Kritischer Vergleich ausgewählter statistischer Verfahren zur Aufdeckung von Bilanzpolitik

Jones-Modell, Random-Walk-Modell, Verteilungsmodell nach Burgstahler


Mémoire (de fin d'études), 2008

87 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Variablenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen der Bilanzpolitik
2.1 Definition und Zielsystem der Bilanzpolitik
2.1.1 Definition
2.1.2 Zielsystem
2.1.3 Zielgrößen der Bilanzpolitik
2.1.4 Instrumente der Bilanzpolitik
2.2 Modelle zur Entdeckung von Bilanzpolitik
2.2.1 Einführung
2.2.2 Darstellung verschiedener Modelltypen
2.2.2.1 Modelle basierend auf aggregierten Periodenabgrenzungen
2.2.2.2 Modelle basierend auf spezifischen Periodenabgrenzungen
2.2.2.3 Modelle basierend auf der Verteilung der Gewinngröße

3 Kriterien zur Beurteilung der Modelle
3.1 Fehler erster und zweiter Art
3.2 Test der Gesamterklärungsgüte
3.3 Fehlspezifikationen / ommitted variables
3.4 Aussagekraft
3.5 Datenanforderungen

4 Beurteilung ausgewählter Modelle
4.1 Random Walk Modell von DeAngelo 1986
4.1.1 Darstellung der Studie und ihrer Ergebnisse
4.1.2 Fehlspezifikationen und ausgelassenen Variablen
4.1.3 Fehler erster und zweiter Art
4.1.4 Bestimmtheitsmaß R²
4.1.5 Ansatz für weitere Untersuchungen
4.2 Cross-Sectional-Jones-Modell von DeFond und Jiambalvo 1994
4.2.1 Darstellung der Studie und ihrer Ergebnisse
4.2.2 Vorstellung des verwendeten Modells
4.2.3 Fehlspezifikationen und ausgelassene Variablen
4.2.4 Beurteilung des Testvorgehens
4.2.5 Ansatz für weitere Untersuchungen
4.3 Modifiziertes Jones-Modell nach Dechow et al. 1995
4.3.1 Darstellung der Studie und ihrer Ergebnisse
4.3.2 Vorstellung des verwendeten Modells
4.3.3 Fehler erster und zweiter Art
4.3.4 Ausgelassene Variablen und Fehlspezifikationen
4.3.5 Bestimmtheitsmaß R²
4.4 Modell nach Van Tendeloo, Vanstraelen 2005
4.4.1 Darstellung der Studie und der Ergebnisse
4.4.2 Vorstellung des verwendeten Modells
4.4.3 Beurteilung des Modells
4.5 Modell von Maijoor/Vanstraelen 2006
4.5.1 Darstellung der Studie und der Ergebnisse
4.5.2 Vorstellung des verwendeten Modells
4.5.3 Beurteilung des Modells
4.6 Das GMM-Modell von Kang/Sivaramakrishnan 1995
4.6.1 Darstellung der Studie und ihrer Ergebnisse
4.6.2 Darstellung des Modells
4.6.3 Fehler erster und zweiter Art
4.6.4 Bestimmtheitsmaß R²
4.6.5 Fehlspezifikationen
4.7 Das TDM nach L. Babalyan (2007)
4.7.1 Darstellung der Studie und der Ergebnisse
4.7.2 Darstellung des verwendeten Modells
4.7.3 Beurteilung des Modells
4.8 Zwischenfazit der aggregierten Modelle
4.9.1 Darstellung der Studie
4.9.2 Darstellung des Modells
4.9.3 Bestimmtheitsmaß
4.9.4 Fehlspezifikationen
4.9.5 Fehler erster und zweiter Art
4.9.6 Abschließende Beurteilung
4.10 Verteilungsmodell nach Burgstahler/Dichev 1997
4.10.1 Darstellung der Studie und der Ergebnisse
4.10.2 Beurteilung des Modells
4.10.3 Überblick ähnlicher Studien

5 Fazit
5.1 Trade-Off zwischen Datenanforderungen und Aussagekraft
5.2 Abschließende Beurteilung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Variablenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

ABB. 1: BILANZPOLITISCHE MAßNAHMEN

ABB. 2: FEHLER ERSTER ART

ABB. 3: ERWARTETE VERTEILUNG OHNE EINSATZ VON BILANZPOLITIK

ABB. 4: VERTEILUNGSDIAGRAMM BEI VORLIEGEN VON BILANZPOLITIK

ABB. 5: ÜBERSICHT DER BEURTEILUNG DER VERGLICHENEN MODELLE (TEIL 1)

ABB. 6: ÜBERSICHT DER BEURTEILUNG DER VERGLICHENEN MODELLE (TEIL 2)

1 Einleitung

Die Aufdeckung bilanzpolitischer Maßnahmen ist eines der zentralen Themen der Bilanzanalyse. Da den Außenstehenden oftmals nur die Bilanz als Informationsquelle zur Verfügung steht, ist dies stets mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Gerade in den letzten Jahren haben sich durch die immer stärkere Kapitalmarktorientierung die Anreize zur Bilanzpolitik deutlich erhöht, einhergehend mit einer immer genaueren Analyse, die diesem Trend entgegenzuwirken versucht. Mit Hilfe ständig neuer Methoden gilt es, sowohl die Anreize wie auch die Möglichkeiten der Unternehmen zu analysieren, um eine zuverlässige Prognose über den Umfang der Bilanzpolitik abgeben zu können.

Seit den achtziger Jahren wurden zahlreiche statistische Modellansätze vorgestellt, mit deren Hilfe das Ausmaß der Bilanzpolitik untersucht werden kann. Der gängige Ansatz verwendet dabei die Periodenabgrenzungen um das Ausmaß an Bilanzpolitik zu schätzen. Es gibt aber auch andere Vorgehensweisen, die beispielsweise die Verteilung der Unternehmensgewinne um eine Schwelle herum betrachten.

Die vorliegende Arbeit untersucht die gängigsten dieser Modelle und vergleicht sie hinsichtlich ihrer Fähigkeiten Bilanzpolitik zu identifizieren sowie ihrer Datenanforderungen. Ziel der Arbeit ist es zu ermitteln welches der Modelle Earnings Management (EM)[1] am zuverlässigsten erkennt und wie das Aufwand- Nutzen-Verhältnis der Modelle liegt, um eine Einschätzung darüber treffen zu können, welches Modell unter den jeweiligen Untersuchungsvoraussetzungen am besten geeignet ist. Die Datenanforderungen spielen eine zentrale Rolle, wenn zur Durchführung einer empirischen Studie eines der Modelle zum Einsatz kommen soll, da die zur Verfügung stehende Datenbasis oft stark eingeschränkt ist und daher längst nicht alle Modelle in Frage kommen.

Die Arbeit konzentriert sich auf die Periodenabgrenzungsmodelle sowie die Gewinnverteilungsmodelle, da diese die meist genutzten sind und das Weiterentwicklungspotential am größten ist. Der aktuelle Forschungsstand sieht die spezifischen Periodenabgrenzungsmodelle sowie die Verteilungsmodelle als zukunftsweisend an, da diese eine wesentlich exaktere Prognose erlauben. Bei den spezifischen Periodenabgrenzungsmodellen ist jedoch auch eine erhebliche Datenmenge erforderlich, die die Anwendungsmöglichkeiten stark einschränkt. Die Verteilungsmodelle hingegen haben nur eine relativ beschränkte Aussagekraft.[2]

In den Vergleich wurden Modelle einbezogen, die sich hinsichtlich ihrer Vorgehensweise hinreichend stark unterscheiden und häufig in empirischen Untersuchungen verwendet wurden. Die Auswahl ermöglicht es auch die hier nicht behandelten Modelle hinsichtlich ihrer Fähigkeiten einzuschätzen, da stets ein ähnliches Modell aufgeführt ist.

Zunächst sollen kurz die Grundlagen der Bilanzpolitik darlegt werden, da diese für das Verständnis der Funktionsweise der Modelle wichtig sind. Im dritten Kapitel werden dann die Kriterien erläutert, mit deren Hilfe die anschließende Bewertung der Modelle erfolgt. Im vierten Kapitel werden die Modelle einzeln vorgestellt und anschließend nach den dargestellten Kriterien untersucht. Hierbei folgt die Ordnung der Modelle den oben vorgestellten Generationen. Nach der Beurteilung der Modelle erfolgt eine Einschätzung der jeweiligen Datenanforderungen, bevor die Arbeit im Fazit die Ergebnisse der Untersuchung zusammenfügt.

2 Grundlagen der Bilanzpolitik

2.1 Definition und Zielsystem der Bilanzpolitik

2.1.1 Definition

Der Jahresabschluss ist für externe Interessengruppen eines Unternehmens wie Kleinaktionäre, Mitarbeiter oder Kreditgeber häufig die einzige Informationsquelle, die zur Verfügung steht, um sich über die finanzielle Lage des Unternehmens ein Bild zu machen. Damit stehen diesen Stake Holdern sehr viel weniger Details zur Verfügung als beispielsweise dem Management oder Großaktionären. Es ist daher wichtig, dass die Jahresabschlüsse verschiedener Perioden sowie Unternehmen miteinander vergleichbar sind, was durch die Aufstellung von Rechnungslegungsstandards wie HGB, IFRS oder US-GAAP sichergestellt werden soll. Um eine allgemeine Anwendbarkeit dieser Standards zu gewährleisten, bedarf es einer abstrakten Formulierung, mit der sich die unterschiedlichsten Geschäftsvorfälle darstellen lassen. Diese lässt Freiräume für individuelle Gegebenheiten und Besonderheiten einzelner Branchen oder Unternehmen, damit die tatsächliche Lage des Unternehmens präziser dargestellt werden kann. Das zusätzliche Wissen der Unternehmensleitung soll nicht durch zu strikte Rechnungslegungsstandards verloren gehen. Im HGB sind diese Freiräume durch Ermessensspielräume und Wahlrechte realisiert. Genau diese Freiräume können von den Unternehmensleitungen jedoch auch ausgenutzt werden, um die Darstellung der Unternehmenslage zu verändern.[3] „Man spricht von Bilanzpolitik, wenn bei der Aufstellung des Jahresabschlusses [diese] Wahlrechte und Ermessensspielräume gezielt ausgenutzt werden, um damit Bilanzadressaten oder Rechtsfolgen zu beeinflussen. Mit Bilanzpolitik versuchen Bilanzersteller die Unternehmenslage so erscheinen zu lassen, dass Bilanzadressaten Entscheidungen in ihrem Sinne treffen. Von den Adressaten abzulehnen ist eine solche Politik dann, wenn sie zu deren Nachteil ist.“[4] Klar abzugrenzen ist die Bilanzpolitik, welche sich ausschließ- lich im Rahmen der gesetzlich erlaubten Möglichkeiten bewegt von der so genannten Bilanzmanipulation, welche sich durch gesetzeswidriges Vorgehen auszeichnet.[5] Diese Grenze ist in der Praxis nicht leicht zu ziehen, da es Grauzonen gibt, in welchen im Einzelfall die gesetzliche Lage unklar ist.[6] Die Beurteilung dieser Fälle hängt stark vom Prüfer des Unternehmens ab, so dass die Prüfungsqualität durchaus einen Einfluss auf das Ausmaß der Bilanzpolitik hat.[7]

Die im Folgenden vorgestellten Modelle unterscheiden aufgrund ihres Aufbaus nicht zwischen Bilanzpolitik und –manipulation. Dies wird bei der Beschreibung der Modelle in Kapitel 4 deutlich. Zunächst sollen das Zielsystem sowie die Zielgrößen der Bilanzpolitik kurz erläutert werden.

2.1.2 Zielsystem

Die Bilanzpolitik kann als Teilbereich der Unternehmenspolitik betrachtet werden. Es lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Anreizgrundlagen unterscheiden:

1. Die Unternehmensziele

2. Die persönlichen Ziele des Managements

In eigentümergeführten Unternehmen fallen die beiden Zielgruppen regelmäßig zusammen, in managementgeführten hingegen kommt es häufig zu so genannten Agency-Konflikten, wenn die persönlichen Ziele des Managements nicht mit denen der Eigentümer übereinstimmen.[8]

Die erste Anreizgruppe, die bilanzpolitischen Unternehmensziele, lässt sich aus dem übergeordneten unternehmenspolitischen Zielsystem herleiten. Dabei kann die Bilanzpolitik als derivative Teilpolitik vor allem die Bereiche Finanzund Publizitätspolitik unterstützen.[9]

Aufgabe der Finanzpolitik ist die Koordination sämtlicher Zahlungsströme des Unternehmens mit besonderem Augenmerk auf die stets zu erhaltende Zahlungsfähigkeit. Die Bilanzpolitik kann diese Aufgabe einerseits durch die Beeinflussung von Gewinnandererseits von Ausschüttungsgrößen unterstützen.[10] In Staaten mit Maßgeblichkeitsprinzip (wie z.B. Deutschland) ist die Steuerminimierung ein wichtiges mit der Bilanzpolitik zu unterstützendes Ziel.[11]

In der Publizitätspolitik steht die Darstellung des Unternehmens externen Stake Holdern gegenüber im Mittelpunkt. So kann die Bilanzpolitik hier dazu dienen, das Unternehmen für potentielle externe Kapitalgeber attraktiver zu machen und somit die Sicherung und Akquirierung günstigen Kapitals fördern. Aber auch bei bestehenden oder potentiellen Lieferanten, Kunden sowie Mitarbeitern kann das Vertrauen in das Unternehmen durch geschickte Publizitätspolitik gestärkt werden, so dass es das Interesse dieser Gruppen auf sich ziehen kann.[12] Gerade bei börsennotierten Unternehmen tritt die Einhaltung von Analystenprognosen als weiteres elementares Ziel der Bilanzpolitik hinzu, da die Nichterreichung vermehrt mit massiven Kursverlusten der Unternehmensanteile bestraft wird.[13] Nöldecke 2007 befragte Manager und Analysten zum Thema Bilanzpolitik und resümiert: „So sehen sich viele Manager gezwungen, ein so genanntes Gewinn- überraschungsmanagement zu betreiben, indem sie entweder den zu publizierenden Gewinn künstlich "strecken" (Gewinnmanagement bzw. Earnings Management) oder aber die Erwartungen im Vorfeld dämpfen (Gewinnerwartungsmanagement bzw. Earnings Guidance).“[14]

In managementgeführten Unternehmen gelten die persönlichen Ziele des Managements als zweite bedeutende Anreizgrundlage für Bilanzpolitik, auch wenn diese den Zielen des Unternehmens und seiner Eigner entgegenstehen. Dem Management obliegt es, den Jahresabschluss aufzustellen bzw. durch die zu treffenden Entscheidungen dessen Aufstellung maßgeblich zu beeinflussen. Da die Ausreizung der bilanzpolitischen Ermessensspielräume auch für die Eigner des Unternehmens nicht vollständig zu erkennen ist, weil sie nicht über die dazu nötigen Detailinformationen verfügen, liegt es in der Macht des Managements seine eigenen Interessen der Bilanzpolitik durchzusetzen, die meist in einer Maximierung der Bonus-Zahlungen oder in einer besseren Eigendarstellung liegen.[15]

Die zahlreichen mit der Bilanzpolitik verfolgten Ziele stehen oft im Gegensatz zueinander, so kann z. B. einerseits eine Senkung des Ergebnisses für steuerliche Zwecke angestrebt werden, während gleichzeitig eine Ergebniserhöhung zur Verbesserung der Kreditkonditionen erforderlich wäre. Es komm daher zu Zielkonflikten, deren Lösung nur durch Kompromisse möglich ist. So müssen Prioritäten festgelegt werden, welche der konträren Ziele im jeweiligen Abschluss vorrangig sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die meisten durchgeführten Maß- nahmen eine entgegengesetzte Sekundärwirkung haben. Bewertet man eine Rückstellung beispielsweise zu niedrig, um einen höheren Gewinn auszuweisen so folgt eine Minderung des ausgewiesenen Gewinns spätestens im Jahr ihrer Auflö- sung.[16]

2.1.3 Zielgrößen der Bilanzpolitik

Bilanzpolitik ist immer an einen bestimmten Adressaten gerichtet. Da jeder Adressat unterschiedliche Interessen an dem Unternehmen hat und somit unterschiedliche Größen zur Beurteilung heranzieht, muss die Politik ganz spezifisch ausgerichtet werden. Als bilanzpolitische Zielgrößen dienen daher die jeweiligen Entscheidungsgrößen der Adressaten.[17]

Die Adressaten lassen sich hierzu in Gruppen einteilen:

1. Adressaten, welche direkt oder indirekt am Erfolg des Unternehmens teilhaben wie Gesellschafter, Investoren, Vorstandsmitglieder und andere leitende Angestellte, sofern ein Bonusplan auf Grundlage des ausgewiesenen Gewinns vorliegt oder auch Finanzbehörden.
2. Leistungswirtschaftliche Partner des Unternehmens, deren Interesse in der Erfüllung eines Vertragsverhältnisses liegt. Zu dieser Gruppe zählen etwa Lieferanten, Kunden, Arbeitnehmer und Gewerkschaften, aber auch Fremdkapitalgeber.
3. Die so genannten Meinungsbildner , zu denen beispielsweise die Presse, die Finanzanalysten, Ratingagenturen und Anlageberater zählen.
4. Weitere Stakeholder des Unternehmens, die keine vertraglichen Beziehungen haben, aber dennoch an der Situation des Unternehmens interessiert sind. Hierzu zählen auch die Konkurrenzunternehmen, die versuchen etwas über die zukünftige Strategie herauszufinden, um ihre eigene Strategie besser darauf vorbereiten zu können.[18]

Jede dieser Gruppen verfolgt andere, mit dem Unternehmen im Zusammenhang stehende Ziele. Die Bilanzpolitik hat daher die Entscheidungsgrößen jeder spezifischen Gruppe als individuelle Zielgrößen.

Mitglieder der ersten Gruppe sind für die meisten Unternehmen die wichtigsten Adressaten, da ihre Entscheidungen direkt den zukünftigen Erfolg des Unternehmens beeinflussen. Der Gewinn des Unternehmens stellt für diese Gruppe, vor allem für die Investoren börsennotierter Gesellschaften, den entscheidenden Faktor dar, folglich ist der Gewinn die zentrale Zielgröße der Bilanzpolitik.[19] Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf der Erreichung von so genannten Gewinnschwellen, die in Kapitel 2.2.2.3 vorgestellt werden.

Die Erreichung einer Gewinnschwelle fordert in der Regel eine Erhöhung des auszuweisenden Gewinns. Im Einzelfall kann aber auch eine Gewinn senkende Maßnahme gefordert sein. Etwa dann, wenn das Unternehmen Mittel lieber innebehalten möchte anstatt sie an die Aktionäre auszuschütten, um damit kommende Investitionen zu finanzieren.

Neben den Unternehmenszielen verfolgen die Manager immer auch eigene bilanzpolitische Ziele. Von größter Relevanz sind hier die Effekte aus verschiedenen Bonusplänen zur variablen, erfolgsorientierten Vergütung von Führungskräften, wie sie in vielen Unternehmen eingesetzt werden. Je nach Struktur des Bonusplans liegen hier durchaus differenzierte Anreize vor, die nicht immer eine Gewinn erhöhende Bilanzpolitik erfordern, sondern auch mal eine Gewinnschmä- lerung nahe legen, um den Barwert der gesamten Bonuszahlungen zu maximieren.[20]

Ein bilanzpolitisches Phänomen aus dem persönlichen Bereich ist auch das so genannte „Big Bath“ bei einem CEO-Wechsel, welches von (Dechow, Sloan 1991) untersucht wurde. Beobachten lassen sich demnach Gewinn senkende Maß- nahmen im ersten Jahr eines neuen CEOs. Der sinkende Gewinn wird dann damit begründet, dass zunächst Altlasten des Vorgängers beseitigt werden mussten und einige Umstrukturierungen nötig gewesen seien, die den Gewinn belasteten. Da jede bilanzpolitische Veränderung der Rückstellungen in den Folgeperioden einen entgegengesetzten Sekundäreffekt hat, können die später hieraus resultierenden Gewinne dann als eigener Erfolg verbucht werden, was dem CEO Anerkennung verschafft und seine Karriereaussichten verbessert.

Analog dazu lässt sich auch das entsprechende Gegenstück bei scheidenden Managern beobachten. In den letzten Jahren neigen diese dazu, sehr kurzfristig orientiert zu handeln und z.B. Auszahlungen, die sich erst deutlich später amortisieren, wie Entwicklungskosten, deutlich zu kürzen. Dadurch erreichen sie einen überdurchschnittlichen Gewinn im Jahr Ihres Ausscheidens und somit bessere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt.[21]

Ebenfalls in der ersten Gruppe angesiedelt ist der Staat, der mit der Einkommenssteuer ebenfalls ein Interesse an einen hohen Gewinnausweis hat. Im Allgemeinen führen steuerliche Gründe, zumindest bei einem Maßgeblichkeitsprinzip wie beim HGB zu einem Gewinnsenkungsanreiz. Dies führt jedoch nur zu einer Steuerstundung, da die Maßnahmen in der Zukunft den gegenteiligen Effekt aufweisen. Bei einem progressiven Steuertarif ist auch eine Gewinnglättung sinnvoll, da sich mit Hilfe der Gewinnglättung auch die gesamte zu zahlende Steuer minimieren lässt.[22]

Da die zweite Gruppe überwiegend an einer Vertragserfüllung interessiert ist, spielt der Gewinn selbst für sie nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist den hier zusammengefassten Adressaten die Sicherheit, dass das Unternehmen langfristig besteht und in der Lage bleibt, die sich aus dem Vertrag ergebenden Leistungen zu erbringen. Es rücken daher Größen wie die Rentabilität, die Eigenkapitalquote (als Sicherungspolster) sowie die Liquidität in den Vordergrund.[23]

Das entscheidende Element des Gewinns ist in dieser Gruppe eine hohe Beständigkeit und Gleichmäßigkeit, da ein Unternehmen mit gleichmäßig steigenden Gewinnen weniger riskant ist als eines mit hoher Gewinnvolatilität. Die Erreichung dieser Regelmäßigkeit kann im Rahmen der Bilanzpolitik durch Gewinnglättungsmaßnahmen unterstützt werden und führt zu geringeren Risikoaufschlä- gen auf Zinsen und Renditeerwartungen.[24] Es gibt aber auch Verträge, die direkt an einzelnen Kennzahlen der Bilanz anknüpfen, dies ist in den USA bei Kreditverträgen üblich. In diesem Fall führt eine Nichterreichung der vereinbarten Größen unmittelbar zu einer finanziellen Konsequenz, etwa durch höhere Zinssätze oder auch Fälligstellung des gesamten Kreditbetrags. Solche Kreditverträge bieten einen Anreiz zu Bilanzpolitik, mit deren Hilfe der Gewinn und damit das Eigenkapital gestärkt werden kann (Verschuldensgradhypothese).[25]

Aus der dritten Gruppe sind vor allem die Finanzanalysten in den vergangenen Jahren sehr in den Vordergrund gerückt, da sie einen immer stärker werdenden Einfluss auf die Aktionäre haben und ihre Meinung zum Unternehmen daher deren Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Ihre Entscheidungsgrößen richten sich stark nach denen der Auftraggeber, so dass auch hier meist der Gewinn mit der Erreichung der Schwellen als Haupt-Zielgröße gilt.[26]

Die Mitglieder der vierten Gruppe haben sehr unterschiedliche Interessen und meist keinen direkten Einfluss auf das Unternehmen, weshalb sie nicht im Mittelpunkt der Bilanzpolitik stehen.

2.1.4 Instrumente der Bilanzpolitik

Die Instrumente der Bilanzpolitik werden üblicherweise wie in Abb. 1 dargestellt unterteilt in institutionelle, formelle und materielle Instrumente.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Bilanzpolitische Maßnahmen[27]

Unter institutionellen Instrumenten versteht man dabei alle Rahmenbedingen des Abschlusses, die vom Unternehmen festgelegt werden können wie etwa den Stichtag, den Termin der Aufstellung sowie Veröffentlichung der Bilanz. Durch eine geschickte Wahl dieser Termine lassen sich gerade bei Saisonbetrieben einige Bilanzkennzahlen beeinflussen. So kann etwa das ausgewiesene Working Capital niedrig gehalten werden, wenn ein Bilanzstichtag mit saisonbedingt niedrigerem Lagerbestand gewählt wird.

Die formellen Mittel betreffen in erster Linie die Darstellung und den Ausweis der bilanziellen Sachverhalte unter Ausnutzung der Möglichkeiten von Jahresabschluss, Anhang und Lagebericht. Sie haben keinen wertmäßigen Einfluss auf die Bilanzpositionen.

Die materiellen Instrumente schließlich beeinflussen die ausgewiesenen Größen wie Gewinn und Umsatz. Sie lassen sich weiter unterteilen in reale Sachverhaltsgestaltung und buchmäßige Sachverhaltsdarstellung. Unter realer Sachverhaltsgestaltung werden dabei alle Maßnahmen verstanden, die vor dem Stichtag erfolgen und tatsächliche Geschäftsvorfälle darstellen. Üblicherweise fallen hierunter die Senkung oder Erhöhung sofort erfolgswirksamer Auszahlungen wie denen für Forschung und Entwicklung oder auch Kreditverkäufe, die es ermöglichen den Jahresumsatz zu erhöhen. Die buchmäßige Sachverhaltsdarstellung setzt dann nach dem Bilanzstichtag an und beschäftigt sich mit der Abbildung bereits ausgeführter Geschäftsvorfälle hinsichtlich Bewertung und Ansatz. Ihr wird vom Bilanzierenden regelmäßig der Vorzug gegeben, da sie eine wesentlich kostengünstigere und flexiblere Methode darstellt. Es sind keine Realtransaktionen nötig und die Politik kann nach Abschluss des Geschäftsjahres exakt nach den Bedürfnissen des Unternehmens ausgerichtet werden.[28]

Die buchmäßige Sachverhaltsdarstellung bedient sich zahlreicher Ermessensspielräume und Wahlrechte, die das HGB bietet, um den Periodenerfolg höher oder niedriger auszuweisen.[29] Als Wahlrechte gelten dabei solche Fälle, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich eine Wahlmöglichkeit einräumt (wie z.B. in §255 Abs. 2 HGB der Umfang der Herstellkosten). Ermessensspielräume entstehen bei der Interpretation eines unbestimmten Rechtsbegriffs bzw. einer erforderlichen Schätzung, die das Management treffen muss (wie z.B. bei der Entscheidung über die Bildung einer Rückstellung und deren Bewertungsansatz nach §249 i.V.m. §252 Abs. 3 HGB).[30]

Bei der materiellen Bilanzpolitik muss stets beachtet werden, dass, sofern nicht auf eine Manipulation zurückgegriffen wird, nie ein dauerhafter Effekt erzielt werden kann. In der Totalperiode sind Cash Flow und Gewinn gleich, so dass sich jede Ergebnispolitik in den Folgejahren wieder ausgleicht. Ein typisches Beispiel wäre die Umstellung auf eine degressive Abschreibungsmethode. In den ersten Jahren kann hierdurch der Gewinn gesenkt werden, dafür liegt er in den Folgejahren jedoch um denselben Betrag höher als bei Beibehaltung der linearen Abschreibung.[31]

2.2 Modelle zur Entdeckung von Bilanzpolitik

2.2.1 Einführung

So wie es das Ziel des Bilanzerstellers ist, die Adressaten durch die Bilanzpolitik in seinem Sinne zu beeinflussen, so besteht auf der Gegenseite das Ziel, die Bilanzpolitik zu erkennen, um sich trotz des Täuschungsversuchs ein realistisches Bild von dem Unternehmen machen zu können. Der Bilanzersteller kennt die Möglichkeiten seines Adressaten und versucht seine Manipulationen so gut es geht verborgen zu halten, bei einigen Adressaten ist dies eher unproblematisch, Aktionäre zum Beispiel schauen wie oben erwähnt vermehrt nur auf die berichteten Zahlen und wenden nicht die Zeit aufwenden, in die Details des Abschlusses einzusteigen. Denn für den Adressaten der Bilanz ist es eine Kosten-Nutzen- Frage, inwieweit er sich informiert, um die bilanzpolitischen Maßnahmen aufzudecken. Selbst mit massivem Zeiteinsatz, wie er beispielsweise von institutionellen Anlegern oder Analysten betrieben wird, sind die Möglichkeiten der Erkennung recht eingeschränkt, da die dazu nötigen Detailinformationen nicht von den Unternehmen öffentlich gemacht werden.[32]

Bei der Entdeckung von Bilanzpolitik lassen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Bereiche unterscheiden. Der erste ist die eben angesprochene Individualanalyse, bei der ein Unternehmen bis ins Detail analysiert und geprüft wird, um möglichst weit reichende Kenntnisse über dessen Lage und mögliche Manipulationen zu bekommen. Diese Art der Analyse wird vor allem von Investoren und Analysten betrieben, die Empfehlungen zu Einzelwerten abgeben möchten.

Der zweite Bereich befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Anreizen Unternehmen dazu neigen, Bilanzpolitik zu betreiben, wie verbreitet diese ist und in welchem Umfang sie ausgeübt wird. Die empirische Untersuchung dieser Aspekte wird jedoch erheblich dadurch erschwert, dass der bilanzpolitische Einfluss auf die Bilanz nicht unmittelbar quantifiziert werden kann und somit nur Schätzverfahren angewandt werden können, welche letztlich nur wenig Aussage über den tatsächlichen Sachverhalt treffen können.[33]

Trotzdem lassen sich Tendenzen ausmachen, unter welchen Umständen auf welche Arten der Bilanzpolitik ein besonderes Augenmerk zu richten ist. Die Ergebnisse dieser Forschungen nützen schließlich den Analysten sowie auch den Standard-Settern, die Rückschlüsse ziehen können, was im Rahmen der Rechnungslegungsstandards getan werden kann, um Bilanzpolitik zu unterbinden. Die hierzu verwendeten Modelle sind nicht dazu geeignet, Aussagen über einzelne Unternehmen zu treffen. Ihr Ziel liegt klar in der Beantwortung grundlegender Fragen und in der Erkennung von Tendenzen.[34]

2.2.2 Darstellung verschiedener Modelltypen

Die Schwierigkeit in der Entdeckung von Bilanzpolitik ist vor allem dadurch begründet, dass alle bilanzpolitisch nutzbaren Mittel auch im gewöhnlichen Geschäftsverlauf genutzt werden können, so dass zwar eine Aussage darüber getroffen werden kann, ob ein Unternehmen ungewöhnlich hohe Bilanzansätze (z.B. Rückstellungen für Instandsetzungen) ausweist, da dies durch einen Vergleich etwa mit dem Branchenmittel leicht zu erkennen ist. Es kann jedoch damit noch nichts darüber ausgesagt werden, ob es sich dabei tatsächlich um eine bilanzpolitische Maßnahme handelt oder ob der Ausweis den tatsächlichen Verhältnissen im Unternehmen gerecht wird.[35]

Aufgrund dieser Schwierigkeit wurden einige unterschiedliche Modellansätze zur Erkennung von Bilanzpolitik vorgeschlagen, die sich im Wesentlichen in vier verschiedene Gruppen kategorisieren lassen:

1. Modelle, die auf aggregierten Periodenabgrenzungen basieren
2. Modelle, die auf spezifischen Periodenabgrenzungen basieren
3. Modelle, die auf der Verteilung der Gewinngröße basieren[36]
4. Modelle, die die Variabilität des Gewinns mit der anderer Größen (wie etwa des Umsatzes) vergleichen.[37]

Unter Periodenabgrenzungen versteht man dabei „die Summe nicht zahlungswirksamer Aufwendungen und Erträge, wie sie etwa durch Abschreibungen, Rückstel- lungen, Veränderungen im Vorratsvermögen, Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung sowie sonstigen Aufwendungen und Erträgen anfallen.“[38]

Mit den Periodenabgrenzungsmodellen lässt sich in erster Linie materielle, sachverhaltsdarstellende Bilanzpolitik erkennen, sachverhaltsgestaltende Maßnahmen können in einigen Modellen durch Modifikationen zum Teil mit aufgenommen werden.[39] Die Verteilungsund Variabilitätsmodelle machen keinen Unterschied zwischen realen und darstellenden Maßnahmen, so dass zwar beide erkannt, aber nicht getrennt quantifiziert werden können.

Im Folgenden sollen kurz die allen Modellen eines Typs zu Grunde liegenden Gemeinsamkeiten erläutert werden. Auf die Gewinnvariabilitätsmodelle (4.) wird nicht weiter eingegangen, da diese nicht im Fokus der Arbeit liegen.[40]

2.2.2.1 Modelle basierend auf aggregierten Periodenabgrenzungen

Ein möglicher Weg zur Erkennung von Bilanzpolitik führt über die aggregierten Periodenabgrenzungen.[41] Dieser Weg wurde von zahlreichen Studien zum Thema „Earnings Management“ verfolgt.

Als gesamte Periodenabgrenzungen (GPA) wird hierbei in der Regel die Differenz zwischen Gewinn (G) und operativem Cash Flow (CFO) definiert:

(1) GPAt = Gt - CFOt[42]

Die Abweichung zwischen dem Cash Flow aus der operativen Geschäftstätigkeit und dem im externen Rechnungswesen berichteten Gewinn resultiert aus der gesetzlich vorgeschriebenen periodengerechten Abgrenzung der Erträge und Aufwendungen.[43] Angewandte Bilanzpolitik kann häufig durch die Untersuchung der Periodenabgrenzungen erkannt werden, da diese dann deutlich höher oder niedriger als gewöhnlich ausfallen.

Eine zweite häufig genutzte Möglichkeit die GPA zu approximieren ist die Schätzung direkt über die Auswertung der Abgrenzungskonten, die die langfristigen (LPA) und die kurzfristigen (KPA) Periodenabgrenzungen abbilden, als

(2) GPAt = KPAt + LPAt = ∆ [(#4 - #1) - #5] -#125,

wobei die #n die Datenpositionen der von vielen Studien verwendeten Datenbank Compustat bezeichnen (#4 = current assets, #1 = cash, #5 = current liabilities, #125 = depreciation, depletion, and amortization from the cash flow statement) und ∆ die Differenz von einem zum nächsten Jahr bezeichnet.[44]

Diese Vorgehensweise ist vor allem für solche Modelle von Bedeutung, die die Analyse nur auf Grundlage der kurzfristigen Periodenabgrenzungen durchführen, da in diesem Fall die erstgenannte Berechnung nicht verwendet werden kann.

Bei der Auswahl der relevanten Abgrenzungen gibt es zwei verschiedene Vorgehensweisen. In einigen Ansätzen, gerade in den älteren, verwenden die Autoren die gesamten aggregierten Periodenabgrenzungen. In ihren Modellen erfolgt die Schätzung dann über alle Abgrenzungsarten hinweg mit denselben Parametern. Sie unterscheiden in ihrer Analyse nicht zwischen den langfristigen Abgrenzungen wie Abschreibungen, Rückstellungen für Pensionszahlungen etc. und den eher kurzfristigen wie Rückstellungen für Instandsetzungen oder Forderungen aus Lieferungen und Leistungen.

Es wurde jedoch nachgewiesen, dass ein Großteil des Earnings Managements eher im kurzfristigen Bereich der Periodenabgrenzungen stattfindet, da dieser leichter zu kontrollieren ist und vor allem die Sekundäreffekte überschaubarer sind.[45] Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelten sich Ansätze, die nur die Working-Capital- Periodenabgrenzungen betrachten und die langfristigen außer Acht lassen. Dieses Vorgehen hat seinen Vorteil in einer deutlich höheren Erklärungsgüte, da die Variablen wesentlich besser auf die zu schätzenden Größen angepasst werden können. Trotzdem kann der Großteil der gemanagten Abgrenzungen durch diese Modelle aufgedeckt werden, da der diskretionäre Anteil an den langfristigen Abgrenzungen sehr gering ist.

Beiden Modellarten ist gemein, dass sie versuchen, die aus der Bilanz zu ermittelnden gesamten Periodenabgrenzungen (GPA) bzw. die gesamten Periodenabgrenzungen des Working Capitals (GPAWC) mit Hilfe von Schätzverfahren aufzuteilen in die diskretionären, also anormalen, durch Bilanzpolitik erzeugten Periodenabgrenzungen (DPA bzw. DPAWC) und die normalen Periodenabgrenzungen (NPA bzw. NPAWC).

Die Ermittlung der DPA erfolgt dann nach dem Grundmuster

(3) DPAt = GPAt - NPAt,

wobei sich die in der Literatur vorgeschlagenen Modelle vor allem in der Ermittlung der NPA unterscheiden. In der Regel werden die DPA als Residuum einer Regression der NPA geschätzt, somit hängt die Aussagekraft der DPA im Wesentlichen von der Genauigkeit der Schätzung der NPA ab. Nachdem die Schätzung der DPA vorliegt, kann diese über die vermuteten Erklärungsgrößen regressiert werden und so der Einfluss der vermeintlichen Einflussfaktoren empirisch überprüft werden.[46] Ist jedoch schon die NPA-Schätzung fehlerhaft, so kann keine korrekte Einschätzung der Signifikanz der vermuteten Einflussfaktoren erwartet werden. Neuere Modellansätze schätzen daher beide Größen simultan.[47]

Das in den meisten Modellen ähnlich verwendete Grundmuster zur Schätzung der NPA sieht eine Schätzperiode und eine Ereignisperiode vor. Dabei wird in der Regel davon ausgegangen, dass die Schätzperiode frei von bilanzpolitischen Anreizen ist und dort somit keine Bilanzpolitik zu beobachten ist. Unter dieser Annahme ist es möglich den Einfluss verschiedener Variablen auf die NPA zu identifizieren. In der Ereignisperiode, in der aufgrund einer veränderten Anreizsituation von Bilanzpolitik ausgegangen wird, kann dann der DPA-Anteil als Residuum zu dem in der Schätzperiode ermittelten NPA-Anteil angegeben werden.

Da die Bedingung einer Bilanzpolitik-freien Zeit für die Schätzung der NPA in empirischen Untersuchungen meist nicht eingehalten werden kann, ist darauf zu achten, zumindest eine Periode heranzuziehen, die durchschnittliche Anreize bietet oder zumindest nicht den zu untersuchenden Anreiz beinhaltet.[48]

McNichols 2000 kritisiert die bis dahin vorgelegten aggregierten Modelle scharf, da sie weder hinsichtlich der Anreize zum Earnings Management noch hinsichtlich des Verhaltens normaler Periodenabgrenzungen den Stand der Wissenschaft berücksichtigten.[49]

2.2.2.2 Modelle basierend auf spezifischen Periodenabgrenzungen

Ein großes Problem der meisten Modelle zur Erkennung von Bilanzpolitik über Periodenabgrenzungen liegt darin, dass nicht alle relevanten Variablen zur Erklä- rung der NPA identifiziert und aufgenommen werden konnten und somit das Modell meist fehlspezifiziert blieb. Die seit den 90er Jahren aufkommenden Modelle, die auf spezifischen Periodenabgrenzungen basieren, umgehen dieses Problem, indem sie gar nicht den Anspruch erheben, den kompletten diskretionären Teil der Periodenabgrenzungen herauszufinden, sondern sich auf eine ausgewählte Position konzentrieren, von der vermutet wird, dass sie in großem Umfang für die Bilanzpolitik verwendet wird. Diese Position kann dann sehr viel genauer analysiert werden, so dass man deutlich bessere Regressionsergebnisse erhält. Hauptursache hierfür ist, dass es für eine einzelne Position in der Regel leichter ist, die sie beeinflussenden Variablen zu identifizieren. Der Zusammenhang zwischen einer Variablen und einer einzelnen Abgrenzungsposition kann sehr viel besser geschätzt werden als der Einfluss dergleichen Variablen auf aggregierte Abgrenzungen, da verschiedene Abgrenzungspositionen sehr unterschiedlich auf Einflussvariablen reagieren. So hat der Umsatz beispielsweise einen großen Einfluss auf Rückstellungen für nicht werthaltige Forderungen, es besteht jedoch kaum ein direkter Zusammenhang zu den Prozesskostenrückstellungen. Vor allem fanden solche Modelle bei Untersuchungen im Bankenund Versicherungsbereich gro- ßen Anklang, da dort die Rückstellungen für Kreditausfälle bzw. Schadensfälle eine enorme Position ausmachen, die letztlich nur durch Schätzung bewertet werden kann und sich somit hervorragend für bilanzpolitische Maßnahmen eignet.[50]

Neben den deutlichen Vorteilen, die ein spezifischer Abgrenzungsansatz mit sich bringt, gibt es drei bedeutende Nachteile. Erstens kann der Ansatz nur dann sinnvoll angewendet werden, wenn im Vornherein klar ist, welche Abgrenzungsposition wahrscheinlich gemanagt wird. Sollte hierüber keine Kenntnis vorliegen, so reduziert sich die Aussagekraft des Modells erheblich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gewinne in anderen Positionen gemanagt werden. In diesem Fall müsste für jede in Frage kommende Position ein eigenes Modell geschätzt werden. Zweitens sind die Anforderungen an Wissen über die Zusammenhänge sowie Datenmaterial deutlich höher. Es werden detaillierte Daten zu den einzelnen Positionen benötigt, zudem müssen die Einflussfaktoren dieser bekannt sein.

[...]


[1] Earnings Management ist das englischsprachige Äquivalent zu Bilanzpolitik und wird in dieser Arbeit verwendet, um deutlich zu machen, wenn es sich um gewinnbezogene Bilanzpolitik handelt. Vgl. Healy, Wahlen 1999, S. 368–369.

[2] Vgl. McNichols 2000, S. 325; 336-337; Vgl. Goncharov 2005, S. 70.

[3] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 415–416; Vgl. Sieben 1998, S. 5-6; Vgl. Habib 2007, S. 1.

[4] Szczesny 2007, S. 101–102.

[5] Vgl. Wöhe 1997, S. 58.

[6] Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 198.

[7] Vgl. Maijoor, Vanstraelen 2006.

[8] Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 205.

[9] Vgl. Sieben 1998, S. 11–13.

[10] Vgl. Sieben 1998, S. 13.

[11] Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 197–198.

[12] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 417.

[13] Vgl. Babalyan 2007, S. 390.

[14] Nöldeke 2007, S. 358.

[15] Vgl. Healy 1985, S. 106.

[16] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 417–423.

[17] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 418.

[18] Vgl. Sieben 1998, S. 6–7; Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 418–419.

[19] Vgl. Nöldeke 2007, S. 358; Vgl. Sieben 1998, S. 7.

[20] Für eine weitere Betrachtung dieses Aspekts vgl. Healy 1985.

[21] Vgl. Dechow, Sloan 1991, S. 53 ff.

[22] Vgl. Sieben 1998, S. 14.

[23] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 419.

[24] Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 207.

[25] Vgl. DeFond, Jiambalvo 1994, S. 146 ff.; Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 220.

[26] Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 205.

[27] Selbst erstellt in Anlehnung an Döring, Obermann 2007, S. 420–421.

[28] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 423–424.

[29] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 421; Vgl. Wöhe 1997, S. 58-64; Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 199–203.

[30] Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 202.

[31] Vgl. Döring, Obermann 2007, S. 420.

[32] Vgl. Wagenhofer, Ewert 2003, S. 209–212.

[33] Vgl. Healy, Wahlen 1999, S. 370; Vgl. Lindemann 2004, S. 205.

[34] Vgl. Babalyan 2007, S. 390.

[35] Vgl. Lindemann 2004, S. 205.

[36] Vgl. McNichols 2000, S. 313.

[37] Vgl. Szczesny 2007, S. 104.

[38] Szczesny 2007, S. 105.

[39] Eine mögliche Modifikation wird von Dechow et al. 1995 vorgestellt.

[40] Für eine Übersicht dieser Modelle vgl. Szczesny 2007, S. 104.

[41] In den englischsprachigen Studien ist von „accruals“ die Rede. Gemäß Wagenhofer, Ewert 2003, S. 169 kann dieser Begriff ins deutsche mit „Periodenabgrenzungen“ übersetzt werden.

[42] Vgl. Healy, Wahlen 1999, S. 370.

[43] In Deutschland ist diese durch die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung vorgeschrieben. Vgl. Wöhe 1997, S. 175 ff. In den USA ist der periodengerechte Ausweis als „Accrual Principal“ in den US-GAAP geregelt. Vgl. Lindemann 2004, S. 206.

[44] Vgl. Thomas, Zhang 2000, S. 352.

[45] Vgl. McNichols 2000, S. 325.

[46] Vgl. Lindemann 2004, S. 207; Vgl. Thomas, Zhang 2000, S. 348.

[47] Zu diesen Ansätzen zählen z.B. Babalyan 2007 oder Kang, Sivaramakrishnan 1995.

[48] Vgl. Lindemann 2004, S. 209–210.

[49] Vgl. McNichols 2000, S. 314.

[50] Vgl. McNichols 2000, S. 333–335.

Fin de l'extrait de 87 pages

Résumé des informations

Titre
Kritischer Vergleich ausgewählter statistischer Verfahren zur Aufdeckung von Bilanzpolitik
Sous-titre
Jones-Modell, Random-Walk-Modell, Verteilungsmodell nach Burgstahler
Université
Leuphana Universität Lüneburg  (Institut für Betriebswirtschaftslehre - Rechnungswesen und Steuerlehre)
Note
1,0
Auteur
Année
2008
Pages
87
N° de catalogue
V119071
ISBN (ebook)
9783640224456
ISBN (Livre)
9783640224784
Taille d'un fichier
3422 KB
Langue
allemand
Annotations
Nominiert für den Ehrensenatorpreis
Mots clés
Kritischer, Vergleich, Verfahren, Aufdeckung, Bilanzpolitik
Citation du texte
Bastian Schultz (Auteur), 2008, Kritischer Vergleich ausgewählter statistischer Verfahren zur Aufdeckung von Bilanzpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119071

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