Zur Verbstellung im Deutschen

Die semantische Begründung von Verbvoranstellung nach Truckenbrodt und der syntaktische Ansatz nach Lohnstein im Vergleich


Trabajo, 2022

32 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Semantische Begründung von Verbvoranstellung nach Truckenbrodt (2006)

3. Syntaktische Begründung von Verbvoranstellung nach Lohnstein (2020)

4. kritischer Vergleich

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Flexibilität des Satzbaus im Deutschen aufgrund der Möglichkeit der Bewegung verschiedener Konstituenten in andere Positionen innerhalb des topologischen Feldermodells scheint nicht willkürlich und bedingungslos zu existieren. Insbesondere bedarf es bestimmten Voraussetzungen für die Bewegung des finiten Verbs in die SpC- oder die C[0]-Position. Die vier Satztypen verdeutlichen die Möglichkeiten der Bewegung von Konstituenten und des finiten Verbs in Hauptsätzen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für eingebettete Nebensätze ergibt sich hinsichtlich der Voranstellung von [±wh]-Phrasen ein gleiches Bild, allerdings verbleibt das finite Verb in den meisten Nebensätzen in der Fin[0]-Position und wird demnach nicht bewegt. Innerhalb der Annäherung an die Ursachen dieser Regularitäten wird jedoch auch auf Beispiele eingegangen, in denen die Verbzweitstellung ebenfalls in eingebetteten Nebensätzen zulässig ist. Dafür müssen bestimmte Verben im Matrixsatz vorhanden sein, die sich auf die Proposition im Nebensatz beziehen und somit Verbzweitstellung lizenzieren.

Die für die vorliegende Arbeit verwendeten Ansätze zur Erklärung der Verbzweitstellung nach Truckenbrodt (2006) und Lohnstein (2020) fokussieren unterschiedliche Überlegungen und Herangehensweisen, um das Phänomen zu beschreiben. Truckenbrodt (2006) bezieht sich vorrangig auf Kontextindizes, welche eine V-in-C-Bewegung auslösen und zur Etablierung illokutionärer Kräfte beitragen. Lohnstein (2020) argumentiert auf Grundlage der Deixis von Tempus- und Modusangaben, welche die Verbzweitstellung beeinflussen. Dennoch gibt es einige Gemeinsamkeiten hinsichtlich der epistemischen Interpretation bei Deklarativ- und Konjunktiv I-Sätzen.

Die Arbeit wird sich zu Beginn mit der semantischen Begründung von Verbvoranstellung nach Truckenbrodt (2006) befassen (2.) und im Anschluss daran wird der syntaktische Ansatz nach Lohnstein (2020) betrachtet (3.). Daran anschließend folgt ein Vergleich beider Ansätze (4.), um die Arbeit mit einem Fazit abzuschließen, welches den aktuellen Forschungsstand hinsichtlich der Verbzweitstellung zusammenfasst (5.).

2. Semantische Begründung von Verbvoranstellung nach Truckenbrodt (2006)

Truckenbrodt (2006) geht von einer Verbindung zwischen V-in-C-Bewegung und illokutionärer Kraft aus (vgl. Truckenbrodt, 2006: 257). Propositionen (wie in (1a)) können in Form von eingebetteten Nebensätzen mit der Subjunktion dass (wie in (1b)) und als Deklarativsätze (wie in (1c)) realisiert werden:

(1) a. λw (es regnet in w)
b. Fritz sagt, [[-wh] dass es regnet ]
c. [[+wh] Es regnet ]

Die [-wh]-Markierung ist demnach als Bedeutung von CP-Phrasen zu verstehen. Für komplexe Konstruktionen (wie in (2a)) wird sowohl für eingebettete CP-Phrase, als auch für Interrogativsätze eine [+wh]-Markierung angenommen:

(2) a. λw (es regnet in w = es regnet in @) (@: beliebiges Wort)
b. Fritz fragte, [[+wh] ob es regnet ]
c. [[+wh] Es regnet ]

Die bestehende Beziehung zwischen Satztypen und illokutionären Kraft scheint flexibel zu sein und gilt deshalb als eine pragmatische Schlussfolgerung. Deklarativsätze, also [-wh]-V-Phrasen, die an die C-Position bewegt werden, können sowohl für Aussagen (Es regnet), als auch für Fragen (Regnet es?) und für Aufforderungen (Geh nach Hause!) eingesetzt werden. Trotzdem gibt es auch in diesem Bereich Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine solche Flexibilität möglich ist. Eine Bedingung ist, dass Imperativsätze in Form von auffordernden Bitten, Wünschen oder Verboten (Hör auf!) verstanden werden. Sie können nicht als Behauptungen interpretiert werden, die garantieren, dass der Sprecher die Wahrheit sagt und denen der Adressat zustimmen muss. Die imperative Satzstruktur grenzt demnach die Möglichkeiten der Nutzung bestimmter semantischer Inhalte ein. Darüber hinaus gibt es Begrenzungen in Bezug auf Interrogativsätze mit deklarativer Struktur. Die Antworten auf Entscheidungsinterrogativsätze weisen darauf hin, dass derjenige, der auf die Frage antwortet den Sachverhalt glaubt: [p?] è der Adressat A glaubt p.

Diese Beschränkung wird in (3) deutlich, in (4) jedoch nicht:

(3) [A: Der König von Frankreich ist glatzköpfig] è (macht deutlich: A glaubt, dass Frankreich eine Monarchie ist)

S: Frankreich ist eine Monarchie? è (erfordert: dass A glaubt, dass Frankreich eine Monarchie ist)

(4) [In einer Quizshow]

# Es ist größer als eine Brotdose? è (erfordert: dass A glaubt, dass es größer ist als eine Brotdose)

cf: Ist es größer als eine Brotdose? è (keine Anforderung dieser Art)

Gunlogson (2001) kam zu der daraus resultierenden Feststellung, dass eine Frage mit deklarativer Satzstruktur eindeutig vermittelt, dass sich der Sprecher über die Proposition bereits sicher ist (wie in (3)). Diesbezüglich gilt zu untersuchen, warum und durch welche Operation der Unterschied zwischen (3) und (4) entsteht.

Der Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen syntaktischen Satztypen und ihren Verwendungsmöglichkeiten ist zwar flexibel aber nicht willkürlich oder uneingeschränkt zu erkennen. Es gibt Begrenzungen für die Flexibilität, welche nicht durch den Einsatz pragmatischer Mechanismen begründet werden können. Truckenbrodt (2006) versucht die Ursachen für die Restriktionen herauszufinden. Dazu schlägt er eine Theorie vor, die von einer „V-to-C“ (Truckenbrodt, 2006: 260) Bewegung ausgeht. Grundlage der Theorie sind diejenigen Satztypen des Deutschen, die eine Proposition in einem uneingebetteten Kontext zulassen. Dies sind entweder Verbzweit- (Fritz beeilt sich.) oder Verbendsätze (Ob Fritz sich beeilt?). Zentrales Ziel der Theorie ist die Zuordnung des korrekten illokutionären Potentials zu den verschiedenen Satztypen. Verbzweitsätze und Verbendsätze unterscheiden sich hinsichtlich ihres illokutionären Potentials, was die V-to-C-Theorie bestärkt.

Hauptsätze im Deutschen haben das finite Verb typischerweise in der C-Position, wie in (5), (6), und (7):

(5)KauftFritz ein Eis? è V-in-C Interrogativ [+wh, Indikativ]
(6) Fritzkauftein Eis. è Deklarativ (V-in-C) [-wh, Indikativ]
(7)Gehbitte raus! è Imperativ (V-in-C) [-wh, Imperativ]

Satztypen mit Verbendstellung sind auf syntaktischer Ebene eingebettete Sätze, erlauben jedoch auch eine uneingebettete Verwendung. Hierbei ist anzumerken, dass sowohl das Deutsche, als auch das Englische eingebettete Sätze in elliptischen Kontexten zulassen und darüber hinaus das Weglassen bestimmter Bestandteile aufgrund von Wiederherstellbarkeit des Kontextes erlauben (wie in (8)).

(8) Was hat Fritz gesagt? Fritz hat gesagt , dass Karl gestern angekommen ist.
Verbendsätze lassen sich darüber hinaus in vielen Kontexten wiederfinden, in denen ein in (8) vorgeschlagenes Weglassen des Teils, in den der Verbletztsatz eingebettet ist nicht möglich ist (wie in (9)-(12)):
(9) X:Obes ihm gutgeht? è VL, Interrogativ, [+wh, Indikativ]
(10) X: Wo etwas zu Essenfinden? è wh-Infinitiv, [+wh, Infinitiv]
(11) X:dassdu nicht wieder dein ganzes Geldausgibst! è dass eingeleiteter Satz, [-wh, Indikativ]
(12) X: Bitte von der Bahnsteigkantezurücktreten. è Wurzelinfinitiv [-wh, Infinitiv]

Einige der genannten Beispiele korrespondieren mit den V-in-C-Sätzen. So verfügen die Sätze in (6) und in (11) beide über eine [-wh]-Markierung und sind dem Satzmodus Indikativ zuzuordnen. Die genannten Beispiele unterscheiden sich lediglich im Hinblick auf die Position des finiten Verbs. Das finite Verb in Verbzweitstellung führt zu Sätzen in Form von deklarativen Interrogativsätzen und Behauptungen (Deklarativsätze). Der durch dass eingeleitete Infinitivsatz erlaubt keine dieser beiden Interpretationen, weshalb hierbei von einer anderen Einsatzmöglichkeit ausgegangen werden kann (vgl. Truckenbrodt, 2006: 262).

Dieser Unterschied lässt auf zwei wichtige Feststellungen schließen. Zum einen bestärkt er die zuvor angeführte Argumentation, dass der Satz in (6) und der korrespondierende Satz in (11) durch den gleichen Inhalt λw (Fritz kauft ein Eis in w), wie in (1) repräsentiert werden. Demzufolge müssten sowohl der Aussage- als auch der dass -Satz in gleicher Weise genutzt werden können, wenn Sprechakte durch pragmatische Schlüsse motiviert werden würden (vgl. Truckenbrodt, 2006: 262). Da eine identische Nutzung, wie zuvor beschrieben, nicht möglich ist, kann nicht von pragmatischen Schlussfolgerungen ausgegangen werden. Aufgrund dessen glaubt Truckenbrodt (2006) an ein System, welches außerhalb der Propositionen illokutionäre Kräfte zuweist (in (1) und (2)), da entscheidend ist, ob das finite Verb in C-Position steht oder nicht. Zum anderen zeigt der Unterschied, dass die Bewegung V-to-C einen Effekt auf die Zuweisung der illokutionären Kräfte in diesem System bewirkt (vgl. Truckenbrodt, 2006: 262).

V-in-C Satztypen und Kontextindizes

Truckenbrodt (2006) partizipiert die Annahme Zaefferers (2001), dass nahezu alle Sprechakte als appellative semantische Komponente auf Seiten des Sprechers verstanden werden können, da dieser den Adressaten um etwas bittet oder er etwas von ihm möchte. Aus diesem Grund können alle Sprechakte durch die Paraphrase ‘ S möchte (von A) … ‘ repräsentiert werden, wie in (13)-(15):

(13) Imperativ è Imperativ in C è Öffne das Fenster! ‘ S möchte von A, dass A das Fenster öffnet.‘

(14) Deklarativ è ([-wh] und Indikativ/ Konjunktiv II in C) è Der Fritz hat das gemacht. ‘ S möchte von A, dass die gemeinsame Grundlage durch den Sachverhalt widergespiegelt wird, dass Fritz es gemacht hat.‘

(15) Interrogativ è ([+wh] und Indikativ/ Konjunktiv II in C) è Hat Fritz das gemacht? ‘ S möchte von A, dass die gemeinsame Grundlage durch den Sachverhalt widergespiegelt wird, ob Fritz es gemacht hat.‘

Im Imperativsatz in (13) wird deutlich, dass S von A verlangt, dass A etwas in der realen Welt tut. Sowohl der Deklarativ- als auch der Interrogativsatz sind durch den Wunsch nach Veränderung der Welt seitens S motiviert. S möchte das individuelle Wissen von sich selbst oder von A verändern, indem S in Form einer Behauptung Wissen über einen Sachverhalt an A vermittelt (in (14)) oder indem S einen Sachverhalt von A erfragt (in (15)) (vgl. Truckenbrodt, 2006: 264).

Darüber hinaus ist die Grundlage Truckenbrodts (2006) Argumentation, dass Deklarativ- und Interrogativsätzen als gemeinsame Grundlage zur Interpretation der Satzinhalte das epistemische Desiderat zugrunde liegt, also der Wunsch von S nach der Veränderung der realen Welt. Demzufolge ist die Voraussetzung, dass A die von S aufgestellte Behauptung p akzeptiert, damit sich eine gemeinsame Grundlage auf die Sicht der Welt etablieren kann (im Falle von (14)). Bei Interrogativsätzen ist darüber hinaus die richtige Antwort von A auf die von S gestellte Frage entscheidend für die Etablierung einer gemeinsamen Grundlage (siehe (15)). Der Unterschied lässt sich durch die jeweilige Markierung der Sätze mit [±wh] erklären, da bei einer [+wh]-Markierung eine Antwort erforderlich ist.

Truckenbrodt (2006) bezeichnet die Interaktion der grammatischen Elemente in C mit der Interpretation der Paraphrase ‘ S möchte (von A) (dass die gemeinsame Grundlage) p (ist)‘ als Kontextindex, weil hierbei syntaktische Merkmale auf C vermittelt werden (vgl. Truckenbrodt, 2006: 265) . Mögliche Kontextindizes sind in (16) genannt.

(16) Context indices on C in unembedded use have the form <DeontS (,x)1 (,<Epist>)2>.

A paraphrase is ‘S wants (from x)1 (that it is common ground)2 that/whether . . .’.

(Truckenbrodt, 2006: 265)

Nach Truckenbrodt (2006) bestimmen die genannten Kontextindizes die Interpretation der Propositionen in (1) und (2) maßgeblich. Die wichtigsten variablen Parameter sind dabei (from x) und (that it is common ground) .

(17) In a context index <DeontS (,x)(,<Epist>)> in C

a.Epistis present iff (i) C contains a finite verb with indicative or Konjunktiv II or (ii) C/CP is marked+WH.

b.x=A(ddressee) iff C contains a finite verb with person inflection.

(Truckenbrodt, 2006: 265)

Truckenbrodt (2006) ist der Überzeugung, dass (17a) und (17b) die V-to-C-Bewegung auslösen. Darüber hinaus trägt (17) einen großen Beitrag dazu bei, illokutionäre Kräfte zu den verschiedenen Satztypen zuzuordnen. Aus diesem Grund kann (17) als Grundlage seiner Argumentation verstanden werden (vgl. Truckenbrodt, 2006: 266).

Je nach Satztyp sind die Kontextindizes unterschiedlich, wobei sie für Deklarativ- und Interrogativsätze identisch sind. Der Imperativ hat einen verkürzten Kontextindex aufgrund der Funktion, die der Imperativsatz erfüllt.

(18) Imperativ: <DeontS, A> ‘S möchte von A …’

Deklarativ: <DeontS, A, <Epist>> ‘S möchte von A, dass die gemeinsame Grundlage der Sachverhalt ist, dass …’

Interrogativ: <DeontS, A, <Epist>> ‘S möchte von A, dass die gemeinsame Grundlage der Sachverhalt ist, ob …’

Der Imperativsatz ist nicht [+wh] markiert, weshalb er den Effekt <Epist> nicht beinhaltet. Dennoch enthält der Satz einen Adressaten (17b), weshalb sich der Kontextindex <DenotS, A> ergibt. Sowohl der Interrogativ als auch der Deklarativ beinhalten beide genannten Effekte ((17a) und (17b)), weshalb sich für die beiden Satztypen der Kontextindex <DenotS, A, <Epist>> ergibt (vgl. Truckenbrodt, 2006: 266).

Die Effekte aus (17) dienen der Überprüfung grammatischer Elemente in C anhand von Merkmalen innerhalb der Kontextindizes in C. Aus diesem Grund und bedingt durch die Tatsache, dass die Effekte keinen semantischen Ursprung haben, kommt Truckenbrodt (2006) zu der Annahme, dass das Überprüfen der Effekte in (17a) und (17b) den Grund für die V-to-C-Bewegung im Deutschen darstellt (vgl. Truckenbrodt, 2006: 266).

[...]

Final del extracto de 32 páginas

Detalles

Título
Zur Verbstellung im Deutschen
Subtítulo
Die semantische Begründung von Verbvoranstellung nach Truckenbrodt und der syntaktische Ansatz nach Lohnstein im Vergleich
Universidad
University of Wuppertal
Calificación
1,3
Autor
Año
2022
Páginas
32
No. de catálogo
V1188907
ISBN (Ebook)
9783346619112
ISBN (Libro)
9783346619129
Idioma
Alemán
Palabras clave
verbstellung, deutschen, begründung, verbvoranstellung, truckenbrodt, ansatz, lohnstein, vergleich
Citar trabajo
Lena Santos (Autor), 2022, Zur Verbstellung im Deutschen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1188907

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