Als idealer Bewerber für einen Automobilkonzern sind Sie „international ausgebildet, das heißt, sie haben mindestens ein Auslandssemester oder ein Praktikum im Ausland sowie einige berufsorientierte Praktika gemacht. Internationalität ist heute wirklich ein Muss, Mehrsprachigkeit
ist gewünscht, wobei Englisch schon als selbstverständlich gilt. Außerdem ist es gut, kommunikationsstark und extrovertiert zu sein (…)“ (Rodriguez 2007). Wenn Sie dazu nicht noch „fundiertes Fachwissen, Zusatzqualifikationen, Fremdsprachen-, Projektmanagementund aktuellste IT-Kenntnisse haben“, so haben Sie „keine guten Karten“ (Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit 2006, S.39). So oder so ähnlich lesen sich
Stellenanzeigen, Zeitungsartikel und Arbeitsmarktanalysen für junge Hochschulabsolventen. Hinzu kommen Aussagen, dass „[g]ezielt für Absolventen weniger als ein Prozent der Jobs ausgeschrieben [waren]. Wenn sie nicht gerade einen exzellenten Lebenslauf präsentieren konnten, gelang vielen der Berufseinstieg erst nach mehreren Praktika“ (Holzapfel 2006). Ganz schön hohe Anforderungen, die heutzutage an Berufseinsteiger gestellt werden: Beim
Durchblick großer deutscher Tageszeitungen genauso wie in offiziellen Publikationen der Agentur für Arbeit wird augenscheinlich, dass sich Hochschulabgänger mit einer massiven Erwartungshaltung seitens späterer Arbeitgeber konfrontiert sehen und diese von Seite der Medien noch verstärkt wird. Verblüffend dabei sind jedoch nicht unbedingt die vielen unterschiedlichen
und dazu hohen Ansprüche an Absolventen, es ist klar, dass Unternehmen nur
die besten haben wollen; vielmehr wird immer wieder darauf hin gewiesen, dass ohne diese geforderten Qualifikationen sowieso überhaupt kein Job zu finden sei.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung: Anforderungen des Arbeitsmarkts an Absolventen
2 Hauptteil
2.1 Theoretische Fundierung
2.1.1 Entwicklungspsychologische Relevanz der untersuchten Phase
2.1.2 Das Identitätskonzept nach Erikson
2.1.3 Spätadoleszenz
2.1.4 Sozialisation und Identität
2.1.5 Wolfgang Lemperts interaktionistisches Sozialisationsmodell
2.1.6 Synthese
2.2 Gestaltung der Untersuchung
2.2.1 Zugrunde liegende These
2.2.2 Relevante Sozialisationsstrukturen
2.2.3 Konzeption der Untersuchung
2.3 Arbeitsmarktanalyse der beiden Studiengänge
2.3.1 Arbeitsmarktlage Maschinenbau
2.3.2 Anforderungen Maschinenbau
2.3.3 Arbeitsmarktlage Geistesund Sozialwissenschaften
2.3.4 Anforderungen Geistesund Sozialwissenschaftler
2.3.5 Klarheit des Berufsbilds
2.4 Auswertung der Gruppendiskussion
2.4.1 Methode
2.4.2 Auswertung Fragebogen Maschinenbaustudenten
2.4.3 Auswertung Gruppendiskussion Maschinenbauer
2.4.4 Auswertung Fragebogen Studenten der Geistesund Sozialwissenschaften
2.4.5 Auswertung Gruppendiskussion Geistesund Sozialwissenschaftler
2.4.6 Vergleich der Ergebnisse des Fragebogens
2.4.7 Vergleich der Ergebnisse der Gruppendiskussion
3 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang 1: Reizbogen zur Gruppendiskussion
Anhang 2: Gesprächsprotokoll und Kodierschema Maschinenbaustudenten
Anhang 3: Gesprächsprotokoll und Kodierschema Studenten der Geistesund Sozialwissenschaften
Anhang 4: Fragebogenmuster
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zusammenfassung der interaktionistischen Rahmenkonzeption
Abbildung 2: Ablaufmodell der Gruppendiskussion
Abbildung 3: Von Maschinenbauingenieuren geforderte Softskills
Abbildung 4: Von Geisteswissenschaftlern geforderte Softskills
1 Einleitung: Anforderungen des Arbeitsmarkts an Absolventen
Als idealer Bewerber für einen Automobilkonzern sind Sie „international ausgebildet, das heißt, sie haben mindestens ein Auslandssemester oder ein Praktikum im Ausland sowie einige berufsorientierte Praktika gemacht. Internationalität ist heute wirklich ein Muss, Mehrsprachigkeit ist gewünscht, wobei Englisch schon als selbstverständlich gilt. Außerdem ist es gut, kommunikationsstark und extrovertiert zu sein (…)“ (Rodriguez 2007). Wenn Sie dazu nicht noch „fundiertes Fachwissen, Zusatzqualifikationen, Fremdsprachen-, Projektmanagementund aktuellste IT-Kenntnisse haben“, so haben Sie „keine guten Karten“ (Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit 2006, S.39). So oder so ähnlich lesen sich Stellenanzeigen, Zeitungsartikel und Arbeitsmarktanalysen für junge Hochschulabsolventen. Hinzu kommen Aussagen, dass „[g]ezielt für Absolventen weniger als ein Prozent der Jobs ausgeschrieben [waren]. Wenn sie nicht gerade einen exzellenten Lebenslauf präsentieren konnten, gelang vielen der Berufseinstieg erst nach mehreren Praktika“ (Holzapfel 2006). Ganz schön hohe Anforderungen, die heutzutage an Berufseinsteiger gestellt werden: Beim Durchblick großer deutscher Tageszeitungen genauso wie in offiziellen Publikationen der Agentur für Arbeit wird augenscheinlich, dass sich Hochschulabgänger mit einer massiven Erwartungshaltung seitens späterer Arbeitgeber konfrontiert sehen und diese von Seite der Medien noch verstärkt wird. Verblüffend dabei sind jedoch nicht unbedingt die vielen unterschiedlichen und dazu hohen Ansprüche an Absolventen, es ist klar, dass Unternehmen nur die besten haben wollen; vielmehr wird immer wieder darauf hin gewiesen, dass ohne diese geforderten Qualifikationen sowieso überhaupt kein Job zu finden sei.
Wie wirkt sich die Erschaffung eines solchen Anspruchsund Unsicherheitsszenarios auf das Empfinden und, viel wichtiger, das Befinden von Studierenden aus? Müsste einen Studierenden kurz vor seinem Abschluss angesichts dieser kaum zu verwirklichenden Anforderungen nicht die nackte Angst packen? Oder sind die heutigen Studenten gar so hoch qualifiziert, dass sie diesen Anforderungen nur mit einem müden, selbstbewussten Lächeln begegnen? Und welche Rolle spielt dabei die Wahl des Studienfachs und die damit einher gehenden (subjektiven) Arbeitsmarktchancen? Werden diese Anforderungen als bloße verunsichernde Rhetorik oder als wahre Realität empfunden? Diese Fragen sollen im Laufe dieser Arbeit, wenn nicht vollkommen geklärt, so doch zumindest ein Stück weit ausgelotet und weiter vertieft werden. Dies soll an Hand zweier Gruppendiskussionen mit Studierenden verschiedener Fachrichtungen der RWTH Aachen, einerseits Maschinenbaustudenten, andererseits Studenten geistesund sozialwissenschaftlicher Fächer, geschehen. Während der Diskussion sollen diese mit oben erwähnten und ähnlichen Statements konfrontiert werden und die Reaktionen darauf analysiert werden. Hierbei soll insbesondere auf die geforderten nichtfachlichen Qualifikationen eingegangen und die studiengangsbezogenen fachlichen Anforderungen außen vor gelassen werden. Es geht also nicht um die faktische thematische Ausbildung, sondern vielmehr um die geforderten Softskills und Zusatzqualifikationen. Dies hat den Grund, dass diese Komponente laut Personalchefs immer wichtiger werde und quasi gleichberechtigt zu den fachlichen Qualifikationen anzusehen sei.1 Ein zusätzlicher Fragebogen zum persönlichen Qualifikationsstand und biographischen Daten, der vor der eigentlichen Diskussion ausgefüllt werden soll, soll ergänzende ‚harte’ Fakten liefern. Hierdurch sollen die mehr subjektivqualitativen Ergebnisse der Gruppendiskussion durch objektive biographische Daten und standardisierte Fragen zur Wahrnehmung der Anforderungen unterstützt werden.
Die vorliegende Untersuchung soll einen ersten explorativen Einblick in die subjektive Wahrnehmung der Arbeitsmarktanforderungen von Seiten Studierender gewähren. Außerdem soll im Laufe dieser Arbeit, auch zur Begründung der Vorgehensweise, auf die Analyse der Berufsaussichten der beiden Fächergruppen eingegangen und die Anforderungen des Arbeitsmarkts beleuchtet werden. Dies soll an Hand von Arbeitsmarktberichten und verschiedenen Stellenanalysen geschehen. Nach Erläuterung und Ausarbeitung des theoretischen Rahmens (2.1) folgt eine Beschreibung der Gestaltung der Untersuchung (2.2). Anschließend werden die Arbeitsmarktchancen der beiden Fächergruppen und die Anforderungen an diese beleuchtet (2.3). Schließlich folgt der praktische Teil, die Erläuterung der Konzeption der vorliegenden Untersuchung auf Basis der zuvor ausgearbeiteten theoretischen Implikationen und die Auswertung der Fragebogen sowie der Transkripte der Gruppendiskussionen (2.4). Zusammenfassung und Fazit (3) schließen die Arbeit ab.
2 Hauptteil
2.1 Theoretische Fundierung
2.1.1 Entwicklungspsychologische Relevanz der untersuchten Phase
Die Aufnahme und Durchführung eines Studiums stellt im Leben eines jungen Menschen eine wichtige entwicklungspsychologische Übergangsphase dar: zumeist findet eine Loslösung vom Elternhaus durch Umzug an einen entfernten Studienort oder auch in die erste eigene Wohnung statt, ein neues soziales Umfeld an der Universität ist zu erschließen und die ersten Weichen für die berufliche Zukunft werden gestellt. So ist die Lebenslage Studierender im Allgemeinen durch hohe Selbstmanagementanforderungen und durch hierarchische und unflexible Strukturen an den Universitäten gekennzeichnet (vgl. Graf/Krischke 2004, S.7). Gleichzeitig werde von den „Studierenden eine Reihe weitreichender Entscheidungen verlangt, die unmittelbar den weiteren Lebenslauf existenziell beeinflussen“ (ebd., S.7). Hierbei laufen vielfältige intrapsychische Orientierungsprozesse ab. Ein Modell zur Beschreibung und Erklärung dieser Prozesse kann die neoanalytische Identitätstheorie nach Erik H. Erikson liefern, die auf der Psychoanalyse Sigmund Freuds basiert.
2.1.2 Das Identitätskonzept nach Erikson
Die (psychosoziale) Identität eines Individuums entsteht, verkürzt formuliert, aus der Synthese der normativen Erwartungen der Gesellschaft an ein Individuum und der Ich-Reflexion, also den Reaktionen des sozialen Umfelds auf das Individuum sowie dessen Ansprüche an sich selbst (vgl. Erikson 1977, S. 18). Dieses Identitätskonzept ist weit verbreitet in den Sozial- und Humanwissenschaften anzutreffen2 und ist eng verwandt mit verschiedenen Modellen der Sozialisation3. Ein entscheidender Wendepunkt im Leben eines jungen Erwachsenen ist das Ende der Adoleszenz, was gemeinhin in unserer modernen Industriebzw. Dienstleistungsgesellschaft durch den Eintritt in das Berufsleben repräsentiert wird. Während der Adoleszenz durchläuft ein Heranwachsender laut Erikson die Krise ‚Identität vs. Identitätskonfusion’, die als Suche nach einem passenden Platz in der Gesellschaft umschrieben werden kann (vgl. Erikson 1998, S.94-97): Der Heranwachsende wählt verschiedenste Rollenmuster aus und experimentiert mit ihnen, verwirft diese, weist jene zurück und nimmt manche auf Dauer an. Schließlich erschließt er sich im glücklichen Fall seine individuelle und für seine psychischen Dispositionen angemessene Identität (vgl. Erikson 1998., S.96f.).
2.1.3 Spätadoleszenz
Das Studium stellt einen Sonderfall der verlängerten Adoleszenz dar, da der junge Erwachsene einerseits sämtliche nach dem Gesetz geltenden Rechte und Pflichten innehat, außerdem körperlich und psychisch befähigt ist, das Leben eines Erwachsenen zu führen, andererseits aber ein Aufschub endgültiger Verpflichtung stattfindet, der dem Studierenden erlaubt, für einen verlängerten Zeitraum mit verschiedenen Rollen zu experimentieren (vgl. Erikson 1998., S.98). Diese Phase kann auch als ‚psychosoziales Moratorium’ bezeichnet werden: Der Heranwachsende nimmt eine ‚Auszeit’ in der Entwicklung, um sich und seinen Platz in der Gesellschaft zu finden.
„Auch ein Studium kann als eine Zeit des Experimentierens aufgefasst werden. Diese psychosoziale Aufschubphase gewährt die nötige Zeit für die Integration der Identitätselemente, die in den vorangegangenen Lebensphasen erworben wurden und die jetzt überprüft und mit dem sozialen Umfeld abgeglichen werden müssen“(Graf/Krischke 2004, S.40).
Doch heutzutage könnte es sein, dass dieses Moratorium nicht mehr als Chance zur Entwicklung und Orientierung begriffen werden kann. Durch einen immer höheren Druck auf Studenten, sich möglichst frühzeitig mit ihrer späteren beruflichen sowie privaten Zukunft (Stichwort: Altersvorsorge) zu befassen, kombiniert mit immer höheren Anforderungen an Hochschulabsolventen von Arbeitgeberseite, könnte es viel mehr sein, dass diese Orientierungsphase als Unsicherheit und ‚zwischen den Stühlen sitzen’ empfunden wird. Es wird eben nicht das Experimentieren verschiedener Rollen gefördert, sondern eine frühzeitige Festlegung auf eine berufliche Identität und zielstrebige Verfolgung dieses Ziels werden verlangt. Gerade am Schnittpunkt zwischen (Spät-)Adoleszenz und Erwachsenenalter, also bei den meisten Studierenden zwischen Abschluss der Ausbildung und Eintritt in das Berufsleben, könnten so vermehrt Identitätskonflikte auftreten:
„Es geht um die Bewältigung von Brüchen und deren Überbrückung. (…) Es wird deutlich, dass die Realitätsanforderungen, die von den heutigen Adoleszenten bewältigt werden müssen, immens sind. Ein Übergang in die Erwachsenenwelt ohne psychische Beschädigungen gelingt offenbar nur wenigen“ (ebd., S.54).
Der Spätadoleszente muss sich definieren, Rollen übernehmen und einen Beruf wählen. Dies unterliegt einer inneren Dynamik, ist aber immer auch ein gesellschaftlich überformter Vorgang (vgl. ebd., S.41). Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass sich ein Individuum im Laufe seines Lebens immer wieder mit Krisen und Brüchen konfrontiert sieht, diese also etwas vollkommen Natürliches, eine Notwendigkeit in der persönlichen Entwicklung sind. Die Frage ist lediglich, wie diese Krisen im je spezifischen Einzelfall bewältigt werden. Der Begriff ‚Krise’ ist also zuallererst als Chance zur Weiterentwicklung zu verstehen, nicht als etwas grundsätzlich Negatives (vgl. Graf/Krischke 2004, S.25f.). Kann jedoch eine Krise nicht angemessen bewältigt werden, so tritt ein Gefühl von Diskontinuität und Ungleichheit auf und eine Regression auf längst überwunden geglaubte frühere Konflikte kann auftreten. In dieser Zeit kann eine akute Identitätsverwirrung Teil eines normalen Entwicklungszustandes sein, während deren Verlauf sich der Spätadoleszente „wie in der frühen Kindheit ohne Zeitgefühl wahrnehmen und eine umfassende Versorgung einfordern“ (ebd., S.43) kann (vgl. ebd., S.43).
Doch dies ginge an dieser Stelle zu weit; es genügt, ein Erklärungsmodell für krisenhaftes Geschehen im Übergang vom späten jugendlichen bzw. frühen Erwachsenenalter zum endgültigen Erwachsenenstatus zu haben. Auf die daraus resultierenden klinischpsychotherapeutischen Phänomene kann und soll in dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Festzuhalten ist, dass sich Studierende vor dem Eintritt in das Berufsleben in einer krisenhaften und unsicheren Phase in Bezug auf ihre Identität befinden. Diese Identität ist, wie bereits eingangs erläutert und was die Erikson’sche Bezeichnung psychosoziale Identität bereits impliziert, einerseits von intrapsychischen Prozessen, auf der anderen Seite aber auch von der Umwelt bestimmt (vgl. Erikson 1977, S.16-18). Die psychische Komponente ist „(…) ein subjektives Gefühl wie auch eine objektiv feststellbare Eigenschaft persönlicher Gleichheit und Kontinuität“ (ebd., S.16); die soziale Komponente wird repräsentiert durch die Gemeinschaft, in der der Mensch lebt, denn „[d]as Ich ist nie eine Insel“ (ebd., S17).
2.1.4 Sozialisation und Identität
Durch die Darstellung von Eriksons Konzept sollte verdeutlicht werden, warum die Phase kurz vor dem Berufseintritt für die Entwicklung junger Menschen von besonderer Bedeutung ist und dass zu bewältigende Konflikte und Krisen eine hohe Auftretenswahrscheinlichkeit haben. Das Modell liefert jedoch kaum konkrete Anhaltspunkte zur empirischen Umsetzung und Untersuchung der bedeutsamen Geschehnisse. Vielmehr kann es als Erklärungsmodell vorhandener psychischer Probleme bei Studierenden genutzt werden.4 Will man jedoch ein Modell zur Hand haben, mit dem spezifische Komponenten des Erikson’schen Umweltbereichs sondiert werden können, so leistet das Sozialisationsmodell von Wolfgang Lempert wertvolle Hilfe.
So soll nun erst einmal die bereits oben erwähnte Verwandtschaft von Konzepten zur Identität und jenen zur Sozialisation näher beleuchtet werden. Erikson spricht bei seiner Identitätsgenese von einer sich entwickelnden Konfiguration: „Eine Konfiguration, die allmählich konstitutionelle Gegebenheiten, höchst persönliche Bedürfnisse, bevorzugte Fähigkeiten, wichtige Identifikationen, wirksame Abwehren, erfolgreiche Sublimierungen und konsequente Rollen integriert“ (Erikson 1998, S.97, Herv. O.S.). Demgegenüber versteht Wolfgang Lempert Sozialisation als „(…) die Prozesse und Ergebnisse der Auseinandersetzung der Person mit ihrer sozialen Umwelt und mit sozial gestalteten gegenständlichen Handlungsbedingungen, soweit diese Auseinandersetzung sich in der Persönlichkeitsentwicklung (als Entfaltung, Verfestigung oder Veränderung, unter Umständen auch Verkümmerung) niederschlägt“ (Lempert 2006, S.2). Zwischen beiden Begriffsdefinitionen ist große Ähnlichkeit zu erkennen. Der Unterschied zwischen beiden Definitionen besteht lediglich in der stärkeren Betonung des Ich, der persönlichen Bedürfnisse des Individuums, bei Erikson. Bei Lempert, einem Soziologen, ist die Persönlichkeit selbst natürlich um ein Vielfaches mehr sozial bedingt. Die Konfrontation mit der sozialen Umwelt wird bei beiden jedoch ähnlich umschrieben. Aus beiden Definitionen kann kombiniert werden, dass Sozialisation der Prozess der Entwicklung der Identität (bzw. Persönlichkeit) ist. Der Begriff der Identität kann dabei eher als subjektives Empfinden eines Individuums betrachtet werden, das Konzept der Persönlichkeit ist mehr von der Position eines externen Beobachters aus gesehen. Hilfreich ist die Kombination deshalb, weil durch Erikson die spezielle Krisenbehaftetheit der Spätadoleszenz erklärt wird und man mit Lempert ein hilfreiches Modell zur Untersuchung dieses Phänomens bekommt.
2.1.5 Wolfgang Lemperts interaktionistisches Sozialisationsmodell
Folgende Abbildung soll einen ersten Eindruck des Lempert’schen Sozialisationsmodells vermitteln (Abbildung 1):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zusammenfassung der interaktionistischen Rahmenkonzeption (Quelle: Lempert 2006, S.41)
Lempert geht davon aus, dass während des Prozesses der Sozialisation soziale Umweltstrukturen und individuelle Persönlichkeitsstrukturen miteinander interagieren und sich somit wechselseitig beeinflussen: Berufliche und betriebliche soziale Umwelten und die darin arbeitenden und lernenden Personen werden also gegenseitig durch die je andere Seite verändert und treten einander in multikausalen Beziehungen gegenüber. So sind beide Komponenten Bedingungen und Auswirkungen der Sozialisation zugleich (vgl. Lempert 2006, S. 32f.). Lempert gliedert sowohl die Umweltperspektive als auch den Persönlichkeitsaspekt in drei Unterebenen. Auf Seite der Umwelt sind dies die Makro-, Mesound Mikroebene. Auf der Makroebene fungieren soziale Systeme (z.B. das Erziehungssystem), auf der Mesoebene Institutionen und Organisationen (z.B. Universitäten) und auf der Mikroebene Personen, also Interaktionspartner oder –beziehungen (vgl. Ziegler 2004, S.32-37). Auf Seite des Individuums stellt er die drei Komponenten ‚fachliche Qualifikationen und Kompetenzen’, ‚arbeitsund berufsbezogene soziale Kompetenzen und Orientierungen’ und ‚allgemeine Persönlichkeitsmerkmale’ vor. Diese Bereiche interagieren wiederum untereinander, beeinflussen sich also wechselseitig (vgl. insges. Lempert 2006, S. 28-33). Zur Erklärung der wechselseitigen Beeinflussung von Umwelt (U) und Persönlichkeit (P) fügt Lempert als eine Art ‚Schnittstelle’ zwischen beiden eine dritte Ebene ein: Prozesse als Aspekte der sozialisierenden U-P- Interaktion. Diese werden wiederum in Operationen und Phasen/Bereiche unterteilt. Auf Seite der Operationen stehen die drei Komponenten Wahrnehmung/Deutung, Verarbeitung und Verhalten/Handeln. ‚Phasen und Bereiche’ stellen bedeutsame Institutionen der Sozialisation dar.
2.1.6 Synthese
Mit diesem Modell können also hervorragend einzelne Teilbereiche des hochkomplexen Modells ‚Sozialisation’ (bzw. Identitätsentwicklung) sondiert werden und deren wechselseitige Einwirkung aufeinander untersucht und erklärt werden. Die Erklärungskraft auch für Eriksons Identitätskonzept soll noch einmal an Hand des folgenden Zitates unterstrichen werden:
„Entscheidende Impulse für psychosoziale Entwicklungen kommen von außen, aus der sozialen Umwelt, so dass insbesondere das Verhältnis ihrer Komplexität zu ihrer Wahrnehmung durch die Sozialisanden deren je gegebene Lernund Entwicklungschancen bestimmt. Wie schon weiter oben betont wurde, ist dabei davon auszugehen, dass diese Anregungspotenziale bei mäßiger Ü- berforderung, sei es durch etablierte Autoritäten, sei es durch die Struktur zu lösender Aufgaben, besonders hoch sind, während Unterforderung Stillstand und krasse Überforderung möglicherweise sogar Regressionen, das heißt Rückentwicklungen nach sich ziehen“ (Lempert 2006, S.37).
Je nach subjektiver Wahrnehmung des Umwelteinflusses können also verschiedenartige Reaktionen auftreten. Kombinieren wir nun beide Ansätze, so kann formuliert werden: Die Phase der Spätadoleszenz, also kurz vor dem Einstieg in das Berufsleben, bietet vermehrtes Krisenpotenzial. Die Einflussgrößen dieser Krise und die daraus resultierenden Auswirkungen können mit Lemperts Sozialisationsmodell identifiziert und differenziert werden.
2.2 Gestaltung der Untersuchung
2.2.1 Zugrunde liegende These
Die dieser Arbeit zugrunde liegende These ist somit Folgende: In der Zeit vor Beendigung des Studiums sind zukünftige Universitätsabsolventen besonders anfällig für entwicklungsbedingte Krisen. Werden Anforderungen an sie gestellt, die (subjektiv) überhöht oder aber widersprüchlich und diffus sind, so kann daraus ein Gefühl von Überforderung und Unsicherheit resultieren. So soll also untersucht werden, wie die Anforderungen des Arbeitsmarkts an Studierende (als Komponente der Makroebene des Umweltbereichs) subjektiv interpretiert und verarbeitet werden. Es wird vermutet, dass die Wahrnehmung und Interpretation dieser Anforderungen wesentlich von der Wahl des Studienfachs und dessen späteren Jobchancen sowie der Klarheit des zukünftigen Berufsbilds abhängen.
2.2.2 Relevante Sozialisationsstrukturen
Aus Lemperts Sozialisationsmodell werden auf Umweltseite die Makround die Mikroebene zur Erklärung der Wirkung der Anforderungen des Arbeitsmarkts herangezogen. Die Mikroebene erscheint als wichtig, da diese die persönlichen Interaktionspartner und –beziehungen repräsentiert und dort somit im Austausch mit dem Individuum von der Umwelt gestellte Rollenerwartungen reflektiert und verarbeitet werden. Hier sind laut Ziegler vor allem so genannte diffuse Beziehungen sozialisationsrelevant, da diese global und nicht auf eine oder wenige Rollenbeziehungen beschränkt sind, sondern mehrheitlich von einer Person und deren Persönlichkeit an sich abhängen. Bei strukturell rollenförmigen Beziehungen ist im Gegensatz dazu der Interaktionspartner austauschbar, die Funktion der Rolle steht dabei im Vordergrund (vgl. Ziegler 2004, S.33). Als diffuse Beziehungen sind also beispielsweise Freundschaften anzusehen. Die Makroebene soll in die Analyse mit einbezogen werden, da hier die das Wirtschaftssystem an sich verortet ist (vgl. Lempert 2006, S. 41), über das dann die Erwartungen des Arbeitsmarkts kommuniziert werden. Die Mesoebene (in diesem Fall die Sozialisationsinstanz Universität (vgl. Ziegler 2006, S.34)) wird implizit mit eingeschlossen, da die Studenten an diesem Ort naturgemäß viel Zeit verbringen und sie so durch Erwartungen und Strukturen und vor allem durch Interaktion mit Beschäftigten und Kommilitonen in ihrer Wahrnehmung und Deutung der Anforderungen intensiv beeinflusst werden.
Auf der Seite des Individuums sollen nicht die direkten Auswirkungen der Umweltbedingungen auf die Persönlichkeit untersucht, sondern vielmehr die Prozesse der Interaktion und Verarbeitung beleuchtet werden, also namentlich die drei Operationen Wahrnehmung, Verarbeitung und Verhalten und Handeln. Dies geschieht, weil die Auswirkungen der Anforderungen des Arbeitsmarkts (als minimaler Teilaspekt der beruflichen Sozialisation) auf die Persönlichkeitsstruktur nur schwerlich zu untersuchen wären. Sehr wohl zu untersuchen ist jedoch die subjektive Wahrnehmung, die Verarbeitung und, mit Einschränkungen, das daraus resultierende Verhalten und Handeln. Auch die Phasen der beruflichen Sozialisation sollen außer Acht gelassen werden, da diese für das angestrebte Untersuchungsziel weniger relevant sind.
2.2.3 Konzeption der Untersuchung
Diese soeben genannten Bereiche sollen in der Art und Weise untersucht werden, als dass der Umweltbereich in seiner Gesamtheit als unabhängige Variable und die darauf fußenden Interaktionsprozesse als davon abhängige Variable angesehen werden. Operationalisiert wird die unabhängige Variable durch die Anforderungen des Arbeitsmarkts, die durch Presseberichte und anderweitige Veröffentlichungen vermittelt werden. Die zu befragenden Personen sollen mit diesen konfrontiert werden und die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Anforderungen soll abgefragt und analysiert werden.5 Bei der Konzeption der Untersuchung wurde sich weitestgehend an David Mayrings Darstellung der Gruppendiskussion orientiert (vgl. Mayring 2002, S.76-80).6 Diese Form der Untersuchung wurde gewählt, da viele subjektive Bedeutungsstrukturen so stark in soziale Zusammenhänge eingebunden sind, „dass sie nur in Gruppendiskussionen erhebbar sind“ (Mayring 2002, S.77). So entstehen viele Bedeutungsstrukturen, gerade zu so etwas Ungewissem wie späteren Arbeitsmarktchancen, erst in sozialen Situationen und Alltagsdiskussionen (vgl. ebd., S.77). Die zu bildenden Gruppen sollen nach Mayring möglichst auch im Alltag als solche bestehen und aus rund fünf bis 15 Teilnehmern bestehen (vgl. ebd., S.77). Aus ökonomischen Erwägungen und wegen des explorativen Charakters dieser Untersuchung wurde die Gruppengröße auf vier Teilnehmer beschränkt. Die andere Prämisse wurde jedoch beibehalten: Die Teilnehmer der Diskussion waren alle untereinander bekannt, wenn nicht befreundet. Hiermit wird gleichzeitig der Mikroebene im Lempertschen Sozialisationsmodell Rechnung getragen: Freunde tauschen sich untereinander über externe Rollenerwartungen aus und konstruieren so Sozialisationsstrukturen.
Um die Vermutung der unterschiedlichen Interpretation abhängig vom Studiengang und dessen späteren Berufsaussichten zu überprüfen, wurde eine Gruppe mit relativ guten Berufschancen (Maschinenbaustudenten) und eine Gruppe mit etwas schlechteren Jobaussichten und diffuserem Berufsbild (Studierende der Geistesund Sozialwissenschaften) ausgewählt.7
Beide Gruppen studieren an der RWTH Aachen, die eine im Diplomstudiengang Maschinenbau, die andere Gruppe wird repräsentiert durch Bachelorstudierende verschiedener Fächer an der Philosophischen Fakultät. Zwar wird durchaus auch vermutet, dass Art und Aufbau des Studiengangs (Diplom/Bachelor) einen Einfluss auf die Interpretation der Anforderungen haben kann, da jedoch Studierende kurz vor dem Abschluss gesucht wurden, war die Auswahl anders nicht möglich: Der Bachelorstudiengang Maschinenbau wurde erst im Wintersemester 2007/2008 eingeführt und so sind die ersten Bachelorstudierenden erst im zweiten Semester. Bei den Diplomstudierenden wurde darauf geachtet, dass diese das Vordiplom bereits abgeschlossen hatten und somit der Berufseinstieg in Kürze naht. Die Bachelorstudierenden waren allesamt im sechsten Semester, standen also kurz vor ihrem Abschluss. Hier verhält es sich genau andersherum: Da die neuen gestuften Studiengänge bereits vor drei Jahren (WS 2005/2006) eingeführt wurden, sind nur noch vereinzelt Diplomund Magisterstudenten anzutreffen. Für die Untersuchung wurden ganz bewusst nur männliche Teilnehmer rekrutiert, da vermutet wird, dass das Geschlecht leider immer noch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Arbeitsmarktchancen hat.8 Des Weiteren ist eine geschlossene Gruppe von Frauen bei einem Frauenanteil nur 10,1 Prozent im Maschinenbaustudium (vgl. Pressestelle der RWTH Aachen 2008, S.42) nur schwerlich zu finden. Folgendes Ablaufmodell soll zum Verständnis beitragen (Abbildung 2):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Ablaufmodell der Gruppendiskussion (nach: Mayring 2002, S.79)
Die Formulierung der Fragestellung wurde in Abschnitt 2.2.1 vorgestellt, die Gruppenbildung wurde gerade eben dargestellt. Zur Darbietung des Grundreizes wurden für das Thema exemplarische Äußerungen aus Zeitungsartikeln und anderen Publikationen (Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit, Unternehmensumfrage der IHK) zu Anforderungsprofil und allgemeinen Jobchancen von Hochschulabsolventen auf zwei Seiten zusammengestellt. Hohe Anforderungen und für Studierende möglicherweise verunsichernde Aussagen waren dabei nicht schwer zu finden. Jedem Diskussionsteilnehmer wurde ein solcher Bogen ausgeteilt9; nachdem diesen alle gelesen hatten, startete die Diskussion. Als weitere Reizargumente, zum Beispiel bei Stocken der Diskussion, wurde noch einmal konkret auf einzelne besonders kontrovers diskutierte Statements oder auf sich herauskristallisierende Sorgen und Bedenken seitens der Teilnehmer eingegangen. Auf der Basis dieser Gruppendiskussion wurde ein „zusammenfassendes Protokoll“ (vgl. Mayring 2002, S.94) erstellt.10 Dies hat den Vorteil einer besseren Lesbarkeit und ökonomischerer Vorgehensweise als ausführlichere Protokollierstile. Zusätzlich hierzu sollte vor der Diskussion noch von jedem Teilnehmer ein teilstandardisierter Fragebogen zu Bildungsweg, persönlichem Qualifikationsstand, biographischem Hintergrund und subjektiv empfundener Berufschancen ausgefüllt werden.11
Doch vor Beginn der eigentlichen Analyse der Gruppendiskussion soll durch Auswertung verschiedener Arbeitsmarktanalysen der Bundesagentur für Arbeit ein realistisches Bild der Chancen der beiden Berufsbilder auf dem Arbeitsmarkt und dessen Anforderungen gezeichnet werden.
2.3 Arbeitsmarktanalyse der beiden Studiengänge
2.3.1 Arbeitsmarktlage Maschinenbau
Angesichts der sich positiv entwickelnden Wirtschaftskonjunktur waren Ingenieure im Erhebungsjahr 2006 eine der gefragtesten Berufsgruppen überhaupt (vgl. Arbeitsmarkt kompakt- Gesamtüberblick, S.15). Einen ‚Ingenieurmangel’ bekommen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen zu spüren, die nicht so viel Energie auf umfangreiche Rekrutierungsmaßnahmen verwenden können wie die Großen der Branche (vgl. ebd., S.15). Diese Entwicklung kann mit dem Maß der ‚kritischen Vakanzzeit’ untermauert werden: Diese drückt den Anteil der Stellen an den ausgeschriebenen Stellen aus, die nach sechs Monaten immer noch nicht besetzt waren. Diese lag 2006 bei den Maschinenbauingenieuren bei 22,6 % gegenüber 16 % aller bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten Stellen, für spezielle Untergruppen des Maschinenbaus wie der Luftund Raumfahrttechnik lag die kritische Vakanz sogar bei 50 % (vgl. Arbeitsmarkt kompakt-Ingenieure, S.12). So nahmen im Bezugszeitraum 2005 bis 2006 die ausgeschriebenen Stellen für Maschinenbauingenieure in Tageszeitungen um knapp 35 % zu (vgl. ebd., S.10) und in diesem Zeitraum wurden 20 000 neue Stellen besetzt (vgl. ebd, S.11). Eine weitere Bestätigung hierfür gibt ein Arbeitsmarktbericht aus dem Jahr 2002: „Trotz Konjunkturflaute und rückläufigen Stellenangeboten gehö- ren Maschinenbauingenieure zu den gefragtesten und am stärksten umworbenen Kräften am Arbeitsmarkt. Denn die gesuchten jungen, sofort einsetzbaren Maschinenbauingenieure mit profunden Kenntnissen über die neuesten Technologien stehen zurzeit nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung“ (vgl. Arbeitsmarktinfo Maschinenbau, S.24). So ließen Großunternehmen teilweise durch Headhunter nach qualifizierten Studenten in den Abschlusssemestern von Universitäten suchen und unterbreiteten ihnen einen gut dotierten Arbeitsvertrag zum Berufseinstieg (vgl. ebd., S.24). Nach Durchwanderung einer Talsohle im Jahr 2004, bedingt durch die konjunkturelle Flaute ab dem Jahr 2000, befindet sich die Branche umso mehr im Aufschwung (vgl. Arbeitsmarkt kompakt-Ingenieure, S.11). Die Beschäftigungszahlen bei Maschinenbauingenieuren sind seit 2000 nahezu unverändert geblieben. Dies ist jedoch nicht als Zeichen der Stagnation, sondern vielmehr als eines der Stabilität zu werten: Im gleichen Zeitraum ging die Beschäftigung bei Architekten und Bauingenieuren um nahezu ein Fünftel zurück (vgl. ebd., S.14). Ein Viertel der derzeit abhängig beschäftigten Maschinenbauer ist über fünfzig, was bei gleich bleibenden Studierendenzahlen zu erheblichen Nachwuchsproblemen führen kann (vgl. Arbeitsmarkt kompakt-Ingenieure, S.14f.); demgegenüber sind lediglich acht Prozent der beschäftigten Maschinenbauingenieure jünger als 30 Jahre (vgl. ebd., S.15). Die Arbeitslosenquote bei Maschinenbauingenieuren betrug 2005 laut dem Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) immerhin 9,1 %, sollte sich für das Jahr 2007 aber halbieren, wenn nicht sogar nur ein Drittel dessen betragen (vgl. IAB 2008a). Diese Quote ist zu verstehen als der Anteil der Arbeitslosen mit diesem Zielberuf in Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Beruf plus Arbeitslose mit diesem Zielberuf.12
2.3.2 Anforderungen Maschinenbau
Wie bereits in der Einleitung ausgeführt, sollen an dieser Stelle lediglich die geforderten nichtfachlichen Qualifikationen untersucht werden und nicht die vorzuweisende fachliche Ausbildung, die natürlich traditionell einen hohen Stellenwert hat. Laut Stellenanalyse der Bundesagentur für Arbeit zeigte sich die hohe Bedeutung der außerfachlichen Kompetenzen in fast allen Stellenangeboten (vgl. Arbeitsmarkt kompakt-Ingenieure, S.16). Teamfähigkeit und Flexibilität waren am häufigsten erwünscht, gefolgt von Verantwortungsbewusstsein und Organisationsfähigkeit (vgl. Arbeitsmarkt kompakt-Ingenieure, S.16f.). Zur Veranschaulichung soll folgende Abbildung dienen (Abbildung 3):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Von Maschinenbauingenieuren geforderte Softskills (Quelle: Arbeitsmarkt kompakt-Ingenieure, S. 16)
Die schon oben genannte Publikation aus dem Jahr 2002 drückt die Anforderungen um einiges drastischer aus: „Die Anforderungen an Maschinenbauingenieure sind trotz des Mangels an Nachwuchskräften keineswegs gesunken. Im Gegenteil, in den Stellenangeboten werden häufig sehr hohe und sehr spezielle Anforderungen genannt, von denen die Unternehmen selten abrücken“ (Arbeitsmarktinfo Maschinenbau, S.39). So hätten Bewerber ohne fundiertes Fachwissen, Zusatzqualifikationen, Fremdsprachen-, Projektmanagementund aktuellste IT- Kenntnisse keine großen Chancen (vgl. ebd., S.39). Außerdem werde Grundwissen aus anderen Fachgebieten wie der Betriebswirtschaft, des Rechtswesens, des Marketings und Projektmanagements ebenso erwartet wie exzellente fachliche Qualifikationen (vgl. ebd., S.40). Die meisten Arbeitgeber erwarteten „sehr gutes – wenn nicht sogar verhandlungssicheres – Englisch. Eine zweite oder dritte Fremdsprache kann im Einzelfall erforderlich werden“ (Arbeitsmarktinfo Maschinenbau, S.40). Nicht zuletzt begünstigten Praktika, Auslandsaufenthalte und ein zügig absolviertes Studium, also ein junges Alter des Bewerbers, den raschen Einstieg in den Arbeitsmarkt (vgl. ebd., S.41). Nimmt man einmal die Perspektive zukünftiger Arbeitgeber ein, so werden diese Erkenntnisse noch bestätigt (vgl. DIHK 2004). Um es auf einen Punkt zu bringen: „Die so genannten soft skills scheinen sich in der Bewertung der Unternehmen immer mehr zu key skills zu entwickeln, offenbar weil hier die größten Defizite ausgemacht werden“ (DIHK 2004, S.4).
2.3.3 Arbeitsmarktlage Geistesund Sozialwissenschaften
Unter dem Begriff ‚Geistesund Sozialwissenschaften’ sollen Fächer wie Soziologie, Politikwissenschaften, Philosophie, Geschichte und ähnliche subsumiert werden. Das Kriterium zur Auswahl der Diskussionsteilnehmer war, dass die Befragten allesamt Studierende der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen sein sollten. So ergaben sich die Fächerkombinationen Politikwissenschaften/VWL, Soziologie/Betriebspädagogik und Wissenspsychologie, Politikwissenschaften/Geschichte und Soziologie/Geographie. Da die spezifischen Berufsaussichten der je einzelnen Kombinationen nur vage geschätzt werden könnten, wurden zur Auswahl die Arbeitsmarktberichte ‚Arbeitsmarkt kompakt für Sozialwissenschaftler’, ‚Arbeitsmarkt kompakt für Geisteswissenschaftler’ und ‚Arbeitsmarktinformation Sozialwissenschaftliche Berufe’ kombiniert verwendet.
Genauso wie auf dem Gesamtarbeitsmarkt hat sich auch auf dem Arbeitsmarkt für Geistesund Sozialwissenschaftler der konjunkturelle Aufschwung bemerkbar gemacht; so sank die Arbeitslosigkeit in beiden Bereichen im Zeitraum 2005-2006 um ca. 22% (vgl. Arbeitsmarkt kompakt-Gesamtüberblick, S.19; S.21). Wirft man wiederum einen Blick auf die kritische Vakanzzeit, so liegt diese mit ca. 10% deutlich niedriger als bei den Maschinenbauern, was darauf schließen lässt, dass kaum Mangel an Bewerbern besteht (vgl. Arbeitsmarkt kompakt- Sozialwissenschaftler, S.9, Arbeitsmarkt kompakt-Geisteswissenschaftler, S.13). Im Jahr 2005 lag die Quote arbeitslos gemeldeter Wirtschaftsund Sozialwissenschaftler bei 27,4%, für das Jahr 2007 lässt sich ein Wert von ungefähr 16,9% prognostizieren (Berechnung auf Basis von Zahlen des IAB: vgl. IAB 2008b); bei den Geisteswissenschaftlern (z.B.: Germanisten, Romanisten, sonst. Philologen, Philosophen, Historiker, Archäologen, Musik-, Theaterwissenschaftler) liegen die Zahlen noch höher: 41,4% 2005, 28,8% 2007 (vgl. IAB 2008c). Zieht man eine andere Kategorisierung des IAB zu Rate, nämlich die Gruppe der Medien-, geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Berufe, so beträgt die Quote 2005 20% und 2007 (prognostiziert) 15,7% (vgl. IAB 2008d). 20 Prozent der arbeitslosen Geistesund Sozialwissenschaftler waren in der Altersgruppe von 20-29 Jahren, was annähernd im Schnitt des Gesamtarbeitsmarkts liegt (vgl. Arbeitsmarkt kompakt-Sozialwissenschaftler, S.5; Arbeitsmarkt kompakt-Geisteswissenschaftler, S.10). Wiederum sind sämtlich aufgeführten Arbeitslosenquoten zu verstehen als Anteil der Arbeitslosen mit diesem Zielberuf in Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Beruf plus Arbeitslose mit diesem Zielberuf.
[...]
1 sh. hierzu insbesondere die Punkte 2.3.2 und 2.3.4
2 vgl. z.B. die Identitätsgenese nach Mead, Krappmann, Goffman.
3 vgl. z.B. die berufliche Sozialisation nach Lempert; hierauf wird im Folgenden noch eingegangen.
4 vgl. hierzu das Buch von Graf/Krischke.
5 vgl. hierzu Schnell/Hill/Esser 2005, S.129-137.
6 für eine detailliertere Darstellung von Gestaltung, Anwendungsmöglichkeiten und Implikationen der Gruppendiskussion sh. auch Lamnek 1995, S.125-168.
7 sh. hierzu die später folgende Analyse der Arbeitsmarktsituation, 2.3
8 vgl. hierzu z.B. Engelbrech 2002 und die im Literaturverzeichnis aufgeführten Arbeitsmarktanalysen der Bundesagentur für Arbeit
9 Im Anhang (1) ist ein Exemplar des ‚Reizbogens’ zu finden.
10 Die beiden Gesprächsprotokolle sind ebenfalls im Anhang (2;3) zu finden.
11 Für ein ausgefülltes Muster sh. Anhang (4).
12 Da nun die meisten folgenden Zitate Publikationen der ZAV der Bundesagentur für Arbeit entnommen sind, wird zur besseren Nachvollziehbarkeit der Quellenangaben im Folgenden nicht der Herausgeber bzw. Autor angegeben werden, sondern der Titel der Publikation.
- Arbeit zitieren
- BA Oliver Schadow (Autor:in), 2008, Subjektive Wahrnehmung von Arbeitsmarktanforderungen bei Studierenden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118691
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