Der zerbrochene Krug


Classique, 2008

88 Pages

Heinrich von Kleist (Auteur)


Extrait


Erster Auftritt

Scene: Die Gerichtsstube.

ADAM (sitzt und verbindet sich ein Bein).

LICHT (tritt auf).

LICHT. Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam! Was ist mit euch geschehn? Wie seht ihr aus?

ADAM. Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße. Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier? Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

LICHT. Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg’ jeglicher –?

ADAM. Ja, in sich selbst!

LICHT. Verflucht das!

ADAM. Was beliebt?

LICHT. Ihr stammt von einem lockern Aeltervater, der so beim Anbeginn der Dinge fiel, und wegen seines Falls berühmt geworden; Ihr seid doch nicht –?

ADAM. Nun?

LICHT. Gleichfalls –?

ADAM. Ob ich –? Ich glaube –? Hier bin ich hingefallen, sag ich euch.

LICHT. Unbildlich hingeschlagen?

ADAM. Ja, unbildlich. Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

LICHT. Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

ADAM. Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett’ Entsteig’. Ich hatte noch das Morgenlied im Mund’, da stolpr’ ich in den Morgen schon, und eh’ ich noch den Lauf des Tags beginne, Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

LICHT. Und wohl den linken obenein?

ADAM. Den linken?

LICHT. Hier, den gesetzten?

ADAM. Freilich!

LICHT. Allgerechter! Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.

ADAM. Der Fuß! Was! Schwer! Warum?

LICHT. Der Klumpfuß?

ADAM. Klumpfuß! Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

LICHT. Erlaubt! Da thut ihr eurem rechten Unrecht. Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen, und wagt sich eh’r auf’s Schlüpfrige.

ADAM. Ach, was! Wo sich der eine hinwagt, folgt der Andre.

LICHT. Und was hat das Gesicht euch so verrenkt?

ADAM. Mir das Gesicht?

LICHT. Wie? Davon wißt ihr nichts?

ADAM. Ich müßt’ ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus?

LICHT. Wie's aussieht?

ADAM. Ja, Gevatterchen.

LICHT. Abscheulich!

ADAM. Erklärt euch deutlicher.

LICHT. Geschunden ist’s, ein Gräul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange, wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s schätzen.

ADAM. Den Teufel auch!

LICHT. (bringt einen Spiegel). Hier! Ueberzeugt Euch selbst! Ein Schaaf, das, eingehetzt von Hunden, sich durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen, als ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.

ADAM. Hm! Ja! S’ ist wahr. Unlieblich sieht es aus. Die Nas’ hat auch gelitten.

LICHT. Und das Auge.

ADAM. Das Auge nicht, Gevatter.

LICHT. Ei, hier liegt Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott, als hätt’ ein Großknecht wüthend ihn geführt.

ADAM. Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht, das Alles hatt’ ich nicht einmal gespürt.

LICHT. Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts.

ADAM. Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock, Am Ofen focht’ ich, wenn ihr wollt. Jetzt weiß’ ich’s. Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam Ertrunken in den Lüften um mich greife, fass' ich die Hosen, die ich gestern Abend durchnäßt an das Gestell des Ofens hing. Nun fass ich sie, versteht ihr, denke mich, ich Thor, daran zu halten, und nun reißt der Bund; Bund jetzt und Hos’ und ich, wir stürzen, und Häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr’ ich auf den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock die Nase an der Ecke vorgestreckt.

LICHT (lacht). Gut, gut.

ADAM. Verdammt!

LICHT. Der erste Adamsfall, den Ihr aus einem Bett hinaus gethan.

ADAM. Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was giebts Neues?

LICHT. Ja, was es Neues giebt! Der Henker hol’s, hätt’ ich’s doch bald vergessen.

ADAM. Nun?

LICHT. Macht euch bereit auf unerwarteten Besuch aus Utrecht.

ADAM. So?

LICHT. Der Herr Gerichtsrath kömmt.

ADAM. Wer kömmt?

LICHT. Der Herr Gerichtsrath Walter kömmt, aus Utrecht. Er ist in Revisions-Bereisung auf den Aemtern, und heut noch trifft er bei uns ein.

ADAM. Noch heut! Seid ihr bei Trost?

LICHT. So wahr ich lebe. Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern, hat das Justizamt dort schon revidirt. Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon dieVorspannpferde vor den Wagen schirren.

ADAM. Heut noch, er, der Gerichtsrath, her, aus Utrecht! Zur Revision, der wackre Mann, der selbst sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt. Nach Huisum kommen, und uns cujoniren!

LICHT. Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum. Nehmt Euch in Acht.

ADAM. Ach geht!

LICHT. Ich sag’ es euch.

ADAM. Geht mir mit Eurem Mährchen, sag’ ich euch.

LICHT. Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

ADAM. Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn. Die Kerle unterscheiden ein Gesicht von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist. Setzt einen Huth dreieckig auf mein Rohr, hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter, so hält so'n Schubjak ihn für wen ihr wollt.

LICHT. Wohlan so zweifelt fort, ins Teufels Namen, bis er zur Thür hier eintritt.

ADAM. Er, eintreten! – Ohn’ uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

LICHT. Der Unverstand! Als ob’s der vorige Revisor noch, der Rath Wacholder, wäre! Es ist Rath Walter jetzt, der revidirt.

ADAM. Wenn gleich Rat Walter! Geht, laßt mich zufrieden. Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen, und praktisirt, wie wir, nach den Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

LICHT. Nun ich versichr’ euch, der Gerichtsrath Walter erschien in Holla unvermuthet gestern, Vis'tierte Kassen und Registraturen, und suspendierte Richter dort und Schreiber, warum? ich weiß nicht, ab officio.

ADAM. Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

LICHT. Dies und noch mehr –

ADAM. So?

LICHT. Wenn ihr’s wissen wollt. Denn in der Frühe heut sucht man den Richter, dem man in seinem Haus’ Arrest gegeben, und findet hinten in der Scheuer ihn am Sparren hoch des Daches aufgehangen.

ADAM. Was sagt ihr?

LICHT. Hülf inzwischen kommt herbei, man lös’t ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn, ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

ADAM. So? Bringt man ihn?

LICHT. Doch jetzo wird versiegelt, In seinem Haus, vereidet und verschlossen, es ist, als wär er eine Leiche schon, und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

ADAM. Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund war’s – Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe, Ein Kerl, mit dem sich’s gut zusammen war; Doch grausam liederlich, das muß ich sagen. Wenn der Gerichtsrath heut in Holla war, so ging’s ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub’ ich.

LICHT. Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer, sei Schuld, daß der Gerichtsrath noch nicht hier; Zu Mittag treff’ er doch ohnfehlbar ein.

ADAM. Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt’s Freundschaft. Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können. Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden, und ihr verdient’s, bei Gott, so gut wie einer. Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit, heut laßt ihr noch den Kelch vorübergehn.

LICHT. Dorfrichter, ich! Was denkt ihr auch von mir?

ADAM. Ihr seit ein Freund von wohlgesetzter Rede, und euren Cicero habt Ihr studirt trotz einem auf der Schul’ in Amsterdam. Drückt Euren Ehrgeitz heut hinunter, hört’ ihr? Es werden wohl sich Fälle noch ergeben, Wo ihr mit eurer Kunst Euch zeigen könnt.

LICHT. Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

ADAM. Zu seiner Zeit, Ihr wißt’s, schwieg auch der große Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster. Und bin ich König nicht von Macedonien, kann ich auf meine Art doch dankbar sein.

LICHT. Geht mir mit eurem Argwohn, sag’ ich euch. Hab ich jemals –?

ADAM. Seht, ich, ich, für mein Theil, dem großen Griechen folg’ ich auch. Es ließe von Depositionen sich und Zinsen zuletzt auch eine Rede ausarbeiten: Wer wollte solche Perioden drehn?

LICHT. Nun, also!

ADAM. Von solchem Vorwurf bin ich rein, der Henker hol’s! Und alles, was es gilt, ein Schwank ist’s etwa, der zur Nacht geboren, des Tags vorwitz’gen Lichtstrahl scheut.

LICHT. Ich weiß.

ADAM. Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter, wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt, soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein.

LICHT. Das sag ich auch.

ADAM. Nun denn, so kommt Gevatter, folgt mir ein wenig zur Registratur; Die Aktenstöße setz’ ich auf, denn die, die liegen wie der Thurm zu Babylon.

Zweiter Auftritt

Ein BEDIENTER (tritt auf). Die VORIGEN. – Nachher: Zwei MÄGDE.

DER BEDIENTE. Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrath Walter läßt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

ADAM. Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla Schon fertig?

DER BEDIENTE. Ja, er ist in Huisum schon.

ADAM. He! Liese! Grete!

LICHT. Ruhig, ruhig jetzt.

ADAM. Gevatterchen!

LICHT. Laßt euern Dank vermelden.

DER BEDIENTE. Und morgen reisen wir nach Hussahe.

ADAM. Was thu ich jetzt? Was laß ich? (Er greift nach seinen Kleidern.) ERSTE MAGD (tritt auf.) Hier bin ich, Herr.

LICHT. Wollt ihr die Hosen anziehn? Seid ihr toll?

ZWEITE MAGD (tritt auf.) Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

LICHT. Nehmt den Rock.

ADAM (sieht sich um). Wer? Der Gerichtsrath?

LICHT. Ach, die Magd ist es.

ADAM. Die Bäffchen! Mantel! Kragen!

ERSTE MAGD. Erst die Weste!

ADAM. Was? – Rock aus! Hurtig!

LICHT (zum Bedienten). Der Herr Gerichtsrath werden hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

ADAM. Den Teufel auch! Der Richter Adam läßt sich Entschuldigen.

LICHT. Entschuldigen!

ADAM. Entschuld'gen. Ist er schon unterwegs etwa?

DER BEDIENTE. Er ist Im Wirthshaus noch. Er hat den Schmidt bestellt; Der Wagen ging entzwei.

ADAM. Gut. Mein Empfehl. Der Schmidt ist faul. Ich ließe mich entschuld'gen. Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen, schaut selbst, s' ist ein Spektakel, wie ich ausseh; Und jeder Schreck purgiert mich von Natur. Ich wäre krank.

LICHT. Seid Ihr bei Sinnen? – Der Herr Gerichtsrath wär sehr angenehm. – Wollt ihr?

ADAM. Zum Henker!

LICHT. Was?

ADAM. Der Teufel soll mich holen, ist's nicht so gut, als hätt' ich schon ein Pulver!

LICHT. Das fehlt noch, daß ihr auf den Weg ihm leuchtet.

ADAM. Margarethe! he! Der Sack voll Knochen! Liese!

DIE BEIDEN MÄGDE. Hier sind wir ja. Was wollt ihr?

ADAM. Fort! sag ich. Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen, aus der Registratur geschafft! Und flink! – Du nicht. Die Andere. – Maulaffe! Du, ja! – Gott's Blitz, Margarethe! Liese soll, die Kuhmagd, In die Registratur! (Die erste Magd geht ab.)

DIE ZWEITE MAGD. Sprecht, soll man euch verstehn!

ADAM. Halt's Maul jetzt, sag' ich –! Fort! schaff mir die Perücke! Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich! (Die zweite Magd ab.)

LICHT (zum Bedienten.) Es ist dem Herrn Gerichtsrath, will ich hoffen, nichts Böses auf der Reise zugestoßen?

DER BEDIENTE. Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.

ADAM. Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg' die Stie –

LICHT. Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt ihr? Doch keinen Schaden weiter –?

DER BEDIENTE. Nichts von Bedeutung. Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig. Die Deichsel brach.

ADAM. Daß er den Hals gebrochen!

LICHT. Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmidt schon?

DER BEDIENTE. Ja, für die Deichsel.

LICHT. Was?

ADAM. Ihr meint, der Doctor.

LICHT. Was?

DER BEDIENTE. Für die Deichsel?

ADAM. Ach, was! Für die Hand.

DER BEDIENTE. Adies, ihr Herrn. – Ich glaub', die Kerls sind toll. (ab.)

LICHT. Den Schmidt meint' ich.

ADAM. Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.

LICHT. Wie so?

ADAM. Ihr seid verlegen.

LICHT. Was!

DIE ERSTE MAGD (tritt auf.)

ADAM. He! Liese! Was hast du da?

ERSTE MAGD. Braunschweiger Wurst, Herr Richter.

ADAM. Das sind Pupillenacten.

LICHT. Ich, verlegen!

ADAM. Die kommen wieder zur Registratur.

ERSTE MAGD. Die Würste?

ADAM. Würste! Was! Der Einschlag hier.

LICHT. Es war ein Mißverständniß.

DIE ZWEITE MAGD (tritt auf). Im Bücherschrank, Herr Richter, find ich die Perücke nicht.

ADAM. Warum nicht?

ZWEITE MAGD. Hm! Weil ihr –

ADAM. Nun?

ZWEITE MAGD. Gestern Abend – Glock eilf –

ADAM. Nun? Werd ich's hören?

ZWEITE MAGD. Ei, ihr kamt ja, besinnt euch, ohne die Perück' ins Haus.

ADAM. Ich, ohne die Perücke?

ZWEITE MAGD. In der That. Da ist die Liese, die's bezeugen kann. Und Eure andr' ist beim Perückenmacher.

ADAM. Ich wär –?

ERSTE MAGD Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam! Kahlköpfig wart ihr, als ihr wiederkamt; Ihr spracht, ihr wärt gefallen, wißt ihr nicht? Das Blut mußt ich Euch noch vom Kopfe waschen.

ADAM. Die Unverschämte!

ERSTE MAGD. Ich will nicht ehrlich sein.

ADAM. Halt's Maul, sag' ich, es ist kein wahres Wort.

LICHT. Habt Ihr die Wund' seit gestern schon?

ADAM. Nein, heut. Die Wunde heut und gestern die Perücke. Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe, und nahm sie mit dem Huth, auf Ehre, bloß, als ich ins Haus trat, aus Versehen ab. Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht. – Scheer dich zum Satan, wo du hingehörst! In die Registratur! (Erste Magd ab). Geh, Margarethe! Gevatter Küster soll mir seine borgen; In meine hätt' die Katze heute Morgen gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.

LICHT. Die Katze? Was? Seid ihr –?

ADAM. So wahr ich lebe. Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß. Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen. Was soll man machen? Wollt ihr eine haben?

LICHT. In die Perücke?

ADAM. Der Teufel soll mich holen! Ich hatte die Perücke aufgehängt, auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging, den Stuhl berühr' ich in der Nacht, sie fällt –

LICHT. Drauf nimmt die Katze sie ins Maul –

ADAM. Mein Seel –

LICHT. Und trägt sie unter's Bett und jungt darin.

ADAM. In's Maul? Nein –

LICHT. Nicht? Wie sonst?

ADAM. Die Katz'? Ach, was!

LICHT. Nicht? Oder ihr vielleicht?

ADAM. In's Maul! Ich glaube –! Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter, als ich es sah.

LICHT. Gut, gut.

ADAM. Canaillen die! Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.

ZWEITE MAGD. (kichernd). So soll ich hingehn?

ADAM. Ja, und meinen Gruß an Muhme Schwarzgewand, die Küsterinn. Ich schickt' ihr die Perücke unversehrt noch heut zurück – ihm brauchst du nichts zu sagen. Verstehst du mich?

ZWEITE MAGD. Ich werd' es schon bestellen.

Dritter Auftritt

ADAM und LICHT.

ADAM. Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.

LICHT. Warum?

ADAM. Es geht bunt alles über Ecke mir. Ist nicht auch heut Gerichtstag?

LICHT. Allerdings. Die Kläger stehen vor der Thüre schon.

ADAM. – Mir träumt', es hätt' ein Kläger mich ergriffen, und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich, ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort, und schält' und hunzt' und schlingelte mich herunter, und judicirt' den Hals ins Eisen mir.

LICHT. Wie? Ihr Euch selbst?

ADAM. So wahr ich ehrlich bin. Drauf wurden beide wir zu eins, und flohn, und mußten in den Fichten übernachten.

LICHT. Nun? Und der Traum meint ihr –?

ADAM. Der Teufel hol's. Wenn's auch der Traum nicht ist, ein Schabernack, sei's, wie es woll', ist wider mich im Werk!

LICHT. Die läpp'sche Furcht! Gebt Ihr nur vorschriftsmäßig, wenn der Gerichtsrath gegenwärtig ist, Recht den Partheien auf dem Richterstuhle, damit der Traum vom ausgehunzten Richter auf andre Art nicht in Erfüllung geht.

Vierter Auftritt

Der GERICHTSRATH WALTHER (tritt auf). Die VORIGEN.

WALTER. Gott grüß Euch, Richter Adam.

ADAM. Ei willkommen! Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm Huisum! Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte So freudigen Besuches sich gewärt'gen. Kein Traum, der heute früh Glock achte noch Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.

WALTER. Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß auf dieser Reis', in unsrer Staaten Dienst, zufrieden sein, wenn meine Wirthe mich mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen. Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft, ich mein's von Herzen gut, schon wenn ich komme. Das Obertribunal in Utrecht will die Rechtspfleg' auf dem platten Land verbessern, die mangelhaft von mancher Seite scheint, und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten. Doch mein Geschäfft auf dieser Reis' ist noch ein strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen, und find ich gleich nicht alles, wie es soll, ich freue mich, wenn es erträglich ist.

ADAM. Fürwahr, so edle Denkart muß man loben. Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl' ich, den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen; Und wenn er in den Niederlanden gleich Seit Kaiser Karl dem fünften schon besteht: Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden? die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger, und Alles lies't, ich weiß, den Puffendorff; Doch Huisum ist ein kleiner Theil der Welt, auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Theil nur Kann von der allgemeinen Klugheit kommen. Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf, und überzeugt euch, gnäd'ger Herr, ihr habt Ihr noch so bald den Rücken nicht gekehrt, als sie auch völlig euch befried'gen wird; Doch fändet Ihr sie heut im Amte schon, wie Ihr es wünscht, mein Seel, so wär's ein Wunder, da sie nur dunkel weiß noch, was ihr wollt.

WALTER. Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr es sind zu viel, man wird sie sichten müssen.

ADAM. Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!

WALTER. Das ist dort der Herr Schreiber?

LICHT. Der Schreiber Licht, zu Eurer hohen Gnaden Diensten. Pfingsten neun Jahre, daß ich im Justizamt bin.

ADAM (bringt einen Stuhl). Setzt euch.

WALTER. Laßt sein.

ADAM. Ihr kommt von Holla schon.

WALTER. Zwei kleine Meilen – Woher wißt ihr das?

ADAM. Woher? Ew. Gnaden Diener –

LICHT. Ein Bauer sagt' es, der eben jetzt von Holla eingetroffen.

WALTER. Ein Bauer?

ADAM. Aufzuwarten.

WALTER. – Ja! Es trug sich dort ein unangenehmer Vorfall zu, der mir die heitre Laune störte, die in Geschäften uns begleiten soll. – Ihr werdet davon unterrichtet sein?

ADAM. Wär's wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul, weil er Arrest in seinem Haus' empfing, Verzweiflung hätt' den Thoren überrascht, Er hing sich auf?

WALTER. Und machte Uebel ärger. Was nur Unordnung schien, Verworrenheit, nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung, die das Gesetz, ihr wißt's, nicht mehr verschont. – Wie viele Kassen habt ihr?

ADAM. Fünf, zu dienen.

WALTER. Wie, fünf? Ich stand im Wahn – Gefüllte Kassen? Ich stand im Wahn, daß ihr nur vier –

ADAM. Verzeiht! Mit der Rhein-Inundations-Collecten-Kasse?

WALTER. Mit der Inundations-Collecten-Kasse! Doch jetzo ist der Rhein nicht inundirt, und die Collecten gehn mithin nicht ein. – Sagt doch, ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?

ADAM. Ob wir –?

WALTER. Was?

LICHT. Ja, den ersten in der Woche.

WALTER. Und jene Schaar von Leuten, die ich draußen auf eurem Flure sah, sind das –?

ADAM. Das werden –

LICHT. Die Kläger sind's, die sich bereits versammeln.

WALTER. Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren. Laßt diese Leute, wenn's beliebt, erscheinen. Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe, wie er in Eurem Huisum üblich ist. Wir nehmen die Registratur, die Kassen, nachher, wenn diese Sache abgethan.

ADAM. Wie Ihr befehlt. – Der Büttel! He! Hanfriede!

Fünfter Auftritt

Die ZWEITE MAGD (tritt auf). Die VORIGEN.

ZWEITE MAGD. Gruß von Frau Küsterinn, Herr Richter Adam; So gern sie die Perück' euch auch –

ADAM. Wie? Nicht?

ZWEITE MAGD. Sie sagt, es wäre Morgenpredigt heute; Der Küster hätte selbst die eine auf, und seine andre wäre unbrauchbar, Sie sollte heut zu dem Perückenmacher.

ADAM. Verflucht!

ZWEITE MAGD. Sobald der Küster wieder kömmt, wird sie jedoch sogleich euch seine schicken.

ADAM. Auf meine Ehre, gnäd'ger Herr –

WALTER. Was giebt's?

ADAM. Ein Zufall, ein verwünschter, hat um beide Perücken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir die dritte aus, die ich mir leihen wollte: Ich muß kahlköpfig den Gerichtstag halten.

WALTER. Kahlköpfig!

ADAM. Ja, beim ewigen Gott! So sehr ich ohne der Perücke Beistand um mein Richteransehn auch verlegen bin. – Ich müßt' es auf dem Vorwerk noch versuchen, ob mir vielleicht der Pächter –?

WALTER. Auf dem Vorwerk! Kann jemand anders hier im Orte nicht –?

[...]

Fin de l'extrait de 88 pages

Résumé des informations

Titre
Der zerbrochene Krug
Cours
-
Auteur
Année
2008
Pages
88
N° de catalogue
V118751
ISBN (ebook)
9783640221097
ISBN (Livre)
9783640223145
Taille d'un fichier
730 KB
Langue
allemand
Mots clés
Krug
Citation du texte
Heinrich von Kleist (Auteur), 2008, Der zerbrochene Krug, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118751

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