Die Darstellung von Teufel und Gott im "Redentiner Osterspiel" und in der "Historia" von Fausten

Ein Vergleich


Hausarbeit, 2021

18 Seiten, Note: 1,0

Melina Boll (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Analyse des Redentiner Osterspiels
2.1 Kontrast der Hölle und des Erlösers in der Höllenfahrt
2.2 Sünde und Seligkeit im Teufel-Seelen-Spiel

3. Analyse der Historia von D. Johann Fausten
3.1 Absichtserklärung in den Vorreden
3.2 Teufel und Gott als Kontrahenten

4. Vergleich des Osterspiels und der Historia

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Gott und Teufel – Die Darstellung der beiden Kontrahenten findet zu jeder Zeit Anklang, so auch im Mittelalter. Aus dem Nikodemus-Evangelium habe man die Darstellungen vom Teufel und der Hölle entnommen, auf dessen Grundlage Oster- und Passionsspiele die Heilsgeschichte näherbrächten – so auch das Redentiner Osterspiel, das eine weit ausgedehnte Teufelshandlung enthalte.1 Dem Osterspiel wird eine „künstlerische Qualität“2 nachgesagt, und es basiere auf einer Abschrift aus dem Jahre 1464 aus unbekannter Hand.3 Auch während des Umbruches vom Mittelalter zur Neuzeit sei das Thema weiterhin präsent, was sich in der 1587 veröffentlichten Historia von D. Johann Fausten niederschlage.4 Die Historia thematisiert, was passiert, wenn ein Pakt mit dem Teufel eingegangen wird, und wenn man zu Sünden verführt wird. Beide Werke haben eine bestimmte Wirkung auf den Rezipienten – eine heilspädagogische, die ihn belehren und schützen soll. Woran sich diese heilspädagogische Absicht erkennen lässt, und wie die Werke sie vermitteln, soll in dieser Hausarbeit untersucht werden.

Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf dem Redentiner Osterspiel, wobei im Weiteren die Historia von D. Johann Fausten als Vergleichswerk herangezogen wird. Aufgrund der gattungsspezifischen Besonderheiten der Werke eignet sich ein Vergleich, um weitere Erkenntnisse über die Wirkung der Darstellungen von Gott und Teufel zu gewinnen, wobei der Affekt der Angst schwerpunktmäßig thematisiert wird. Zuerst wird im Redentiner Osterspiel der Prolog der Engel (RO, V. 1—18) und die Höllenfahrt in Bezug auf ihre Darstellung des Kontrastes zwischen dem Teufel und Gott untersucht (RO, V. 261—682), wobei im Anschluss im Teufel-Seelen-Spiel die Sünden und das Gericht Luzifers thematisiert werden (RO, V. 1044—1985).5 Diese Szenen zeigen die Machtverhältnisse von Gott und dem Teufel auf, die durch ihre eklatante Gegenüberstellung ihre heilspädagogische Wirkung entfalten. Anschließend wird die Historia von D. Johann Fausten im Hinblick auf diese Wirkung untersucht, die anhand einiger Textstellen erläutert werden soll. Dabei werden die Vorreden auf ihre Absichtserklärung analysiert, die sich in ausgewählten Kapiteln besonders manifestiert. Sie thematisieren die Gewalt des Teufels (15. Kapitel), Faustus‘ Selbstverschuldung und die fehlende Hoffnung auf Gnade (17. Kapitel), aber auch Mittel, wie man sich vor teuflischen Einflüssen schützen kann (52. und 53. Kapitel).6 Abschließend werden das Redentiner Osterspiel und die Historia von D. Johann Fausten verglichen, wobei besonders auf die Aspekte der Erlösung, der Machtverhältnisse und auf die Teufelsdarstellungen eingegangen wird. Die Ergebnisse werden in einem Fazit rekapituliert und weitere Forschungsanstöße werden gegeben.

2. Analyse des Redentiner Osterspiels

2.1 Kontrast der Hölle und des Erlösers in der Höllenfahrt

Bereits zu Beginn des Osterspiels wird die heilspädagogische Absicht durch die Verkündung zweier Engel deklariert, die „Got“ (RO, V. 13) mit „dem bosen“ (RO, V. 14) gegenüberstellen, wobei versprochen wird, frei von Sünden werden zu können und von Gott erlöst zu werden, wenn man vom Bösen ablasse (vgl. RO, V. 12–16). Dahinter stehe eine didaktische Absicht, die sich in den hinzugefügten Teufelsszenen manifestiere, die einem „künstlerische[n] Plan“7 entstammen würden, womit sich das Redentiner Osterspiel von anderen seiner Zeit abhebe.8 Die Teufelsszenen folgen im Anschluss an die Auferstehungsszene (vgl. RO, S. 42), womit nach Linke dem Auferstehungsspiel gewollt das Teufelsspiel gegenübertrete,9 sodass szenisch ein Kontrast zwischen dem Himmlischen und dem Höllischen gesetzt wird. Abel, der Sohn Adams, setzt sprachlich in einfachen Paarreimen einen Unterschied zwischen dem Leben in der Hölle und der Hoffnung, indem er „desser quale“ (RO, V. 262) und „desse grote clarheyt“ (RO, V. 263) entgegensetzt, aber auch „desseme elende“ (RO, V. 265) und „wunnechliker schyn“ (RO, V. 267). Die Hölle wird als Ort voller „martel“ (RO, V. 270) beschrieben, wobei die verdammten Seelen Hoffnung haben, dass das aufgekommene Licht ihre Befreiung bezeuge (vgl. RO, V. 271f.). Diese Beschreibungen werden von Adam fortgesetzt, indem er davon spricht, „an desser duster grunt“ (RO, V. 274) von „des ewighen vaders licht“ (RO, V. 276) befreit zu werden. Er hofft auch auf ein weiteres Leben im Paradies, obwohl er die „wunnicheyt“ (RO, V. 280) an seinem Wunschort verloren habe, aber er ist sich sicher, dass er dennoch Eintritt darin erhalte (vgl. RO, V. 283f.). So wird schon in der Eingangsszene der Vorhölle die teuflische Dunkelheit dem hellen Glanz des Göttlichen gegenübergesetzt, aber auch auf sprachlicher Ebene wird dieser Kontrast mittels der Antithesen forciert.

Der Kontrast von Teufel und Gott greift auch in das Machtverhältnis der beiden Kontrahenten, was sich in Luzifers Angst vor der Ankunft Jesu in der Hölle zeigt, weil er sie zerstören könnte (vgl. RO, V. 402). Luzifer sieht in Jesus eine große Bedrohung: „Satan, he is uns ovele baren!“ (RO, V. 432), was durch weitere Klagen Luzifers unterstrichen wird: „To jodute, Satan!“ (RO, V. 436). Die Position Luzifers, dem Höllenfürsten, kristallisiert sich im Weiteren heraus, wenn er Jesus selbst größere Macht zuschreibt: Wenn Jesus einst Lazarus aus der Hölle befreien konnte, täte er es mit den anderen verdammten Seelen wieder (vgl. RO, V. 439–445), und würde Luzifer „unvorwinliken schaden“ (RO, V. 447) zufügen. Die Macht des Teufels wird der Macht Gottes als unterlegen dargestellt, was vor allem dadurch verdeutlicht wird, dass die Hölle seit etwa 5000 Jahren existiert, wie an mehreren Stellen genannt wird (vgl. RO, V. 355, 541, 613, 1032), was die Zeit zwischen dem Erschaffen der Welt und dem Erscheinen Christi benennen solle.10 Die lange Beschaffenheit der Hölle hindert Jesus nicht daran, die Tore zu durchbrechen, was seine Macht demonstriert, wobei Luzifer die Tore zum Schutz unter weiteren Anzeichen von Angst schließt: „Ach unde ach“ (RO, V. 482). Mit seiner Anweisung „vrame“ (RO, V. 484) zu bleiben, und seiner Einsicht daraufhin, dass alle seine „wapen“ (RO, V. 552) und seine „were“ (RO, V. 553) nichts gegen den „weldeghe konink“ (RO, V. 554) ausrichten können, kristallisiert sich deutlicher heraus, dass Luzifer sich seiner unterlegenen Position bewusst ist. Dies würde mit Mitteln der Komik an den Zuschauer weitergegeben, wodurch sich das Vertrauen und der Glaube an den Erlöser stärke.11 Auf der himmlischen Gegenseite ist Jesus sich seiner überlegenen Position ebenso bewusst, was sich sprachlich an seiner Anrede an Satan zeigt: „Swich, Satana, drake! / Swich, du vordumede snake!“ (RO, V. 569f.). Jesus übt seine Stellung bewusst aus, indem er die Höllentore zerstört und Luzifer fesselt, der zuvor die Seelen in seiner Hölle gefangen gehalten hat, aber nun selbst nach zu einem Gefangenen seiner eigenen Hölle wird, was für ihn „ewich pyne“ (RO, V. 580) und „grot slach“ (ebd.) bedeutet. Die christliche Seite werde weiterhin positiv dargestellt, worin sich das Heilbringende im „leibhaftigen Nachvollzug[…]“12 äußere,13 als Luzifer nach der Szene, in der die Seelen aus der Hölle geführt werden, die Macht Jesu wiederholt anerkennt: „He nympt uns, dat wy mennich jar hebben to hope tagen“ (RO, V. 659). Er scheint dabei seinen Fehler einzusehen: „Desse schar was myt unrechte wunnen, / Alzo is se uns wedder untrunnen“ (RO, V. 667f.), aber er zieht nicht die folgerichtigen Konsequenzen daraus, sondern wolle zukünftig nur besser aufpassen, nicht aber seiner teuflischen Machenschaften ein Ende setzen. In dieser kontrastierten Darstellung, in der Jesus und Luzifer als Spitze der Hierarchien entgegengesetzt würden, werde die Unterlegenheit des Teufels sichtbar, denn während Jesus als Ganzes und vollkommen dargestellt werde, spiele sich beim Teufel ein Umschwung von seinem anfänglichen Hochmute in eine von Selbstmitleid geprägten Verzweiflung ab.14

Eine weitere didaktische Absicht in Hinsicht auf die Zuschauenden verfolgt der Auftritt von Adam und Eva, indem sie sich klar von der nicht-göttlichen Seite abgrenzen, und indem sie die Reue und Einsicht verkörpern, die notwendig ist, um von Sünden erlöst zu werden. Adam betont, dass diejenigen sich freuen können, erlöst zu werden, die „na gades willen“ (RO, V. 500) gelebt haben; Eva stellt die Seite des Erlösers mit Attributen „der ewighen salicheit“ (RO, V. 512) positiv dar, während die Seite der Hölle als begrenzt, „mennich jar“ (RO, V. 509) und als einen Ort der „dusternisse myt sorgen unde myt var“ (RO, V. 510) charakterisiert wird. Zudem treten die Altväter als Vorbilder hervor, indem sie Reue zeigen, und trotz der jahrelangen Qual nicht den Glauben an Gott verloren haben: „Ik [Adam] unde al myn slechte / Was vordomet myt rechte“ (RO, V. 599f.). Eva betont, dass ihre Versündigung gegen Gott sie in die Hölle gebracht habe, aber ihre Erlösung nun stattfinde (vgl. RO, V. 608–614). Sie glauben weiterhin an die „barmeharticheit“ (RO, V. 600) Gottes und werden von den Worten Jesu bestätigt, der sie „an myns vaders tron“ (RO, V. 607) bringe. Johannes der Täufer bestätigt ebenfalls die Macht Gottes, als er von einem Teufel als letzter zurückgehalten wird, aber sie durch seinen tiefen Glauben abwehren kann, und mit Jesus in den Himmel geht (vgl. RO, V. 639–646). So exemplifizieren die Altväter, dass Erlösung trotz Sünde möglich ist, wenn man seine Fehler einsieht und Reue zeigt, aber auch den Glauben an Gott und an seine Barmherzigkeit nicht verliert.

2.2 Sünde und Seligkeit im Teufel-Seelen-Spiel

Auch im Teufel-Seelen-Spiel wird der Kontrast zwischen Gott und Teufel verstärkt; darüber hinaus erhöhen sich auch die Mittel, Angst im Publikum zu erzeugen. Bereits im Eingang der Szene versinnbildlicht der an einer Kette gefesselte Luzifer der zuschauenden Person seine Unterlegenheit zu Gott. Diese Unterlegenheit wird dadurch forciert, dass er die vorangehende Geschichte rekapituliert und dabei hervorhebt, dass „Jhesus, de weldeghe got“ (RO, V. 1059) diesen „grot schade“ (RO, V. 1057) angerichtet habe (vgl. RO, V. 1056–1059). Luzifer bezeugt, dass alle Seelen, „sundich edder nicht“ (RO, V. 1066), in seine Hölle kommen, wobei er auch die Motivation hinter seinem Handeln preisgibt: Die erlösten Seelen gehen mit Jesus in „synes vader rike“ (RO, V. 1070), aus dem sie „armen“ (RO, V. 1071) vertrieben worden sind und sich nun „an der helle plaghen“ (RO, V. 1073). Da den Menschen noch die Option offenstehe, in Gnaden bei Gott aufgenommen zu werden, und sie damit das erlangen könnten, was den Teufeln verwehrt bleibe, werde er dazu motiviert, erneut den Menschen nachzustellen, weshalb er seine „knechte“ (RO, V. 1044) zum Seelenfang aussende. Die Sünder in seiner Hölle sollten Luzifer dabei helfen, die Aussicht, selbst auf ewig verdammt zu sein, besser zu bewältigen.15

[...]


1 Vgl. Linke, Hansjürgen: Die Teufelsszenen des Redentiner Osterspiels, in: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 90 (1967), S. 89.

2 Schulze, Ursula: Sub specie aeternitatis. Studien zum Verhältnis von historischer Situation und Heilsgeschichte im Redentiner Osterspiel, in: Zeitschrift für Deutsches Alterthum und Deutsche Literatur 138 (2009), S. 408–411, S. 408.

3 Vgl. Linke, 1967, S. 89.

4 Vgl. Fonseca, Ludmila: Faust in Fesseln der Angst. Die erzählerische Konstruktion eines Antiheldentums, in: Ibero-amerikanisches Jahrbuch für Germanistik 10 (2016), S. 7.

5 Alle weiteren Versangaben im Fließtext (RO) beziehen sich auf diese Literaturangabe: Redentiner Osterspiel: Das Redentiner Osterspiel. Mittelniederdeutsch und hochdeutsch, übers. u. komm. v. Brigitta Schottmann, Stuttgart 1986.

6 Alle weiteren Literaturangaben im Fließtext (HF) beziehen sich auf diese Literaturangabe: Historia von D. Johann Fausten. Text des Druckes von 1587. Kritische Ausgabe. Hrsg. v. Stephan Füssel und Hans Joachim Kreutzer. Stuttgart 1988.

7 Linke, 1967, S. 91.

8 Vgl. ebd.

9 Vgl. ebd.

10 Vgl. Schieb, Gabriele: Zum Redentiner Osterspiel, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 70 (1948), S. 298.

11 Vgl. Linke, 1967, S. 92.

12 Claußnitzer, Maike/ Hartmut Freytag/ Susanne Warda: Das Redentiner – Ein Lübecker Osterspiel. Über das Redentiner Osterspiel von 1464 und den Totentanz der Marienkirche in Lübeck von 1463, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur 132 (2003), S. 190.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. Linke, 1967, S. 95f.

15 Vgl. Linke, 1967, S. 103f.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung von Teufel und Gott im "Redentiner Osterspiel" und in der "Historia" von Fausten
Untertitel
Ein Vergleich
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
18
Katalognummer
V1187641
ISBN (eBook)
9783346626394
ISBN (Buch)
9783346626400
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Faust, Osterspiel, Redentiner Osterspiel, Historia von D. Johann Fausten, Heilsgeschichte, Heilspädagogik
Arbeit zitieren
Melina Boll (Autor:in), 2021, Die Darstellung von Teufel und Gott im "Redentiner Osterspiel" und in der "Historia" von Fausten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1187641

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