Der "Bauernjörg" des Heiligen Römischen Reichs. Georg III von Waldburg-Zeil gegen den bäuerlichen Widerstand


Hausarbeit, 2021

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Herrschaft des Georgs von Waldburg und Beweggründe zur Kriegserklärung gegen die Bauern

3. Legitimation der Kriegserklärung

4. Vorgehensweise im Krieg

5. Zusammenfassung und Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Georg III. von Waldburg-Zeil, auch genannt Georg Truchsess Freiherr zu Waldburg, fand als regionale Heldenfigur Einzug „in die literarische Welt der Romane und [...] geschichtswissenschaftlichen Handbücher“1 unter folgender Bezeichnung: Der Bauernjörg.

Als sich im Heiligen Römischen Reich im Jahr 1525 zahlreiche Gruppierungen von Bauern gegen Ihre Herrschaften erhoben, kam Georg von Waldburg seinem Auftrag, die aufständischen Untertanen niederzuwerfen, schnell und erfolgreich nach.2 Der frühneuzeitliche Historiker Peter Blickle, dessen Forschungsschwerpunkt auf dem Deutschen Bauernkrieg lag, stellt in seinem Werk Der Bauernjörg - Feldherr im Bauernkrieg einleitend fest: „gegen Ende des Jahres 1525 hatte sich die Auffassung durchgesetzt, Georg von Waldburg habe mit der Niederwerfung der Bauern, die Zehntausende das Leben kostete, eine in jeder Hinsicht rühmenswerte Tat zur Sicherung der Reichsverfassung vollbracht“3. Auch Kaiser Karl V. habe ihn „als Retter des Reiches gepriesen“4, denn er habe „den größten Aufstand niedergeworfen, den Europa vor der Französischen Revolution erlebt hat“5. Galt er für die Obrigkeiten als heldenhafter Wiederhersteller der Reichsordnung, so stellte er für die aufständischen Untertanen einen Gegner dar, der „psychischen und physischen Terror“6 anwendete und „sinnlos und lustvoll [mordete]“7. Im Laufe der Zeit bildeten sich somit verschiedene Ansichten über den Bauernjörg heraus: vom glorreichen „Sieger über den anarchischen Pöbel der Straße“8 bis zum skrupellosen „Schlächter der Bauern“9. In dieser Arbeit soll untersucht werden, was Georg von Waldburg dazu bewegte, den Krieg gegen die Bauern als oberster Feldhauptmann selbst zu führen, und welche Vorgehensweisen im Kriegsgeschehen ihm den Ruf des Bauernschlächters einbrachten. Daraus resultierend soll beurteilt werden, inwieweit der Status des Bauernjörgs als Retter des Reiches, oder doch als Schlächter der Bauern, gerechtfertigt ist.

Um die Beweggründe Georgs von Waldburg zu beleuchten, wird zunächst betrachtet, welches Verständnis er als „Herr mehrerer oberschwäbischer Herrschaften“10 von Obrigkeit und Leibeigenschaft hatte, und welche prägenden Erfahrungen er auf militärischer Ebene vor Beginn des Bauernkrieges sammelte. Abschließend wird seine Vorgehensweise im Krieg dargestellt. Dafür soll zunächst geklärt werden, wie er die Kriegserklärung gegen die eigenen Untertanen zu legitimieren versuchte, um anschließend genauer zu betrachten, mit welchen Mitteln er gegen die Aufständischen vorging.

Die neueste Publikation zur Person des Georg von Waldburg (fortan auch Georg Truchsess) stellte Peter Blickle mit Der Bauernjörg - Feldherr im Bauernkrieg zur Verfügung. Er erhielt Zugang zum Fürstlich Waldburg-Wolfegg'schen Archiv in Schloss Wolfegg und konnte dieses als empirische Basis für sein Werk nutzen.11 Laut Blickle sind „zweihundert Jahre Bauernkriegsforschung [...] eigentlich ohne eingehende Berücksichtigung des Krieges vorbeigezogen“12. Er wolle das Ereignis „gleichsam von der gegenüberliegenden Seite aus [...] betrachten“13, das heißt von der Seite der Obrigkeiten. „Was sie [die Bauern] zum Aufstand getrieben hatte, stieg [seit der Deutschen Revolution von 1848] zur forschungsleitenden Frage auf“14. Blickle wolle nun hinterfragen, „warum und mit welchem Recht [.] Krieg gegen die Bauern geführt“15 wurde. Dafür bezieht er sich zum einen auf die von Georg Truchsess in Auftrag gegebene Chronik der Truchsessen von Waldburg, geschrieben von Matthäus von Pappenheim.16 Außerdem beruft er sich auf die von einem anonymen Autor verfasste Schrift Der Schreiber des Truchsessen Georg von Waldburg.17 Für Blickle bestehe kein Zweifel, dass „der Anteil Jörg Truchsess' am Zustandekommen der Truchsessen-Chronik, [.], weit größer ist als der eines bloßen Auftraggebers“18. Auch Der Schreiber des Truchsessen ließe einen „starken Einfluss Jörg Truchsess' auf diesen Text“19 erkennen. Jedoch müsse noch erforscht werden, „in welcher Form und in welchem Umfang Jörg Truchsess seine Biographie[n] geprägt hat“20. Die Verschachtelung der zwei Schriften führe „in das Grenzgebiet von Adels-, Selbstzeugnis- und Memorialforschung“21 und sei „möglicherweise von einem Potential, das ein Forschungsprojekt trägt“22. Bezüglich der Glaubwürdigkeit der Quelle stellt Blickle abschließend fest: „Nahezu alle in der Truchsessen-Chronik über Georg von Waldburg mitgeteilten Informationen lassen sich durch Urkunden und Akten verifizieren“23.

Zu den weiteren bedeutenden Werken über den Truchsessen zählen zwei Biographien aus dem 19. Jahrhundert: Die Biographie des Truchsessen Georg III. von Waldpurg, veröffentlicht von Johann Bodent und Kasimir Walchner 1832, und die Geschichte des Fürstlichen Hauses Waldburg in Schwaben, veröffentlicht von Joseph Vochezer in drei Bänden (1888,1900,1907).24 Die Dissertation von Virginia Marie Easley DeMarce von 1967 stellt laut

Blickle nicht nur die „seit Vochezer umfassendste, sondern auch ihres intellektuellen Niveaus wegen beste Arbeit über Georg von Waldburg“25 dar. In Deutschland sei sie jedoch „bedauerlicherweise [...] kaum bekannt geworden“26. Alle drei Werke hat Blickle zur Erstellung seiner Monographie zu Rate gezogen.

2. Herrschaft des Georgs von Waldburg und Beweggründe zur Kriegserklärung gegen die Bauern

Georg III. von Waldburg-Zeil, geboren im Jahr 1488 in Waldsee,27 Übernahm mit seinem Regierungsantritt 1511 die Herrschaft über die schwäbischen Gebiete Waldburg, Wolfegg, Waldsee, Zeil und Wurzach. Seine Untertanen standen in dreifacher Abhängigkeit zu ihrem Herrn:28 Die Höfe waren „nicht ihr alleiniges Eigentum“29, man spreche daher „von einem dominum utile (einem Nutzungsrecht des Bauern) und einem dominum directum (einem Obereigentum des Herrn)“30. Sie unterstanden „der Gerichtshoheit Georgs von Waldburg“31, und „Eigentum besaßen [sie] nicht einmal an ihrer eigenen Person“32. Sie waren also Leibeigene.33 Leibeigenschaft definierte sich zu Zeiten Georgs von Waldburg wie folgt: „[Sie] erlaubt massive Eingriffe in bäuerliche Vermögen [.], beschränkt die Heiratsmöglichkeiten [und] verpflichtet zu Fronen [.] und Rekognitionsabgaben [.]“34. Selbst „Freie im Interessengebiet Georgs von Waldburg [.] wurden veranlasst, sich in die Leibeigenschaft zu ergeben“35. „Sein Verständnis von Obrigkeit“36 ließ sich in vier Begriffen ausdrücken: „natürlicher Herr, Eigenleute, Eid und Gebot [.]. Gewissermaßen qua Naturrecht (natürlicher Herr) übte er über inferiore Menschen, nämlich Leibeigene (Eigenleute), eine von diesen sakral bekräftigte (Eid) unbeschränkte Macht (Gebot) aus“37. Blickle stellt fest, was Gehorsam und Obrigkeit anbelangt, argumentierte Georg Truchsess wie Martin Luther, denn die Herrschaft über seine Untertanen betrachtete er als gottgewollt.38 Erste Spannungen zwischen Herr und Untertanen meint Blickle bereits zum Regierungsantritt Georgs von Waldburg zu erkennen, als „die Stadt Waldsee die an sich schuldige Huldigung verweigerte“39, aufgrund seiner „frühere[n] Eingriffe in die Freiheiten der Stadt“33. Fünf Jahre später, und somit neun Jahre vor Beginn des Bauernkrieges, kam es bereits zu einem ersten „Aufstand der Gemeinde [Waldsee] gegen den Rat“34.

Erstes Interesse an militärischen Auseinandersetzungen zeigte Georg von Waldburg bereits 1499, im Alter von elf Jahren, während des Schwabenkrieges.35 Joseph Vochezer schreibt: „da entlief Jörg, um einen Herrn zu suchen, dem er den Spieß nachführen dürste“36. Während des Landshuter Erbfolgekrieges 1504 „erhielt er den Harnisch und führte selbstständig Haube und Spieß“37. Im Dienste Herzog Ulrichs von Württemberg unterdrückte er 1514 den Armen Konrad, einen Aufstand der herzoglichen Untertanen gegen ihren Herrn. „Der Niederwerfung des Aufstands folgten viele Festnahmen durch Georg von Waldburg“38. Die Gefangenen wurden „teils unter der Folter verhört und zur Preisgabe von Mitverschworenen [...] gezwungen“39. „Gestraft wurde mit Vierteilen, Ertränken, Enthaupten und Erhängen, Wüsten der Häuser der Schuldigen und Landesverweisung ihrer Frauen und Kinder“47. Blickle sieht diese Aktion als möglichen „Beginn der militärischen Karriere Georgs von Waldburg“48. Als der Schwäbische Bund 1519 Herzog Ulrich Landfriedensbruch vorwarf, stand Georg Truchsess im Dienste Herzog Wilhelms von Bayern, und marschierte als oberster Feldleutnant gegen seinen ehemaligen Herren auf. Als sein Schwiegervater 1520 von fränkischen Raubrittern ermordet wurde, forderte er Hilfe vom Schwäbischen Bund, wurde zum Hauptmann ernannt und nahm erstmals eigenständig mehrere Burgen ein.49 „Die treibende Kraft für den [darauffolgenden] Kriegszug gegen die fränkischen Ritter“50 im Jahr 1523 war Georg Truchsess, den der Mord an seinem Schwiegervater in besonderem Maße motivierte.51 Dafür ausgerüstet wurde er inzwischen vom österreichischen Erzherzog Ferdinand: „Die Bestallung Jörgs Truchsess zum obersten Feldhauptmann über das gesamte Heer [.] gestattete ihm 200 gerüstete Pferde und 16 Wagen, die monatlich mit 10 Gulden (pro Pferd) beziehungsweise 37% Gulden (pro Wagen) vom Bund vergütet wurden. Seine persönliche monatliche Besoldung lag bei 400 Gulden“52. Das entsprach „eine[r] Vergütung, die den Sold eines Landsknechts um das Hundertfache überstieg“53. Georg Truchsess war nun „Oberster Feldhauptmann eines Bundes, dem er selbst nicht angehörte“40. Doch „Kaiser Karls V. Rügen führten endlich dazu, dass [er] sich [...] 1524 zum Beitritt bequemte. Da standen bereits die Bauern des Hegaus unter Waffen“41.

Als sich bereits im Sommer 1524 die Bauern im Hegau und in Stühlingen erhoben, bot Georg Truchsess Erzherzog Ferdinand ein Aufgebot von 100 Pferden auf eigene Kosten an,42 obwohl er auf Anweisung des Habsburgers zunächst „den Weg der Güte und des Rechts und erst zuletzt den der Gewalt bestreiten“43 sollte. Als Herzog Ulrich von Württemberg sich anschickte, ein Bündnis mit den aufständischen Bauern einzugehen, um seine ehemalige Herrschaft zurückzuerobern,44 lautete der Befehl des Habsburgers an Georg Truchsess plötzlich „600 gerüstete Pferde anzuwerben und gegen die Bauern in geeigneter Weise einzusetzen“45. Er sollte sie erstechen oder erwürgen, die Behausungen der Flüchtigen niederbrennen, und deren Frauen und Kinder des Landes verweisen.46 „Die Kriegstheorie der Zeit verlangte von einem Obersten Feldhauptmann [.] dem Kriegsherrn - in diesem Fall Erzherzog Ferdinand und der Schwäbische Bund - durch Freundschaft [.] verbunden zu sein, über Tugend und Beredsamkeit zu verfügen, [.], aber doch auf die Argumente seiner Kriegsräte zu hören“61. Nachdem die Mühlhausener Bauern trotz Verhandlungen weiterhin keinen Gehorsam leisteten, fällte Georg Truchsess am 15. Februar 1525 eigenmächtig eine Entscheidung.62 Er „übermittelte [ihnen] Kapitulationsbedingungen, die man als Kriegserklärung und förmliche Eröffnung des Bauernkrieges wird werten müssen“63. Sollten die Bedingungen nicht erfüllt werden, drohte er mit dem „Verlust von Leib und Leben“64. Denn „den Herren verbietet ihr Verständnis von Macht, sich mit den Anliegen ihrer Untertanen auseinanderzusetzen, wenn sie nicht unterwürfig und in Demut vorgetragen werden. Jörg Truchsess von Waldburg ist nicht nur Vollstrecker dieser Mentalität des Adels, er selbst verkörpert sie - als Landesherr seiner leibeigenen Untertanen [so]wie als Feldherr über ein Heer von Adeligen und Landsknechten“65. Zwei Tage zuvor hatte ihn die Nachricht erreicht, dass sich mittlerweile auch die eigenen Untertanen in der Heimat gegen ihn erhoben hätten.66 Daraus zieht Blickle den Schluss, „Jörg Truchsess habe die Entscheidung für den Krieg getroffen und erzwungen, möglicherweise auch wegen persönlicher Kränkungen“67.

[...]


1 In: Peter Blickle: Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg. München 2015, S. 11.

2 Vgl. Ebd. S. 11.

3 In: Ebd. S. 11.

4 In: Ebd. S. 590.

5 In: Ebd. S. 590.

6 In: Ebd. S. 282.

7 In: Ebd. S. 283.

8 In: Ebd. S. 411.

9 In: Ebd. S. 411.

10 In: Ebd. S. 12.

11 Vgl. Blickle: Bauernjörg, S. 17.

12 In: Ebd. S. 16.

13 In: Ebd. S. 16.

14 In: Ebd. S. 445.

15 In: Ebd. S. 451.

16 Vgl. Ebd. S. 416-417.

17 Vgl. Ebd. S. 423-424.

18 In: Ebd. S. 417.

19 In: Ebd. S. 424.

20 In: Ebd. S. 429.

21 In: Ebd. S. 468.

22 In: Ebd. S. 468.

23 In: Ebd. S. 423.

24 Vgl. Ebd. S. 461.

25 In: Blickle: Bauernjörg, S. 461.

26 In: Ebd. S. 461.

27 Vgl. Joseph Vochezer: Waldburg, Georg III. Truchseß von. In: Allgemeine Deutsche Biographie 40. Leipzig 1896, S. 660.

28 Vgl. Blickle: Bauernjörg, S. 22-23.

29 In: Ebd. S. 23.

30 In: Ebd. S. 23.

31 In: Ebd. S. 24.

32 In: Ebd. S. 24.

33 In: Blickle: Bauernjörg, S. 42.

34 In: Ebd. S. 42-43.

35 Vgl. Vochezer: Waldburg, S. 660.

36 In: Ebd. S. 660.

37 In: Ebd. S. 660-661.

38 In: Blickle: Bauernjörg, S. 48.

39 In: Ebd. S. 48.

40 In: Blickle: Bauernjörg, S. 71.

41 In: Ebd. S. 71-72.

42 Vgl. Ebd. S. 95.

43 In: Vochezer: Waldburg, S. 661.

44 Vgl. Ebd. S. 661.

45 In: Blickle: Bauernjörg, S. 98.

46 Vgl. Ebd. S. 98.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der "Bauernjörg" des Heiligen Römischen Reichs. Georg III von Waldburg-Zeil gegen den bäuerlichen Widerstand
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Friedrich-Meinecke-Institut)
Veranstaltung
Bäuerlicher Widerstand im Heiligen Römischen Reich
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
13
Katalognummer
V1187336
ISBN (eBook)
9783346617170
ISBN (Buch)
9783346617187
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bauernkriege, Bauernjörg, Heiliges Römisches Reich, Bäuerlicher Widerstand, Georg III. von Waldburg-Zeil, Feldherr im Bauernkrieg
Arbeit zitieren
Niklas Gaede (Autor:in), 2021, Der "Bauernjörg" des Heiligen Römischen Reichs. Georg III von Waldburg-Zeil gegen den bäuerlichen Widerstand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1187336

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