„Auf einem Schiff befinden sich 26 Schafe und zehn Ziegen. Wie alt ist der Kapitän?“( Baruk 1990, zit. n. Wember 1997, in Heimlich 1997, 174). Genau diese Aufgabe hat Baruk Kindern verschiedener Schultypen gestellt und sie musste mit Erstaunen feststellen, dass fast acht von zehn Kindern die Aufgabe rechnerisch lösten.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Kinder im gegenwärtigen Mathematikunterricht ( MU ) sehr häufig mit bedeutungsleeren, sinnlosen oder sogar widersprüchlichen Aufgaben konfrontiert werden und dass sie hinter Rechenaufgaben solcher Art oft keine Bedeutung mehr erkennen oder sich nichts darunter vorstellen können. Beim Lösen derartiger Aufgaben reproduzieren die Kinder dann, ohne viel zu überlegen, irgendwelche Formeln oder starre Schemen (vgl. Wember 1997, in Heimlich 1997, 174).
Baruk will mit diesem Beispiel auch darauf aufmerksam machen, dass die momentane Praxis des MUs gekennzeichnet ist durch Steuerung, Belehrung, Mechanisierung der Schüler, sowie durch kleinschrittiges Vorgehen und einer Isolation von Schwierigkeiten. Das Handeln der Schüler dagegen, die sich mit den oft sehr abstrakten, realitätsfernen und widersprüchlichen Aufgaben auseinandersetzen müssen, ist geprägt von einer starren Reproduktion von Formeln, Rechenwegen und Strategien ohne jegliche Eigenaktivität/ -leistung oder problemlösendes Denken. Es ist auch offensichtlich, dass dem Lehrer durch diese Art von MU der wahre und momentane Entwicklungs- und Leistungsstand des Kindes verborgen bleibt und dass er somit auch nicht an den bereits vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten anknüpfen kann (vgl. Scherer 1994, in: Z. Heilpäd. 11
( 1994), 762 ff.).
Und eben diese gegenwärtige Unterrichtspraxis beinhaltet jede Menge von sogenannten „Brandherden“, die anfangs leichte mathematische Schwierigkeiten mit sich bringen, später jedoch auch schwerwiegendere Probleme auslösen oder gar eine Rechenschwäche bewirken können.
Gerade dieser Sachverhalt war Anlass sich mit dem Themenkomplex Rechenschwäche/ Rechenschwierigkeiten auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund soll in den folgenden Ausführungen zunächst auf die Begriffsvielfalt und Definition von Rechenschwäche/ Rechenschwierigkeiten eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Gegenwärtige Unterrichtspraxis im Lernbereich Mathematik
- Entwicklungsprozess mathematischer Erkenntnisse und mögliche Störfaktoren dieses Prozesses
- Begriffsvielfalt und Definitionsansatz von Rechenschwäche/ Rechenschwierigkeiten
- Rechenschwierigkeiten vor dem Hintergrund entwicklungspsychologischer Modelle
- Bedeutung von Rechenschwierigkeiten in der Entwicklungspsychologie
- Stufenmodell des Aufbaus und der Verinnerlichung mathematischer Operationen
- Mögliche Störfaktoren und Ursachen für das Entstehen einer
- Fördermaßnahmen und Prinzipien zur Kompensation und Prävention von Rechenschwierigkeiten
- Prinzipien zur Kompensation und Förderung bereits entstandener Rechenschwierigkeiten
- Prinzip der geistigen Aktivierung
- Prinzip der lebenspraktischen Orientierung
- Prinzip der Individualisierung
- Prinzip der emotionalen und sozialen Unterstützung
- Prinzip des operativen Übens
- Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung der Entstehung von Rechenschwierigkeiten
- Prinzipien zur Kompensation und Förderung bereits entstandener Rechenschwierigkeiten
- Eine mögliche Realisierung der geforderten Fördermaßnahmen in einem „neuen“ Mathematikunterricht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entstehung von Rechenschwierigkeiten bei Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Sie analysiert die aktuelle Unterrichtspraxis im Mathematikunterricht und untersucht die Entwicklung mathematischer Erkenntnisse sowie mögliche Störfaktoren, die zu Rechenschwierigkeiten führen können. Die Arbeit stellt zudem verschiedene Fördermaßnahmen und Prinzipien vor, die zur Kompensation und Prävention von Rechenschwierigkeiten eingesetzt werden können.
- Analyse der gegenwärtigen Unterrichtspraxis im Mathematikunterricht und deren Einfluss auf die Entstehung von Rechenschwierigkeiten
- Entwicklungspsychologischer Ansatz zur Erklärung der Entstehung von Rechenschwierigkeiten
- Vorstellung und Analyse verschiedener Fördermaßnahmen und Prinzipien zur Kompensation und Prävention von Rechenschwierigkeiten
- Entwicklung eines „neuen“ Mathematikunterrichts, der die geforderten Fördermaßnahmen integriert
- Begriffsvielfalt und Definitionsansatz von Rechenschwäche/ Rechenschwierigkeiten
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die gegenwärtige Unterrichtspraxis im Mathematikunterricht und zeigt auf, wie diese zu bedeutungsleeren und sinnlosen Aufgaben führen kann, die die Entwicklung von Rechenschwierigkeiten begünstigen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Entwicklungsprozess mathematischer Erkenntnisse und den möglichen Störfaktoren, die diesen Prozess beeinflussen können. Dabei wird das Stufenmodell von Ingeborg Milz vorgestellt, das die phasenweise Verinnerlichung mathematischer Erkenntnisse beschreibt. Das dritte Kapitel behandelt verschiedene Fördermaßnahmen und Prinzipien, die zur Kompensation und Prävention von Rechenschwierigkeiten eingesetzt werden können. Das vierte Kapitel skizziert eine mögliche Umsetzung dieser Fördermaßnahmen in einem „neuen“ Mathematikunterricht.
Schlüsselwörter
Rechenschwierigkeiten, Rechenschwäche, Dyskalkulie, Mathematikunterricht, Entwicklungspsychologie, Stufenmodell, Fördermaßnahmen, Prävention, Kompensation, „neuer“ Mathematikunterricht.
- Citar trabajo
- Claudia Rampp (Autor), 2003, Lernbereich Mathematik: Die Entstehung von Rechenschwierigkeiten und ihre Kompensation bzw. Prävention durch geeignete Fördermaßnahmen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118688