben Applikationen genutzt werden können, wie auf dem Smartphone. Das Smartphone aber kann zeit- und ortsunabhängig benutzt werden sowie mit und ohne Empfang oder Internet. All das macht das Internet sowie auditive und audiovisuelle Medien zu dem täglichen Begleiter des Menschen. Zudem ohnehin schon laufenden Diskurs zwischen Lesekompetenz und literarischer Kompetenz, wird die Frage hinein- geworfen, welche Funktion Medien in der Bildung einnehmen. Hierzu soll diese Arbeit einen Ansatz zu einer möglichen Antwort beitragen, indem untersucht wird, inwiefern literarische Kompetenz durch Serien gefördert werden kann. Dies soll am Beispiel der Serie La Casa de Papel erfolgen.

Hierzu wird zunächst die Entwicklung des Medienzeitalters genauer beleuchtet. Dazu werden hauptsächlich Statistiken veranschaulicht, um aufzuzeigen, dass die Einbindung von audiovisuellen Medien in den Literaturunterricht nur eine Frage der Zeit ist. Da- raufhin beginnt der Eingang auf die Theorien, indem die Lesekompetenz und literari- sche Kompetenz erklärt werden. Als die Basis beider Erläuterung wird ebenfalls die Bedeutung des Begriffs Kompetenz erklärt. Um sich dem Begriff der literarischen Kompetenz zu nähern, wird ebenfalls untersucht, was das Literarische ist.

Für die Definition einer literarischen Kompetenz wird das Verständnis von Ulf Abra- ham und Kaspar Heinrich Spinner herangezogen und skizziert. Insbesondere die elf As- pekte Spinners werden hierbei untersucht, um sie im Anschluss auf eine Folge der Serie anzuwenden. Hierbei wird jeder einzelne Aspekt für sich genommen und die Förderung desselben durch bestimmte Szenen innerhalb der Serie dargestellt. Das Erlernen der Aspekte bedeutet gleichzeitig das Erlernen literarischer Kompetenz.

Im Anschluss wird auf die Frage eingegangen, ob literarische Kompetenz eine besonde- re Funktion im Adoleszenzalter hat. In einem abschließenden Fazit werden alle Ergeb- nisse dieser Arbeit zusammengetragen.

2. Das Medienzeitalter

Im Jahr 1980 empfingen die Deutschen durchschnittlich drei bis vier Kanäle, wohinge- gen heute über 100 deutschsprachige Sender in hochauflösender Bildqualität empfangen werden können. Auch die Sendedauer hat ihr Maximum erreicht, indem so gut wie alle Sender 24 Stunden am Tag verfügbar sind. Diese Faktoren trugen zu einem enormen Schub des Massenmediums Fernseher bei. Ab 1995 verfügten bereits 98% aller Haus- halte über mindestens ein Fernsehgerät, während ein Zweitfernseher in über der Hälfte dieser Haushalte zu finden war.1 Während im Jahr 1988 durchschnittlich 144 Minuten pro Tag ferngesehen wurde, ist der tägliche Fernsehkonsum im Jahr 2014 auf 221 Mi- nuten gestiegen.2

Diese Entwicklung wurde ab den 1990er Jahren durch die Computertechnik entschei- dend erweitert. Der Computer ist in der Lage alle Massenmedien in einem Gerät zu ver- einen. Doch die wohl weitreichendste Entwicklung war das Medium Internet. Ab dem Jahr 1990 vernetzte es im zivilen Sektor Millionen von privaten Rechnern.3 Die Ent- wicklung von Suchmaschinen im Jahre 1994 veränderte das Surfen schlagartig, was den kalifornischen Konzern Google zum mächtigsten Medienkonzern der Welt machte. Im Jahr 1997 waren noch rund sechs Millionen Rechner über das Internet verbunden, wäh- rend es im Jahr 2000 bereits über 100 Millionen waren.4

Die Nutzung des Internets wird zusätzlich durch mobile Endgeräte, wie Tablet und Smartphone, begünstigt. Während im Jahr 2008 etwa fünf Millionen Deutsche Smart- phones verschiedener Hersteller kauften, sind es im Jahr 2014 sogar 24,2 Millionen.5 Insbesondere durch Applikationen ( Apps ), welche alle möglichen Dienste und Funktio- nen erlauben, wurden die Smartphones erfolgreich. Das Telefonieren wurde zunehmend zur Nebensache, denn bereits 2009 wurden Smartphones hauptsächlich für Online- medien genutzt. Erstmals überholte in diesem Jahr das mobile Datenvolumen das Sprachvolumen.6

Laut der JIM-Studie 2014, welche den Medienumgang 12 bis 19 Jähriger in Deutsch- land untersucht, ist das Handy mit 100%, der Computer mit 99%, der Fernseher mit 98%, ein Internetzugang mit 98% und das Smartphone mit 94% in deutschen Haushal- ten zu finden. Somit können diese fünf elektronischen Medien als die wichtigsten Deutschlands bezeichnet werden.7 Jugendliche verbringen 94% ihrer Freizeit mit ihrem Handy und dem Internet, gefolgt von dem Fernseher mit 83%.8

Die enorme Nutzung von Smartphone und Internet, welche größtenteils zur Kommuni- kation und Unterhaltung genutzt werden, werfen zunehmend die Frage auf, inwiefern diese zur Bildung von Kindern und Jugendlichen beitragen können. Die Frage ist des- halb notwendig, weil diese Mediennutzung einen immensen Teil ihres Alltags und Le- bens prägt. Insbesondere macht das Smartphone die Nutzung von Internet und anderen Diensten orts- und zeitunabhängig. Die Applikationen der Unternehmen Spotify und Netflix können sogar offline (ohne Internet) auf dem Smartphone genutzt werden, wenn vorher ein Download der Inhalte getätigt wird. Durch Netflix können unendlich viele Filme, Serien und Dokumentationen runtergeladen werden. Dadurch bietet das Unter- nehmen ein unglaubliches Angebot zur Nutzung während Fahrten, Freistunden (Schule, Universität, etc.) o. Ä.

3. Lesekompetenz vs. Literarische Kompetenz

Bevor explizit auf die Lesekompetenz und die literarische Kompetenz eingegangen wird, muss zunächst dem Kompetenzbegriff eine Bedeutung zugeordnet werden.

3. 1. Kompetenzbegriff

In der Kognitionspsychologie werden Kompetenzen als kognitive Fähigkeiten und Fer- tigkeiten sowie motivationale, volitionale (durch den Willen bestimmte) und soziale Fähigkeiten und Bereitschaften verstanden.9 Hierzu kann durch Kaspar H. Spinner er- gänzt werden, dass ein Individuum solche Fähigkeiten in gegebenen Situationen ange- messen umsetzt können muss, um als kompetent zu gelten. Wenn ein Individuum im Unterricht korrekt und laut vorliest oder ein Lesebuchtext richtig versteht, wäre dies noch kein ausreichender Beleg für einen Kompetenzerwerb. Es kommt vielmehr darauf an, dass das Kind fähig und willensmäßig bereit dazu ist, selbstständig die angemessene Leseweise in konkreten Situationen umzusetzen.10

Noam Chomsky definiert Kompetenz als die Fähigkeit „ein vorhandenes Muster auf neue Stoffe oder auch Probleme übertragen zu können.“11 Dies bedeutet für Schülerin- nen und Schüler, dass sie Muster erkennen können müssen und diese auf das Problem (Literatur) anwenden, um damit beispielsweise den Inhalt erschließen zu können. Eine ähnliche und ebenso anerkannte Definition liefert Franz E. Weinert, welcher eine Kom- petenz als ein Vermögen bezeichnet, Probleme im Sinne von Aufgaben bzw. Heraus- forderungen in bestimmten Situationen zu meistern. Hierbei ist für Weinert die Ergän- zung von Motivation, Wissen und Erfahrung äußerst wichtig.12

3. 2. Lesekompetenz

Bei einer Lesekompetenz kann unter mehreren Ebenen unterschieden werden. Die Un- terscheidung Kaspar H. Spinner soll im Folgenden dargestellt werden. Die Identifizie- rung von Buchstaben als Zeichen kann als elementarsten ersten Schritt betrachtet wer- den. Die Buchstaben müssen als Laute (Phoneme) wahrgenommen werden.13

Doch sie vermitteln erst eine Bedeutung, wenn sie in einer Kombination als Wörter auf- treten. Hier muss das Sprachwissen ins Spiel gebracht werden. Weiterhin bestehen sprachliche Aussagen nicht nur aus einer Aneinanderreihung isolierter Wortbedeutun- gen, denn einen Sinn ergeben sie erst, wenn die Beziehung zwischen den Wörtern ver- standen wird. Der semantische und syntaktische Zusammenhang in Sätzen muss also erkannt werden.14

Das Herstellen und Erkennen von Beziehungen erfolgt nicht nur innerhalb von Sätzen, sondern betrifft auch die Zusammenhänge zwischen den Sätzen. Dabei muss mehr ver- standen werden als ausdrücklich dasteht. Beispielsweise kann einer Formulierung wie

„Ihr müsst heute leider ohne mich gehen, ich habe eine Magenverstimmung“ entnom- men werden, dass der Schreiber nicht kommt, wodurch eine kausale Beziehung zwi- schen den beiden Teilsätzen hergestellt wird, indem das weil sinngemäß ergänzt wird. Das Erfassen von noch nicht ausdrücklich gesagtem wird in der Lesepsychologie als das Herstellen von Inferenzen bezeichnet.15

Eine Erweiterung der lokalen Inferenzbildung zwischen Sätzen ergibt sich aus dem Er- fassen von inhaltlichen Textstrukturen – sogenannten Makrostrukturen. Hierbei findet die Konstruktion mentaler Modelle ihre Anwendung. Wenn eine Spielanleitung ohne eine Vorstellung des Spiels gelesen wird, dann wird die Anleitung nicht so verstanden, dass das Spiel durchgeführt werden kann. Die eigene Einschätzung gehört ebenfalls zum verstehenden Lesen, indem der Leser die Texte auf die eigenen Lebenszusammen- hänge bezieht (Leuchtet mir das ein? Kann ich die Info nutzen? etc.).16

Diese Darstellung der Lesekompetenz stellt aber nur die halbe Wahrheit dar. Der Lese- prozess läuft nicht nur von unten nach oben ( bottom-up Prozess ), von der kleinsten Ein- heit bis zur Reflexion und Anwendung, sondern auch in umgekehrter Richtung ( top- down ). Bei dem Wort Maus stellt sich der Leser höchstwahrscheinlich das kleine graue Säugetier vor, weil es in der Zeitschrift um Tiere geht. Bei einer Anweisung zu einem Computer wäre das aber anders, denn da ist eine Maus das technische Gerät, das unter- halb der Hand liegt, wenn es den Crusor bewegt.17

Der heutige Lesekompetenzbegriff ist stark pragmatisch gestaltet. Er orientiert sich an Lesesituationen, die für die Alltagsbewältigung wichtig sind, birgt aber die Gefahr einer gewissen Einseitigkeit. Das lustvolle Literarische Lernen wird zu wenig berücksichtigt, was aber für die Ausbildung einer positiven Einstellung zum Lesen außerordentlich wichtig ist.18

Bei dem Begriff Lesekompetenz scheint es sich eher um die basale Fähigkeit des Lesen- könnens und die der Informationsentnahme zu handeln, da sich Lesekompetenz eben- falls auf Sach- und Gebrauchstexte bezieht und insbesondere auf geschriebene Literatur. Diese Bedeutung scheint auch der Pisa-Studie zugrundezuliegen, indem hierbei unter Lesekompetenz die allgemeine Fähigkeit der Informationsentnahme, das Verstehen von Aussagen, Deutungen und Bewertungen von Texten unterschiedlicher Art (Sachtexte, Tabellen, Schaubilder, etc.) definiert wird. Auch Bettina Hurrelmann bestätigt, dass das Lesen sich nicht auf einen kognitiven Prozess reduzieren lässt, sondern entscheidend durch motivationale, emotionale und interaktive Teilkompetenzen mitgeprägt ist.19

Weil der Begriff und die Definition der Lesekompetenz nicht hinreichend ist und, wie Spinner anmerkte, das lustvolle Literarische Lernen zu wenig berücksichtigt, muss der Begriff der literarischen Kompetenz eingeleitet werden. Zunächst stellt sich aber die Frage, was literarisch sein bedeutet.

3. 3. Das Literarische an Literatur

Allgemein meint Literatur die Ko-Präsenz von Objekt und Subjekt. Die Integration von subjekt- und textseitiger Rezeption zeichnet literarische Texte besonders aus. Literarizi- tät (=Grad eines Werkes, literarisch zu sein) ist konstituiert aus und in der Interdepen- denz und Interaktion von Literatur und Leser, welche in den Prozess der literarischen Kommunikation eingebettet sind – gleichsam ein intersubjektiv verlaufender Aushand- lungsprozess.20 Mit einem Blick in den Duden der deutschen Rechtschreibung sind zwei Definitionen für den Begriff literarisch zu finden. Allgemein sei literarisch alles, was die Literatur als Kunstgattung betrifft. Bildungssprachlich sei literarisch ein Adjektiv für etwas (mehrheitlich Kunstgegenstände, z. B. Gemälde), was mit geistigem Gut aus- gestattet zur Bildung beiträgt.

[...]


1 Vgl. Böhn: Mediengeschichte, S. 129.

2 Vgl. AGF: durchschnittlichen Sehdauer.

3 Vgl. Böhn: Mediengeschichte, S. 147.

4 Vgl. Lauterschlag: Das Internet.

5 Vgl. Statista: Smartphones in Deutschland.

6 Vgl. Köhler: Der programmierte Mensch, S. 11.

7 Vgl. JIM 2014, S. 6.

8 Vgl. ebd., S. 23.

9 Vgl. Rösch: Deutschunterricht, S. 8.

10 Vgl. Spinner: Lesekompetenz erwerben, S. 7.

11 Vgl. Volker: Taschenbuch des Deutschunterrichts, S. 124.

12 Vgl. Richter: Literaturdidaktik, S. 43.

13 Vgl. Spinner: Lesekompetenz erwerben, S.8.

14 Vgl. Spinner: Lesekompetenz erwerben, S. 8.

15 Vgl. ebd.

16 Vgl. ebd.

17 Vgl. ebd., S.9.

18 Vgl. Spinner: Lesekompetenz erwerben, S. 9.

19 Vgl. Rösch: Deutschunterricht, S. 12.

20 Vgl. Günter: Integration, S. 80.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Inwiefern kann die literarische Kompetenz durch Serien gefördert werden? Dargelegt anhand der Serie "La Casa de Papel"
Hochschule
Universität Paderborn
Note
3,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
28
Katalognummer
V1185895
ISBN (eBook)
9783346617699
ISBN (Buch)
9783346617705
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Literarische Kompetenz, Haus des Geldes, Medienzeitalter, Medienentwicklung, Statistiken, Serien, Literaturdidaktik, Kaspar Spinner
Arbeit zitieren
Mersida Dacic (Autor:in), 2018, Inwiefern kann die literarische Kompetenz durch Serien gefördert werden? Dargelegt anhand der Serie "La Casa de Papel", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1185895

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Inwiefern kann die literarische Kompetenz durch Serien gefördert werden? Dargelegt anhand der Serie "La Casa de Papel"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden