Mediation. Die Kunst konstruktiver Konfliktlösung


Mémoire de Maîtrise, 2008

71 Pages, Note: 1,8


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gegenstand der Mediation- der Konflikt
2.1. Definition des Begriffs Konflikt
2.2. Konflikttypologie
2.2.1. Intensität
2.2.2. Beteiligte
2.2.2.1. Intrapsychischer Konflikt
2.2.2.2. Sozialer Konflikt
2.2.3. Streitgegenstände
2.2.4. Erscheinungsform
2.2.5. Merkmale der Beteiligten
2.3. Konfliktvermeidung

3. Das Verfahren der Mediation
3.1. Definition
3.2. Merkmale der Mediation
3.2.1. Mediator als externer Dritter
3.2.2. Allparteilichkeit/Neutralität
3.2.3. Die Eigenverantwortlichkeit
3.2.4. Das Fallspezifische
3.2.5. Die Ergebnisoffenheit

4. Theoretische Grundlagen der Mediation
4.1. Der verhandlungs- und lösungsorientierte Ansatz - Das Harvard- Konzept
4.2. Der Transformationsansatz

5. Die Rolle des Mediators
5.1. Vertrauensaufbau
5.2. Problembewätigungskompetenz
5.3. Lösungsfindungskompetenz
5.4. Emotionale Intelligenz
5.5. Passung von Mediator und Fall

6. Ablauf der Mediation
6.1. Phase I: Vorbereitung
6.2. Phase II: Informations- und Themensammlung
6.3. Phase III: Klärung der Interessen
6.4. Phase IV: Lösungsoptionen suchen und bewerten
6.5. Phase V: Bewertung und Auswahl der Lösungsoptionen
6.6. Phase VI: Mediationsvereinbarung

7. Probleme
7.1. Kommunikationsfallen und Störungen
7.2. Eskalation
7.3. Intervention

8. Anwendungsfelder
8.1. Ehe- und Familienmediation
8.2. Schulmediation
8.3. Wirtschaftsmediation
8.4. Umweltmediation
8.5. Interkulturelle Konflikte
8.6. Täter- Opfer- Konflikte
8.7. Online- Mediation

9. Schluss

Mediation

- Die Kunst konstruktiver Konfliktlösung –

1. Einleitung

Konflikte können in jeder Lebenslage, in jeder Beziehung und zwischen den unterschiedlichsten Personen, Gruppen oder Staaten auftreten. Die Folgen können verhärtete Fronten, Gewalt oder im extremsten Fall auch Krieg sein. Wenn der Mord, die letzte Eskalationsstufe eines Konfliktes, passiert ist, werden Polizei, Anwälte und Richter tätig. Wenn die Ehe gescheitert ist, treten Scheidungsanwalt und Familiengericht auf den Plan. Es wird also eher auf die Vergangenheit eingegangen und die Zukunft bleibt weitestgehend nicht mit gestaltet.

Die nachstehende Arbeit soll sich mit einer konstruktiven Konfliktlösungmethode beschäftigen, die einsetzt, bevor Misstrauen, Vergeltungswünsche oder Gewalt sich ihren Weg gebahnt haben – die Mediation.

Mediation bietet Wege, Möglichkeiten und Strategien Konflikte beizulegen. Mediation ist nicht nur auf dem Gebiet der Psychologie zu Hause, sondern vereinigt Handlungsperspektiven und Theorien aus unterschiedlichen Fachrichtungen. So beschäftigen sich neben der Psychologie auch Pädagogen, Kommunikationswissenschaftler sowie Straf- und Zivilrechtler mit dieser Thematik. Obwohl die Mediation interdisziplinär verankert ist, soll hier die psychologische Seite im Vordergrund stehen.

Der erste Teil der Arbeit wird sich mit dem zentralen Gegenstand der Mediation beschäftigen, der Begriffsbestimmung des Konfliktes, deren Formen, deren Wesen und dem Aufzeigen von Zusammenhängen.

Im zweiten, dem Hauptteil der Arbeit soll auf die Konfliktlösemethode der Mediation eingegangen werden. Dafür wird zunächst nach einer Definition der Mediation gesucht, die das Verfahren umfassend erklärt.

Im Anschluss daran werden die theoretischen Grundlagen in Form des verhandlungs- und lösungsorientierten Ansatzes, des Harvard- Konzeptes und des weiterentwickelten Transformationsansatzes Beachtung finden.

Weiterhin wird der Ablauf der Mediation mit seinen sechs Phasen und der Herangehensweise durch den Mediator detailliert erläutert. Hier sollen insbesondere auch die kommunikativen Aspekte aufgezeigt werden, die für den Erfolg eines Mediationsverfahrens von Bedeutung sind.

Schließlich soll auf Probleme und Störungen, die in der Kommunikation zwischen den Parteien sowie zwischen Parteien und Mediator auftreten können, eingegangen werden.

Letztlich wird aufgezeigt, in welchen Anwendungsfeldern der Praxis die Mediation schon Einzug gehalten hat und welche Probleme bei der Umsetzung auf den Mediator und die Mediierten treffen können.

2. Gegenstand der Mediation – der Konflikt

Zentraler Gegenstand der Mediation ist der Konflikt, der durch mediieren gelöst werden soll. Um mit der Mediation in bestehende Konflikte eingreifen zu können, ist es notwendig ein Verständnis davon zu erlangen, worin der Konflikt konkret besteht, in welchem Zusammenhang er betrachtet werden muss und wie er entstanden ist.

2.1. Der Begriff- Konflikt

Der Begriff Konflikt hat seinen Ursprung in der lateinischen Sprache, abgeleitet von dem Verb „confligere“, welches zusammenstoßen oder kämpfen bedeutet.

Konflikte begegnen uns im Alltag in den verschiedensten Situationen und Zusammenhängen. Ob im beruflichen, schulischen oder privaten Leben ebenso wie in der Wirtschaft oder Politik, das Phänomen des Konfliktes ist allgegenwärtig. Von Konflikt ist allgemein hin die Rede, wenn Differenzen zwischen zwei Personen herrschen, zwischen verschiedenen Gruppen Spannungen aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedlichen Interessen bestehen oder auch wenn eine Person mit sich ringt, um etwa eine für sie richtige Entscheidung zu treffen. Diese Beispiele, die keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erheben, zeigen bereits, in welchen unterschiedlichen Formen das Phänomen Konflikt auftreten und analysiert werden kann. Außerdem zeigen sie auf, dass der Begriff Konflikt nur schwer in eine verallgemeinernde Definition eingeordnet werden kann (Schwarz, 2005, S. 15).

2.2. Konflikttypologie

Um den „Schwerpunkt“ einer Auseinandersetzung zu antizipieren, können Konflikte einer Typologie untergeordnet werden, indem sie in bestimmte Kategorien eingeordnet werden.

Angesichts der vielen Disziplinen, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, existieren auch ebenso viele Ansätze eine Typologie zu erstellen. Um den Begriff des Konfliktes zu hinterleuchten, sollen nachstehend die Differenzierungen nach Intensität des Konfliktes, den Konfliktbeteiligten sowie deren Merkmalen, Streitgegenständen und Erscheinungsformen erläutert werden.

2.2.1. Intensität

Eine Möglichkeit der Differenzierung von Konflikten ist die Unterscheidung nach der Intensität oder des Schweregrades. Da es sich bei Konflikten aber um Prozesse handelt, die in unterschiedlichen Phasen auch eine unterschiedliche Intensität haben, kann unter diesem Aspekt nur ein aktueller Zustand beurteilt werden und nicht die Intensität des Konfliktes als Ganzes (Müller- Fohrbrodt, 1999, S. 25). Nach dieser Art zu differenzieren, wäre ein Konflikt umso intensiver, je weniger Ansatzpunkte für eine konstruktive Wende auszumachen sind. Aus diesen Gründen soll die Art der Differenzierung nach der Intensität des Konfliktes nicht weiter erörtert werden, da sich der Konflikt innerhalb des Prozesses in verschiedenen Intensitäten zeigen kann.

2.2.2. Beteiligte

Eine Differenzierung kann weiterhin nach den am Konflikt Beteiligten vorgenommen werden. Normalerweise wird nach intrapsychischen, interpersonellen, Intergruppen- und internationalen Konflikten unterschieden (Müller- Fohrbrodt, 1999, S. 25). Diese Unterscheidung folgt einer Staffelung nach der Anzahl der Beteiligten, die über eine Person bis hin zu Völkern reicht.

2.2.2.1. Intrapsychischer Konflikt

Bei intrapsychischen, innerpsychischen oder intrapersonalen Konflikten handelt es sich um Konflikte, die eine Person mit sich selbst austrägt, sozusagen mit sich selbst im Streit ist, um eine Entscheidung zu finden, daher auch persönliche Konflikte (Montada & Kals, 2001, S. 60). Persönliche Konflikte sind aber nicht die Form von Konflikt, die zentraler Gegenstand der Mediation sind, obwohl ihre vollständige Vernachlässigung bei der Thematik keineswegs angebracht ist, da jede Konfliktpartei für sich eine Person darstellt, die mit einem persönlichen Konflikt behaftet sein kann, der nicht unerheblichen Einfluss auf die Entwicklung von Lösungsoptionen bei der Mediation haben kann. So kann eine Partei in ihren Zielen, ihrer Motivation oder ihren Ansprüchen von einem intrapsychischen Konflikt beeinflusst sein (Montada & Kals 2001, S. 61). Dennoch dürfen intrapsychische Konflikte nicht nur negativ und die Lösungsfindung während der Mediation beeinträchtigend gesehen werden. Das Bewusstmachen eines intrapsychischen Konfliktes lässt sich auch konstruktiv und für die Lösungsfindung produktiv nutzen, indem eine Blockade im Konflikt zwischen den Parteien aufgehoben wird.

2.2.2.2. Sozialer Konflikt

Zentraler Gegenstand der Mediation ist aber der interpersonelle, intersubjektive oder soziale Konflikt zwischen zwei oder mehreren Subjekten. Für Müller- Fohrbrodt (1999, S. 17) liegt ein Konflikt vor, wenn in einem Verhältnis zwischen (zwei oder mehreren) Menschen eine Partei Verhaltenstendenzen verfolgt, die mit den Verhaltenstendenzen einer anderen Partei nicht zu vereinbaren sind oder zumindest einer Partei unvereinbar zu sein scheinen. Verhalten soll hier weitestgehend in psychologischem Sinn verstanden werde. Deshalb können nicht nur Wünsche oder Interessen der Parteien unvereinbar sein, sondern ebenso deren Meinungen, Werte und Sympathieempfindungen.

Die Definition des sozialen Konflikts nach Glasl (2000, S. 25) ist sehr weit gefasst.

Danach ist ein sozialer Konflikt eine Interaktion

zwischen Akteuren (Individuen, Gruppen, Organisationen etc.)

wobei mindestens ein Akteur

Unvereinbarkeiten

im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen

und/oder Fühlen

und/oder Wollen

mit dem anderen Akteur (den anderen Akteuren) in der Art erlebt,

dass im Realisieren eine Beeinträchtigung

durch einen anderen Akteur (die anderen Akteure) erfolge.

Unterschied zum persönlichen Konflikt ist hier die Interaktion zwischen den Akteuren, sowie die erlebte Beeinträchtigung durch eine andere Person oder Gruppe. Weiterhin genügt für das Vorliegen eines Konfliktes bereits die Tatsache, dass bei einer Konfliktpartei die Wahrnehmung der Unvereinbarkeit vorliegt (Alexander, Ade & Olbrisch, 2005, S. 12). Außerdem unterscheidet Glasl soziale Konflikte von bloßen Differenzen, die sich dadurch auszeichnen, dass Dinge unterschiedlich wahrgenommen werden, Gefühle und Emotionen nicht dieselben sind und das Wollen in unterschiedliche Richtungen geht (Glasl, 2000, S. 22).

Ebenfalls auf die Unvereinbarkeit geht Müller- Fohrbrodt (1999, S. 17) in ihrer Definition ein. Ihre Definition verlangt aber nicht, wie Glasl, dass der Konflikt auch wahrgenommen werden muss. So ist es durchaus möglich, dass nur eine der Konfliktparteien den Konflikt als solchen wahrnimmt, während die andere Partei von einer normalen Kommunikation ausgeht. Diese Gegenüberstellung verschiedener Definitionen stellt die vielschichtige Betrachtungsweise von Konflikten bereits dar.

2.2.3. Streitgegenstände

Konflikte können weiterhin auf der Sach-, Werte-, der Beziehungs- oder der Verteilungsebene stattfinden (Alexander et al., 2005, S. 12). D.h. aber nicht, dass nicht auch Überschneidungen oder Konflikte auf mehreren Ebenen gleichzeitig vorliegen können. Sachkonflikte oder auch Interessenkonflikte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Konfliktparteien eine Unvereinbarkeit ihrer jeweiligen Interessen bezüglich eines Streitobjektes wahrnehmen (Montada & Kals, 2001, S. 77). Dennoch sind sich die Vorstellungen über ihre grundlegenden Ziele und Werte ähnlich, lediglich einzelne Aspekte eines Gegenstandes werden different eingeschätzt.

Wenn grundlegende Unvereinbarkeit über Werte, Grundsätze oder Überzeugungen besteht, liegt ein Wertekonflikt vor. Abweichungen von solch grundsätzlichen Anschauungen stellen sich als unwahrscheinlich dar, da sie als Verrat der eigenen Überzeugung betrachtet werden. Deshalb werden solche Konflikte auch mit besonderer Leidenschaft und Härte ausgetragen. Außerdem machen für eine Gruppe solche Überzeugungen ihre Kohärenz und den Kern der sozialen Identität aus (Montada & Kals, 2001, S. 78). Wertekonflikte liegen insbesondere bei religiös oder kulturell motivierten Auseinandersetzungen vor. Als Beispiel lassen sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Moslems oder aktuell zwischen muslimischen Fundamentalisten und der „westlichen Welt“ oder zwischen anderen Glaubensgemeinschaften anführen, denen es aufgrund ihrer inneren Überzeugung und der über Generationen weiter gegebenen Werte nicht möglich ist, von ihrer Einstellung abzuweichen, ohne ein Stück ihrer Identität zu verlieren.

Ist die Beziehung zwischen den Parteien selbst Gegenstand des Konfliktes, ist von einem Beziehungskonflikt die Rede. So kann ein Beziehungskonflikt bestehen, wenn die Parteien unterschiedliche Vorstellungen von der Art der Beziehung haben (Montada & Kals, 2001, S. 78). Die Beziehung zwischen Vater und Tochter kann sich zum Beispiel dadurch auszeichnen, dass sich der Vater als autoritäre und bedingungslos zu respektierende Person sieht, während sich die Tochter als selbständig und autonom betrachtet und sich mit ihrem Vater in einer gleichberechtigten Beziehung sieht. Außerdem kann einen Beziehungskonflikt ausmachen, dass eine Unvereinbarkeit von Selbstbild und wahrgenommenem Fremdbild in einer sozialen Beziehung besteht (Montada & Kals, 2001, S. 83). So kann sich eine Frau in ihren Eigenschaften als Person von ihrem Mann unverstanden fühlen - dann divergieren Selbstbild und wahrgenommenes Fremdbild. In einem solchen Fall ist aber eher die Personwahrnehmung das primäre Thema. Allem Anschein nach ist bei Beziehungskonflikten die Kommunikation von großer Bedeutung. Vorurteile und Missverständnisse könnten durch eine intensivere Kommunikation vermieden oder beseitigt werden. Hier soll aber der Hinweis, dass es sich bei jedem Konflikt auch um einen Beziehungskonflikt handelt, nicht fehlen. Deshalb sollte bei der Mediation die Art und Qualität der Beziehung zwischen den Parteien immer berücksichtigt und in positive Richtung geändert werden.

Verteilungskonflikte bezeichnen Auseinandersetzungen über die Verteilung knapper Ressourcen. Im Mittelpunkt steht ein begrenzt verfügbares Gut, dass jede Partei für sich beansprucht (Alexander et al., 2005, S. 15). Verteilungskonflikte sind häufig im Bereich Umwelt zu finden, in dem mehrere Parteien auf eine Ressource zugreifen oder zugreifen möchten. Als Beispiel für einen Verteilungskonflikt kann hier der Fischfang angeführt werden, bei denen Konflikte auch auf internationaler Ebene ausgetragen werden.

Jede dieser Kategorien beansprucht aber nicht, dass die Konflikte ausschließlich auf ihrer Ebene stattfinden. Überschneidungen mit anderen Ebenen sind möglich und sogar sehr wahrscheinlich. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass jeder Konflikt auch einen Beziehungskonflikt zwischen den Parteien darstellt.

2.2.4. Erscheinungsform

Konflikte können weiterhin nach ihrer Erscheinungsform und ihrer Austragungsart kategorisiert werden. So lassen sich latente Konflikte von manifesten Konflikten differenzieren. Der Unterschied besteht in der Wahrnehmung der Unvereinbarkeit (Alexander et al., 2005, S. 16). Beim latenten Konflikt ist sich mindestens eine Konfliktpartei noch nicht der Gründe der Spannung bewusst, sie hat die Differenzen also noch nicht wahrgenommen. Ein manifester Konflikt zeichnet sich durch die Offenkundigkeit der Spannungen aus, die hier von allen Parteien wahrgenommen wurde. Dies drückt sich insbesondere auch in der Kommunikation der Streitenden miteinander aus. Diese kann gänzlich zum Erliegen gekommen sein oder ist geprägt durch Vorwürfe, Schuldzuweisungen und Unsachlichkeit. Die Austragungsart kann gewaltsam oder friedlich sein, wie es in Kriegen oder durch Wortgefechte der Fall sein kann. Und sie kann in institutionalisierte bzw. nichtinstitutionalisierte Austragung unterschieden werden. Für institutionalisierte Austragungen von Konflikten bestehen Vorgaben, wie mit dem Konflikt umzugehen ist. Beispielsweise werden innerbetriebliche Konflikte anhand des Betriebsverfassungsgesetzes behandelt (Alexander et al., 2005, S. 16). Sie sind damit berechenbar, weil verankert ist, wie in der jeweiligen Situation vorzugehen ist und die Handlungsalternativen bekannt sind.

Eine Differenzierung kann letztlich noch nach heißen und kalten Konflikten erfolgen. Heiße Konflikte zeichnen sich dadurch aus, dass die Konfliktparteien von ihren Motiven überzeugt sind und diese mit Aktionismus verfolgen (Alexander et al., 2005, S. 17). Kalten Konflikten fehlt dies, hier herrscht eher Desillusion und Frustration. Auch die für die Austragung von Konflikten so wichtige direkte Kommunikation fehlt und erfolgt meist über Dritte.

2.2.5. Merkmale der Beteiligten

Die letzte Unterscheidung der hier gewählten Konflikttypologie ist die Kategorisierung anhand der Merkmale der Konfliktparteien. Die Bestimmung nach Anzahl und Art der Parteien, sowie das Verhältnis der Konfliktparteien zueinander und zur Austragungsart, unabhängig von der Konfliktursache, ist Gegenstand der Kategorisierung. Bei Anzahl und Art der Parteien kann es sich um zwei oder mehrere Individuen, Gruppen sowie Staaten oder Staatenbündnisse handeln, also auch um Gebilde einer Größenordnung, die die Austragung eines Konfliktes über einen Repräsentanten führt (Pfetsch, 2006, S. 31). Ebenso können strukturelle Unterschiede zwischen den Parteien bedeutend sein. Bei asymmetrischen Konflikten stehen sich nicht ebenbürtige Parteien gegenüber z.B. ein Dritte Weltland und ein Industriestaat. Unterschiede können hier in ungleicher Kontrolle, Besitz, Macht, physischen Faktoren u.a. bestehen (Alexander et al., 2005, S. 18). Weiterhin kann zwischen endogenen und exogenen Konflikten differenziert werden. Endogene Konflikte können im Notfall von einem übergeordneten Supersystem kontrolliert werden. Existiert kein übergeordnetes System handelt es sich um einen exogenen Konflikt. Dies ist z.B. der Fall wenn es zu Auseinandersetzungen zwischen Völkern kommt und keine übergeordnete Instanz die Kompetenz zur Klärung hat.

Zwischen den verschiedenen Typen von Konflikten kann es zu Überschneidungen kommen, selten tritt ein Konflikt ausschließlich in der hier dargestellten Form auf.

Diese Kategorisierung der Konflikte ist wichtig für die Kenntnis des Konfliktes sowie die Konfliktparteien und deren Einordnung in den Konflikt, denn eine konstruktive Konfliktbehandlung und

– schlichtung verlangt sowohl möglichst exakte Kenntnis der Situation, als auch der Beteiligten.

2.3. Konfliktvermeidung

Wenn Konflikte die Eigenschaft inne haben, die Beteiligten zu beinträchtigen, die Ressourcen einer oder beider Seiten zu erschöpfen, gewalttätige Auseinandersetzungen und in ihrer eklatantesten Konsequenz Kriege hervorzurufen, kommt unvermeidlich die Frage auf: warum nicht auf eine Konfliktvermeidung hingearbeitet werden sollte. Konflikte können destruktiv sein, sie können aber auch als Entwicklungschancen betrachtet werden und auf eine Beziehung positiv verändernd einwirken. Eine konfliktträchtige Auseinandersetzung kann die Vielfalt und Verschiedenheit von Ansichten und Sachverhalten sichtbar machen, also Bedürfnisse und Gegebenheiten differenzieren, die die Komplexität des Individuums deutlich machen (Schwarz, 2005, S. 23). So können Individuen jahrelang in harmonischer Beziehung zu einander stehen, aber erst im Konflikt äußert jeder seine Meinung und macht auf unterdrückte Bedürfnisse aufmerksam. Die Durchsetzung der Bedürfnisse kann im Rahmen einer Auseinandersetzung erfolgen. Letztlich kann aber die Konsequenz eine gestärkte Beziehung sein, mit der beide Parteien zufriedener sind, indem sie ihre Unterschiedlichkeit zum Ausdruck gebracht haben. Aber nicht nur in der Zweierbeziehung, sondern besonders in Gruppen zeigen Konflikte bedeutende Wirkung. Sie können, wie eben aufgeführt, die Unterschiedlichkeit herausstellen, aber auch innerhalb einer Gruppe Einheitlichkeit herstellen. Außenseiter, die der Gruppe gegenüber eine abweichende Meinung äußern oder sich abweichend verhalten, können von dieser unter Druck gesetzt werden und unter Umständen haben sie negative Sanktionen zu erwarten. Dieses Verhalten löst Konflikte aus. Durch die Konfliktbearbeitung wird der Außenseiter aber wieder in die Gruppe integriert (Schwarz, 2005, S. 21). Dadurch, dass der Außenseiter von Werten und Normen der Gruppe abweicht, gefährdet er die Gruppe und deren Sicherheit. Um die Unsicherheit der Gruppe zu lösen, muss der Konflikt ausgefochten werden, damit Klarheit darüber besteht, wer in welcher Rolle zur Gruppe gehört oder nicht. Neben der Unterschiedlichkeit und Einheitlichkeit, die durch Konflikte herausgestellt werden können, vermögen Konflikte auch Veränderung und Weiterentwicklung hervorzubringen.

Nur wenige Veränderungen und Entwicklungen in der menschlichen Geschichte sind nicht zurückzuführen auf Konflikte und Auseinandersetzungen. Gerade die Identitätsfindung geht mit Konflikten einher (Montada & Kals, 2001, S. 86). Die Verhaltensforschung liefert dazu einen interessanten Aspekt. Danach ist es zunächst das Normsystem, welches das Überleben der Menschen sichert, indem es deren Anpassung an die Umwelt fordert (Schwarz, 2005, S. 26). Tritt nun aber eine Änderung der Umwelt ein, die wiederum eine Änderung der Menschen verlangt, erfolgt dies nicht in der Form, dass sich alle Mitglieder einer Gemeinschaft gleichzeitig an die veränderten Bedingungen anpassen. Vielmehr sind es Einzelne, die meist am stärksten von der Veränderung betroffen sind, die die neuen Verhaltensweisen testen und so mit den konservativen Mitgliedern in Konflikt geraten (Schwarz, 2005, S. 26). Dafür finden sich in der Geschichte zahlreiche Beispiele, wie Entwicklungen, neue Erkenntnisse oder Erfindungen zunächst belächelt, abgelehnt oder verboten wurden, aber dennoch von Einzelnen oder Vorreitern konfliktträchtig durchgesetzt wurden. Nur in Opposition gegen die Autorität lassen sich Entwicklungen und Veränderungen durchsetzen. Und sobald sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es sich um eine notwendige Verhaltensänderung handelt, werden sich weitere Mitglieder der Gemeinschaft von konservativen oder traditionell hergebrachten Verhaltensweisen lösen und die neue Verhaltensweise akzeptieren und annehmen. Dennoch darf nicht unerwähnt bleiben, dass gerade Außenseiter und Normabweicher die Stabilität und den Zusammenhalt von Gemeinschaften stärken (Schwarz, 2005, S. 32).

Die Konflikte, die durch das abweichende Verhalten hervorgerufen werden, richten sich gegen den Außenseiter, den sogenannten „Sündenbock“, der der Schuldige ist und der als Ursache für den Konflikt, dafür verantwortlich gemacht wird.

3. Das Verfahren der Mediation

Neben dem Gerichtsverfahren, schiedsrichterlichen Verfahren, der Schlichtung, der Therapie u.a. gibt es auch das Verfahren der Mediation.

Gerade in neuerer Zeit findet die sog. Mediation in den unterschiedlichsten Bereichen immer mehr Anwendung. Ob im Gerichtswesen, der Eheberatung, der Schule, der Wirtschaft – hier ließen sich noch zahlreiche Beispiele anführen – in allen Bereichen wurde die Mediation eingeführt. Aber die Mediation ist keine „Erfindung“ unserer Zeit, sondern kann auf eine lange Tradition zurück blicken. Bereits vor hunderten von Jahren wurde die Mediation, als Mittel zur Streitschlichtung, in Gemeinden Chinas angewendet. Und auch im letzten Jahrhundert haben sich Menschen in Politik (z.B. Mahatma Gandhi, Martin Luther King jr.) und Wirtschaft für die gewaltfreie Konfliktbearbeitung und –vermittlung eingesetzt (Dulabaum, 2001, S. 10).

3.1. Definition

Was aber genau meint der Begriff „Mediation“. Im Lateinischen heißt medium = Mitte oder Mittel. Daraus wurde englisch mediate = vermitteln und mediation = Vermittlung. Er bezeichnet ein Verfahren zur kooperativen Lösungsfindung in Konflikten, dass nach Pfetsch (2006, S. 175) idealerweise durch fünf Merkmale gekennzeichnet ist.

(1) Die Durchführung des Verfahrens erfolgt durch eine unabhängige dritte Partei.
(2) Die Streitparteien verhandeln und entscheiden frei.
(3) Der Mediator macht keine Lösungsvorschläge, sondern verhilft den Parteien lediglich zur Lösung.
(4) Die Durchführung des Verfahrens soll in einem möglichst frühen Stadium durchgeführt werden.
(5) Das Verfahren fällt keine gesetzesverbindlichen Entscheidungen.

Das Verfahren der Mediation verlangt also zwingend eine unabhängige dritte Partei – die Mediator oder Mediatorin* genannt wird. Besonders hinsichtlich seiner Neutralität sind hohe Ansprüche gesetzt. Zur konstruktiven Lösung des Konfliktes ist es erforderlich, dass sich der Mediator dem Prinzip der „Allparteilichkeit“ unterwirft. Dies bedeutet Neutralität gegenüber den Konfliktpartnern in einer Haltung der verantwortungsvollen Beteiligung (Schwarz, 2005, S. 329). Das heißt, der Mediator zeigt eine allen Parteien in gleicher Art zugewandte Haltung. Auf weitere Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen, die für den Erfolg der Mediation erheblich sind, soll im noch Folgenden eingegangen werden.

Besonderes Augenmerk wird bei der Mediation außerdem auf die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Parteien gelegt, die auch dem Mediator untersagt Lösungsvorschläge zu machen. Seine Aufgabe *Der besseren Lesbarkeit wegen, wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Gemeint sind aber stets beide Geschlechter.

ist darauf beschränkt, die Parteien bei der Lösungsfindung zu unterstützen und Anregungen dafür zu geben. Hinsichtlich des letzten genannten Merkmals, dass eine Mediation keine gesetzesverbindlichen Entscheidungen hervorbringt, muss angemerkt werden, dass dies lediglich für das deutsche Rechtssystem zutrifft. In Nordamerika können auch verbindliche Vereinbarungen ohne hoheitliche Entscheidungen das Ergebnis einer Mediation sein (Pfetsch, 2006, S. 175).

Montada und Kals (2001, S. 17) fassen diese Merkmale zu folgender Definition zusammen:

Mediation ist ein außergerichtliches Verfahren der Streitbeilegung, das von Mediatoren geleitet wird, die nicht selbst Konfliktbetroffene sind und auf Konsensfindung zwischen den Streitparteien gerichtet sind. Es setzt die Bereitschaft voraus, eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten.

Hösl (2002, S. 29) tut sich zunächst mit einer Definition der Mediation schwer und führt dies auf die Definitionen innewohnende Eigenschaft ihrer Begrenzung zurück (lat. definire = begrenzen). Ursächlich dafür ist seine Angst, mit einer Definition der Mediation, ihr Wesen zu eng und zu kurz einzufassen. Dennoch hat er sich zu folgender Definition durchgerungen:

„Mithilfe eines vermittelnden externen Dritten, des Mediators, der sich den Konfliktparteien allparteilich verpflichtet fühlt und der den Prozessverlauf steuert, erarbeiten alle am ergebnisoffenen Konflikt Beteiligten gemeinsam und eigenverantwortlich eine fall- und problemspezifische, für die Zukunft tragfähige

Regelung oder Lösung des bestehenden Konfliktes zum allseitigen Vorteil“

(Hösl, 2002, S. 15).

Zu den von Pfetsch (a.a.O) bereits aufgeführten Merkmalen fügt Hösl auch noch die Ergebnisoffenheit sowie das Spezifische jedes Falles hinzu. Gemeint ist mit letzterem, dass jeder Fall nach einer eigenen Lösung verlangt und keine Musterlösungen für ähnlich gelagerte Fälle entwickelt werden können. Die Entwicklung von Musterlösungen würde dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit entgegenstehen, weil der Mediator eine ‚fremde’ Lösung an die Streitenden herantragen würde.

Schwarz (2005, S. 327) versteht unter Mediation eine „außergerichtliche Konfliktregelung zwischen zumeist zwei- seltener mehreren- verfestigten Positionen. Der Mediationsprozess bewegt sich in einem strukturierten, mit den Beteiligten und dem/der Mediator/in klar vereinbarten Rahmen und zielt auf eine von den Streitparteien gemeinsam akzeptierte Regelung des Konfliktes ab.“

Schwarz’ Definition hebt im Gegensatz zu den vorherigen, die Struktur des Mediationsprozesses hervor und geht auf den Rahmen der Vermittlung ein, also eher auf das „Gerüst“, welches den Vermittlungsprozess trägt. Die Allparteilichkeit sowie die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit wurde nicht in die Definition aufgenommen. Dennoch ist allen Definitionen der Aspekt der Konsensfindung gemein.

Unter Hinzuziehung von Hösls (2002) Auffassung von einer eventuell zu eng gefassten Definition sollen seinem Rat, zum besseren Verständnis des Mediationsprozesses, im Folgenden die wichtigsten Merkmale der Mediation näher erläutert werden.

3.2. Merkmale der Mediation

Hösl (2002, S. 33) macht bei der Mediation strikt zur Bedingung, dass konkrete Merkmale erfüllt sein müssen, damit überhaupt von Mediation die Rede sein darf.

[...]

Fin de l'extrait de 71 pages

Résumé des informations

Titre
Mediation. Die Kunst konstruktiver Konfliktlösung
Université
University of Hagen  (FernUniversität Hagen)
Note
1,8
Auteur
Année
2008
Pages
71
N° de catalogue
V118985
ISBN (ebook)
9783640224333
ISBN (Livre)
9783656595212
Taille d'un fichier
623 KB
Langue
allemand
Mots clés
Mediation, Kunst, Konfliktlösung
Citation du texte
Alexandra Stutz (Auteur), 2008, Mediation. Die Kunst konstruktiver Konfliktlösung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118985

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