Deutschsprachige Supervision und Coaching für ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist


Ausarbeitung, 2020

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Deutschsprachige Supervision/ Coaching für ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist

2. Die Bedeutung der Sprache (Warum die Muttersprache bei Supervision und Coaching im Ausland bedeutsam ist?)

3. Der Ist-Zustand
3.1. Anforderungen an Supervisionen und SupervisorInnen im Ausland/ Gastland
3.2. Der Prozess/ Ablauf der Supervision im Ausland/ Gastland
3.2.1. Das Medium im Ausland/ Gastland
3.2.2. Der Kontrakt
3.2.3. Die Supervisionsphasen im Ausland/ Gastland
3.2.3.1. Die zwei Varianten der Praxis
a. regelmäßige Supervision/ Coaching mit 4-8 wöchigen Intervallen
b. 2-3x im Jahr Intensivsupervision (2-3 Tage)

4. Grundsätzliche Besonderheiten/ Hinweise/ Gedankenimpulse für jede Art von deutschsprachiger Supervision im Ausland bei ArbeitnehmerInnen, deren Muttersprache Deutsch ist
4.1. Krisen im Ausland/ Gastland
4.2. Kosten, ein Stolperstein
4.3. Supervision – Wortbedeutung im Ausland
4.4. Modell erweiterte Einflussfaktoren (imaginäre SupervisionsteilnehmerInnen)

5. Resümee

Quellen

Vorwort/ Einführung

Als ich 2014 noch im Bereich der Eingliederungshilfe gem. §35a SGB VIII im Jugendamt arbeitete, lag der Fall Hannes S. S. auf meinem Schreibtisch. Hannes S. war ein schwieriges Kind, er forderte das Helfersystem über seine Grenzen hinaus und seine Perspektive schien mehr als schlecht zu sein. Durch seine Mutter kam ich das erste Mal in Berührung mit individualpädagogischen Auslandsmaßnahmen. Ein für mich bis dato völlig unbekanntes Feld. Auf Grund des komplizierten Fallverlaufes wurde die Leistung bewilligt. Hannes S. ging für die folgenden 3 Jahre und 111 Tage nach Kirgisien. Die ersten 2,5 Jahre war ich auch weiterhin zuständig für Hannes S.. Danach verließ ich das Jugendamt und übergab den Fall. In den 2,5 Jahren habe ich Hannes S. mehrmals im Ausland besucht. Ich habe mehrere Tage mit Hannes S., dem Träger und der Familie verbracht. Zwischen den Hilfeplänen vor Ort stand ich mit Hannes S., dem Träger und der Familie in regem Austausch. Auffällig war, dass für Hannes S. seine Muttersprache elementar wichtig wurde. In Kirgisien sprach keiner Deutsch. Die Muttersprache wurde aber für Hannes S. bewusster Teil der eigenen Identität/ Persönlichkeit. Bei der Mutter war zu beobachten, dass die unterschiedlichen staatlichen Systeme und Gepflogenheiten immer wieder zu Konflikten mit dem Träger führten und auch der Anspruch, den ich als Amt stellen musste auf Grund der hiesigen Gesetze, führte immer wieder zu Spannungen mit dem Träger. Nichtsdestotrotz machte Hannes S. eine erstaunliche Entwicklung. Gerade wegen der unterschiedlichen Systeme, gerade wegen der kleinschrittigen Auseinandersetzung aller mit den verschiedenen Systemen und deren Auswirkungen und gerade wegen der Zunahme der Bedeutung seiner eigenen Identität/ Persönlichkeit.

1,5 Jahre nach meinem Weggang, 2017, wurde Hannes S. leider ohne Vor- und Nachbereitung zurück nach Hause geschickt. 2018 wohnte ich seiner Beisetzung bei.

Nach meinem Austritt aus dem Jugendamt wollte ich mit dem Bereich Jugendhilfe und Auslandsmaßnahmen wenig zu tun haben. Ich wand mich neuen Aufgaben zu, beschäftigte mich mit anderen Themengebieten und machte mich letztendlich Selbstständig. Eines meiner Standbeine hieß nun: Supervision und Coaching. Und umso standfester ich wurde umso mehr beschäftigte mich die Frage gibt es Supervision/ Coaching für ArbeitnehmerInnen, die aus Deutschland kommen, im Ausland? Umso mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, umso mehr wurde auch die Bedeutung der Sprache sichtbar. Mir war die Bedeutung von Muttersprache und die Bedeutung für die eigenen Identität und die Konflikte welche sich aus Systemprägung und Systemerfahrung ergeben nicht sonderlich bewusst. Aber vermehrt stieß ich auf eben diese Zusammenhänge und fragte mich am Ende: Gibt es deutschsprachige Supervision/ Coaching für ArbeitnehmerInnen, deren Muttersprache Deutsch ist im Ausland?

Die folgende Abschlussarbeit bot die perfekte Möglichkeit dem Thema mehr Raum zu geben. Im Vorfeld und während der Recherche zu dem Thema habe ich verschiedene Träger der Jugendhilfe mit Auslandsprojektstellen, Freiwilligendienste und andere Firmen/ Unternehmen mit vermeidlichen ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist, angeschrieben. Ich danke für die zahlreichen, wohlwollenden und inhaltsstarken Antworten zu den Erfahrungen von und Erwartungen an deutschsprachige(r) Supervision/ Coaching für ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist. Auch die DGSv und die ÖVS unterstützten durch wertvolle Hinweise, ebenso wie der renommierte Prof. Dr. Holger Wendelin, der sehr komplex zu dem Thema „Erziehungshilfen im Ausland“ geforscht hat. Danke auch an dieser Stelle zur Bereitstellung seiner Doktorarbeit. Ebenso danke ich Frau Nink meiner Supervisorin und Frau Hartmann nebst meiner Familie für die Unterstützung während des Entstehungsprozesses.

1. Deutschsprachige Supervision/ Coaching für ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist

Deutschsprachige Supervision/ Coaching von ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist, ist im Bereich der Supervision und des Coachings eine Randerscheinung, die, wie bereits oben erwähnt wenig bekannt ist. Hierbei geht es explizit um ArbeitnehmerInnen deren Muttersprache Deutsch ist und die im Ausland arbeiten. Sicherlich gibt es Supervisionen und Coachings in allen Sprachen und in den meisten Ländern. Auch gibt es spannende Supervisionsansätze in den europäischen Nachbarländern. Arbeiten ArbeitnehmerInnen im Ausland wird eine bestimmt Sprachkenntnis, der vor Ort gesprochene Sprache vorausgesetzt oder darf erwartet werden. Viele Organisationen werben auch speziell damit, dass das Arbeiten im Ausland zu einem schnellen Spracherwerb führt. Und doch gibt es Unternehmen und Firmen, sowohl in der Sozialen Arbeit, als auch in der Wirtschaft, welche sogar SupervisorInnen aus Deutschland einfliegen lassen um ihre deutschsprachigen ArbeitnehmerInnen Supervisionen/ Coachings in ihrer Mutterspreche zugutekommen zu lassen oder aber die extra SupervisorInnen suchen, die die Muttersprache der ArbeitnehmerInnen beherrschen. Laut der OECD arbeiten fast 1,9 Millionen Deutsche im Ausland. Davon ungefähr 1,2 Millionen in Berufen mit hohem Qualifikationsniveau.

2. Die Bedeutung der Sprache (Warum die Muttersprache bei Supervision und Coaching im Ausland bedeutsam ist?)

„Aus einem Land kann man auswandern, aus der Muttersprache nicht.“ (Schalom Ben-Chorin)

Definition Muttersprache:

„Gemeinhin bezeichnet man als Muttersprache diejenige Sprache, die ein Mensch als Kleinkind zuerstvon den Eltern oder Bezugspersonenerlernt hat“ (Stangl, W. / 2020) und welche im primären Sprachgebrauch verwendet wird. „Oft zeigt sich, dass sekundär erworbene Sprachkenntnisse auch nach langjähriger Sprachpraxis zu einer nicht idiomatischen Ausdrucksweise führen können. Aus Untersuchungen weiß man, dass der Akzent und die Melodie der Erstsprache sich beim Menschen so stark und irreversibel einprägen, dass sie diesen ein Leben lang begleiten und meist auch die später erlernten Sprachen durchdringen. Beim Erlernen der Erstsprache werden neuronale Verarbeitungsroutinen ausgebildet, die sich später nicht mehr ändern lassen und auf denen alle anderen sprachlichen Lernprozesse aufbauen. Die prototypische und meist prägende Erstsprache zeichnet sich gemäß soziolinguistischer Kriterien dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu Zweit- und Fremdsprache bereits früher und ungesteuert erlernt wurde. Lese- und Hörverstehen, Schreib- und Sprechfertigkeit sind bei Erstsprachlern vollständig ausgebildet.“(Stangl,2020)

Definition Zweitsprache:

„Eine Zweitsprache hingegen ist eine Sprache, die nach oder neben der Erstsprache(Muttersprache)als zweites Mittel der Kommunikation dient und gewöhnlich in einer sozialen Umgebung erworben wird, in der man sie tatsächlich spricht“ (Klein, W. / 1984)

Definition Fremdsprache:

„Es handelt sich hierbei um eine ‚fremde‘ Sprache, die hauptsächlich im Schulunterricht erlernt wird. Sie befindet sich damit außerhalt des gewöhnlichen Verwendungsbereichs, da sie nicht in der alltäglichen Kommunikation verwendet wird.“ (Kloiber, J. / 2003/ S. 3)


Die Definition von Stangl zur Muttersprache aus dem Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik verdeutlicht den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Muttersprache und Identität. Im 1981 erschienen Buch „Sprache als Heimat“ sind Texte aus einer Auswahl von 115 Autoren zusammengefasst. Unter anderem hat der 1913 in München geborene und 1935 nach Israel ausgewanderte Schalom Ben-Chorin zum Thema Muttersprache (Deutsch) abschließend erklärt: „Auch wer die Sprache eines anderen Landes, das ihm Heimat wurde, bis zu einer gewissen Perfektion erlernt hat – die Sprache der Kindheit, der Seele, des Unbewußten, die Sprache des Traumes bleibt seine Muttersprache“ (Nasarski/ 1981/ S. 12). Wortgewaltig, einfühlsam und berührend erzählen die Autoren von der Bedeutung und Ihren Erlebnissen in Zusammenhang mit ihrer deutschen Muttersprache im Ausland. Juden im Exil hatten noch eine zusätzliche Leidensquelle, welche sich durch ihrer Muttersprache auftat, so schrieb Ben-Corin: „Dennoch war das Deutsche (die Sprache) einem oft zügellosen Haß ausgesetzt. Es ging nicht mehr um die Vorherrschaft und den Bestand des Hebräischen. Es ging um die tragische Verwechslung von Staat und Sprache.“ (Nasarski/ 1981/ S. 15)

Dies ist genau der Punkt, die Anerkennung der Bedeutung der Muttersprache und besonders deren Rolle für die Identität des Menschen, besonders wenn dieser später ins Ausland geht, dort lebt, dort arbeitet, hat nichts mit der Hervorhebung und Betonung von Nationalen zu tun. Die Muttersprache prägt das Sein, es prägt die Identität des Einzelnen und vermittelt ein Heimat- und Zugehörigkeitsgefühl. Werner Baroni schildert in seinem Essay die Begegnung in der Weite des Gran Chaco (Südamerika) mit einem Soldaten der Armee Paraguays. Nach anfänglich gebrochenen und wortkargen Dialogen auf Spanisch stellten beide fest, dass sie Deutsch sprechen. Werner Baroni, weil er deutscher Journalist ist und der Soldat, weil seine Muttersprache der alemannische Dialekt ist. Werner Baroni berichtet: „zwölf Tage und Nächte gab es für den Soldaten Herberto und mich kein Gestern und kein Morgen. Die Zeit war eingestürzt. Durch unseren gemeinsamen Dialekt war in vielen Erzählungen, Schilderungen, Erlebnissen die Vergangenheit länger, in immer neuen Umrissen aufgetaucht. (…) Mir wurde aber auch schreckhaft deutlich, was der Verlust der Sprache bedeuten kann. Am Beispiel der Indianer und Herbertos merkte ich, dass der Verzicht auf die Muttersprache dem Verlust der natürlichen menschlichen Zugehörigkeit gleichkommt“ (Nasarski/ 1981/ S. 25).

Auch neuere Forschungen stoßen immer wieder am Rande ihrer Forschungen auf die Bedeutung der Muttersprache für im Ausland Ansässige nicht nur von Geflüchteten oder Vertriebenen, sondern auch von freiwilligen Auswanderern. Levke Heitmann untersuchte 2005 Orientierungsprozesse im Ausland. Dabei wurden mehrere Personen befragt, die nach Paris ausgewandert waren. Unter anderem wurde ein Interview mit Giselle geführt. Giselle war im künstlerischen Bereich tätig. Das Arbeiten im Ausland war für sie völlig selbstverständlich und gehörte zum Lebenskonzept. „Beruflich bedingte Nomadin“ wird sie in der Überschrift genannt. Sie ist in Deutschland aufgewachsen, beherrscht Englisch fast fließend und ist nun dabei in Paris zu arbeiten und ihr Französisch mithilfe eines Sprachkurses auszubauen. In einem Teil des Interviews ging es um emotionale Unterstützungen. „Schließlich erwähnt Giselle ein Merkmal, dass ihre deutschen Freunde(,) ihre Familie und ihren Freund als ihre emotionalen Unterstützer eint. Sie antwortet an dieser Stelle (…): ‚Und das sind natürlich auch Leute mit denen ich mich in meiner Muttersprache ausdrücken kann, was schon mal n Unterschied ist (…) weil ich da einfach noch mal intensiver oder noch mal klarer mich ausdrück- oder, (-) nicht klarer, aber (-) noch präziser als ich das jetzt auch im Englischen, ich bin kein, ich sprech zwar fließend Englisch, aber ich bin kein Muttersprachler, und diese Emotionen, die in einer Sprache, die einfach wichtig sind, die bring ich nur im Deutschen(…)‘ (L. Heitmann/ 2011/ S. 107f). In der Interpretation der Forscher heißt es: „Deutsch ist die einzige Sprache, in der sie (Giselle) Emotionalität in vollem Umfang transportieren kann. (…) Das Thema Sprache zieht sich durch alle Orientierungsbereiche. Diese erschwert die Pragmatik technischer Handlungsabläufe und verwehrt darüber hinaus emotionale und soziale Zugangsmöglichkeiten im Gastland.“ (L. Heitmann/ 2011/ S. 108).

Supervision und Coaching arbeitet mit Sprache.

Definition Supervision:

„Unter Supervision versteht man die beratende Zusammenarbeit und Reflexion mit Helfern, Pädagogen, Pflegern (sowie Menschen anderer Berufe bzw. Ehrenamtlichen), mit dem Ziel, deren Arbeit in Organisationen zu verbessern.“ (Belardi, N. / 2020/ S. 25)

Definition Coaching:

„Unter Coaching versteht man eine supervisionsähnliche Unterstützung von Leitungspersonen vor allem hinsichtlich der Vorgesetzten- und Leitungsrolle in Organisationen. Aber auch die berufsbezogene Beratung von ‚einsamen Spezialisten‘, wie z.B. Ärzten, Juristen, Technikern…“ (Belardi, N. / 2020/ S. 26)

Folgt man der obigen Definition und stellt diese in den Kontext mit Giselles Aussagen, so wird schnell deutlich, dass die Muttersprache in Supervision und Coaching bedeutsam ist. Ein Reflexionsverfahren für berufliche Zusammenhänge braucht Sprache, braucht Ausdruck, braucht die Möglichkeit Emotionen transportieren zu können. Selbstverständlich kann auch Supervision und Coaching in der Zweit- oder Fremdsprache durchgeführt werden, aber wenn Supervision langfristig, reflexiv und klientenbezogen (vgl. Belardi/2020/ S. 47) sein soll, dann wird ein Teil der Möglichkeiten und Entfaltungspotentiale von Supervision und vor allem von dem SupervisandInnen nicht genutzt, da die tiefe Emotionalität nicht oder nur abgeschwächt transportiert und berührt werden kann.

So schreibt Micheal Frese in seinem Essay „Arbeit und Emotionen“: „Gefühle sind in der Arbeit präsent und sie haben eine wichtige Funktion in der Arbeit. Gefühle haben die Funktion, Handlungen unter erschwerten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Wie man ohne Bezug auf die Gefühle der Solidarität mit der Gruppe, der Verantwortlichkeit gegenüber Kollegen und dem Vorgesetzten und des Stolzes auf die Arbeit, Absentismus studieren kann, ist eigentlich erstaunlich. Wie man ohne auf die Gefühle zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern einzugehen, >Mitarbeiterorientierung< untersuchen konnte, ist kaum nachzuvollziehen. Wie man Qualität der Arbeit oder Leistung ohne Bezug auf Stolz, ästhetische Gefühle und Begeisterung betrachten kann, ist eigentlich unverständlich“ (Frese/ 2009/ S.3). Zusätzlich dazu arbeiten viele SupervisandInnen in Bereichen, welche eine hohe Emotionalität mit sich bringt wie Sozialarbeiter/ Ärzte/ Pfleger aber auch in nicht ganz so offensichtlichen Berufen ist Emotionsarbeit ein wichtiger Bestandteil, wie in der Luftfahrt. Hier wird die Emotion/ das gute Gefühl sogar werbewirksam verkauft und Stewardessen erhalten gesonderte Schulungen zum Thema Emotionsarbeit. Emotionale Arbeit oder die Emotionen in der Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil in vielen Berufen. Sowohl in Supervisionen als auch in Coachings ist das Thema Emotion von zentraler Bedeutung. Längst ist bekannt, dass Veränderungsprozesse langfristig wirken, dauerhaft möglich sind und positiv in der Nachbetrachtung erlebt werden, wenn ein emotionaler Zugang zum Thema vorhanden ist. Dieser emotionale Zugang wird hauptsächlich durch Sprache erreicht. Insbesondere durch die Muttersprache.

Bereits in der Anfangsphase, dem Kennenlernen, der Vertrauensarbeit ist die Muttersprache bedeutsam. Die Muttersprache ermöglicht es allen Beteiligten authentisch zu sein und Emotionen sprachlich transportieren zu können. Besonders in der Fremde kann dadurch ein Zugang geschaffen werden. Frau Fischer-Buder (Sprache als Heimat/ 1981/ S. 65) beschreibt ihre Erfahrung wie folgt: „Welche Wohltat, irgendwo Leute zu treffen, mit denen man sich unterhalten konnte, ohne mühsam nach Worten suchen zu müssen! (…) solche Erleichterung, wie ein paar bequemer Pantoffeln sie bietet, nachdem man einer stundenlangen Cocktailparty in zu engen Schuhen beigewohnt hat.“

Aber noch zu einem früheren Zeitpunkt kann die Muttersprache den Supervisions- und Coachingprozess unterstützen. In Fällen in denen die Organisation/ der AuftraggeberInnen in Deutschland ansässig ist und Mitarbeiter mit der deutschen Muttersprache im Ausland beschäftigt sind. So zum Beispiel bei individualpädagogischen Auslandsmaßnahmen der Jugendhilfe oder beim Friedensdienst aber auch in der Wirtschaft wie beim TÜV. Hier ist bereits die Kontraktgestaltung auf Grund gleicher Vorkenntnisse ohne große sprachliche Aushandlungsprozesse möglich. Der Dreieckskontrakt muss nicht sprachlich erläutert werden oder das Verfahren zum Kontrakt muss nicht erst einen Konsens finden auf Grund unterschiedlicher System- und Sprachprägung.

Insofern ist die Bedeutung der Muttersprache in der Supervision und im Coaching nicht nur bedeutsam für die Emotionen in der direkten Arbeit mit den SupervisandInnen, sondern die Bedeutung der Muttersprache berührt alle Phasen im Prozess vom Kontrakt zur Kennenlernphase, zum Vertrauensaufbau, für Veränderungsmotivationen bis hin zur Beendigung und Evaluation. Sowohl bei(m) SupervisorIn als auch bei(m) SupervisandInnen und bei(m) AuftraggeberInnen.

3. Der Ist-Zustand

Gerade in der sozialen Arbeit ist die Supervision fester Bestandteil in Arbeitsprozessen. Nicht zuletzt, weil die Landesjugendhilfeausschüsse beschlossen haben, dass Supervision regelmäßiger Bestandteil der Arbeit sein soll und vom Träger zur Verfügung gestellt werden muss. Hierbei sind sich alle Bundesländer einig. Auch in den Empfehlungen zur Beurteilung der Qualität von individualpädagogischen Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung im Ausland heißt es z.B. beim LVR unter Punkt 4.4 „Der Maßnahmeträger gewährleistet, dass (…) die MitarbeiterInnen vor Ort eine regelmäßige externe Supervision erhalten“, ähnlich formulieren es alle anderen Landesjugendhilfeausschüsse in ihrem Empfehlungen ebenfalls. Nichtsdestotrotz ist Supervision zunehmend auch in anderen Sparten ein wichtiger Bestandteil. In Deutschland gibt es kaum Arbeitsbereiche, in denen weder Supervision noch Coaching angeboten oder in Anspruch genommen werden. Im Ausland existieren dazu wenig Zahlen, noch weniger bezüglich Supervision und Coaching in der Muttersprache. Aber in Anbetracht dessen, dass in den letzten Jahren immer wieder in Literatur, wie „Supervision und Coaching“ von Nando Belardi oder in Prof. Dr. Wendelins „Erziehungshilfe im Ausland“ auf Supervision und Coaching im Ausland (in der Muttersprache) eingegangen wird, zeigt, dass es eine Praxis gibt, die bedeutsam ist. Belardi nimmt Bezug auf deutsche Entwicklungshelfer, welche dreimal Jährlich Supervision erhalten von „eigens dafür aus Deutschland“ eingeflogenen SupervisorInnen (Belardi/ 2020/ S. 231). Prof. Dr. Holger Wendelin hat dazu noch genauere Zahlen im Zusammenhang mit seinen Forschungen zum Thema intensivpädagogische Auslandhilfen.

Prof. Dr. Wendelin hat 103 Träger/ Projekte für intensivpädagogische Auslandshilfen (SGB VIII) auch zum Thema Supervision befragt. 79 davon gaben Auskunft. Die folgende Tabelle gibt Auskunft, wie viele dieser Träger/ Projekte Supervision in Anspruch nehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Tabelle 47: Supervision nach Fachkräften (Dissertation Prof. Dr. Wendelin/ 2010/ S. 329)

Zu bemerken und auch kritisch nach Prof. Dr. Wendelin zu sehen ist, dass zum einen Supervision nur in der Hälfte aller Fälle stattfindet und zum anderen, dass Supervision vornehmlich von Fachkräften in Anspruch genommen wird bzw. vornehmlich Fachkräfte Supervision erhalten. Betrachtet man die Anliegen von Fachkräften und Nichtfachkräften fällt aber auf, dass hier kaum andere Bedarfe festzustellen sind. Lediglich für den/die SupervisorIn macht dies ein Unterschied, weil er/sie die Supervision darauf abstimmen muss/ sollte.

Die Tabellen (Seite 11 und 12) geben einen Überblick über gängige Supervisions- und Coachingthemen im Inland und im Ausland. Es ist jeweils eine Zusammenfassung aus der vorliegenden Literatur. Selbstverständlich gibt es so vielfältige Themen, wie es Menschen gibt. Aber einige Themengebiete tauchen immer wieder auf. Insofern erheben beide Darstellungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie verdeutlichen jedoch, dass der Bedarf nicht an der Landesgrenze endet. Ganz im Gegenteil. Arbeitskräfte, die im Ausland tätig sind sehen sich zusätzlichen Problemen, Anforderungen, Belastungen, Gefühlsbeeinflussungen gegenüber. Umso wichtiger wäre hier die Begleitung durch SupervisorInnen oder Coaches im beruflichen Kontext.

Themen wie fehlende Anerkennung von Ausbildungen aus dem deutschsprachigen Raum, Vorurteile, ethnische Konflikte, behördliche Bedingungen im In- und Ausland, Heimweh oder Identität beeinflussen die Arbeit im Gastland zusätzlich zu den gängigen und individuell arbeitsspezifischen Themen

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Deutschsprachige Supervision und Coaching für ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist
Hochschule
Alice-Salomon Hochschule Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
29
Katalognummer
V1187537
ISBN (eBook)
9783346623249
ISBN (eBook)
9783346623249
ISBN (eBook)
9783346623249
ISBN (Buch)
9783346623256
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Supervision, Sprache, Muttersprache, Coaching, Ausland
Arbeit zitieren
Maxi Pfeiffer-Barth (Autor:in), 2020, Deutschsprachige Supervision und Coaching für ArbeitnehmerInnen im Ausland, deren Muttersprache Deutsch ist, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1187537

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