Narrativer Review zum Thema "Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit"


Bachelorarbeit, 2016

77 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG

2 ZIELSETZUNG

3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Theoretische Grundlagen
3.1.1 Definition: Gesundheit
3.1.2 Definition: Persönlichkeit und Persönlichkeitsmerkmale
3.1.3 Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit
3.2 Modelle der Persönlichkeitspsychologie
3.2.1 Kohlmann's Modell (2003) der Persönlichkeitsmerkmale
3.2.2 „Big Five“ der Persönlichkeit
3.3 Gesundheitsrelevante Persönlichkeitsmerkmale
3.3.1 Überzeugungen und Erwartungen
3.3.2 Emotionalität
3.3.3 Typenmodelle
3.4 Resilienz
3.4.1 Resilienzforschung
3.4.2 Resilienz als Personeneigenschaft
3.4.3 Resilienz als Personen-Umwelt-Konstellation
3.5 „Sensation Seeking“
3.5.1 Risikoverhalten
3.5.2 „Sensation Seeking“ als Determinante von Risikoverhalten

4 METHODIK
4.1 Forschungsfrage
4.2 Untersuchungsobjekte
4.3 Datenerhebung
4.4 Auswertung der Literaturquellen

5 ERGEBNISSE

6 DISKUSSION

7 ZUSAMMENFASSUNG

8 LITERATURVERZEICHNIS

9 TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Tabellenverzeichnis
9.2 Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung

Hinter der Bedeutung von Gesundheit steckt ein verschwommenes Konzept, welches in Abhängigkeit des Kontextes zahlreiche Definitionen umfasst. Dieses Konzept entwi­ckelt sich seit jeher weiter und wird dabei von unterschiedlichen Seiten betrachtet (Schlicht & Zinsmeister, 2015, S. 42).

Eine offizielle und dabei weit verbreitete Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO; 1948) besagt, dass die Gesundheit, neben dem körperlichen Wohlbefinden, auch den psychischen und den sozialen Zustand beinhaltet. Das gibt dem Erleben von Ge­sundheit eine besondere Bedeutung und hat damit einen großen Einfluss auf unsere Le­bensführung.

Neben den zahlreichen Auffassungen der Begriffsdefinition gibt es viele Erforschungen über die Entstehung verschiedener Gesundheits- und Krankheitszustände und über die Frage, wie diese von welchen Faktoren positiv und negativ beeinflusst werden. In der Psychologie hat die Untersuchung des Zusammenspiels zwischen psychischen und somatischen Phänomenen eine lange Tradition. Hier gibt es viele wissenschaftliche Studien, die den Zusammenhang dieser beiden Komponenten bestätigen. Demnach ha­ben unter anderem emotionale Zustände Einfluss auf das Immunsystem und genetische Veranlagungen und Verhaltensweisen auf die Entstehung von Krankheiten (Knoll, Scholz & Rieckmann, 2013, S. 18).

Diese emotionalen Zustände und individuellen Verhaltensweisen wiederum sind laut verschiedener prominenter Forschungsfelder auf Persönlichkeitsmerkmale und Eigen­schaftskonstellationen zurückzuführen. Was folglich bedeutet, dass es Eigenschaften und Konstellationen gibt, die zur Entstehung von Krankheiten beitragen und wiederum welche, die die Erhaltung oder Entwicklung von Gesundheit positiv beeinflussen (Knoll et al., 2013, S. 18). Daraus resultiert die Problemstellung, inwieweit sich bestimmte Persönlichkeitsstrukturen des Menschen wirklich auf den Erhalt des Wohlbefindens und das Entwickeln von Erkrankungen auswirken. Es entsteht die Frage, welche Persön­lichkeitsmerkmale für die Gesundheit relevant sind und welche zu einem gesundheitsre­levanten Verhalten beitragen. Außerdem stellt sich darüber hinaus die Frage, welche Eigenschaften, unter Einfluss der Personen-Umwelt-Bedingungen, auch bei widrigen Umständen zur Stabilität verhelfen und welche hingegen weniger widerstandsfähig sind.

2 Zielsetzung

Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, anhand ausgewählter wissenschaftlicher Literaturbei­träge herauszuarbeiten, inwieweit sich bestimmte Persönlichkeitsstrukturen und Eigen­schaftskonstellationen des Menschen durch Faktoren des Erlebens und Verhaltens auf die Erhaltung der Gesundheit und die Entstehung von Krankheiten auswirken.

Es wird aufgezeigt, welche Persönlichkeitseigenschaften sowie Merkmalkonstellationen es gibt, die eine robuste Gesundheit bedingen und welche zu bestimmten Krankheiten disponieren (Knoll et al., 2013, S. 117-118).

Die aufgestellte Hypothese wird dargestellt und darauffolgend mithilfe wissenschaftli­cher Studien bestätigt.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

Im folgenden Kapitel wird der aktuelle Kenntnisstand bezüglich der aufgeführten Prob­lemstellung dargelegt. Auf diesem Wissen baut im Anschluss die Methodik aufbaut.

3.1 Theoretische Grundlagen

Beginnend werden die theoretischen Grundlagen dargestellt, in dem die relevanten Be­griffe definiert werden.

3.1.1 Definition: Gesundheit

Aus der Einleitung geht hervor, dass die Definition von Gesundheit eine lange Entwick­lung mit sich bringt und dabei durch unterschiedliche Aspekte ergänzt wird.

Anfänglich galt Gesundheit als die Abwesenheit von Krankheit. Diese Definition wurde im Jahre 1948 von der WHO aufgegriffen und erstmals von der zuvor negativen Auffas­sung zu einer positiven konstatiert. Sie lautet: „Gesundheit ist der Zustand des vollstän­digen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen.“ (WHO, 1948).

Nach Bengel, Strittmatter und Willmann (1999) liegt die Stärke dieser Definition darin, dass sie sowohl subjektive Aspekte der Gesundheit als auch objektivierbare Daten bein­haltet und zudem, neben der Abwesenheit von Krankheiten, auch den sozialen und psy­chischen Zustand einbezieht.

Darüber hinaus ist zu ergänzen, dass Gesundheit dabei ein dynamischer Prozess ist, also immer wieder neu gewonnen, wiederhergestellt und aufrechterhalten werden muss. Nach Renneberg und Hammelstein (2006) ist „das „vollkommene Wohlbefinden“ ... ein relativer Zustand, der auch subjektiv nicht immer erreichbar ist ... . Trotzdem kön­nen Menschen gesund werden oder als gesund gelten.“ (S. 8).

Die Erfassung der subjektiven Gesundheit erfolgt über die selbstständige Einschätzung des Gesundheitszustandes. Die objektivierte Erfassung wird von medizinischem Fach­personal und mithilfe von medizinisch-technischen Messungen vorgenommen. Auf bei­de Komponenten nehmen verschiedene Bezugssysteme Einfluss: Im medizinischen Be­zugssystem sind Risikofaktoren, Früherkennung und Diagnose ausschlaggebend. Auf das individuelle Bezugssystem haben erwartete Gesundheit, physisches und psychisches Wohlbefinden, sowie berufliche und außerberufliche Funktionsfähigkeit Einwirkungen. Im sozialen Bezugssystem dagegen vergleicht sich der Mensch mit anderen. Z.B. mit Personen im gleichen Alter, des gleichen Geschlechtes oder mit der gleichen gesund­heitlichen Einschränkung (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 8.).

Nach Ziegelmann (2002, S. 149-152) haben zudem subjektive Theorien über Ursachen und Wirkungszusammenhänge von Krankheiten Auswirkungen auf die Beurteilung des Gesundheitszustandes. Damit folglich auch auf die Verarbeitung gesundheitsbezogener Informationen und auf entsprechende gesundheitsrelevante Handlungen.

Zwei bekannte und weit verbreitete Krankheitsmodelle, die Krankheit und Gesundheit erklären, sind das biomedizinische Modell und das biopsychosoziale Modell. Ersteres wird auch als pathogenetisches Modell bezeichnet, da hier Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit definiert wird und damit eindeutig festgestellt werden kann. Als Ursache der Entstehung von Krankheiten werden dabei soziale und psychische Faktoren kaum, und biologische Faktoren stark berücksichtigt (Hammelstein & Renneberg, 2006, S. 9). „Körper und Geist werden als getrennte Einheiten betrachtet. Krankheiten können zwar psychisches Unwohlsein hervorrufen, aber nicht umgekehrt.“ (Knoll et al., 2013, S. 18-19). Das pathogenetische Modell aus dem 17. Jahrhundert wurde letztendlich im 20. Jahrhundert durch den salutogenetischen Ansatz, und damit durch das biopsychoso­ziale Modell, abgelöst, weil dieses, neben biologischen Faktoren, die Psyche und den sozialen Zustand miteinbezieht. Dabei werden Gesundheit und Krankheit als Endpunkte eines Kontinuums gesehen und nicht als „dichotome Entitäten“ (Knoll et al., 2013, S. 10) Nach der WHO (1986) gilt Gesundheit in Bezug auf dieses Modell als „ein posi­tiver funktioneller Gesamtzustand im Sinne eines dynamischen biopsychologischen Gleichgewichtszustands, der erhalten bzw. immer wieder hergestellt werden muss.“

3.1.2 Definition: Persönlichkeit und Persönlichkeitsmerkmale

„Unter der Persönlichkeit eines Menschen wird die Gesamtheit seiner Persönlichkeits­eigenschaften verstanden: die individuellen Besonderheiten in der körperlichen Erschei­nung und in Regelmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens.“ (Asendorpf, 2015, S. 2).

Diese Persönlichkeitseigenschaften sind generalisierte Verhaltensbereitschaften und haben eine situative und zeitliche Stabilität. Sie werden in der Psychologie als „traits“ bezeichnet und grenzen sich ab von „habits“ und „states“. „Habits“ sind Gewohnheiten, sprich situationsspezifische generalisierte Reaktionsmuster. „States“ sind Zustände von Stimmung, Aufmerksamkeit und Entspannung, die zeitlich begrenzt sind (Schmithüsen, 2014, S. 288).

3.1.3 Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit

Die Psychosomatik geht von dem Ansatz aus, dass die Entstehung von organischen Er­krankungen durch psychische Zustände beeinflusst wird. Daher wurde sich dahingehend schon früh mit Persönlichkeitsmerkmalen beschäftigt, die diesen Einfluss auf Krank­heitsentstehung haben können und damit als Risikofaktoren gelten (Uexküll, 1996).

In der weiteren Entwicklung dieser Kenntnisse stand ab den 1980er-Jahren vor allem die Stressforschung im Fokus, genauer gesagt die „personalen Ressourcen“ (Brink­mann, 2014, S. 126). Diese erläutern Rimann und Udris (1993) als „(mehr oder weni­ger) habitualisierte, d.h. situationskonstante, aber zugleich flexible gesundheitserhalten­de und -wiederherstellende Handlungsmuster sowie kognitive Überzeugungssysteme („belief systems“) der Person, die differentialpsychologisch als Persönlichkeitskonstruk­te beschrieben werden.“ (S. 11). Damit sind die personalen Ressourcen als Schutzfakto­ren anzusehen, die in der Person bestehen (Brinkmann, 2014, S. 126).

Welche Persönlichkeitsmerkmale gesundheitsrelevante Eigenschaften mit sich tragen, wird in den folgenden Kapiteln erläutert.

3.2 Modelle der Persönlichkeitspsychologie

Es gibt einige Modelle der Persönlichkeitspsychologie, die Eigenschaften des Menschen als zentrale Beschreibungsebene der Persönlichkeit betrachten und dabei untersuchen, inwiefern verschiedene Persönlichkeitsfaktoren mit gesundheitsrelevantem Verhalten in Verbindung stehen (Herzberg & Roth, 2014, S. 39; Brinkmann, 2014, S. 124).

3.2.1 Kohlmann's Modell (2003) der Persönlichkeitsmerkmale

Kohlmann entwickelte 2003 ein Modell, bei dem er zwischen kontrollierten und emoti­onsbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen unterscheidet. Nach ihm stehen kontrollierte Persönlichkeitsmerkmale im Zusammenhang mit Erwartungen und Überzeugungen, wie z.B. Selbstwirksamkeit und Optimismus, wodurch die Auswirkungen auf die Gesund­heit über das konkrete Gesundheits- und Risikoverhalten entstehen. Dagegen beziehen sich emotionsbezogene Persönlichkeitsmerkmale auf das Erleben von Emotionen, wie bspw. Angstbewältigung und deren Regulation und haben damit Einfluss auf den Ge­sundheitsstatus. Dabei stehen beide Vermittlungsprozesse in Wechselwirkung zueinan- derstehen.

Folgende Persönlichkeitsbereiche werden beleuchtet, die diesen Zusammenhang zu er­klären versuchen: Risikowahrnehmung, optimistischer Fehlschluss, Risikoeinschätzung sowie negative und positive Emotionen.

Allgemein versteht man unter „Risiko“ die Möglichkeit eines Ereignisses in Abhängig­keit der Auftretenswahrscheinlichkeit und deren Schweregrad (Bengel & Jerusalem, 2009, S. 113). In der Gesundheitspsychologie lässt sich dies als das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines negativen Ereignisses für die Gesundheit (Vul­nerabilität) und seiner Bedeutung (Schweregrad) definieren (Renneberg & Hammel­stein, 2006, S. 62).

„Risikowahrnehmung“ bedeutet demnach das „subjektiv“ eingeschätzte Risiko eines Menschen in Abgrenzung der „objektiven“ Risikoeinschätzung von Experten. Vielen Studien zufolge gibt es dabei große Unterschiede bei der Risikoeinschätzung beider Seiten, weil die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Menschen durch ver­schiedene Faktoren beeinflusst wird (Bengel & Jerusalem, 2009, S. 114). Daher ist „die Bedeutsamkeit, die jemand einem bestimmten Ereignis beimisst“ Bestandteil der Risi­kowahrnehmung (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 63).

Eines der ersten Modelle der Gesundheitspsychologie zur Erklärung von Gesundheits­und Risikoverhalten war das Health-Belief-Modell (HBM; Becker, 1974; Rosenstock, 1966, S. 94-127). Dort wurde bereits die Risikowahrnehmung über die subjektiv emp­fundene Anfälligkeit und den wahrgenommenen Schweregrad einer Krankheit be­stimmt. Ein weiterer Bestandteil ist dabei die wahrgenommene Effektivität von Gegen­maßnahmen, wodurch die Wahrscheinlichkeit berechnet wird, mit der ein gesundheits­relevantes Verhalten ausgeführt oder unterlassen wird.

Auch heute spielt die Risikowahrnehmung eine bedeutende Rolle bei der Erklärung des Gesundheitsverhaltens wie bspw. im HAPA-Modell („health action process approach“) von Schwarzer (1999). Nach ihm wird das Ziel einer Verhaltensänderung durch die Selbstwirksamkeitserwartung, die Handlungsergebniserwartung und die Risikowahr­nehmung gesetzt. Ob sich jemand z.B. eine Verhaltensänderung zu einer ausgewogenen Ernährung zum Ziel setzt, ist davon abhängig,

- welche gesundheitsschädlichen Risiken jemand aufgrund der ungesunden Ernäh­rung erwartet (Risikowahrnehmung),
- ob jemand davon ausgeht, dass eine Ernährungsumstellung die bereits bestehen­den Risikofaktoren durch die gesunde Ernährung reduzieren können (Hand­lungsergebniserwartung)
- und ob jemand annimmt, dass man in der Lage dazu ist, das Verhalten darüber zu kontrollieren und somit zu verändern (Selbstwirksamkeitserwartung).

In der Phase der Umsetzung der Verhaltensänderung hat in diesem Modell, und auch im HBM, die Risikowahrnehmung keine Bedeutung mehr. Sobald sich der Mensch in der Verhaltensänderung befindet, könnte sich die Risikowahrnehmung verändern, ohne dass dies Auswirkungen auf das weitere Handeln haben würde. Das zeigt, wie wichtig die Risikowahrnehmung für die Motivation ist, eine Verhaltensänderung überhaupt in Er­wägung zu ziehen. Je höher die Risikowahrnehmung, desto höher die Wahrscheinlich­keit der Verhaltensänderung. Von welchen Faktoren die Risikowahrnehmung allerdings beeinflusst wird, ist in diesem Modell nicht ersichtlich. Von Bedeutung ist jetzt, ob die Wahrnehmung über Konsequenzen von Verhaltensweisen durch optimistische Ein­schätzungen hervorgerufen wird, oder zumindest dazu beitragen. Denn der Mensch neigt dazu, sein eigenes Risiko von dem Risiko anderer, vergleichbarer Menschen, zu differenzieren (Renneberg & Hammelstein, 2006, 63-64).

Nach Lipkus et al. (2003, S. 973-975) wird das „eigene absolute Risiko“, also die Größe der Wahrscheinlichkeit z.B. selbst an einer Erkrankung zu leiden, unterschätzt. Zurück­zuführen ist die Unterschätzung des eigenen absoluten Risikos unter anderem auf feh­lende Informationen und auf Diskrepanzen im Umgang mit Wahrscheinlichkeit (van der Pligt, 1998, S. 1-14).

Überschätzt wird dagegen das „eigene komparative Risiko“, welches auch als „optimis­tischer Fehlschluss“ bezeichnet wird. Dazu zeigen Renner, Knoll und Schwarzer (2000, S. 143-159), dass Menschen ihr eigenes Risiko im Vergleich zum Risiko der gleichen Altersgruppe, des gleichen Geschlechts oder der Schichtzugehörigkeit deutlich geringer einschätzen.

Die Ausprägung des optimistischen Fehlschlusses ist allgemein davon abhängig, wie hoch die subjektive Kontrolle über ein Verhalten und wie stark die Risikowahrnehmung über dessen Konsequenz ist. Geringer wird der optimistische Fehlschluss, je mehr Er­fahrung ein Mensch mit einem bestimmten Risiko hat. Auch die Motivation spielt dabei eine tragende Rolle. Wenn ein Mensch nun sein Risiko, durch die Folgen von ungesun­der Ernährung zu erkranken, für gering einschätzt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, das Verhalten diesbezüglich nicht zu verändern (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 65).

In den letzten zehn Jahren hat es viele Forschungen dazu gegeben, welche Faktoren nun die Risikowahrnehmung und den optimistischen Fehlschluss beeinflussen können.

Einerseits wurde durch Gerrard und Luus (1995, S. 160-171) deutlich, dass die relative Risikoeinschätzung auf Grundlagen von objektiver Risikoeinschätzung beruht. Dazu zeigten die beiden Wissenschaftler bspw. auf, dass bei Frauen die Risikoeinschätzung einer Schwangerschaft, auf der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs und der Methode der Verhütung basiert. Andererseits gibt es viele Studien, wie die von Blanton und Ger­rard (1997, S. 374-379), die genau das Gegenteil aufzeigen: Die Risikoeinschätzung geschieht nicht in Abhängigkeit rationaler Erwägungen, sondern um ein bestimmtes Verhalten zu erklären. Jemand behält seine ungesunde Ernährung nicht bei, weil er das Risiko, durch Folgen ihrer zu erkranken, falsch einschätzt, sondern weil ihm das ge­wohnte Essen so gut schmeckt und ihm dieser Genuss so wichtig ist, dass er das Risiko der Konsequenz für sein Verhalten geringer einschätzt.

Verschiedene Forschungen zeigten zudem, dass der Selbstwert eine leitende Funktion auf die Risikoeinschätzung hat (Gerrard, Gibbons & Reis-Bergan, 2000, S. 1177-1201). Je höher das Selbstwertgefühl, desto eher neigt der Mensch dazu, selbstwertbedrohliche Informationen zu verwerfen. Das zeigt, dass Risikoabschätzung und optimistischer Fehlschluss im Zusammenhang mit dem Selbstwertgefühl stehen: „Die Risikoeinschät- zung dient u.a. dazu, ein möglichst positives Selbstbild aufrechterhalten bzw. das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Die eher auf rationalen Überlegungen fußende Risikoein­schätzung wird dann möglicherweise reduziert, wenn das Ergebnis mit dem Selbstbild nicht zu vereinbaren ist.“ (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 66-67).

Während sich die genannten Persönlichkeitsbereiche im Zusammenhang mit den kon­trollierten Persönlichkeitsmerkmalen befinden, stehen die nachfolgend erläuterten nega­tiven und positiven Emotionen somit in Verbindung mit den emotionsbezogenen Per­sönlichkeitsmerkmalen. Dabei geht es um die Frage, welche Auswirkungen das Erleben und die Regulation von Emotionen auf die Gesundheit haben.

Panagopoulou, Kersbergen und Maes (2002, S. 529-545) untersuchten die Beziehung des Erlebens negativer Emotionen und Gesundheit aus zwei unterschiedlichen Perspek­tiven. Die erste Perspektive bezeichnen sie als „non-expression approach“, wonach der Mensch, der seine Emotionen zum Ausdruck bringt, weniger anfällig für Erkrankung ist, als der, der diese nicht zeigt. Die zweite Perspektive, „expression approach“, befasst sich damit, wie sich offen ausgedrückte Emotionen positiv auf den Gesundheitszustand auswirken. Auf beide Annahmen wird eingegangen, indem ein möglicher Zusammen­hang des Erlebens und des Ausdrucks negativer Emotionen und der Gesundheit am Bei­spiel von Ärger erklärt wird.

Unter „Ärgerausdruck“ wird „eine ziel- und problemlösungsorientierte Kommunikation des Ärgers verstanden, die beinhaltet, dass der Ärger gegenüber derjenigen Person aus­gedrückt wird, die am Zustandekommen des Ärgers beteiligt war, die Sichtweise des anderen miteinbezogen wird und die Ärgersituation ausgelöst wird.“ (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 73).

Dazu gibt es seitdem viele Studien über die Auswirkungen von Ärger auf die Gesund­heit. Viele Untersuchungen konnten einen positiven Zusammenhang mit dem Blutdruck feststellen (Bongard & al'Absi, 2005, S. 43-49; Siegman, 1993, S. 539-569). Zurückge­führt werden kann das auf die verstärkte Freisetzung von Katecholaminen und Gluko­kortikoiden bei Stressreaktionen auf Umweltbedingungen, wodurch der Blutdruck in die Höhe steigt (Schum, Jorgensen, Verhaeghen, Sauro & Thibodeau, 2003, S. 395-415).

Davidson, MacGregor, Stuhr, Dixon und MacLean (2000, S. 55-64) kritisierten bei den dargelegten Befunden, dass nicht nur das Ärgererleben, sondern auch die Form des Är­gerausdrucks beleuchtet werden müsse. Sie schafften daher eine „Constructive Anger Behavior-Verbal Sytle Scale“ (CAB-V), um den konstruktiven verbalen Ausdruck des Ärgers zu kodieren. Feststellen konnten sie damit, dass ein konstruktiver Ausdruck des Ärgers sogar mit einem niedrigen Blutdruck einhergeht.

Da in den bisherigen Forschungen meist nicht zwischen Ärgererleben und Ärgeraus­druck differenziert wurde, sind die Ergebnisse über den Zusammenhang von Blutdruck und Ärger als Persönlichkeitsmerkmal nicht komplett eindeutig (Schum et al., 2003, S. 395-415). Dennoch sprechen die Ergebnisse der Befundlage dafür, dass ein ausge­prägter Ärgerausdruck mit einer eher günstigen Blutdruckveränderung zusammenhängt, während intensives Ärgererleben mit einer höheren kardiovaskulären Reaktivität ver­bunden wird (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 74).

Auch die zweite Annahme, dass das Ausdrücken negativer Emotionen Einfluss auf die Gesundheit hat, wurde zahlreich untersucht. Nicht nur im Zusammenhang mit Erkran­kungen des Herz-Kreislauf-Systems, sondern auch mit z.B. Krebserkrankungen, Kopf­oder Rückenschmerzen und Erkrankungen des Immunsystems (Amelang & Schmidt- Rathjens, 2003, S. 12-23; Traue, 1998).

Panagopoulou et al. führten 2002 eine Metaanalyse durch, um nicht bloß die Beziehung zwischen Emotionsausdruck und der Entstehung einer Krankheit festzustellen, sondern vor allem die Auswirkungen auf den Verlauf einer Erkrankung darzulegen. Es ließen sich hier keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Emotionsausdruck und Schwe­regrad der Erkrankung feststellen. Es zeigte sich auch keine großartige Verbindung von dem Grad der Unterdrückung der Emotionen mit der Schwere der psychischen Belas­tung aufgrund einer Krankheit. Die Ergebnisse zeigten, dass nicht der Verlauf, aber zu­mindest die Bewältigung von Erkrankungen erfolgreicher ist, je stärker Emotionen zum Ausdruck gebracht werden (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 75).

Weitergehend wurde untersucht, inwiefern sich emotionales Schreiben, bspw. das Füh­ren eines Tagebuchs, auf die Gesundheit auswirkt. Pennebaker und Beall (1986, S. 274-281) beschäftigen sich in einer Untersuchung mit verschiedenen Probanden, die durch expressives Schreiben schmerzvoller Erlebnisse verbesserte Ergebnisse ihrer Ge­sundheit aufwiesen. Nach langen Erforschungen des Grundes dieser Auswirkungen kam man durch die Analyse der emotionalen Texte auf folgende Schlussfolgerung: Das Er­fassen der Gefühle und Gedanken steigert das Verständnis der erlebten Erfahrung und damit das Wohlbefinden (Pennebaker, 1997; Smyth, True & Souto, 2001, S. 161-172). Schwieriger als die Untersuchung negativer Emotionen und Gesundheit ist die For­schung über die Auswirkung von positiven Emotionen. Grund dafür ist, dass Gefühle, wie wirkliche Freude oder Verliebtheit, nicht experimentell herstellbar sind. Dazu ist bei den Untersuchungen zu beachten, dass es sich dabei um „traits“ handeln kann, oder aber um „states“, die davon abzugrenzen sind (Erläuterung in Kapitel 3.1.2). Außerdem wird hier im Gegensatz zur Erforschung negativer Emotionen zwischen Ausdruck und Erleben von positiven Gefühlen kaum unterschieden, denn Menschen sind nicht dazu geneigt, diese unterdrücken zu wollen (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 76-77).

Viele Studien zeigen dazu eindeutig, dass das Ausmaß erlebter positiver Emotionen mit einer niedrigen Mortalität einhergeht (Pressman & Cohen, 2005, S. 925-971; Ostir, Markides, Black & Goodwin, 2000, S. 473-378). Auch auf die Morbidität scheint dies einen positiven Einfluss zu haben. Die Arbeitergruppe um Cohen (2003, S. 652-657) stellte dazu heraus, dass positive Gefühle die Herausbildung von klinischen Symptomen vermindert: Schlaganfälle, Verletzungen oder Unfälle sind geringer. Außerdem werden die Schlafqualität und die Motivation zu sportlichen Aktivitäten gesteigert sowie ein niedrigeres Niveau von Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol nachgewiesen. Es gibt diesbezüglich zwei Modelle von Pressman und Cohen (2005), die diese Befunde zu erklären versuchen: Nach dem Haupteffekt-Modell beeinflussen positive Emotionen das Gesundheitsverhalten, die Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren- rinden-Achse und die kardiovaskulären und immunologischen Funktionen. Diese Aus­wirkungen haben einen gegenseitigen Einfluss und damit auch auf den Gesundheitszu­stand. Im Stresspuffer-Modell hat dagegen das Erleben positiver Emotionen keinen di­rekten Einfluss auf das Wohlbefinden. Der verbesserte Gesundheitszustand vollzieht sich hier durch das „Abpuffern“ von erhöhtem Stress, was eine gesundheitsfördernde Wirkung mit sich bringen kann.

3.2.2 „Big Five“ der Persönlichkeit

Die Anfänge des „Big Five“-Modells entstanden in den 1980er-Jahren in Amerika mit der Annahme, dass es fünf verschiedene Grunddimensionen der Persönlichkeit gibt, die die Unterschiede des Individuums beschreiben (Simon, 2006, S. 113-114).

Ausgehend vom „lexikalischen Ansatz“ des Psychologen Cattell (1949), nach dem es bestimmte Worte zutreffend zu Aspekten persönlicher Unterschiede gibt, sollten Begrif­fe eines Sprachraumes gesammelt werden, mit denen diese Unterschiede beschrieben werden können. Die Amerikaner Allport und Odbert entwickelten bereits im Jahre 1936 eine Liste von 4504 Adjektiven, die sich dafür eigneten, die Persönlichkeitszüge zu be­schreiben. Diese Liste wurden wiederum von Cattell mithilfe statistischer Verfahren und im Anschluss mit eigens entwickelten Fragebögen auf 16 voneinander unabhängige Persönlichkeitsfaktoren reduziert. In dieser Zeit gab es bereits mehrere Forscher, unter anderem Tupes und Christal (1961), die sich auf fünf Faktoren fokussierten. Erst aber Paul Costa und Robert McCrae gelang es 1985 zu beweisen, dass es „fünf robuste Fak­toren als stabile Grunddimensionen der Persönlichkeit gibt, die sowohl in Adjektivlisten als auch in multidimensional aufgebauten Persönlichkeitsfragebögen identifiziert wer­den können.“ (Simon, 2006, S. 114). Daraufhin wurde Das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit von Tupes und Christal von Costa und McCrae bestätigt, woraufhin sie das Fünf-Faktoren-Inventar (NEO Personality Inventory, NEO-PI) zum Messen der fünf Dimensionen entwickelten. An der lexikalischen Forschung wurde zudem von dem amerikanischen Forscher Lewis Goldberg (1990, 1992) weitergearbeitet und gleichzei­tig zu Costa und McCrae das Modell der „Big-Five“- Faktorenstruktur und ihrer Marker veröffentlicht (Simon, 2006, S. 113-114; Hattula & Bauer, 2008, S. 29).

Diesbezüglich wurde in den letzten 20 Jahren weiter geforscht. Die „Big Five“ findet seitdem auch in Europa zunehmende Anwendung. Grund dafür ist laut Forschern, die Möglichkeit, die daliegenden Eigenschaftsbegriffe ohne Umwege zu messen, was durch andere Verfahren bisher nicht erreicht wurde. Unabhängig von verschiedenen Begriffs­systemen ist es durch das Modell möglich, beinahe jedes Inventar von Persönlichkeits­begriffen im Big-Five-Standard darzustellen und als Kombinationen zu den fünf Persön­lichkeitsdimensionen zuzuordnen (Simon, 2006, S. 115).

Die Persönlichkeit des Menschen lässt sich nun durch die folgenden fünf Faktoren ab­bilden: Extraversion, Neurotizismus, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrung (Simon, 2006, S. 115-116; Hattula & Bauer, 2008, S. 27).

In der unten aufgeführten Tabelle sind einige Merkmale dargestellt, aus denen die un­terschiedlichen Dimensionen bestehen. Dabei zeigen die Pole, wie stark ein Merkmal ausgeprägt ist. Es müssen hier nicht zwingend alle Merkmale einer Dimension erfüllt werden, zudem lassen sich Extremwerte durch Werte einer anderen Dimension kom­pensieren (Simon, 2006, S. 116).

Tab. 1: Merkmale der Dimensionen der Big Five (Costa & McCrae, 1992, S. 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die aktuell bedeutendsten Messinstrumente hierfür sind das NEO Personality Inventory - revised (NEO-PI-R) und die verkürzte Version, das NEO five factor inventory (NEO- FFI). Beides sind überarbeitete Fragebögen des NEO-PI von Costa und McCrae (1985). Die Resultate aus den Messungen lassen sich nun so verstehen: Je weiter eine Person auf der Skala vom Durchschnitt in die eine oder andere Richtung abweicht, desto eher weist sie die Tendenz auf, ein bestimmtes Verhalten in bestimmten Situation zu zeigen. In unterschiedlichen Situationen kann dies wiederum völlig anders sein. Nach Simon (2006, S. 123) besteht diese Tendenz, wenn bereits bei kleineren Reizen das bestimmte Verhalten ausgelöst wird und wenn das Verhalten im Vergleich zu anderen Menschen häufiger und dabei stärker zu beobachten ist.

3.3 Gesundheitsrelevante Persönlichkeitsmerkmale

Im Folgenden sind die Merkmale dargestellt, die für den Gesundheitszustand relevant sind. Diese lassen sich, wie in Kapitel 3.2.1 aufgeführt, in Überzeugungen, Erwartungen und in Emotionalität unterteilen und finden sich zudem in Typenmodellen wieder.

3.3.1 Überzeugungen und Erwartungen

Überzeugungen und Erwartungen sind gesundheitliche Ressourcen bzw. Schutzfakto­ren, die Einfluss auf das konkrete Gesundheits- und Risikoverhalten nehmen. Sie lassen sich aufteilen in Optimismus und Pessimismus sowie in Selbstwirksamkeitserwartung, und sind damit kognitive Persönlichkeitsmerkmale (Hornke et al., 2011, S. 479-480). 15/77

Optimisten generieren positive Erwartungen, Pessimisten dagegen negative. Vor allem in unbekannten Situationen, in denen keine Erfahrungen oder bestimmte Erwartungen vorhanden sind, sind Optimisten deutlich zuversichtlicher. Zur Erfassung dessen gibt es den „dispositionalen Optimismus“, der nach Scheier und Carver (1985, S. 219-247) durch positive Ergebniserwartungen gekennzeichnet ist „die generalisiert sind und die zur Einstellung führen, dass schwierige Aufgaben oder Situationen problemlos gemeis­tert werden oder sich positiv entwickeln.“ (Brinkmann, 2014, S. 126).

Das theoretische Konzept wurde im Anschluss kritisch diskutiert, da aus den Formulie­rungen nicht hervorgeht, wie sich positive und negative Erwartungen entwickeln. Es ist daher schwierig, Befunde, die den dispositionalen Optimismus bestätigen, zu interpre­tieren. Ein weiterer Aspekt ist, dass sowohl Optimismus als auch Pessimismus mit ver­schiedenen anderen Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhängen, und es damit nicht mehr als zweidimensionales Konzept besteht. Daraufhin revidierten Scheier und Carver (2003, S. 17-41) die Bedeutung ihrer Selbstregulationstheorie wie folgt: Optimismus bedeutet die Erwartung, positive Ziele zu erreichen; Pessimismus bedeutet die Erwar­tung, negative Ziele nicht verhindern zu können (Hornke et al. 2011, S. 480-481).

Welchen Einfluss nun eine bestimmte Erwartung auf das Gesundheitsverhalten hat, ist bisher umstritten. Es gibt Studien (Scheier et al., 1989, S. 1024-1040; Ironson et al., 2005, S. 86-97), die den Zusammenhang dieser bestätigen, jedoch gehen mit jedem Ge­sundheitsverhalten Kompetenzerwartungen und Kontrollüberzeugungen einher, die im dispositionalen Optimismus nicht differenziert werden (Schwarzer, 1994, S. 213-234).

Unter anderem weisen Tennen und Affleck (1987, S. 377-393) außerdem auf die moti­vationale Komponente im Gesundheitsverhalten hin, die durch das Wahrnehmen einer gesundheitlichen Bedrohung entsteht. Wenn ein Mensch sich durch seinen Optimismus nicht für gefährdet hält, eine bestimmte Erkrankung zu erleiden, kann dieser zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten motiviert werden. Den Annahmen von Scheier und Carver (1985, S. 219-247, 2003, S. 17-41) widersprechend, kann sich der dispositionale Optimismus im Zusammenspiel mit motivationalen Einbußen auf das Gesundheitsver­halten auswirken und nicht nur durch positive oder negative Erwartungen darüber. Diesbezüglich fehlen im Gegensatz zur Bedeutung der Selbstwirksamkeitserwartung, weitere empirische Befunde die den Bezug von Optimismus und Pessimismus auf die Gesundheit eindeutig feststellen können (Schwarzer, 1997, S. 328-330).

Optimismus meint im Vergleich zur Selbstwirksamkeit, dass ein optimistischer Mensch die Zukunft generell positiv einschätzt. Bspw. würde er sagen: „Alles wird schon ir- gendwie gut!“. Während ein selbstwirksamer Mensch denken würde, dass alles gut wird, weil er selbst das kann. Wie wirksam man agieren kann, hängt demnach von den eigenen Erwartungen ab. Es geht hierbei folglich um das Einschätzen der eigenen Kom­petenzen und welchen Einfluss diese auf ein bestimmtes Verhalten haben (Knoll et al., 2013, S. 27-31; Brinkmann, 2014, S. 78).

Dazu hat Bandura (1977) die sozial-kognitive Theorie aufgestellt, die erklärt, wonach der Mensch entscheidet, ein Verhalten zu ändern oder aufrechtzuerhalten. Diese Theorie umfasst dabei zwei Hauptkonstrukte: die Selbstwirksamkeitserwartung und die Hand­lungsergebniserwartung.

Folgendes Beispiel erklärt diese Konstrukte: Ein Diabetiker plant sein Ernährungsver­halten zu ändern, um seinen Insulingehalt im Blut zu senken. Innerhalb der Handlungs­ergebniserwartung wägt er die Vor- und Nachteile der Ernährungsumstellung ab. Er könnte dazu einerseits erwarten, dass durch weniger Zuckeraufnahme sein Blutzucker­spiegel sinkt, was eine positive Handlungsergebniserwartung darstellt. Gleichzeitig könnte er mit einer negativen Handlungsergebniserwartung denken, dass ihm dadurch das Essen weniger schmeckt. Es ist also abhängig davon, ob die positive oder negative Handlungsergebniserwartung überwiegt, welches Ziel sich ein Mensch setzt. Ob dieses Ziel wirklich umgesetzt wird, wenn die Handlungsergebniserwartung positiv ist, ist nun verbunden mit der Höhe der Selbstwirksamkeitserwartung. Wenn dem Diabetiker die Vorteile einer Ernährungsumstellung bewusst sind, kann es sein, dass er sich selbst überhaupt nicht dazu in der Lage sieht, diese Ernährungsumstellung tatsächlich zu voll­ziehen. Z.B. könnte er denken, dass es ihm nicht möglich ist, seinen Zuckerkonsum zu reduzieren, wenn er auswärts isst. Damit verfügt er nicht über die notwendige Selbst­wirksamkeitserwartung, die ein wichtiger Prädikator für sein Ziel und das dementspre­chende Verhalten darstellt (Knoll et al., 2013, S. 27-28).

Nach Bandura (1977, S. 191-215) setzen sich selbstwirksame Menschen höhere Ziele und führen Handlungen schneller aus. Außerdem geben sie bei Schwierigkeiten oder Fehlschlägen nicht so schnell auf und kommen besser über Misserfolge hinweg. Sie verfügen demnach über eine kompetente Selbstregulation, welche als ein wichtiges Element der Selbstwirksamkeit gilt.

Bandura (1986) gibt dazu vier Faktoren an, die die Selbstwirksamkeitserwartung auf­bauen: Der erste Faktor ist die erfolgreiche Ausführung eigener Handlung. Er stellt die stärkste Quelle für die Entwicklung der Selbstwirksamkeit dar. Wenn eine Handlung wiederholt erfolgreich ausgeführt und dabei von der Person internal attribuiert, sprich sich selbst und der eigenen Anstrengung zugeschrieben wird, erhöht das die Selbstein­schätzung für weitere Handlungen. Der zweite Faktor ist die stellvertretende Erfahrung und meint das Beobachten einer erfolgreichen Handlung einer Person in ähnlichen Situ­ationen. Dadurch werden vergleichende Schlussfolgerungen auf das eigene Verhalten bezogen und können somit die Selbstwirksamkeit der beobachtenden Person beeinflus­sen. Die symbolische Erfahrung, der dritte Faktor, erfolgt durch verbale Überzeugung und ist durch das Vertrauen einer anderen Person auf die eigenen Fähigkeiten bedingt ist. Der letzte Faktor stellt die emotionale Erregung da, welcher die schwächste und am geringsten beeinflussenste Quelle für die Selbstwirksamkeit ist.

Bandura (1986) versteht Selbstwirksamkeitserwartung als generalisiert, bedeutet, als das Vertrauen in eigenen Ressourcen, aber auch als bereichsspezifisch, meint, in Bezug auf bestimmte Themen. Es kann sich z.B. jemand durch Erfahrungen und Erfolge intellek­tuell als kompetent einschätzen, was die Selbstwirksamkeitserwartung erhöht. Aufbau­end auf bisherige Erfahrungen kann man sich dabei gleichzeitig sportlich für völlig un­geeignet halten, was die Selbstwirksamkeitserwartung in dem Bereich sinken lässt (Knoll et al., 2013, S. 30-31; Brinkmann, 2014, S. 82-83).

Nach Bandura (1997) wirkt die Selbstwirksamkeitserwartung direkt auf anderen Mo­dellkomponenten, wie Handlungsergebniserwartung und soziokulturelle Faktoren. Da­mit haben diese drei Komponenten den größten Einfluss in der sozial-kognitiven Theo­rie: Die Selbstwirksamkeitserwartung wirkt sich in Abhängigkeit der anderen Modell­komponenten auf die Zielsetzung und damit auf das Verhalten aus.

Kritisiert wird hierzu die Intensions-Verhaltens-Lücke. Aus dem Modell geht laut Kriti­kern nicht hervor, wie es von einer Zielsetzung zu einer konkreten Verhaltensänderung kommt (Brinkmann, 2014, 86). Außerdem wird der starke Fokus auf Selbstwirksam­keitserwartung und Handlungsergebniserwartung bemängelt. Ziele und soziokulturelle Faktoren werden dabei nicht ausreichend erläutert und es wird nicht deutlich, wie diese gemessen werden können (Faselt & Hoffmann, 2010, S. 55-64).

3.3.2 Emotionalität

Unter Emotionen werden rasch einschießende Gefühlszustände in unterschiedlicher Intensität, Dauer und Valenz verstanden. Abhängig sind diese von der Art der Situation, in der die Emotionen ausgelöst werden und wie diese Situation bewertet wird (Barnow, 2014).

In Abhängigkeit vom Erleben und Regulieren von Emotionen wirkt sich die Emotionali­tät auf den Gesundheitszustand aus. Bedeutsame Faktoren sind dabei Neurotizismus bzw. negative Affektivität, Feindseligkeit und Ärger, sowie die Emotionsregulation (Weber & Rammsayer, 2005, 524-534).

Seine Entstehung fand der Neurotizismus durch den Psychologen Hans Jürgen Eysenck (1970). Nach ihm lässt sich der Mensch auf einem Kontinuum zwischen labil (ängstlich, unsicher und unruhig) und stabil (sicher und gelassen) einordnen. Zurückzuführen ist die Ausprägung des Neurotizismus nach Eysenck (1985, S. 217-236) auf das Erre­gungsniveau im reticulo-limbischen Schaltkreis. Je mehr der Neurotizismus bei einem Menschen ausgeprägt ist, desto stärker wird der reticulo-libische Schaltkreis durch emo­tionale Stimulation erregt.

Neurotizismus findet sich als eine der fünf Dimensionen im Big-Five-Modell wieder. Dieser Faktor beinhaltet die Ausprägung von positiven und negativen Emotionen, bzw. wie stark sie erlebt werden. Neurotizismus bedeutet die Neigung zu Ängstlichkeit, Un­sicherheit und Ärger. Eine Person mit hohem Neurotizismus ist eher launisch, unruhig, schnell aus dem Konzept zu bringen und reagiert schnell emotional auf äußere Reize (Amelang, 2006, S. 267; Lang, 2009, S. 38). Der Neurotizismus beschreibt sich dem­nach als die Abwesenheit von subjektivem Wohlbefinden und definiert sich damit als Risikofaktor für die Gesundheit (Weber & Rammsayer, 2005, S. 529).

Grund dafür ist die für Neurotizismus typische Sensitivität von Vermeidungsreaktionen, also ein aversiver Reiz, durch den sich die subjektive Wahrnehmung auf das physische Missempfinden erhöht (Weber & Rammsayer, 2005, S. 529). Viele Forscher bestätigen die starke Vulnerabilität für psychische Auffälligkeiten. Die Studie von Rohde & Woo- pen (2007) zeigte dazu auf, dass ängstliche Frauen, die überdurchschnittliche Neuroti­zismuswerte aufwiesen, über schlechtes körperliches Wohlbefinden und Symptome der Psyche verfügten, was verdeutlicht, dass Neurotizismus durch ein depressives Syndrom gekennzeichnet ist (Weber & Rammsayer, 2005, S. 529).

Forscher bestätigen wiederum, dass Depressivität ein Einflussfaktor auf Erkrankungen des Herzens ist. Grund dafür könnte nach Carney, Freedland, Miller und Jaffe (2002, S. 897-902) sein, dass bei depressiven Menschen ein erhöhter Kortisol- und Katecholamin­Spiegel zu erkennen ist, was zu einer Minderung der parasympathischen Aktivität und einer gleichzeitigen Steigerung der sympathischen Aktivität führt. Dadurch kann sich z.B. der autonome Herztonus verändern, wodurch wiederum Gerinnungs- und Entzün­dungsprozesse angeregt werden. Zusätzlich wird beobachtet, dass bei depressiven Men­schen die Aggregation der Blutplättchen stärker ausgeprägt ist. Ungeklärt ist bisher, worauf diese erhöhte Aktivität zurück zu führen ist, sicher ist jedoch, dass diese Befun­de die Arteriosklerose und damit wiederum die Entstehung von Koronarerkrankungen begünstigen (Carney et al., 2002, S. 897-902).

Der Neurotizismus führt zudem durch die geringe emotionale Stabilität auch zu ver­stärkten Stressreaktionen in herausfordernden Situationen (Adler & Matthews, 1994, S. 229-259). Bei Stressreaktionen auf Umweltbedingungen werden ebenso verstärkt Kate­cholaminen und auch Glukokortikoiden freigesetzt, was letztendlich zu einem Anstieg des Blutdrucks führt und damit auch ein Auslöser für koronare Herzerkrankungen sein kann (Schum et al., 2003, S. 395-415).

Sowohl Depressivität als auch hoher subjektiver Stress werden demnach als Prädikato- ren für Koronarerkrankungen angesehen (Adler & Matthews, 1994, S. 229-259). Wie­derzufinden ist dies im Typenmodell des Typ-A-Verhaltens, das in Kapitel 3.3.3 Erläu­terung findet. Darin enthalten ist zudem das Persönlichkeitsmerkmal der Feindseligkeit.

Die Feindseligkeit charakterisiert sich durch Zynismus, Misstrauen und Ärgerneigung. Sie stellt damit ebenso wie der Neurotizismus einen Risikofaktor dar (Knoll et al., 2013, S. 192). Verschiedenen Studien zufolge wird auch die Feindseligkeit als Prädikator für koronare Herzerkrankungen angesehen (Metaanalyse von Miller, Smith, Turner, Gui­jarro & Hallet, 1996).

Grund dafür ist, dass die vorhandenen Eigenschaften zu einer ausgeprägten sozialen Isolation führen können. Laut langjähriger Forschung, wie der von Rozanski, Blument­hal und Kaplan (1999, S. 2192-2217), wirken sich psychosoziale Faktoren, wie ebendie­se soziale Isolation oder bereits niedrige soziale Unterstützung, auf das Risiko für Herz­erkrankungen aus. Verstärkt werden kann das Risiko dadurch, dass die vorhandenen Eigenschaften der Feindseligkeit nachweisbar mit einem starken Zigarettenkonsum, einer ungesunden Ernährung und wenig sportlicher Aktivität zusammenhängen (Willi­ams, 1996).

Außerdem ist das Konzept der Feindseligkeit eng mit dem des Ärgers bzw. des Ärger­ausdrucks verbunden. Dabei ist der Umgang mit Ärger und vor allem die Dauer des Ärgererlebens ausschlaggebend. Nach einer Studie von Williams et al. (2000) haben zu Ärger neigende Menschen durch die erhöhte Blutgerinnung und Blutviskosität innerhalb eines Zeitraumes von viereinhalb Jahren ein dreifach erhöhtes Risiko an Herzerkran­kungen zu leiden (Williams, 1996, 1998). Wichtig ist daher, dass Menschen die Verhal­tensmuster von Feindseligkeit oder Ärgerneigung aufweisen lernen, damit umzugehen und die Emotionen zu regulieren (Emotionsregulation).

Mit Emotionsregulation geht jedoch weit mehr einher als die Regulation negativer Zu­stände. Sie bezieht alle Prozesse mit ein, die den spontanen Ausdruck von Emotionen beeinflussen, sowohl negative als auch positive Emotionen. Durch die Emotionsregula­tion kann die Intensität der erlebten Emotionen verringert, aufrechterhalten oder gestei­gert werden. Diese Prozesse können bewusst und damit kontrollierbar sein, sie können aber auch automatisch ablaufen (Gross, 2007). Wichtig ist, dass die Emotionsregulation von Coping abzugrenzen ist. Während Coping die Versuche meint, mit herausfordern­den Ereignissen umzugehen, umfasst die Emotionsregulation nach Gross „diejenigen Prozesse, die uns ermöglichen, Einfluss darauf auszuüben, welche Emotionen wir ha­ben, wann wir diese haben und wie wir diese erleben und zum Ausdruck bringen.“ (Brandstätter, 2013, S. 175).

Voraussetzung dafür, Emotionen zu regulieren, ist vor allem das Erkennen bzw. Unter­scheiden verschiedener Emotionen. Durch das Wissen, das ein Mensch über Emotionen hat, erkennt er die Diskrepanzen zwischen erlebten Emotionen und der eigenen Vorstel­lung darüber, in welcher Situation welcher Ausdruck von Emotionen angemessen wäre, was ihn zum Regulieren seiner Emotionen bringt (Feldman Barrett, Gross, Christensen & Benvenuto, 2001, S. 713-724). Eine weitere Voraussetzung ist das Wissen über sozi­ale Normen: Abhängig vom sozialen Kontext, in dem agiert wird, herrschen verschie­dene Normen, was das Verhalten und damit den Ausdruck der Emotionen beeinflusst.

Dazu gibt es eine Vielzahl an Strategien zur Emotionsregulation, wobei sich zwei An­sätze durchgesetzt haben: der deskriptive Ansatz wie der von Parkinson und Totterdell (1999) und das Prozessmodell der Emotionsregulation von James Gross (1998, 2007).

Parkinson und Totterdell (1999) haben innerhalb einer Studie sämtliche Regulations­strategien negativer Zustände identifiziert, die der Mensch anwendet, um im Alltag sei­ne Emotionen zu beeinflussen. Dabei haben sie 162 Strategien der bewusst eingesetzten Regulation ermitteln können. Um diese Regulationsstrategien einordnen zu können, leiteten die Forscher ein Klassifizierungssystem ab, das aus zwei Dimensionen besteht. Die erste Dimension ist die der sogenannten Einsatzmittel („implementation medium“), wobei dort zwischen kognitiven und verhaltensorientierten Strategien unterschieden wird. Kognitiv meint bspw. bei Verärgerung an etwas Positives zu denken, während verhaltensorientiert bedeutet, etwas zu tun, was einen wieder positiv stimmt. Die Ab­sichtsstrategie („intention strategy“) ist die zweite Dimension und beinhaltet zwei Stra­tegien: Die Strategie der Konfrontation mit affektauslösenden Reizen („engagement“) und die Strategie der Vermeidung oder Ablenkung von affektauslösenden Situationen („diversion“).

[...]

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Narrativer Review zum Thema "Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit"
Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Veranstaltung
Gesundheitsmanagement
Note
1.0
Autor
Jahr
2016
Seiten
77
Katalognummer
V1189648
ISBN (eBook)
9783346624284
ISBN (Buch)
9783346624291
Sprache
Deutsch
Schlagworte
narrativer, review, thema, persönlichkeitsmerkmale, gesundheit
Arbeit zitieren
Saskia Hofmann (Autor:in), 2016, Narrativer Review zum Thema "Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1189648

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Narrativer Review zum Thema "Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden