Die Raumkonfiguration in "V wie Vendetta" im transmedialen Zusammenhang


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) Urbane Dystopien und die Verhandlung von Gegenwartstendenzen

B) Untersuchung der Raumkonfiguration in Vwie Vendetta

I. Inhaltszusammenfassung

II. Raumsemantische Grundlagen
1. Allgemein
2. Raumsemantik in Vwie Vendetta
2.1 Ausgangsraum
2.1.1 Regierungstreue
2.1.2 Extremraum
2.2 Gegenraum
2.2.1 Regierungstreue
2.2.2 Extremraum

III. Politische Modelle
1. Allgemein
2. Politische Modelle in Vwie Vendetta
2.1 Überblick
2.2 Zeithistorische Orientierung
2.2.1 Film
2.2.2 Comic
2.3 Technologie
2.3.1 Film
2.3.2 Comic
2.4 Adam Sutler & Adam Susan
2.4.1 Sutler
2.4.2 Susan
2.5 Zwischenergebnisse

IV. Revolutionsthematik
1. Allgemein
2. V als Symbol
2.1 Film
2.2 Comic
3. Anarchie & Revolution
3.1 Film
3.2 Comic

4. Zwischenergebnisse

C) Fazit

D) Quellenverzeichnis

A) Urbane Dystopien als Verhandlung von Gegenwartstendenzen

Ein Grundbaustein für die narrative Verhandlung urbaner Dystopien liegt in der radikalen und konstanten Wachstumsrate vor allem US-amerikanischer Städte und deren Bevölkerung gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Überreizung der physiologischen Wahrnehmung und die fehlende Zeit der Anpassung führen zu Anonymisierung und Abstumpfung, gleichzeitig zu Furcht vor kriminellen Elementen, politischen Umbrüchen oder Krankheiten. Eine aktuelle Erfassung der urbanen Zustände ist nicht oder kaum möglich. Stattdessen werden diese in weitergeführten, Gegenwartstendenzen aufgreifenden Werken wiedergegeben, im 21. Jahrhundert meist in Form von Literatur oder darstellender Kunst.1 Dabei beschränkt sich das Genre der Urbanen Dystopie nicht etwa auf ausschließlich politische Tendenzen, sondern kann auch den technologischen Fortschritt und dessen Folgen, den Machtmissbrauch von Großkonzernen oder die Ausgrenzung bestimmter sozialer Gruppen beinhalten - eine Überschneidung der Thematiken ist jedoch die Regel.

Bei V wie Vendetta handelt es sich um ein dystopisches Narrativ, das aus der Furcht beziehungsweise den Emotionen während eines Regierungswechsels entstanden ist. Die Graphic Novel aus den Federn von Alan Moore und David Lloyd setzt sich mit den zur Produktionszeit bevorstehenden Veränderungen im Rahmen der britischen Thatcher- Regierung auseinander. Im Mittelpunkt steht der Konflikt zwischen Volk und Regierung, der in der Etablierung revolutionärer Zustände mündet. Die Verfilmung des Comics weist zwar ähnliche grundlegende Tendenzen auf, weicht aber in bestimmten Aspekten von der Vorlage ab, z. B. in der Darstellung des politischen Systems, der Rolle von Anarchie und Revolution et cetera.

In dieser Arbeit soll deswegen untersucht werden, inwieweit diese Abweichungen mit der Konfiguration der - für ein urbanes Narrativ essenziellen - semantischen Räume und allgemeinen medienspezifischen Aussagen bezüglich des Medienwechsels in Zusammenhang stehen. Dazu wird zunächst ein allgemeiner Überblick über die raumsemantische Basis von V wie Vendetta geboten, wobei die wesentlichen Paradigmen von Ausgangs- und Gegenraum definiert werden, auf die sich die weitere Untersuchung stützen soll. Anschließend werden die gezeigten politischen Modelle und die Darstellung der Revolutionsthematik behandelt, wobei auch diverse Charaktere näher analysiert werden. Die Untersuchungen finden im medialen Vergleich statt, aus dem auch die abschließenden Resultate gezogen werden.

B) Untersuchung der Raumkonfiguration

I. Inhaltszusammenfassung

Der Film V wie Vendetta spielt im Jahr 2020, der Comic in den Jahren 1997/98. Im Zentrum steht der als Guy Fawkes2 verkleidete Freiheitskämpfer V, der sich gegen das totalitäre, faschistische Regime auflehnt, das die englische Herrschaft ergriffen hat. Zusammen mit Evey Hammond, die er vor Regierungsmitarbeitern rettet, begeht er Rache für die Verbrechen an ihm selbst und an der Bevölkerung, wobei er trotz seines Erfolgs selbst das Leben verliert. Dabei inspiriert er Evey und das englische Volk, sich gegen eine erneute Unterdrückung zu stellen.3

II. Raumsemantische Grundlagen

1. Allgemein

Vor der Untersuchung der in V wie Vendetta gezeigten Raumkonfiguration ist es nötig, zunächst in aller Kürze einige Grundlagen der raumsemantischen Analyse vorzustellen, wie Juri M. Lotman sie beschreibt.

Im Allgemeinen lässt sich die in einem Text dargestellte Welt in verschiedene semantische Räume einteilen, die wiederum durch Grenzen voneinander abgetrennt sind und aufgrund ihrer individuellen Anordnung bestimmter semantischer Merkmale einzigartig erscheinen. Das wichtigste Merkmal eines Raums ist dessen Grenze, da sich der Raum und dessen Merkmale vor allem in Opposition zu anderen Räumen und deren Merkmalen manifestieren. Im Zusammenhang mit Raum und Grenze entsteht eine Substantiierung transzendenter Ordnungen, so können bestimmte räumliche Gegensätze oder Übergänge verdeutlicht werden - zum Beispiel die Gegenüberstellung von Natur und Kultur oder der Differenz in der Fremdheitsthematik.

Da diese Grenzen als unüberwindbar gelten, wird hier ein semantisches „Haus“ in gleichberechtigte Räume geteilt. Zentral ist, dass eine Handlung im Text erst dann entstehen kann, wenn eine Grenze zwischen den Räumen überschritten wird - in der Regel geschieht dies durch den Protagonisten4. Der dargestellten Weltordnung - der sujetlosen Textschicht und dem Ausgangsraum - werden durch diesen Ordnungsbruch die sujethafte Textschicht und der Gegenraum gegenübergestellt.5 Die Handlung entsteht aus dem Konflikt zwischen beiden Welten, da die Figur mit der neu betretenen Weltordnung und deren unbekannten Merkmalen konfrontiert wird, und setzt sich aus der Chronologie der Ereignisse zusammen, die sich im Rahmen der diegetischen Normen, Werte etc. und den zugehörigen Räumen und Merkmalen konstituieren. Grenzüberschreitungen und die daraus entstehenden Konflikte - also die Handlung - können auf verschiedene Art und Weisen beendet werden, zum Beispiel durch Anpassung an den Gegenraum, die Negierung der Grenzüberschreitung oder die Hybridisierung des „Grenzgängers“, der zwischen den Räumen wechselt.6 Semantische Räume verfügen außerdem häufig über Extremräume, die in der Regel bestimmte Voraussetzungen aufweisen, die der Protagonist bei Betreten erfüllen muss. Die wichtigsten räumlichen Merkmale werden hier komprimiert und verdichtet dargestellt.7

2. Raumsemantik in V wie Vendetta

Auf Basis der allgemeingültigen raumsemantischen Grundlagen lassen sich nun die in V wie Vendetta - sowohl im Film als auch im Comic - gezeigten Räume aufzeigen.8

2.1 Ausgangsraum

2.1.1 Regierungstreue

Der Ausgangsraum beziehungsweise die sujetlose Textschicht definiert sich in V wie Vendetta durch das Merkmal Regierungstreue. Das politische System der totalitären, faschistischen Nordfeuer-Regierung gilt in diesem Fall auch als Basis der dargestellten Weltordnung, deren Zugehörigkeit von persönlicher Überzeugung abhängt - was besonders bei Regierungsmitarbeitern zutrifft - oder durch negative Sanktionierungen bei Verweigerung erreicht wird. Entsprechende Paradigmen des Ausgangsraums finden sich zum Beispiel in der allumfassenden audiovisuellen Überwachung sowohl des privaten als auch des öffentlichen Raums. Die in urbanen Science-Fiction-Dystopien zentrale Heimeligkeit und schützende Atmosphäre des privaten Wohnraums wird durch diese Überwachung und die daraus resultierende fehlende Privatheit dekonstruiert.9 Die Alternativlosigkeit und fehlende Entscheidungsfreiheit, einem nicht regierungstreuen Gegenraum anzugehören oder den Ausgangsraum zu verlassen, steht maßgeblich für die räumliche Begrenzung, die Vorbeugung und das Betreten sämtlicher oppositioneller Räume. Die Exklusivität des Ausgangsraums wird durch bestimmte Merkmale wie Kulturzensur10, Propaganda, und dogmatische Entindividualisierung und Selektion aufrechterhalten, die sich zum Großteil im Extremraum der sujetlosen Textschicht verdichten.11

2.1.2 Extremraum

Der Extremraum des Ausgangsraums ist die Larkhill-Strafanstalt, in der - in den Augen der Regierung - nonkonforme Minderheiten wie Juden, People of Color oder Homosexuelle untergebracht werden.12 Hier verdichten sich die Paradigmen des Ausgangsraums, da Larkhill eine allumfassende Kontrollierung durch Inhaftierungsumstände aufweist, die den historischen Konzentrationslagern im Dritten Reich ähneln. Durch das Scheren der Kopfhaare, die uniforme Bekleidung und die Identifikation durch Zellennummern findet hier eine extreme Form der Entindividualisierung und Angleichung statt. Zwangsarbeit, Folter und vor allem Experimente an den Gefangenen zeigen das von der Regierung gewünschte Resultat in der gesellschaftlichen Selektion und Nutzbarmachung der Minderheiten.13 Bezüglich der Experimente unterscheiden sich Film und Comic voneinander: V -Film zeigt die Experimente im Rahmen der Entwicklung eines Virus, der in Europa freigesetzt wird und schließlich zur Machtergreifung von Nordfeuer führt. Im Comic wird ein Hormon­Präparat namens Substanz 5 an den Gefangenen getestet, welches zu körperlichen Veränderungen wie zusätzlichen Fingern an der Wade, verkümmerten Geschlechtsorganen, Organversagen und psychotischen Zuständen führt. Welche Resultate das Medikament eigentlich erzielen soll, ist nicht bekannt.14

2.2 Gegenraum

2.2.1 Regierungsuntreue

Der oppositionelle Raum wird durch das Hauptmerkmal Regierungsuntreue beziehungsweise politischer Aktivismus gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den freiwilligen oder erzwungenen Regierungstreuen sind in diesem Raum aktive Gegner des Regimes zu finden. An dieser Stelle unterscheiden sich Film und Comic, denn während V -Film im Prinzip nur Regierungstreue und Regierungsuntreue zeigt, bilden Kriminelle wie Alistair Harper und Gordon Deitrich15 im Comic eine dritte Partei, die weder dem Ausgangs- noch Regierungsraum angehört und sich mehr oder weniger unbehelligt dazwischen bewegt. Hier kontrastiert die einzelperspektivische Erzählweise des Films die Multiperspektive des Comics.16 Das zentrale Paradigma des oppositionellen Raums der Regierungsuntreue besteht in der Individualisierung. Diese zeichnet sich sowohl durch den Besitz von Kulturgütern, die kritische Reflexion von Regierungswahrheiten und die Ablehnung der dogmatischen, homophoben Grundsätze aus. Diese individualistischen Aspekte werden vor allem durch Vs Etablierung der anarchistischen Ordnung als Übergang zur neuen Ordnung gekennzeichnet und durch die Zerstörung prestigeträchtiger Symbole und der Verbreitung des Anarchie- und Revolutionsgedankens in den Ausgangsraum getragen.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, inwieweit der Begriff der Vendetta relevant für die grundlegende raumsemantische Weltordnung ist. Zwar ist das „V“-Symbol bei Vs Anschlägen omnipräsent und wird auch medial rezipiert. Trotzdem ist Vs Motiv bis auf Evey nur den Regierungsmitarbeitern bekannt, die V als ehemaligen Insassen von Larkhill erkennen. Der allgemeinen Öffentlichkeit wird weniger das Vendetta-Prinzip als der revolutionäre und anarchistische Gedanke gezeigt, was die Vendetta als Paradigma des Gegenraums grundsätzlich ausschließt und für diese Arbeit weniger relevant macht. Auf der anderen Seite steht Vs Vigilantismus im Vergleich zur totalitären Staatsgewalt, da er das Gesetz ignoriert und das Recht selbst in die Hand nimmt, also sein eigenes Gesetz schafft. Vs Vorgehensweise weicht in diesem Punkt nur im Rahmen einer moralischen Interpretation von der des Regimes ab. Inwieweit hier von einem tatsächlichen paradigmatischen Gegensatz oder eher einer paradigmatischen räumlichen Transposition zu reden ist, wäre zu diskutieren.17

2.2.2 Extremraum

Als oppositioneller Gegenraum kann Vs Schattengalerie betrachtet werden. Hier sind die semantischen Merkmale vorhanden, die im Ausgangsraum vollständig fehlen. Am auffälligsten ist hierbei die Existenz vielfältiger Kulturgüter außerhalb der propagandistischen und dogmatischen Norm - Bücher, bildende Kunst, Musik und Filme. Das verbotene Kulturgut ist ein Äquivalent zur Regierungsfeindlichkeit, da hier mögliche Normen und Werte vermittelt werden, die Träger eines revolutionären Gedankenguts sein könnten - ob nun in Bezug auf nicht-heterosexuelle, nicht-christliche oder nicht­europäische beziehungsweise nicht-nordeuropäische Orientierung. Die Schattengalerie kann als eine Art medial-traditionelles Museum betrachtet werden, in dem längst vergessene kulturelle Relikte aufbewahrt und auch rezipiert werden.

[...]


1 vgl. Tormin, U.: Alptraum Großstadt. Urbane Dystopien in ausgewählten Science Fiction-Filmen. Coppi-Verlag, Alfeld, 1996, S. 7 - 9 & 30f.

2 Guy Fawkes : britischer Revolutionär und Katholik, der durch die Sprengung des Palace of Westminster einen Anschlag auf das englische Parlament unter Jakob I. verüben wollte, aber gescheitert ist. Das Attentat und dessen Planung wird auch als Pulververschwörung bezeichnet.

3 Film und Comic weisen sowohl eine unterschiedliche Handlung als auch eine unterschiedliche Ausarbeitung der Charaktere auf, die hier nicht explizit erwähnt, sondern nur an geeigneten Stellen thematisiert wird. Das gilt auch für kulturelle Referenzen aus Film, Literatur, Geschichte, Drama, Musiktheater etc.

4 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Damit sind sämtliche Geschlechter gemeint und werden auch angesprochen.

5 Es ist anzumerken, dass die Definition räumlicher Grenzen von der entsprechenden Interpretation abhängig und nicht festgelegt ist. So lässt sich zum Beispiel im Western die Grenze zwischen Stadt und Wildnis beziehungsweise Zivilisation und Natur zum einen durch rein topographische und architektonische Merkmale ziehen - in der Stadt finden sich gepflasterte Straßen, Häuserreihen etc., während die Wildnis Trampelpfade und weitgehende Leere aufweist. Eine Verbindung auf dieser Ebene wäre zum Beispiel die Eisenbahn, die Zivilisation und Natur verbindet. Zum anderen ließe sich die Grenze auch auf paradigmatischer - also einer abstrakten und bedeutungshaften - Ebene ziehen und ließen sich die Gegensatzpaare Vergangenheit und Zukunft, Bildung und Unbildung oder Unwissen, Wildheit und Fortschritt, Gewalt und Pazifismus etc. als Grenzmerkmale betrachten, die auch häufig in einem genretypischen Ost-West-Konflikt münden. Entsprechend der interpretationsabhängigen Raum- und Grenzdefinition wird auch in dieser Arbeit auf verschiedene Interpretationen verzichtet und stattdessen der Fokus auf eine bestimmte Definition gelegt.

6 Zwei Beispiele zum besseren Verständnis der Negierung der Grenzüberschreitung finden sich in der Serie Supernatural und den darin vorkommenden Alternativrealitäten, zum Beispiel der Apokalypse-Welt oder dem Ort des Grauens, die quasi als alternative Settings vom gelangweilten Gott erschaffen wurden und entsprechende semantische Merkmale aufweisen. Die Apokalypse-Welt gilt als Gegenraum zur Welt der Haupthandlung, da hier zum Beispiel die Apokalypse nicht durch die Protagonisten aufgehalten werden kann. Einige Charaktere aus der Apokalypse-Welt fliehen vor den Ausschreitungen des bösen Erzengels Michael in die Welt der Haupthandlung. Später will der Tod diese Grenzüberschreitung negieren und die Flüchtlinge wieder zurückschicken, um die natürliche Ordnung wiederherzustellen. Eine Rückkehr bedeutet in diesem Fall den Tod, da die alternative Welt inzwischen von Gott zerstört wurde. Ein weiteres Beispiel wäre die alternative Kaia Nieves, die freiwillig den Ort des Grauens - eine primitive Monsterwelt - verlässt und die Welt der Haupthandlung betritt, diese jedoch wieder verlässt, da sie sich nicht anpassen kann, und während der Zerstörung ihrer Heimat stirbt. vgl. Supernatural. Kripke, E. / Singer, R. u.a. USA, 2005 - 2020. Amazon Prime / Netflix / Sky. Staffel 13, Folge 10 & 23, Staffel 15, Folge 12, 13, 17 & 18.

7 vgl. Hennig, M. / Krah, H.: Raum im Computerspiel / Räume des Computerspiels. In: Hennig, M. / Krah, H. (Hg.): Spielzeichen II - Raumspiele / Spielräume. Vwh, Glückstadt, 2018, S. 8 - 11 & Krah, H.: Raum und Grenze: Eine semiotische Bestandsaufnahme - Mit dem Beispiel des Bunkers im ästhetischen Diskurs globaler Katastrophenszenarien. In: Nies, M. (Hg.): Schriften zur Kultur- und Medionsemiotik | Online. Nr. 4 (2018), 2019, S. 73 - 110, S. 75f. Weiterführend zur Raumsemantik s. Gräf, D. u.a.: Filmsemiotik. Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate. Schüren Verlag, Marburg, 2017, S. 185 - 202 & 334 - 349.

8 Da Film und Comic zwar bestimmte Unterschiede aufweisen, dabei allerdings auf der gleichen diegetischen Grundlage basieren, wird hier in der allgemeinen Raumdefinition nur an geeigneten Stellen zwischen Film und Comic differenziert. Außerdem handelt es sich bei diesem Kapitel vor allem um einen grundlegenden Überblick über die Raumsemantik in V wie Vendetta. Auf eine detaillierte Darstellung bestimmter Paradigmen oder Charaktere wird an dieser Stelle verzichtet, da sie in einem späteren Kapitel folgt. An dieser Stelle sei auch darauf verwiesen, dass im Rahmen der Untersuchung der Raumkonfiguration allgemeine Theorien zur Transmedialität nicht explizit behandelt werden. Die beschriebenen Unterschiede sind allerdings außerhalb der adaptiven - also vom Medienwechsel abhängigen - Verarbeitung zu definieren und finden sich eher im Bereich der transmedialen Modifikation. Der Film zeigt zum Beispiel ein abweichendes Finale, andere hypodiegetische Ansätze und verändert zudem bestimmte semantische Raumstrukturen. Ohne also als einfache erweiternde oder übertragende „Version“ des Comics zu gelten, steht der Film dem Comic in gewisser Weise konkurrierend gegenüber, da er sich grundsätzlich als eigenes Werk und produktionszeitgemäße Interpretation der Vorlage betrachten lässt. vgl. Decker, J.-O.: Transmediales Erzählen. Phänomen - Struktur - Funktion. In: Hennig, M. / Krah,

H. (Hg.): Spielzeichen. Theorien, Analysen und Kontexte des zeitgenössischen Computerspiels. Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt, 2016, S. 137 - 171, S. 159 f.

9 vgl. Podrez, P.: Urbane Visionen. Filmische Entwürfe der Zukunftsstadt. Königshausen & Neumann, Würzburg, 2021, S. 297f.

10 Die kulturelle Zensur ist nicht zuletzt als dystopisches Merkmal zu betrachten, da sich hier ein Gegensatz zur städtischen Funktion kultureller Tradition herausbildet. vgl. hierzu Podrez, P.: Stadtspiele, Spielstädte. Zum Verhältnis von Games und urbanen Kulturräumen. In: Hennig, M / Krah, H. (Hg.): Spielzeichen III. Kulturen im Computerspiel/Kulturen des Computerspiels. Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt, 2020, S. 226 - 253, S. 227.

11 Entindividualisierung und Anonymisierung gelten als Ursprungsphänomene der Urbanisierung, die nicht zuletzt in Anpassung an die technologische und gesellschaftliche Überforderung stattgefunden hat. vgl. hierzu Tormin, S. 6 - 8 & Johnson, C. / Tulloch, R.: Video games and dystopia: total cities, post-cities, and the political unconscious. In: Journal of Gaming & Virtual WorldsK. Jg. 9, Nr. 3, S. 243 - 256, S. 9.

12 In V -Film als „Larkhill Detention Centre”, in V -Comic als “Larkhill Resettlement Camp” bezeichnet. Der Film zeigt hier demnach die Bestrafung bestimmter Delikte - zum Beispiel der sexuellen oder religiösen Orientierung - und etabliert dementsprechend seine Funktion als Beschützer des Staats, zumal hier offiziell biologische Kampfstoffe getestet werden - außerstaatliche Feinde werden also durch die Tötung innerstaatlicher Feinde bekämpft. Im Comic legt Nordfeuer mehr Wert auf das Image der Assimilierungsmöglichkeit. Fakt ist, dass es sich in beiden Medien um Konzentrationslager handelt, die „unnütze“ Subjekte exekutieren. vgl. V wie Vendetta (2005, USA / UK / Deutschland, McTeigue, J.), Amazon Prime, TC (01:16:00) & Moore, A. / Lloyd, D.: V wie Vendetta. Panini Comics, Stuttgart, 2013, Buch 1 “Europa am Tag danach”, Kapitel 3 „Die Verlorenen“, S. 7.

13 Zur Unterdrückung bestimmter Gruppen vgl. Podrez, S. 335 - 343.

14 vgl. Film, TC (00:57::40) & Comic, Buch 1 “Europa am Tag danach”, Kapitel 11 „Der Vortex“, S. 2 - 5. Da es sich bei Substanz 5 um ein Mutagen handelt, ist anzunehmen, dass es eine generationenverändernde Wirkung auf die Bevölkerung haben soll, um bestimmte Genmutationen zu unterdrücken, die im weitesten Sinne regierungsabweichende Tendenzen hervorrufen - sowohl körperlich als auch psychisch.

15 Deitrichs Darstellung weicht in Comic und Film stark voneinander ab. V -Film inszeniert ihn als homosexuellen Moderator einer Fernsehshow, der verbotene Kulturgüter in seinem Keller versteckt und nach dem Senden einer regierungsfeindlichen Satire verhaftet und hingerichtet wird. Im Comic hingegen tritt er als heterosexueller Krimineller auf, der eine Affäre mit Evey unterhält, bis sein früherer Freund Harper ihn nach einem Streit töten lässt.

16 Da Harper und seine Leute vom Leiter der Finger, Peter Creedy, als Schlägertruppe angeheuert werden, bewegen sie sich von dem Augenblick an eher im Ausgangsraum als zwischen Ausgangs- und Gegenraum. Inwieweit ein Übertreten der räumlichen Grenzen also ausschließlich von Hauptcharakteren durchgeführt werden kann, ist diskutabel. Es ist anzunehmen, dass dieser Aspekt in Relation zum entsprechenden Medium steht: V -Film legt sein Hauptaugenmerk auf zentrale Charaktere - besonders V, Evey, Detective Finch, Creedy und Sutler -, deren Darstellung aber größtenteils von Vs, Eveys und Finchs Perspektive aus entsteht. Hier zeigt sich ein gewisser point of view der genannten Filmcharaktere, der in einer Polyphonie aufgeht - also einer gemeinsamen narrativen Haltung, die sich auf verschiedene erzählende Instanzen aufteilt. V -Comic zeigt hingegen multiperspektivische Narrationen und etabliert einen von der moralischen Orientierung oder Relevanz für die Handlung unabhängigen point of attention. Somit wird diversen Nebencharakteren und Vs Domino-Gedanken Raum zur Entwicklung geboten, wonach jeder dieser Charaktere - meistens unwissentlich - eine bestimmte Rolle erfüllt, um Vs Ziel zu erreichen. Der Gedanke, dass die Grenzüberschreitung dem Hauptcharakter vorbehalten ist, wird also im multiperspektivischen Comic weniger erfüllt, obwohl anzumerken ist, dass V hier in der Regel den direkten Anstoß gibt. Dem gegenüber steht der einzelperspektivische Fokus des Films, in dem eher Hauptcharaktere die Grenzen überschreiten. vgl. Comic, Buch 3 „ Das Land Tu-was-du-willst “, Kapitel 2 „ Verwirrung “, S. 3. & Kapitel 3 „ Verschiedenste Valentinsgrüße “. Zur Multiperspektivität vgl. Hartner, M.: Perspektivische Interaktion im Roman: Kognition, Rezeption, Interpretation. De Gruyter, Berlin / Boston, 2012, S. 64 - 69.

17 Die Abhängigkeit einer auf moralischen Grundsätzen basierenden Interpretation weist auf eine Ambivalenz hin, die im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt wird.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Die Raumkonfiguration in "V wie Vendetta" im transmedialen Zusammenhang
Hochschule
Universität Passau
Veranstaltung
Transmediale Räume - Urbane Dystopien in Film, Comic und Computerspiel
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
33
Katalognummer
V1189783
ISBN (eBook)
9783346622877
ISBN (Buch)
9783346622884
Sprache
Deutsch
Schlagworte
V wie Vendetta, Raumsemantik, Dystopie, Transmedialität, Regime, Urbane Dystopie, Film, Comic, Computerspiel, Graphic Novel
Arbeit zitieren
Christopher Riedmüller (Autor:in), 2021, Die Raumkonfiguration in "V wie Vendetta" im transmedialen Zusammenhang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1189783

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