Charles Fourier in Wissenschaft und Praxis

Ebenen der Rezeption


Thèse de Master, 2008

87 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhalt

1. Einleitung:
1. 1. Untersuchungsgegenstand:
1. 2. Methodologie, Fragestellung und Forschungsstand:
1.3. Gliederung, verwendete Quellen und Literatur:

2. Biographische Besonderheiten und frühe Sozialisation Fouriers:

3. Die ideengeschichtliche Einordnung des Fourierismus:
3. 1. Frankreich um 1800 I: Die sozioökonomische Situation, ihre ideengeschichtlichen Grundlagen und ideengeschichtliche Rezeption als ideengeschichtlicher Hintergrund Fouriers:
3. 1. 1. Mediterrane Moderne I: Der spekulative Mystizismus und die ganzheitliche Methode:
3. 1. 2. Mediterrane Moderne II: Die ökonomische Dimension:
3. 1. 3. Der französische Materialismus, die Physiokraten, Malthus und der klassische Liberalismus:
3. 1. 4. Die Realitäten der nachrevolutionären Wirtschaft Frankreichs:
3. 2. Frankreich um 1800 II: Die politische Dimension:
3. 2. 1. Allgemeine politische Geschichte:
3. 2. 2. Die rechtliche Stellung der Frau in Frankreich vor und nach der Revolution:
3. 2. 3. Geschlechterverhältnisse in Praxis und Alltag im Frankreich des 19. Jahrhundert:

4. Fouriers Kritik und seine Konzepte zur Überwindung des „Sozialen Chaos“ und die Rezeption seiner Ideen bis heute:
4. 1. Politische Ökonomie: Garantismus – Wohlfahrtsstaat – Wohlfahrtsdiktatur?
4. 2. Ökologie statt Industrie: Von der „borealen Krone“ bis zur Klimakatastrophe?
4. 3. Fouriers Kulturkritik: Freie Liebe oder Kommerzialisierung der Sexualität?
4. 4. Die Rezeption des Fourierismus durch Arbeiter und Volk im Reich der Notwendigkeit:

5. Schlussbetrachtung:

6. Auswahlbibliographie:

Legende zu den Indizes:

1. Einleitung:

1. 1. Untersuchungsgegenstand:

Zwischen dem Erscheinen des Contrat Social Jean-Jacques Rousseaus und dem des Manifests der Kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich Engels liegen genau 90 Jahre.[1] Ideengeschichtliche Entwicklungen, die in diesen 90 Jahren im Spektrum zwischen diesen beiden Werken anzusiedeln wären, wurden aus der Sicht der vor allem bürgerlich geprägten ideengeschichtlichen Rezeption hauptsächlich unter dem Stichwort Frühsozialismus und der marxistisch geprägten Rezeption unter dem Stichwort vormarxistischer Sozialismus zusammengefasst.[2] Mit der Begriffsgeschichte und -verwendung hat sich insbesondere Manfred Hahn befasst.[3] Die Festlegung für die Verwendung einer der beiden oder gar noch anderer Begriffe würde bereits eine gesonderte Darstellung ermöglichen. Da es hier aber um Inhalte gehen soll und nicht um das „Begriffe versenken“[4], werden beide Begriffe, der Argumentation Elke Kleinaus folgend, weitestgehend synonym verwendet.[5]

Als Erklärung für diese Auseinandersetzungen kann vordergründig der Verweis auf die realpolitischen Entwicklungen, nicht nur zwischen 1758 und 1848, sondern auch nach 1848, insbesondere auf die Zeit des Kalten Krieges dienen. Im Hintergrund könnten dafür jedoch weitere Faktoren verantwortlich gemacht werden, die wiederum in direktem Zusammenhang mit der Realpolitik stehen.

Während die Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts den Fokus auf die Gegensätzlichkeit zwischen der liberalen Theoriebildung und der marxistisch orientierten sozialistischen Theoriebildung richtete, besteht für das 21. Jahrhundert die Chance diesen (aus ökologischer und auch sozialkonstruktionistischer Sicht) vermeintlichen Antagonismus zumindest zu relativieren. Die hauptsächliche Gemeinsamkeit zwischen Liberalismus und Marxismus liegt nämlich in der Bejahung und möglicherweise Überschätzung, Überbetonung oder gar Glorifizierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, gegenüber humanistischen oder ethischen Erwägungen. Diese Gemeinsamkeit wurde schließlich auch von Marx eingestanden bzw. ist ein prägendes Element für das Selbstbild des Marxismus.[6] Die Virulenz derer Problemhaftigkeit wird im 21. Jahrhundert aber in zunehmendem Maße offenbar. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auf den Diskurs um den Klimawandel, um die Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Nationalstaates, oder um den Verlust politischer Partizipation verwiesen.[7] Möchte man nun diese Chance für die Geschichtswissenschaft nutzen, lohnt sich ein Blick auf die liberale und sozialistische Theoriebildung vor 1848. Es ergibt sich hieraus ein ideengeschichtlicher Ansatz. Der zeitliche Rahmen, etwa zwischen 1750 und 1850, in dem sich die vorliegende Arbeit bevorzugt bewegen wird, muss allerdings bisweilen durchbrochen werden. Im folgenden Unterkapitel werden die Gründe hierfür näher erläutert.

Die zentrale Figur der vorliegenden Arbeit, Charles Fourier (1772-1837), war in seiner Kritik an den damals bestehenden Verhältnissen der einzige Theoretiker, der die Industrialisierung dezidiert als solche, auf Grund ihrer zerstörerischen Gewalt der Natur gegenüber ablehnte und dennoch als Sozialist klassifiziert wurde. Die Kritik am industriellen Fortschritt war im 19. Jahrhundert eine konservative Domäne[8] und wurde ansonsten nur noch von den Anarchisten geteilt.[9] Während sich in diesen beiden Fällen die Skepsis gegenüber technischen Neuerungen über die Jahrhunderte bis heute zumindest in Teilen bewahren konnte, lässt sich eine solche Kontinuität für den Sozialismus nicht und für den Liberalismus erst recht nicht konstruieren. Deshalb müssen die ideengeschichtlichen Aspekte, die von konservativer bzw. anarchistischer Seite in die hierum kreisenden Diskurse mit eingebracht wurden, im Rahmen der vorliegenden Arbeit angemessen berücksichtigt werden.

Dabei sollte im Hinterkopf behalten werden, dass auch Fourier für seine Theorien das Prädikat wissenschaftlich beanspruchte, was aber nicht bedeuten kann, dass hieraus eine Glorifizierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts abzuleiten wäre. Zumal er in der Realität meistens mit dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit und des Utopismus konfrontiert wurde[10] und außerdem kein kausaler Zusammenhang zwischen der Glorifizierung technischen Fortschritts und der Beurteilung einer Gesellschaftstheorie als wissenschaftlich angenommen werden kann. Auch wenn die Hinwendung der Wissenschaften zur Empirie und die Expansion des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zeitlich zusammengefallen sind.[11]

Genau an diesem Punkt wird die Auseinandersetzung mit Fourier besonders spannend. Denn eine Beurteilung seiner Theorien kann nur vor dem Hintergrund der Kenntnis seiner Zeit erfolgen. Natürlich ließe sich auch argumentieren, dass sich das 21. Jahrhundert als Moderne klassifizieren ließe, ebenso wie das beginnende 19. Jahrhundert auch als Phase des Eintritts (zumindest Frankreichs) in die Moderne klassifizierbar wäre.[12] Doch die Möglichkeiten, so genannte Utopien in die Realität umzusetzen, waren in der Revolutionszeit in Frankreich gerade besonders günstig. Als Beleg für die Plausibilität dieser Annahme könnte etwa die Erprobung verschiedener Verwaltungssysteme[13] im revolutionären Frankreich dienen. Insbesondere wäre hier auch auf dem Gebiet der Änderung der Wirtschaftsstruktur die Abschaffung der Grundherrschaft zu nennen.[14] Unbestreitbar war diese eine so gravierende Zäsur, dass es zumindest fragwürdig erscheinen darf, ob etwas Vergleichbares (eine vergleichbare Utopie?) im 21. Jahrhundert so ohne weiteres möglich sein kann. Ohne an dieser Stelle in weitere Details gehen zu wollen, ist es jedoch notwendig vorab solcherart Gedanken voranzustellen, um erstens darauf hinzuweisen, dass die Frage nach der Wissenschaftlichkeit von Fouriers Theorien nicht unreflektiert nach den zumindest heute gängigen Maßstäben vorschnell beantwortet werden sollte, und zweitens, dass es dennoch oder gerade deswegen lohnend ist, sich mit den Theorien Fouriers und auch seiner Zeitgenossen zu befassen.[15] Es wäre nämlich zumindest denkbar, dass sich aus einer solchen Herangehensweise sogar Strategien zur Bewältigung der oben genannten Probleme des 21. Jahrhunderts ergeben könnten. Jenseits solcher Spekulationen jedoch lässt sich schließlich im Zusammenhang mit heutigen Problemlösungsstrategien für die Lösung globaler Probleme ein beträchtlicher Positivismus feststellen, der die Bandbreite der Lösungsmöglichkeiten stark einschränkt.[16]

1. 2. Methodologie, Fragestellung und Forschungsstand:

Wie das vorangegangene Kapitel schon suggeriert, soll im Rahmen dieser Arbeit der Versuch unternommen werden, zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Neubewertung der ideengeschichtlichen Position Fouriers besteht. Dass die Beschäftigung mit der Rezeption und Wirkung Fouriers dabei von zentraler Bedeutung sein muss, liegt auf der Hand und ist einer der Gründe für den epochenübergreifenden Charakter der Arbeit. Zudem ist die Fourierologie ein interdisziplinäres Forschungsfeld.[17] Eine Tendenz in Richtung politischer Soziologie ist aber auch noch aus anderen Gründen zu rechtfertigen. Wie Allan Megill in einem Artikel im Journal of the History of Ideas klargemacht hat, existiert ein primärer Zusammenhang zwischen Ideengeschichte und Globalisierung. Die Globalisierung, historisch verstanden, ist ein Prozess, der zwar vor den 1990er Jahren nicht als solcher bezeichnet wurde, aber ein Prozess, der die bisherige Menschheitsgeschichte begleitet hat.[18] Dieser Befund erhält umso mehr Gültigkeit, je näher man sich auf die für die heutige Zeit so wichtigen Zäsuren in der Weltgeschichte zu bewegt, die in diesem Zusammenhang den größten Stellenwert besitzen, also auf die Epoche des aufkommenden Kapitalismus in seiner frühen Form seit spätestens dem 16. Jahrhundert und auf seinen Durchbruch in den bürgerlichen Revolutionen von 1776 und 1789, deren Zeitzeuge Charles Fourier gewesen ist. Die interdisziplinäre Tendenz in den Sozialwissenschaften, sich in Richtung historische Soziologie[19] sowie die Ideengeschichte[20] zu öffnen, existiert parallel hierzu und deutet ein reziprokes Verhältnis der Gesellschaftswissenschaften untereinander an. Die Sorge der Geschichtswissenschaften, zu einer Hilfswissenschaft zu degenerieren[21], kann vor diesem Hintergrund zerstreut werden.

Spezielle Aspekte der Theorien Fouriers, wie die philosophischen, psychologischen, architektonischen, linguistischen und naturwissenschaftlichen, werden, mit Ausnahme der philosophischen, in der vorliegenden Darstellung nur sehr rudimentär behandelt. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit der Beschäftigung mit philosophischen Aspekten einerseits aus der ideengeschichtlichen Ausrichtung der Arbeit und andererseits aus den folgenden Gründen:

Es gibt noch weitere, gewissermaßen handfestere, Gründe für die Geschichtswissenschaft sich mit Fouriers Theorien auseinanderzusetzen. Speziell für die Geschlechter- bzw. Sexualitätsgeschichte. Fourier gilt zwar auf dem Gebiet der Sexualität als Visionär[22], wurde aber nie in die heute dominierende geschlechter- und sexualitätsgeschichtliche Theoriekontroverse zwischen Konstruktionismus und Essentialismus mit einbezogen, was allerdings auch auf die generell rudimentär gebliebene Beschäftigung mit diesem Aspekt des Fourierismus zurückgeführt werden könnte.[23] Da der Forschungsstand, was Fourier generell betrifft, besonders aber die mit ihm zusammenhängende Rezeptionsgeschichte seiner Theorien, sehr schwierig zu fassen ist[24], wird dieser nicht wie üblich nur in der Einleitung abgehandelt, sondern werden die wichtigsten Aspekte jeweiliger Forschungsstände zusätzlich an geeigneter Stelle reproduziert. Wenn Franz Eder in seiner Monographie Kultur der Begierde etwa feststellt, dass sich bei den Historikern in der Beschäftigung mit der Geschichte der Sexualität eine Einstellung des „anything goes“ etabliert habe, ohne dass sich eine eindeutige Positionierung zugunsten des Essentialismus oder des Sozialkonstruktionismus einstellen würde, dann stellt sich die Frage, wie eine solche Theorieindifferenz zu rechtfertigen sein könnte.[25] Generelle Ansätze wurden bereits skizziert. Die Sexualitätsgeschichte bedarf jedoch weiterer Argumente. Eines der Ziele der vorliegenden Arbeit ist es daher diesbezüglich zum Nachdenken und zur Diskussion anzuregen und erste Argumente zu liefern, die erstens die Theorieindifferenz der Geschichtswissenschaften begründen können und zweitens womöglich sogar dazu beitragen könnten, den Konflikt zwischen den beiden dominierenden Theorien in der Sozialwissenschaft etwas zu entschärfen. Zweifelsohne bliebe letzteres eine Frage der Annahme oder Rezeption solcher oder ähnlicher Argumentationen seitens der Sozialwissenschaften, falls dieses gelänge. Bis dahin bleiben durch diese ungelösten Auseinandersetzungen ganzheitliche Methoden und interdisziplinäre Ansätze mit Sicherheit hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Neben Methodenstreits und ideengeschichtlichen Kontroversen existieren aber noch handfestere Gründe sich gerade mit Charles Fourier auseinanderzusetzen, da viele Fragen bezüglich Fouriers Theorien sind unbeantwortet geblieben oder gar nicht erst gestellt worden. Dabei spielt die Klassifizierung seiner Theorien als frühsozialistisch bzw. vormarxistisch eine wichtige Rolle. Fourier selbst wollte schließlich erreichen, dass seine Theorie als „seine“ Theorie wahrgenommen wird und gerade nicht so sehr im Zusammenhang mit anderen Theorien.[26] Eine Entkoppelung seiner Theorien aus dem Bereich des liberalen oder sozialistischen Diskurses, lässt Spielraum für die Suche nach mediterran-moderne[27] Elementen im Fourier´schen Ideensystem, um so zu einer Neubewertung seiner politisch-religiösen Sozialisierung in Lyon zu gelangen. Dabei nähert man sich auch der Frage, wie ist es zu erklären, dass Fourier 40 Jahre vor dem Erscheinen des Kommunistischen Manifests eine dialektische Struktur in den sozialen Bewegungen erkannt hatte, ohne die Hegel´sche Erkenntnistheorie zu kennen. Diesen Fragen muss man auf den Grund gehen, um einer universalen Theorie wie der Fourier´schen gerecht zu werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Rezeption Fouriers in der Praxis. Wie bereits angedeutet, ist die Rekonstruktion der Rezeption seiner Theorien nicht einfach. Insbesondere insofern als dass Elemente seiner Theorie in andere Theorien eingeflossen sind, anschließend in politische Programme umgewandelt wurden, und infolge dessen praktische Relevanz bekamen, unter Umständen ohne dass seine Urheberschaft oder Inspiration noch unmittelbar erkennbar wäre. Mittels der Auseinandersetzung mit theorie- aber auch sozialgeschichtlichen Begebenheiten, ist es jedoch möglich, auch hier weiterzukommen und somit zu einer differenzierten Rezeptionsgeschichte fourieristischer Praxis zu gelangen. Die französische Arbeiterschaft beispielsweise, blieb zu Fouriers Lebzeiten noch sehr stark in traditionellen Bezügen verhaftet, wie noch gezeigt werden wird. Im Falle anderer Bevölkerungsteile gestaltet sich eine Rekonstruktion von Rezeption und Wirkung des Fourierismus ebenfalls nicht leichter.

1.3. Gliederung, verwendete Quellen und Literatur:

Um alle diese Aspekte bearbeiten zu können, soll zunächst die Person Fouriers vorgestellt werden. Biographische Besonderheiten können hier zum Verständnis seiner Theorien von Bedeutung sein, weshalb erste Analyseansätze schon im zweiten Kapitel zu Fouriers Biographie erscheinen werden. Im dritten Kapitel sollen dann seine Theorien in Bezug zur Ideengeschichte des 19. Jahrhunderts gesetzt werden, wobei einerseits die ökonomische und andererseits die politische bzw. öffentlich-rechtliche Dimension und lebensweltliche Faktoren berücksichtigt werden sollen. Wie angedeutet verweist dieser Themenkreis bereits auf die Rezeptionsgeschichte und auf wissenschaftstheoretische Zusammenhänge. Während die verschiedenen Bezüge zu den Zeitumständen Fouriers im Rahmen des ideengeschichtlichen Teils in gesonderten Teilkapiteln untersucht werden, wird der Rezeption der Ideen Fouriers das vierte Kapitel gewidmet. Es ist dabei in fünf Unterkapitel eingeteilt, die jeweils die unterschiedlichen Ebenen seiner Theorie repräsentieren: Erstens die politische Ökonomie, zweitens ökologische Aspekte, drittens Fouriers Kulturkritik, viertens wissenschafts-theoretische Fragen und schließlich die Ebene der Rezeption in der Bevölkerung, also die praktische Ebene.

Die allgemeinen Rahmenbedingungen des Lebens Fouriers, also die politischen, kulturellen und sozioökonomischen Zustände in Frankreich um 1800 verweisen wiederum auf die Rezeptionsgeschichte, da in diesem Zusammenhang auch die „soziale Frage“ und mit ihr die französische Arbeiterschaft genauer untersucht werden muss. Schließlich hat Fourier sich mit diesen Umständen seiner Zeit intensiv auseinandergesetzt. Die somit auf den Prüfstand zu stellende Rezeption Fouriers in Wissenschaft und Praxis bildet dann auch die Grundlage für die Schlussbetrachtung, in der die Frage beantwortet werden soll, wie man zu einer neuen ideengeschichtlichen Einordnung Fouriers im Sinne der oben gestellten Einzelfragen gelangen kann, sofern dies noch nicht durch die Analyse sichtbar gemacht werden konnte. Ihre Antworten werden im fünften und letzten Kapitel zusammenfassend dargestellt.

Aufgrund mangelnder französischer Sprachkenntnisse, ist es nicht möglich gewesen auf die französischen Quellen direkt zuzugreifen. Eigene quellenkritische Arbeit musste sich daher auf deutschsprachige Quellenausgaben beschränken. Quellenkritische Arbeit leisteten vor allem Günter Behrens (s. Anmerkung 17) und Jonathan Beecher[28], deren Ergebnisse hier vielfach übernommen wurden. Die gesammelten Werke Fouriers sind bisher weder in deutscher noch in englischer Sprache erschienen, so dass die im Literaturverzeichnis aufgeführten Quellenausgaben gleichzeitig alle verfügbaren (deutschsprachigen) Quellen darstellen müssten. Auch in der Quellenkunde Manfred Hahns sind keine weiteren Quellen (natürlich existieren weitere im Literaturverzeichnis nicht zitierte Ausgaben) in deutscher Sprache aufgeführt, wobei die englischsprachigen Ausgaben keine Erweiterung des in deutscher Sprache verfügbaren Materials darstellt.[29] Beecher und Behrens arbeiteten daher auch mit französischem Material.

Archive aus der Region Nordrhein-Westfalen, die Quellen zum Frühsozialismus aufbewahren, befinden sich in Düsseldorf und in Bonn, enthalten aber lediglich Material über deutsche Frühsozialisten.[30] Dennoch lieferte die Quellenkunde Manfred Hahns wertvolle Anhaltspunkte für die Literaturrecherche. Da der Versuch, eine vollständige Bibliographie der Fourierologie, also eine Bibliographie die auch die Rezeption Fouriers berücksichtigen würde, anzufertigen, noch nicht unternommen wurde[31], richtet sich auch hier die Wahl der verwendeten Literatur nach dem jeweiligen Erkenntnisinteresse.

2. Biographische Besonderheiten und frühe Sozialisation Fouriers:

Bereits die Beschäftigung mit der Biographie Fouriers macht die Umstrittenheit seiner Person sichtbar. Besonders die frühen Jahre bis 1789 sind schwierig zu rekonstruieren.[32] Günter Behrens, der sich im deutschsprachigen Raum als letzter intensiv mit der Biographie Fouriers auseinandergesetzt hat (obwohl er es gar nicht vorgehabt hatte), weist auf einen großen Mangel in der Fourier-Rezeption hin, dass nämlich auch schon bei biographischen Details deutlich wird, wie, je nach Intention der Autoren, Informationen zu Fouriers Biographie entweder unkritisch von der ihm freundlich oder der ihm feindlich gesinnten Seite übernommen werden.[33] Da es mindestens diese beiden Seiten mit ihren Extrempositionen gibt, ist es nicht einfach eine Position herauszuarbeiten, die man vertreten kann. Das fängt eben schon bei Fouriers Biographie an. Gesichert ist, dass er am 7. April 1772 als Sohn eines wohlhabenden und angesehenen Tuchhändlers aus Besancon als Francois-Marie-Charles Fourrier geboren wurde. Warum er seinen Namen später ändern ließ (etwa um 1803/1804), ist umstritten. Vergez behauptete etwa, dass er eine Verwandtschaft zu dem gleichnamigen Jean-Pierre Fourier de Metaincourt suggerieren wollte. Ob das so abwegig ist, wie Günter Behrens in seiner Dissertation von 1977[34] behauptete, ist fraglich, wäre aber wenn überhaupt nur argumentativ zu belegen, nicht quellenmäßig. Diese Frage soll aber an anderer Stelle näher behandelt werden. Festzuhalten bleibt indes, dass es noch einen weiteren berühmt bzw. bekannt gewordenen Fourier gegeben hat, der sich ebenfalls mit Harmonie und Serien auseinandergesetzt hat, nämlich den Mathematiker und Zeitgenossen Baron Jean-Baptiste Joseph de Fourier (1768-1830).[35] Natürlich hat dieser sich im Rahmen seiner mathematischen Untersuchungen mit diesen beiden Themen auseinandergesetzt und bisher hat auch noch niemand versucht einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Fouriers herzustellen.

Es wäre auch zumindest theoretisch möglich, dass sich Charles Fourier, nur weil er sich von seiner übrigen Familie absetzen wollte (sein Vater hieß ebenfalls Charles, welcher beider Rufname gewesen ist), umbenennen ließ, aber das alles weiß man nicht. Was man weiß ist, erstens dass sich der Vater um einen Nachweis bemühte, der ihn als Nachfahre des Baron de Metaincourt ausweisen sollte, und dass es zweitens tatsächlich Spannungen zwischen Fourier und seiner Familie gab. Als jüngster Sohn unter drei älteren Schwestern lastete besonderer Druck auf ihn, weil der Vater für ihn die Weiterführung der familiären Kaufmannstradition vorgesehen hatte. Und schließlich wurde die Bedingung, den Kaufmannsberuf zu erlernen, an die Auszahlung des Anteils des väterlichen Erbes geknüpft. Fouriers Mutter, ebenfalls aus dem gehobenen Bürgertum stammend, zeigte sich mindestens ebenso unnachgiebig in der Frage seiner Berufswahl wie sein Vater zu Lebzeiten. Als er starb war Fourier nämlich erst neun Jahre alt, so dass er bis 1789 von seiner Mutter erzogen wurde. Zudem gilt die Charakterisierung seiner Mutter durch Fouriers Zeitgenossen als ungebildet, bigott und geizig als unumstritten. Zumindest wird es von allen Autoren so übernommen und auch Behrens behauptet hier nichts Gegenteiliges. Fouriers Bezeichnung seines Elternhauses als merkantilen Schafstall scheint jedenfalls nach allem Erfahrbaren nicht ganz unberechtigt zu sein, auch in dem Sinne, als dass er diese Bezeichnung nicht einfach aus Boshaftigkeit oder Provokation wählte, sondern dass bei der Erziehung Fouriers tatsächlich übermäßiger Zwang im Spiel gewesen ist und dass sein Unmut darüber verständlich ist.[36] Dieser Befund wurde etwa bei Beecher relativiert insofern, als dass eher seine Mutter für Zwangsmaßnahmen verantwortlich gewesen zu sein scheint als sein Vater. Obwohl dieser ihn in seinem Kaufmannsladen anlernte, scheint er mehr Milde gegenüber Fouriers exzentrischen Zügen bewiesen zu haben als später die Mutter.[37]

Solcherart biographische Details sind nicht nur deshalb wichtig, weil sie umstritten sind, sondern auch weil sie immer wieder herangezogen worden sind, um zu erklären, warum Fourier seine Theorien so entwarf, wie er sie entwarf. Es handelte sich dabei jeweils, um das vorwegzunehmen, häufig um den Versuch die Ernsthaftigkeit und die wissenschaftliche Qualität seiner Theorien zu relativieren. Der Rückgriff auf biographische Daten wurde dann insbesondere von liberaler und konservativer Seite dazu benutzt, um behaupten zu können Fouriers Sozialisation sei „Schuld“ an seinen eigenartigen Ansichten, während von marxistischer Seite häufig behauptet wurde, dass die frühkapitalistischen (unterentwickelten) ökonomischen Verhältnisse für Eigenarten seiner Theorie verantwortlich seien. Von ersterer Seite wurde schließlich sogar behauptet, Fourier sei schlicht verrückt gewesen.[38] Ein konkretes Beispiel für eine solche verkürzte Darstellung wäre etwa Fouriers Polemiken gegen den Katholizismus ausschließlich damit zu begründen, dass er während seiner Schulausbildung (von 1783-1789) auf dem örtlichen Jesuiten-Kolleg in Besancon schlechte Erfahrungen gemacht hat. Dabei hat Fourier dort nicht nur schlechte Erfahrungen gemacht, auch wenn er sich unterfordert und auf den falschen Gebieten gefordert fühlte, wurde er doch als außergewöhnlich fähiger Schüler mehrmals mit Preisen des Kollegs ausgezeichnet.[39] Zudem wäre seine Kritik an der institutionalisierten Kirche aus wesentlich anderen Gründen und auch aus mehreren Gründen erklärbar, wie noch im dritten Kapitel zu sehen sein wird.

Auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll Fouriers Biographie als Teil seiner Sozialisation verstanden werden und so gewinnbringende Ergebnisse liefern. Doch erstens sollen verkürzte Urteile über die Herkunft der Kritik Fouriers an den bestehenden Verhältnissen vermieden werden und zweitens soll besonders der ideengeschichtliche Teil andere Erklärungen liefern, die auch über den bloßen Verweis auf den Frühkapitalismus und Fouriers „klassenmäßiger“ Herkunft hinausgehen. Die Schwierigkeit, insbesondere die frühen Jahre der Biographie Fouriers bis 1789 und im Grunde genommen darüber hinaus bis zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst 1796, zu rekonstruieren, wurde bereits angesprochen. Vieles wurde von seinem viel zitierten Biographen Charles Pellarin überliefert, muss aber als legendenartig qualifiziert werden. Dennoch lässt sich der Versuch unternehmen, sein Leben zwischen 1772 und 1796 in groben Zügen nachzuzeichnen.

Wie Fourier später selbst berichtete, schwor er schon im Alter von sieben Jahren dem Handel ewigen Hass.[40] Im Rahmen seines privaten Elementarunterrichts und später seiner schulischen Ausbildung im Jesuiten-Kolleg sollte er die katholische Moralphilosophie verinnerlichen. Zudem wurde er mit scholastischen Texten konfrontiert, deren Inhalte seinen Neigungen ebenso wenig entsprachen wie die Erziehungsinhalte seiner Eltern. Es handelte sich dabei vielfach um Inhalte, die er im Zusammenhang mit dem für ihn vorgezeichneten Lebensweg als Kaufmann verinnerlichen sollte. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass beide Inhalte nicht nur seinen Neigungen entgegengesetzt waren, sondern dass sie darüber hinaus auch unter massivem Einsatz von Zwangsgewalt vermittelt wurden. Selbst wenn man den eigenen Aussagen Fouriers bezüglich seiner Erziehung nicht trauen sollte und zusätzlich davon ausgeht, dass ein Jesuiten-Kolleg in dieser Zeit verglichen mit anderen Erziehungseinrichtungen als relativ fortschrittlich gelten kann, lässt sich angesichts der läufigen Erziehungsmethoden des ausgehenden 18. Jahrhunderts, sowohl was die häusliche als auch die Erziehung in Erziehungseinrichtungen des ancien regime betrifft, ein grundsätzlich anderes Bild seiner Erziehung wohl kaum zeichnen.[41] Als er im Alter von nur sechs Jahren von seinem Vater in die „Kunst des Handels“ eingeführt wurde (die Verkaufsräume befanden sich im Erdgeschoss des Elternhauses)[42], wurden ihm (nach eigener Auskunft) die eklatanten Widersprüche zwischen christlicher Morallehre und den Gesetzen des Handels bewusst, denn die Lüge und die Kunst diese zu beherrschen, wurden ihm offenbar als integraler Bestandteil und Grundregel des Handels präsentiert.[43]

Wie bereits erwähnt, starb sein Vater zwei Jahre nachdem Fourier seinen legendären Schwur leistete und hinterließ eine Summe von 200.000 Livres (=Francs). Eine große Summe, die zwar insbesondere durch die Inflation von 1798 schwer in den heutigen Wert umzurechnen ist, aber sich im damaligen Gegenwert ausdrücken lässt. 200.000 Livres entsprachen einen damaligen Gegenwert von etwa einer Tonne reinem Silber.[44] Fouriers Erbanteil betrug 80.000 Livres, die er aber nur unter der Bedingung erhalten sollte, dass er bis zu seinem 20. Lebensjahr eine kaufmännische Ausbildung absolviert haben sollte, allerdings zunächst nur die Hälfte. Ohne die Erfüllung dieser Bedingung hätte er bis zu seinem 30. Lebensjahr ganz auf seinen Anteil verzichten müssen. Diese Erpressung verstärkte womöglich seine Aversion dem Handel gegenüber, wie etwa Günter Behrens betont.[45] Wiederum wird aber auch hier, was also diesen Aspekt seiner Sozialisierung betrifft, darauf hingewiesen, dass sich seine Aversion gegenüber dem Handel auch aus wesentlich anderen Quellen gespeist haben kann.

Für Fouriers weiteren Lebenslauf wirkte sich diese Erpressung jedenfalls unmittelbar aus. Als er 1789 seine Schulausbildung beendet hatte, musste er verschiedene Lehrstellen in Lyon und Rouen bei Bankiers und Kaufmännern annehmen. Mit den Fachgebieten, die ihn wirklich interessierten, also Mathematik, Logik, Physik, Geographie, Musik, Architektur und Botanik, konnte er sich also weitestgehend nur in seiner Freizeit beschäftigen. Seine Bemühungen, an der Militäringenieursschule von Mezieres Logik und Physik zu studieren, scheiterten aufgrund seiner nicht-adeligen Herkunft. Bis 1793 konnte er jedoch im Rahmen seiner kaufmännischen Reiseaktivitäten Paris, Marseille, Bordeaux, Deutschland, Holland und Belgien kennen lernen. Von diesen Reisen brachte er zum Teil akribisch detaillierte Beschreibungen und Skizzen über Klima, Kultur, Einwohner und Architektur mit.[46]

Fourier setzte sich also schon zu dieser Zeit mit den Verhältnissen und der Kultur der einfachen Menschen auseinander. Biographien über Fourier, deren Autoren seinem Werk positiv gegenüber standen, berichteten über Fouriers Neigung, sich ungewöhnlich heftig gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen, und das nicht nur wenn es ihn selbst betraf, sondern auch wenn es um andere ging. Auch sein solidarisches Verhalten in der Praxis, vornehmlich den Armen gegenüber, ist überliefert, kann jedoch nicht quellenmäßig empirisch gesichert werden. Als Hauptgegenargumente wurden oft seine (auch von ihm selbst überlieferten) destruktiven Neigungen in seiner Kindheit, sowie seine generell gewahrte Distanz anderen Menschen gegenüber, herangezogen. So hatte er sein ganzes Leben hindurch etwa keine engeren Freundschaften geschlossen. Bei näherer Betrachtung ist dieses Argument ebenfalls ein Scheinargument. Es ist nämlich nirgendwo ein Hinweis zu finden, dass er seine destruktiven Neigungen an gänzlich Unschuldigen ausgelassen hätte, auch wenn er in der einen oder anderen Situation möglicherweise mal überreagiert hat. Zudem ist, selbst wenn die Annahme stimmen sollte, dass er destruktive Neigungen auch gegenüber Unbeteiligten besaß, nicht auszuschließen, dass er auch positive Charakterzüge, wie etwa einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, gehabt haben kann. Vielmehr scheinen diese Vorfälle im Zusammenhang entweder mit Provokationen der Obrigkeit (inklusive seiner Familie) Konflikten mit der Obrigkeit, oder in Situationen, in denen sein Strukturbedürfnis oder seine Privatsphäre gestört wurden, stattgefunden zu haben.[47]

Ein weiterer umstrittener Aspekt in Fouriers Biographie ist seine Einstellung zu Gewaltanwendung im Allgemeinen und zur Französischen Revolution im Speziellen. Zu diesem Thema finden sich natürlich in seinen Werken Anhaltspunkte. Schließlich soll diese Frage ebenfalls im ideengeschichtlichen Teil näher betrachtet werden. Allerdings sollte erwähnt werden, dass Fourier 1790 mit seinem Bekannten Brillat-Savarin Paris bereiste und dort nicht nur architektonische Eindrücke von der Metropole mitbekam, sondern auch die revolutionäre Atmosphäre. Wie er später selbst berichtete, sollen ihn die neuen Ideen damals auch begeistert haben. Das sagt allerdings noch nichts über seine Einstellung zu revolutionärer Gewalt aus, die zur Durchsetzung dieser Ideen angewendet wurde. Im Allgemeinen versuchen Fourier-Rezipienten ihn entweder als schwärmerischen und harmlosen Pazifisten, der romantische Sozialutopien entworfen hat, darzustellen, oder eben als einen Sozialrevolutionär, der auch vor der Anwendung von Gewalt nicht zurückschreckte. Da es in der Bewertung dieses Aspektes keine eindeutige Trennlinie zwischen ihm feindlich gesinnten Konservativen und ihm freundlich gesinnten Sozialisten gibt (z.B. ist für viele Sozialisten eine allzu pazifistische Beurteilung seiner Theorien auch ein negatives Attribut gewesen) und diese Frage sicherlich (insbesondere im Rahmen der vorliegenden Arbeit) nicht abschließend beantwortet werden kann, soll im ideengeschichtlichen Teil eine Annäherung an dieses Thema stattfinden, die diese zwar nicht aussparen soll, aber den Gewaltaspekt aus einer anderen Perspektive zu begreifen versuchen soll. Vorgreifend soll jedoch an dieser Stelle erwähnt werden, dass Fourier eine tiefe Abscheu gegenüber der Gewalt im Rahmen der jakobinischen Diktatur gehegt hatte, freilich aber auch gegenüber der ihr folgenden Gegengewalt. Da Fourier selbst Opfer dieser Gewalt wurde, wurde im Zusammenhang mit dem Versuch ihn als Pazifisten darzustellen, oft auf diese Erfahrungen verwiesen. Dabei ist die Rekonstruktion der Ereignisse, in die Fourier zwischen 1793 und 1796 verwickelt war, schwierig.[48] Nachdem er sich 1791 in Lyon niedergelassen hatte, um dort als kaufmännischer Angestellter für den Kaufmann Bousquet zu arbeiten, kehrte er 1793 (kurz) nach Besancon zurück, um das väterliche Erbe anzutreten. Als er kurze Zeit später wieder in Lyon war, handelte er mit Kolonialwaren, was er aber nicht lange konnte, da er im Juli 1793 von den antijakobinischen Truppen, die Lyon derzeit beherrschten, gezwungen wurde, die Stadt zu verteidigen. Dabei hat er sein gesamtes Vermögen verloren. Das ist aber nur eine Version der Geschehnisse, nämlich die von Pellarin. Daneben existieren aber weitere Hypothesen, wie die, dass er sein gesamtes Vermögen in der Kriegswirtschaft verspekuliert haben soll, oder dass er 1793 nur sein persönliches Eigentum verloren haben soll. Behrens hält es für am wahrscheinlichsten, dass sein Eigentum von den konterrevolutionären Truppen konfisziert wurde, um es als Verbarrikadierungs- und Verproviantierungsmaterial zu verwenden. Dass er kurz zuvor überhaupt sein Vermögen in Besancon abholen konnte, welches er dann verlieren konnte, obwohl er die Bedingungen, die sein Vater für die Auszahlung seines Erbanteils stellte, gar nicht erfüllte, hing mit dem wirtschaftlichen Unverstand seiner Mutter und ihrer geschäftlichen Liaison mit Antoine Pion zusammen. Einen Großteil des Vermögens der Familie hatte dieser nämlich verschleudert.[49]

Schließlich war nicht nur das Vermögen Fouriers in Gefahr, soviel steht bei aller Kontroverse über den Verlust des Vermögens fest, sondern auch er selber. Auf welcher Seite er tatsächlich innerlich bei den Auseinandersetzungen in den Revolutionswirren stand, ist nicht zu rekonstruieren. Was aber feststeht ist, dass er erstens auf der Seite der Konterrevolution kämpfen musste und in Folge dessen und weil wahrscheinlich seine konfiszierten Waren von den Regierungstruppen bei den Konterrevolutionären gefunden wurden[50], der Kollaboration mit ihnen verdächtigt wurde, mehrfach verhaftet wurde und auch mehrfach nur knapp dem Todesurteil entkam. Möglicherweise wurde seine endgültige Freilassung 1794 von seinem Schwager Legere Clerc, der im Revolutionskomitee von Besancon (hierhin konnte Fourier Ende ´93 fliehen) saß, veranlasst.[51] In Besancon angekommen, wurde er jedoch zunächst bald wieder verhaftet, weil er offenbar in seiner sturen Art nicht auf die Warnungen seiner Freunde und Familie hören wollte. Diese rieten ihm sich zu verstecken. Fourier aber spazierte dort herum als gäbe es gar keine spektakulären Ereignisse.[52]

Obwohl im Juli 1794 die Institutionen der jakobinischen Diktatur mit dem Sturz Robbespieres beseitigt worden waren, bedeutete dieses nicht direkt, dass Fourier sich nun seiner physischen Unversehrtheit sicher sein konnte. Kurz zuvor wurde er nämlich im Rahmen der levee en masse zum Militärdienst herangezogen und in das Rhein-Mosel-Gebiet versetzt. Obwohl sehr an militärtheoretischen Fragen interessiert, versuchte er in den zwei Jahren bis zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst mehrmals, diese zu erwirken. Dies gelang ihm schließlich 1796, als er seine Entlassung wegen Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen erwirken konnte. Als er versuchte sich 1797 als Militärtheoretiker zu profilieren, um doch noch Militäringenieur zu werden, dieses Vorhaben jedoch scheiterte, musste er seine Kaufmannstätigkeiten wieder aufnehmen. Dennoch widmete er sich in der darauf folgenden Zeit seinen Studien intensiver als zuvor und begann ab 1799 auch seine literarische Tätigkeit auszuweiten. Seine nachfolgende Entwicklung steht beinahe ausschließlich in diesem Zeichen und soll infolgedessen im ideengeschichtlichen Teil intensiver behandelt werden, an dieser Stelle jedoch kurz umrissen werden.

Die Konsolidierung der nachrevolutionären Verhältnisse boten Fourier vielfältige Möglichkeiten, die neuen Verhältnisse kennen zu lernen und auch im Rahmen seines Berufes wichtige Beobachtungen zu machen. Es offenbarten sich ihm die Realitäten des Handels noch offenkundiger als bereits zuvor, als er von seinem Vater angelernt wurde, so dass sich sein Eindruck von der Unmoral im Handel nicht nur bestätigte, sondern verfestigte. So musste er z.B. tatenlos zusehen, wie 1798 in Marseille eine ganze Schiffsladung Reis ins Meer geschüttet wurde, um deren Preis zu erhöhen, obwohl die Menschen in Marseille und Umland hungerten. In dieser Zeit begann er die Verhältnisse genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Dezember 1803 trat Fourier erstmals literarisch in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Er veröffentlichte in der Lyoner Zeitung einen Artikel mit dem Titel „Die allgemeine Harmonie“. Hier berichtete er über die Ergebnisse der ersten vier Jahre seiner intensiven Studien über die Gesetzmäßigkeiten der sozialen Bewegung. Für Fourier bestand ein analoges Verhältnis zwischen der materiellen Bewegung, also den Gesetzen der Natur, in dieser Formulierung der Mechanik, und den Gesetzen des Sozialen, in diesem Fall der Entwicklung des Sozialen. Zur gleichen Zeit veröffentlichte ein weiterer Frühsozialist, Saint-Simon, sein Erstlingswerk „Briefe eines Genfer Einwohners an seine Zeitgenossen“.[53] Doch zwischen beiden bestand wenig Einigkeit über wichtige Fragen, wie etwa der Bewertung der Industrialisierung. Saint-Simon begrüßte sie ausdrücklich, während Fourier sie verabscheute. Dieser Streitpunkt soll allerdings erst im folgenden Kapitel näher untersucht werden. Was die Biographie Fouriers jedoch betrifft, ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass seine Theorien von den Zeitgenossen im Allgemeinen besonders ablehnend beurteilt wurden. Insbesondere deshalb, weil er keine akademische Ausbildung genossen hatte. Nicht nur Eugen Dühring, sondern auch Josef Proudhon lehnte ihn als Theoretiker scharf ab. Sie klassifizierten ihn und seine Theorien als unwissenschaftlich. Als Autodidakt eignete er sich jedoch ein unglaublich großes Wissen an. In den späten Abend- und Nachtstunden arbeitete er an seinen Beobachtungen, seinem Wissen und seinen Theorien, weil er tagsüber seinem Broterwerb nachgehen musste.

Neben der Beobachtung der sozialen Wirklichkeit dienten ihm also auch Bücher und Zeitungen als Quellen seiner Erkenntnis. Er zeichnete dabei ein erstaunlich genaues Bild der Lebensverhältnisse seiner Zeit und deckte ihre Widersprüche schonungslos auf. Als theoretische Begründung für die Notwendigkeit diese auflösen zu müssen, konstruierte er auf der Basis erkenntnistheoretischer und naturphilosophischer Überlegungen die 1808 erschienene „Theorie der vier Bewegungen“. In dieser vertritt Fourier die These, dass soziale und materielle Bewegungen im Kern den gleichen Gesetzen gehorchen, dass zwischen beidem eine Analogie besteht. Es finden sich dort Anleihen auf Pythagoras, Rene Descartes und Isaac Newton. Zudem existieren Parallelen zu Morelly, obwohl man nicht nachweisen kann, dass er seine Schriften kannte und benutzt hatte. In der Tradition des französischen Materialismus stehend, ergab sich bei Fourier daraus ein vorgezeichneter Geschichtsverlauf. Diese Tatsache brachte ihm dann auch schließlich Lob von Seiten Friedrich Engels ein. Nicht zuletzt aufgrund seiner Einschätzung Fouriers als Meister der Dialektik, nahmen Engels und Marx im Manifest der Kommunistischen Partei explizit Bezug auf Fourier. Letzterer hatte allerdings keinen direkten Bezug auf Hegels Dialektik genommen, sondern sie eben aus anderen Quellen heraus begründet. Der einzige deutsche Philosoph, der ihn nachhaltig beeinflusst hatte, war Immanuel Kant, allerdings mehr in naturphilosophischer Hinsicht. Seine moralphilosophischen Vorstellungen ergaben sich beinahe ausschließlich aus seinen Beobachtungen und seiner Ablehnung der Realität wie er sie vorfand. Demgemäß lehnte er auch fast alle Philosophen seiner Zeit und diejenigen, die seine Zeitumstände gewissermaßen verantwortet hatten, ab. Sein wichtigster moralphilosophischer Vorgänger war Jean-Jacques Rousseau. Seine Kulturkritik teilte er, radikalisierte sie aber und weitete sie schließlich auf die Bereiche Ökonomie, Arbeitsleben, Zusammenleben, Alltag, Reproduktion, Ehe, Liebe und Sexualität aus und schöpfte aus der Kritik der Kultur seiner Zeit Optimismus für die Zukunft.[54]

Bleibt festzuhalten, dass es sich bei Fourier um eine exzentrische, eigenwillige Person handelte. Fourier hatte intensive persönliche Erfahrungen gemacht, die nicht spurlos an seiner Entwicklung vorüber gegangen sind. Eine Reduzierung seiner Ideen auf seine persönlichen Erfahrungen ist jedoch unzulässig. Der folgende, ideengeschichtliche Teil soll die weiteren Quellen, aus denen sich die Ideen Fouriers speisen, über seine Biographie und seine persönlichen Eigenheiten hinaus, identifizieren. Grundzüge seiner Theorie sowie Exkurse über die politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse in Frankreich zwischen 1758 und 1848 gehören ebenso dazu, wie die im engeren Sinne ideengeschichtliche Einordnung seiner Theorien.

3. Die ideengeschichtliche Einordnung des Fourierismus:

Eine differenzierte ideengeschichtliche Einordnung der Theorien Fouriers ist sehr schwierig. Zwar wurde immer wieder auf verschiedene Traditionen des Denkens verwiesen, wie etwa die Aufklärung oder den französischen Materialismus[55], doch sind diese als Erklärung für einige Besonderheiten im Fourier´schen Denken, womit insbesondere die kosmologischen Aspekte seiner Theorie gemeint sind, unzureichend. Die Notwendigkeit für die Erklärung dieser Besonderheiten, weiter in die Vergangenheit zurück zu gehen, ergab sich zwar jeweils aus den kosmologischen Aspekten seiner Theorien, doch wurde nie der Versuch unternommen, über die Erwähnung Newtons, den Fourier nachweislich als „Kronzeugen“ herangezogen hat, hinaus, eine homogene Erklärung zu finden, warum Fourier eine Analogie zwischen den Gesetzen der Bewegung des Materiellen (was bei ihm die Bewegung der Himmelskörper mit einschloss) und den Gesetzen der sozialen Bewegungen vermutete. Insbesondere das erste Teilkapitel soll diesbezüglich wichtige Impulse geben.

Des Weiteren wurde der Rückgriff auf voraufklärerische Traditionen nur dann vorgenommen, wenn man Fouriers Assoziationsgedanken als sozialromantisch und auf die vermeintlich solidarischere Struktur der alteuropäischen Gesellschaften ausgerichtet deklarieren wollte.[56] Die marxistische Tradition bewertete den Assoziationsgedanken dagegen weitaus positiver, ohne jedoch die spezifischen Ausprägungen des Assoziationsgedankens bei Fourier gesondert zu betrachten und sie als fortschrittlich zu kennzeichnen. Vielmehr wurden Saint-Simon und Fourier in die Ahnenreihe der „vorwissenschaftlichen“ und utopischen Sozialisten eingeordnet. Fouriers Gedanke der Agrarassoziationen wurde im Lichte dieser Rezeption naturgemäß als rückwärtsgewandt klassifiziert.

Ex Post wurde Fourier aber nicht nur als Sozialist, Utopist oder gar Phantast, sondern auch als absonderlicher Kauz, Psychopath, „Proto-Faschist“, „Links-Liberaler“, Satiriker, „Proto-Anarchist“, Surrealist, oder Vorgänger Freuds, klassifiziert.[57] Auch wenn einige dieser Klassifizierungen nicht zwingend illegitim sein müssen, so sollte doch erstens nicht verkannt werden, dass es nicht zwingend notwendig sein muss, eine solche letztgültige Klassifizierung eines Denkers vorzunehmen, besonders wenn es sich um einen Denker wie Fourier handelt, der sich auch selbst als originell empfand.[58] Und zweitens wird in diesem Zusammenhang die Problematik sichtbar, dass hier oft, wie oben angedeutet, die Klassifizierung ex post erfolgte, ohne die praktischen Dimensionen der Fourier´schen Theorie anzuerkennen, die sich außerhalb der eigenen ex-post-Perspektive der jeweiligen Rezipienten befanden. Konkreter formuliert ist Fourier auf vielen Gebieten ein Visionär gewesen, dessen Ideen häufig rezipiert wurden, ohne seine ideengeschichtlichen Vorraussetzungen angemessen zu berücksichtigen. Dabei wurde Fourier von so vielen unterschiedlichen Theoretikern rezipiert, weil die Quintessenzen seiner Theorien, vor allem aus der Sicht der ideologischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts, zum Teil hilfreich sein konnten, zu einem anderen Teil aber auch störend, in jedem Falle aber genügend diffus, um für viele verschiedene ideologische Richtungen ausreichend Stoff liefern zu können. In diesem Zusammenhang wurden dann aber vielfach zwar wichtige, nichtsdestotrotz nicht zwingend zur Relativierung seiner Ansichten geeignete, praktische Widrigkeiten entweder in Fouriers Umwelt, angefangen mit der eigenen familiären Umgebung, über Bildungsdefizite und finanzielle Schwierigkeiten bis hin zu globalen Problemen wie etwa dem Kolonialismus, als Erklärungen für die Absonderlichkeiten in seiner Theorie herangezogen.

[...]


[1] Vgl.: Jean-Jacques Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag oder Die Grundsätze des Staatsrechtes (Du contrat social ou Principes du droit politique), Genf 1758 [Übersetzung von Hermann Denhardt (1880)]; Marx, Karl/Engels, Friedrich: Manifest der Kommunistischen Partei, London 1848, (Reclam-Ausgabe), Stuttgart 1969.

[2] Weber, Petra: Sozialismus als Kulturbewegung. Frühsozialistische Arbeiterbewegung und das Entstehen zweier feindlicher Brüder Marxismus und Anarchismus, Düsseldorf 1989, S. 17-18.

[3] Hahn, Manfred (Hg.): Vormarxistischer Sozialismus, Frankfurt am Main 1974, S. 9-24; Hahn, Manfred: Die Methodische Erforschung Des Vormarxistischen Sozialismus, Bremen 1982, S. 26-70; Hahn, Manfred/Sandkühler, Hans Jörg (Hg.): Sozialismus vor Marx, Köln 1984, S. 9-49; Hahn Manfred: Archivalienkunde des vormarxistischen Sozialismus, Stuttgart 1995, S. 14-17.

[4] Böckelmann, Frank: Begriffe versenken – Belastungsproben und Liquidationen in drei Jahrzehnten, Frankfurt am Main 1997.

[5] Elke Kleinau hat argumentiert, dass solcherart Auseinandersetzungen der inhaltlichen Auseinandersetzung zuwiderlaufen und sie deshalb beide Begriffe verwendet. Also um weder für die bürgerliche, noch für die marxistische Geschichtsschreibung vereinnahmt werden zu können und um den Fokus auf die inhaltliche Arbeit zu lenken. Dennoch hat sie die Kontroverse nicht ignoriert, sondern kurz skizziert. Und zwar in: Kleinau, Elke: Die freie Frau. Soziale Utopien des frühen 19. Jahrhunderts, Düsseldorf 1987, S. 16-21.

[6] Vgl.: Weber 1989, S. 269-270; S. 276-289; Langner, Albrecht: Zur Konservativen Position In Der Politisch-Ökonomischen Entwicklung Deutschlands Vor 1848/Ramm, Thilo: Der Frühsozialismus – Begriffs- und Wirkungsgeschichte, in: Langner, Albrecht: Katholizismus und Frühsozialismus bis 1850, Paderborn 1975, S. 11-52; insbesondere: S. 22-23/S. 123-144; insbesondere: S. 123-130.

[7] Vgl.: [Zum Klimawandel]: Wuppertalinstitut für Klima, Umwelt, Energie: Fair Future. Begrenzte Ressourcen und globale Gerechtigkeit, München 2005; Schmidt-Bleek, Friedrich: Nutzen wir die Erde richtig? Die Leistungen der Natur und die Arbeit des Menschen, Frankfurt am Main 2007; Hertsgaard, Mark: Bedrohte Umwelt, in: Le Monde Diplomatique (Hg.): Atlas der Globalisierung. Die neuen Daten und Fakten zur Lage der Welt, Berlin 2006, S. 8-37;

[Zur verminderten Steuerungsfähigkeit des Nationalstaates im 21. Jahrhundert]: Meyers, Reinhard: Internationale Organisationen und global governance – eine Antwort auf die internationalen Herausforderungen des ausgehenden Jahrhunderts?, in: Woyke, Wichard (Hg.): Internationale Organisationen in der Reform, Schwalbach 1999, S. 8-28;

[Zum Problem der Partizipation]: Chomsky, Noam/Dieterich, Heinz: Globalisierung Im Cyberspace. Globale Gesellschaft. Märkte, Demokratie und Erziehung, Bad Honnef 1996, S. 5-42.

[8] Vgl.: Nüchter, Oliver: Konzepte rechter Ökologie – am Beispiel der Debatte über die Überbevölkerung, Frankfurt am Main 1998, S. 2-4; Gruhl, Herbert: Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik, Frankfurt am Main 1976; Hermand, Jost/Morris-Keitel, Peter (Hg.): Noch ist Deutschland nicht verloren. Ökologische Wunsch- und Warnschriften seit dem späten 18. Jahrhundert, Berlin 2007; Klein, Ernst: Die Auseinandersetzung Adam Müllers Mit Den Wirtschaftstheoretischen und Wirtschaftspolitischen Auffassungen seiner Zeit, in: Langner 1975, S. 99-122; Brandl, Manfred: Deutsche Katholische Stimmen Zu Sozialismus Und Kommunismus, Zur Sozialen Lage Und Industrialisierung Bis 1850, in: Langner 1975, S. 165-193; Schoenichen, Walther: Naturschutz, Heimatschutz. Ihre Begründung durch Ernst Rudorff, Hugo Conwentz und ihre Vorläufer, Stuttgart 1954.

[9] Vgl.: Weber 1989, S. 269-309; Heider, Ulrike: Anarchism: Left, Right, And Green, San Francisco 1994, S.48-92, insbesondere: S. 68-92.

[10] ZB.: Bambach, Ralf: Der französische Frühsozialismus, Opladen 1984, S. 14.

[11] Voegelin, Eric: Die Neue Wissenschaft der Politik. Eine Einführung, München 1959, insbesondere: S. 192 ff.

[12] Chomsky 1995, S. 5-7. Es existieren beinahe ebenso viele Konzeptionen von Moderne, wie es Wissenschaftler gibt, die sich mit ihren spezifischen Eigenschaften befassen. Als kleinster gemeinsamer Nenner wären hier folgende Punkte zu nennen, die auch das 19. mit dem 21. Jahrhundert gemeinsam haben: 1. Die Ablösung des Feudalismus und der Grundherrschaft ersetzt durch die Ausweitung des internationalen Handels und dem Beginn kapitalistischer Produktionsformen als Wirtschaftsordnung und 2. die Etablierung republikanischer oder parlamentarischer politischer Verfasstheit im Unterschied zur absoluten Monarchie ohne Gewaltenteilung. Als dritten Punkt könnte man noch die revolutionären Entwicklungen im Bereich der Religion, der Technik und der Medien hinzunehmen, die in allen Konzepten mehr oder weniger breit vertreten sind.

[13] Diese Formulierung stammt von Fourier: Fourier, Charles: Über Liebe und Ehe, Paris 1808, zitiert nach: Ramm, Thilo: Der Frühsozialismus. Ausgewählte Quellentexte, Stuttgart 1956, S. 122. (In der 2. Aufl. von 1968: S. 186!)

[14] Jones, Colin: Frankreich. Eine illustrierte Geschichte. Aus dem Englischen von Udo Rennert, Frankfurt am Main 1995, S. 182.

[15] Noam Chomsky kritisiert z.B. die Annahme der Wissenschaftlichkeit für die Wissenschaften des 21. Jahrhunderts: Chomsky 1995, S. 7-10.

[16] Fritzsche, Klaus: Sozialismus – Konzeptionen und Perspektiven gesellschaftlicher Egalität, in: Neumann, Franz (Hg.): Handbuch Politische Theorien und Ideologien 2, 2. Aufl., Opladen 2000, S. 1-74.

[17] Behrens, Günter: Die soziale Utopie des Charles Fourier, Köln 1977 (Diss.), S. 452-464, insbesondere S. 452-453.

[18] Megill, Allan: Globalization and the history of ideas, in: Journal of the History of Ideas (66/1/2005), S. 179-188.

[19] Hartmann, Jürgen: Vergleichende Regierungslehre und Systemvergleich, in: Berg-Schlosser, Dirk (Hg.): Vergleichende Politikwissenschaft, 4. Aufl., Opladen 2003, S. 34.

[20] Bermbach, Udo: Über die Vernachlässigung der Theoriengeschichte als Teil der Politischen Wissenschaft, in: Bermbach, Udo (Hg.): Politische Theoriengeschichte. Probleme einer Teildisziplin der Politischen Wissenschaft, Opladen 1984, S. 9-31.

[21] Jürgen Kocka Kocka, Jürgen: Geschichte – wozu? (1975/1989), in: Hardtwig, W. (Hg.): Über das Studium der Geschichte, München 1990, S. 427-443.

[22] Eder, Franz X.: Kultur der Begierde. Eine Geschichte der Sexualität, München 2002, S. 21.

[23] Behrens 1977, S. 452ff.; Kleinau, Elke 1987, S. 11ff.; S. 25-26.

[24] Behrens 1977, S. 452-464 (siehe Anmerkung 17!)

[25] Eder 2002, S. 11-16; insbesondere: S. 14.

[26] Fourier sah seine Entdeckung seiner Theorie der universellen Harmonie und der Bedeutung der Leidenschaften als Meilenstein der Menschheitsgeschichte an. In seinem Werk: Über Liebe und Ehe, (Ramm 1968, s. Anmerkung 13!), S. 179 heißt es: „Diesen einzigen Akt der Gerechtigkeit (gemeint war die „Erprobung der Liebesregeln“, die Fourier im Kapitel des folgenden Zitates beschreibt (A.B.)) forderte die Natur von unserem Verstand, und zur Strafe für diese Auflehnung gegen ihren Willen verfehlten wir den Übergang von der 6. in die 7. Periode und blieben dreiundzwanzig Jahrhunderte zu lang in der philosophischen Finsternis und in den Schrecken der Zivilisation.“ (Was Fourier unter den verschiedenen Perioden verstand, wird an anderer Stelle noch näher erläutert. Dieses Zitat fungierte jedenfalls als Überleitung zum darauf folgenden Kapitel, in dem Fourier die Fehler der dreiundzwanzig Jahrhunderte beschrieben hat und Vorschläge (bzw. Anordnungen) machte, wie dieser Fehler in Zukunft wieder gut gemacht werden könnte.

[27] Voegelin 1959, S. 192 -201.

[28] Beecher Jonathan: Charles Fourier. The Visionary and His World, London 1986.

[29] Hahn 1995, S. 25-30.

[30] Hahn 1995, vgl.: S. 126; 129; S. 115-122.

[31] Behrens 1977, S. 452ff.

[32] Beecher 1986, S. 6.

[33] Günter Behrens, S. 18. [Die neueren Darstellungen im deutsch- und englischsprachigen Raum zur Biographie Fouriers (Beecher 1986; Fetscher 1986/1991; Winter 1995; Hautmann 2002; Waschkuhn 2003 (s. Literaturverzeichnis)) bleiben hinter den Erwartungen, die man bei der Lektüre der Dissertation von Günter Behrens hinsichtlich der kritischen Überprüfung von Details zu hegen beginnt, zurück. Dabei handelte es sich zwar nur bei Beecher und Fetscher (1991) um eigentlich biographische Untersuchungen bzw. Darstellungen. Doch der von Behrens konstatierte Umgang der Autoren mit Legenden oder ungesicherten Informationen ist besonders bei den drei letztgenannten Autoren zu beobachten. Das rührt sicherlich auch daher, dass die Autoren oft entweder Fourier in übergeordnete Zusammenhänge einordneten oder mehr an den Bedingungen seiner Sozialisation interessiert waren (wie im Falle der Biographie Beechers, der die komplexen Sachverhalte noch am differenziertesten betrachtete und auch selber Quellenarbeit leistete).

[34] S. Anmerkung 17!

[35] Vgl.: Art.: Fourier, Charles / [Jean-Baptiste] Joseph Baron de, in: Meyers Grosses Taschenlexikon. In 24 Bänden, Bd. 7, Mannheim 1987, S. 181-182; Ronse, Christian: Art.: Charles Fourier, Straßbourg 2006, zitiert nach: http://gr6.u-strasbg.fr/~ronse/CF/fourier.html (Zugriff am 17. März 2008 um 18:17h); Behrens 1977, S. 490. (Anm. 1)

[36] Vgl.: Behrens 1977, S. 19-20; S. 39-45; Beecher 1986, S. 16-17.

[37] Beecher 1986, S. 18-26.

[38] Vgl.: Beecher 1986, S. 12; Behrens 1977, S. 454-457.

[39] Behrens 1977, S. 40-41.

[40] Vgl.: Beecher 1986, S. 6; Behrens 1977, S. 19-20.

[41] Behrens 1977, S. 40-42.

[42] Beecher 1986, S. 25-26.

[43] Hautmann, Hans: Soziale Utopien und utopischer Sozialismus. Ein Vademekum zur Ideengeschichte des Sozialismus und Kommunismus von der Antike bis Marx, Wien 2002, S. 254.

[44] Behrens 1977, S. 20; S. 490 (Anm. 7).

[45] Behrens 1977, S. 20.

[46] Vgl.: Hautmann 2002, S. 254-255; Behrens 1977, S. 21; S. 41.

[47] Vgl.: Behrens 1977, S. 66-67; Beecher 1986, S. 20-24.: An dieser Stelle könnte mehr ins Detail gegangen werden. Denn die Anekdoten, die im Zusammenhang mit Fouriers Charakter überliefert sind, sind sehr unterhaltsam und interessant. Aus platz- und arbeitsökonomischen Gründen muss aber eine detaillierte Beschreibung dieses Aspektes ausbleiben. Die Darstellung Bourgins, neben der Biographie Pellarins die zweite wichtige Biographie Fouriers des 19. Jahrhunderts, zeichnet etwa die Eigenarten Fouriers in einer ausschließlich negativen Art und Weise. Im Grunde genommen stimmen die Autoren der letzten 40 Jahre in einer deutlich positiveren Beurteilung seines Charakters überein.

[48] Hierzu ausführlicher: Behrens 1977, S. 20-24; S. 280-312. [Die hier zu findenden Argumente werden an anderer Stelle differenzierter behandelt werden.]

[49] Beecher 1986, S. 27-28.

[50] Behrens 1977, S. 23-24.

[51] Vgl.: Beecher 1986, S. 41-45; Behrens 1977, S. 21-24.

[52] Beecher 1986, S. 44. (Überlieferung durch Fouriers Lieblingsschwester Lubine Clerc)

[53] Vgl. Beecher S. 31-45; Hautmann 2002, S. 255-256.

[54] Vgl.: Hautmann 2002, S. 255-260; Weber, Petra: Sozialismus als Kulturbewegung. Frühsozialistische Arbeiterbewegung und das Entstehen zweier feindlicher Brüder Marxismus und Anarchismus, Düsseldorf 1989, S. 77ff.

[55] Z.B.: Hautmann 2002, S. 258.

[56] Weber 1989, S. S. 77-88; S. 54. [Die ansonsten sehr inspirierende Darstellung Petra Webers betrachte nicht nur Fouriers Theorien, sondern insbesondere auch die Theorien Saint-Simons als rückwärtsgewandt. Die kommunitarischen Aspekte derer Theorien werden bei Weber in den kulturellen Bereich abgeschoben, was zwar analytisch positive Anregungen bringen mag, aber ihre praktische Relevanz auf die Herausbildung einerseits des Anarchismus, andererseits des Marxismus begrenzt. Dabei muss man berücksichtigen, dass auch genau diese Aspekte des Frühsozialismus für die Fragestellung Webers notwendig gewesen sind.]

[57] Behrens 1977, S. 462ff.

[58] Vgl.: Behrens 1977, S. 143; Fourier, Charles: Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen, Leipzig 1808, zitiert nach: Adorno, Theodor W. (Hg.), Frankfurt am Main 1966, S. 43; Anmerkung 42 in Kapitel 2.

Fin de l'extrait de 87 pages

Résumé des informations

Titre
Charles Fourier in Wissenschaft und Praxis
Sous-titre
Ebenen der Rezeption
Université
Ruhr-University of Bochum
Note
1,7
Auteur
Année
2008
Pages
87
N° de catalogue
V118959
ISBN (ebook)
9783640221929
ISBN (Livre)
9783640223701
Taille d'un fichier
752 KB
Langue
allemand
Mots clés
Charles, Fourier, Wissenschaft, Praxis
Citation du texte
Alexander Becker (Auteur), 2008, Charles Fourier in Wissenschaft und Praxis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118959

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