Die russische Arktispolitik. Eine geopolitische Analyse


Hausarbeit, 2021

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Theoretischer Rahmen und Methodik

3. Russlands wirtschaftliche Interessen in der Arktis: Natürliche Ressourcen, Handelsrouten und internationale Kooperation
3.1 Russlands Ressourcenreichtum in der Arktis
3.2 Schifffahrtslinie im Nordpolarmeer: Die Northern Sea Route
3.3 Wirtschaft in der Arktis: Strategische Einordnung von mittel- und langfristigen Zielen

4. Der sicherheitspolitische Diskurs
4.1 Aufbau militärischer Infrastruktur in der Arktis
4.2 Internationale Zusammenarbeit im Arctic Council
4.3 Kooperation oder territorialer Anspruch?

5. Fazit

6. Literatur- und Abbildungsverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur

7. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Auf den ersten Blick erscheint die Arktis als eine vernachlässigbare Randregion der Erde. In der Tat handelt es sich bei dieser von Schnee und Eis bedeckten Region rund um den Nordpol direkt nach der Antarktis und noch vor der Sahara um die zweitgrößte Wüstenlandschaft der Welt.1 Dieses riesige Gebiet ist darüber hinaus nur äußerst dünn besiedelt. Insgesamt nur etwa vier Millionen Menschen bewohnen das etwa 14 Millionen Quadratkilometer große Gebiet nördlich des Polarkreises (Exner-Pirot 2020: 307). Man könnte also annehmen, dass damit schon so gut wie alles über die Relevanz dieses nur schwer zugänglichen Territoriums gesagt wäre. Solche Zahlen und Fakten beschreiben jedoch nur einen Teil der Wirklichkeit. Bei genauerem Hinsehen fällt schnell auf, dass in dieser Region einiges in Bewegung gerät. Als Folge der globalen Erderwärmung wird die Eisdecke der Arktis bekanntermaßen immer kleiner und die unter der Eisdecke liegenden Ressourcen werden in nicht allzu ferner Zukunft deutlich leichter zugänglich werden. Zudem nehmen die wirtschaftlichen Aktivitäten in dieser Gegend schon seit einiger Zeit erkennbar zu. Gleiches lässt sich über Forschungsaktivitäten sagen (Rottem 2020: 1).

Nicht zuletzt aus diesen Gründen sind die Anrainerstaaten, darunter die drei größten Protagonisten in der internationalen Politik, namentlich die Vereinigten Staaten, Russland und sogar die Volksrepublik China als raumfremde Macht, allesamt in diesem Raum aktiv. Sie versuchen, den „Raum Arktis“ in ihrem Interesse zu gestalten und verfolgen dabei unterschiedliche Ziele. Für die Untersuchung im Rahmen einer geopolitischen Analyse bietet eine solche Konstellation viele Möglichkeiten. Eine Seminararbeit wie diese bietet jedoch nur begrenzten Raum für eine eingehende Untersuchung. Aus diesem Grund werde ich mich in dieser Arbeit auf einen der drei genannten Hauptakteure, nämlich Russland, konzentrieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Was zeichnet Russlands Strategie in der Arktisregion aus ?

Den theoretischen Rahmen für Untersuchung im Kontext dieser Hausarbeit stellt die sogenannte kritische Geopolitik dar. Mithilfe dieses Ansatzes soll versucht werden aufzuzeigen, wie der russische Staat in der Arktisregion auftritt und welchem Zweck dieses Auftreten letztendlich dient. Diesbezüglich werde ich in drei Schritten vorgehen. Zunächst werde ich im ersten Abschnitt den theoretischen Rahmen der Untersuchung erläutern. Hier soll es zunächst darum gehen aufzuzeigen, in welchen Denkmustern die Geopolitik arbeitet, beziehungsweise in der Vergangenheit gearbeitet hat. Zu diesem Zweck werde ich im ersten Kapitel einige wichtige Denker der Geopolitik und ihre Ideen knapp skizzieren und daran anschließend das methodische Vorgehen für die Untersuchung erläutern. Im zweiten Abschnitt werde ich dann den geographischen Raum Arktis mit seinem ökonomischen Potential für Russland untersuchen. Im Fokus stehen hier das Vorkommen und die Nutzung natürlicher Ressourcen sowie mögliche Pläne zur wirtschaftlichen Erschließung der Arktis. Der dritte Abschnitt konzentriert sich dann auf Russlands Militärpräsenz, beziehungsweise den sicherheitspolitischen Diskurs rund um die Arktis. Hier soll geklärt werden, wie Russland sich gegenüber den anderen Konkurrenten in der Arktisregion verhält, welche Mittel der zwischenstaatlichen Interaktion genutzt werden und ob möglicherweise Diskrepanzen zwischen offiziell formulierten Zielsetzungen und tatsächlichem Handeln bestehen.

2. Theoretischer Rahmen und Methodik

Zu Beginn der Untersuchung stellt sich zunächst die Frage, mit welchen Mitteln eine Beantwortung der zu Beginn gestellten Frage zu erreichen ist. Um herauszufinden, welche geopolitische Strategie Russland in der Arktis verfolgt, ist es deswegen notwendig, systematisch vorzugehen. Der erste Schritt besteht aus diesem Grund darin einzugrenzen, was genau untersucht werden soll. Die Motive für Russlands Aktivitäten in der Arktis lassen sich, wie bereits in der Einleitung erwähnt, auf zwei Kernbereiche zurückführen. Der erste Bereich betrifft dabei die wirtschaftlichen Interessen der Russischen Föderation. Der zweite Bereich steht in Zusammenhang mit den militärischen Interessen Russlands in dieser Region (Oualaalou 2021: 120). Auf diese beiden Themenkomplexe konzentriert sich dementsprechend auch die folgende Untersuchung.

Da es im Rahmen dieser Seminararbeit um eine geopolitische Analyse der russischen Arktisstrategie gehen soll, empfiehlt es sich zum besseren Verständnis außerdem, den Begriff Geopolitik und seine Bedeutung zunächst kurz vorzustellen. Die Geopolitik als wissenschaftliche Disziplin im Allgemeinen befasst sich damit, wie geographische Räume, beispielsweise die Arktis, politisch strukturiert werden. Etwas einfacher und mit den Worten des Politikwissenschaftlers Jan Helmig ausgedrückt, wird in der Geopolitik versucht herauszufinden, „ welche Grenzen gezogen werden, wo dieses geschieht, wie Aufteilungen legitimiert und naturalisiert werden und welche Mechanismen von Exklusion und Inklusion zur Sprache kommen “ (Helmig 2008: 51). In diesem Zusammenhang ist es außerdem wichtig darauf hinzuweisen, dass das Verständnis von Geopolitik von seinen Anfangstagen bis zur Gegenwart einen Bedeutungswandel, beziehungsweise verschiedene theoretische Ausprägungen durchlaufen hat.

Frühe geopolitische Denker wie etwa der schwedische Geograph und Politikwissenschaftler Rudolf Kjellen, bei dem der Begriff der Geopolitik nachweislich zum ersten Mal auftaucht, gingen von einer raumdeterministischen Staatspolitik aus (Nohr 2012: 145). Raumdeterministisches beziehungsweise geodeterministisches Denken bedeutet konkret, dass die Politik von Staaten durch geographische Merkmale vorbestimmt ist. Darüber hinaus entwickelten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitere Denkansätze wie etwa die Heartland-Theorie des britischen Geographen Halford Mackinder. Die von Mackinder im Jahr 1904 in dem Aufsatz The geographical pivot of history formulierte Heartland-Theorie besagt prinzipiell, dass es eine naturgegebene Raumordnung gibt. Mackinder geht davon aus, dass die geographischen Räume der Welt hierarchisch geordnet werden können, und teilt diese dementsprechend in Räume von unterschiedlicher Wichtigkeit ein, wobei in seiner Theorie der eurasische Raum das Kernland, beziehungsweise das „Heartland“ darstellt.2 Die Beherrschung dieses Kernlandes stellt nach Mackinder den Schlüssel zur Weltherrschaft dar.

In der neueren geopolitischen Forschung spielen solche Ideen des Raumdeterminismus keine nennenswerte Rolle mehr. Dafür rücken andere Faktoren in den Vordergrund. Ein Beispiel hierfür ist der Aufsatz Clash of Civilizations des amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel Huntington aus dem Jahr 1993. In diesem Aufsatz, der später als Buch veröffentlicht wurde, entwickelt Huntington ein Konzept, welches vor allem kulturelle Gegensätze, bestehend aus den Faktoren Religion, Ethnie, Sprache und Geschichte, hervorhebt (Helmig 2008: 62). Dabei geht Huntington von Kulturkreisen aus, die durch die besagten Faktoren unterschiedlich stark geprägt sind. In der Theorie Huntingtons sind diese Faktoren maßgeblich für die Erklärung weltweiter Konflikte und Krisen und sind deswegen handlungsleitend für geopolitische Strategien von Großmächten. Huntingtons Konzept stellt dabei nur das wohl bekannteste Beispiel von geopolitischen Konzepten dar, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie die konkrete Anwendung der in ihnen erarbeiteten wissenschaftlichen Ergebnisse in der politischen Praxis zum Ziel haben (Hoffmann 2012: 71).

Demgegenüber steht die sogenannte Kritische Geopolitik. Dieser Ansatz baut vor allem auf der Annahme auf, dass Geopolitik als konstruktivistisch zu verstehen ist. In seinem Buch Global Geopolitics formuliert der britische Professor für Geopolitik Klaus Dodds den Unterschied zwischen traditionellen und kritischen geopolitischen Ansätzen so: „ The major difference between traditional geopolitics and the more critical approaches is that the latter promote an opening up of political geography to methodological and conceptual re-evaluation “ (Dodds 2005: 28). Unter Konstruktivismus versteht man in diesem Zusammenhang, dass Geopolitik nicht mehr als deterministisch, sondern als soziales Phänomen verstanden wird. Das wiederum bedeutet, dass die als natürlich erscheinende Ordnung erst durch den Menschen und demzufolge über den Diskurs konstruiert wird (Helmig 2008: 60). Entscheidend für den Erkenntnisgewinn im Rahmen der Kritischen Geopolitik ist daher die Analyse des politischen und wissenschaftlichen Diskurses. Mögliche Gegenstände der Untersuchung können hier beispielsweise offizielle Dokumente oder Statements von Politikern und die von ihnen eingesetzten sprachlichen Mittel und Argumentationen sein. Auch geopolitische Konzepte selbst wie etwa Huntingtons Clash of Civilizations sind zentrale Analysegegenstände der Kritischen Geopolitik und werden innerhalb dieses Ansatzes auf ihre Aussagen und Wirkung hin untersucht (Helmig 2008: 61).

Diese grundsätzliche Überlegung der Kritischen Geopolitik bildet den Ausgangspunkt für die Untersuchung und die Wahl der Methodik im Rahmen dieser Hausarbeit. Auch für die vorliegende Seminararbeit spielt sowohl das geschriebene als auch das gesprochene Wort eine zentrale Rolle bei der Entzifferung der russischen Arktisstrategie. Für das methodische Vorgehen in dieser Arbeit eignen sich daher vor allem qualitative Analysemethoden. Zur russischen Politik in der Arktisregion existieren unter anderem offizielle Dokumente wie beispielweise das Foreign Policy Concept of the Russian Federation des russischen Außenministeriums, die Energy Strategy of Russia for the Period up to 2030 des russischen Energieministeriums oder die Russian National Security Strategy. Darüber hinaus stehen die Anrainerstaaten der Arktis in einem regelmäßigen institutionalisierten politischen Austausch, der über das sogenannte Arctic Council, beziehungsweise den Arktischen Rat, stattfindet. Im Rahmen dieses internationalen Austauschs wird Quellenmaterial in Form von Statements, Positionspapieren oder Beschlüssen produziert, die sich für die Analyse innerhalb dieser Arbeit nutzen lassen. Auch von den führenden Persönlichkeiten der russischen Regierung, wie etwa Staatspräsident Wladimir Putin oder Außenminister Sergei Lawrow, gibt es Äußerungen in Bezug auf russische Interessen in der Arktisregion.

In den folgenden Kapiteln werde ich anhand von Textpassagen aus diesem vorliegenden Quellenmaterial versuchen nachzuzeichnen, welches Bild Institutionen und führende Persönlichkeiten der russischen Politik von Russland zeichnen und welche Interessen Russland in der Arktis verfolgt. Die Untersuchung nimmt dabei die Form einer qualitativen Diskursanalyse an. Das bedeutet, dass die vorliegenden Quellen nach dem Schema „Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung“ analysiert werden sollen (Blatter et al. 2018: 119). Folglich wird das Quellenmaterial komprimiert und es werden zunächst Kernaussagen zur Arktis herausgearbeitet. Diese sollen dann im Weiteren erklärt und kontextualisiert sowie schlussendlich in eine Ordnung gebracht werden, sodass sich am Ende ein schlüssiges Gesamtbild ergibt. Am Ende dieses Prozesses steht dann die Beantwortung der Frage, wie Russlands Verhalten in der Arktisregion aus strategischer Sichtweise zu erklären ist.

3. Russlands wirtschaftliche Interessen in der Arktis: Natürliche Ressourcen, Handelsrouten und internationale Kooperation

Nachdem im vorherigen Kapitel einige wichtige Eckpunkte zum wissenschaftlichen Verständnis von Geopolitik im Allgemeinen und zur Methodik erläutert wurden, geht es nun darum zu versuchen, ein schlüssiges Bild der russischen Arktispolitik zu generieren. In diesem Kapitel soll es um Russland und seine wirtschaftlichen Interessen in der Arktisregion gehen. Diesbezüglich gibt es, wie bereits erwähnt, einige Quellen, die Aufschluss geben können. Die russische Regierung hat zum Beispiel im Jahr 2016 ein außenpolitisches Konzept veröffentlicht, in dem offizielle Leitlinien der russischen Außenpolitik aufgeführt werden. In diesem Dokument findet sich auch ein kurzer Abschnitt zur Arktisregion. Wörtlich heißt es hier: „ Russia pursues a policy aimed at preserving peace, stability and constructive international cooperation in the Arctic “ (Russian Ministry of Foreign Affairs 2016: 21). Auch von Staatspräsident Wladimir Putin wird internationale Kooperation als wichtiger Bestandteil der russischen Arktispolitik hervorgehoben. In einer Plenarveranstaltung des International Arctic Forum im Jahr 2019 äußerte sich Putin im Rahmen eines Interviews wie folgt:

[...]


1 Siehe hierzu Abbildung 1 im Abbildungsverzeichnis

2 Siehe hierzu Abbildung 2 im Abbildungsverzeichnis

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die russische Arktispolitik. Eine geopolitische Analyse
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Sozialwissenschaft)
Veranstaltung
Geopolitik in einer globalisierten Welt
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
26
Katalognummer
V1188085
ISBN (eBook)
9783346621016
ISBN (Buch)
9783346621023
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Russland, Arktis, Geopolitik, Politik
Arbeit zitieren
Tobias Dorn (Autor:in), 2021, Die russische Arktispolitik. Eine geopolitische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1188085

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