Während der Lektüre des Don Juan-Stoffes, insbesondere bei Tirso De Molina, Moliére, Mozart und Christian Dietrich Grabbe , fiel mir besonders die unterschiedliche Darstellung der Dienerfigur auf. Während sich viele Autoren vorwiegend auf die Figur Don Juans und ihrer schriftlichen Tradierung konzentrieren, möchte ich mich in dieser Seminararbeit bewusst der Dienerfigur zuwenden, die meines Erachtens in der wissenschaftlichen Sekundärliteratur zu wenig Beachtung zukommt. Um ein größtmögliches Bild der Dienerfigur erstellen zu können, soll ein Vergleich der Dienerfigur in der Don Juan-Lektüre der o.g. Autoren erfolgen. Hierbei soll nicht Seite für Seite und Wort für Wort verglichen und untersucht werden, da dies aufgrund der unterschiedlichen Dialoge nicht möglich wäre und die Kapazität einer Seminararbeit überschreiten würde. Vielmehr möchte ich mich bestimmten Stationen in der Lektüre widmen und dabei die Rolle des Dieners in seiner Funktion näher untersuchen und herausarbeiten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Exposition
2.1 Tirso de Molina
2.2 Molière
2.3 Mozart / da Ponte
2.4 Christian Dietrich Grabbe
3. Kritikäußerungen gegen Don Juan
3.1 Kritik Catalinóns
3.2 Kritik Sganarells
3.3. Kritik Leporellos in Don Giovanni
3.4 Kritik Leporellos in Don Juan und Faust
4. Der Diener am Ende des Werkes
4.1 Tirso de Molina
4.2 Molière
4.3 Mozart / da Ponte
4.4 Christian Dietrich Grabbe
5. Schlussbemerkung
6. Literaturverzeichnis
1.Einleitung
In der Literatur findet man oft Theaterstücke mit einer Dienerfigur. Diese Figuren haben besonders in der Tradition der Komödie bestimmte Funktionen: dramaturgisch gesehen, fungieren sie als Intriganten und Vorantreiber der Handlung, psychologisch betrachtet, sind sie, wie Konrad Schoell hervorhebt, die Verkörperung der Vitalsphäre und der praktischen Lebensbewältigung.[1] Weiterhin sind es die Diener, die in erster Linie die Verbindung zwischen dem Publikum und dem Werk herstellen, da sie zu dem burlesken Klima des Werkes beitragen. Daher finden sich selten Expositionen ohne Dienerfiguren. Für die Exposition eines Stückes sind Diener notwendig, um die bedeutenden Szenen vorzubereiten, dem Zuschauer wichtige Informationen zukommen zu lassen sowie um ihn zum Lachen zu bringen. Des Weiteren bedarf es bei den Dienerfiguren, im Gegensatz zu den meisten anderen Nebengestalten, keiner Erklärung für ihre Präsenz auf der Bühne. Sie sind präsent durch ihre dramaturgische Funktion sowie durch ihre Funktion als Diener, d.h. durch ihre Verbindung zu ihrem jeweiligen Herrn.
Während der Lektüre des Don Juan-Stoffes, insbesondere bei Tirso De Molina, Molière, Mozart und Christian Dietrich Grabbe[2], fiel mir besonders die unterschiedliche Darstellung der Dienerfigur auf. Während sich viele Autoren vorwiegend auf die Person Don Juans und ihrer schriftlichen Tradierung konzentrieren, möchte ich mich in dieser Seminararbeit bewusst der Dienerfigur zuwenden, die meines Erachtens in der wissenschaftlichen Sekundärliteratur zu wenig Beachtung findet.
Um ein größtmögliches Bild der Dienerfigur erstellen zu können, soll ein Vergleich der Dienerfigur in der Don Juan-Lektüre der o.g. Autoren erfolgen. Hierbei soll nicht Seite für Seite und Wort für Wort verglichen und untersucht werden, da dies aufgrund der unterschiedlichen Dialoge nicht möglich wäre und die Kapazität einer Seminararbeit überschreiten würde. Vielmehr möchte ich mich bestimmten Stationen in der Lektüre widmen und dabei die Rolle des Dieners in seiner Funktion näher untersuchen und herausarbeiten.
Ziel dieser Seminararbeit ist es, die Unterschiedlichkeit im Auftreten des Dieners zu beleuchten und herauszuarbeiten, inwiefern sich die Figur des Dieners im Laufe der Literaturgeschichte in seiner Rolle als Adjutant[3] Don Juans verändert hat. Weiterhin ist es spannend zu beobachten, ob sich der Diener im Laufe der unterschiedlichen Stofftradition aus seiner untergeordneten Rolle Stück für Stück heraus emanzipiert und dabei die Anklagen gegenüber seinem Herrn lauter werden
2. Exposition
2.1 Tirso de Molina
Das Auftreten der Dienerfigur bei Tirso de Molina erfolgt nicht unmittelbar und leitet somit das Drama nicht ein. Catalinón wird im letzten Drittel des ersten Aktes als eine um Hilfe schreiende Person eingeführt, indem er durch das Schauspiel der Rettung aus dem Wasser an einer erneuten Fraueneroberung Don Juans beteiligt ist. Der Diener trägt den Herrn. Für einen kurzen Augenblick scheint der Diener in eine überlegene Rolle gerückt zu sein. Sein Auftreten beginnt mit einem verzweifelten Monolog, in dem er seine missliche Lage lautstark beklagt. Dieser Monolog hat jedoch zum Ziel, die Aufmerksamkeit und das Interesse Tisbeas zu erlangen. Catalinón zeigt sich im weiteren Gespräch mit Tisbea nicht von seiner besten Seite und gibt dabei leicht dümmliche Äußerungen von sich.
CATALINÓN: Er könnte doch wohl auch an andrer Stelle Luft bekommen.
TISBEA: Du Dummkopf![4]
Wenn auch Catalinón bei Tirso etwas Komik in das Drama bringt, wie sich am Dialog zwischen ihm und Tisbea gut erkennen lässt, so bleibt er doch insgesamt zurückhaltender in seiner Rolle und wird nicht so überspitzt dargestellt wie bei späteren Autoren. Catalinón macht sich nach dem kurzen Dialog mit Tisbea auf den Weg zu den Fischern und überlässt seinem Herrn Tisbea, die alsbald Don Juans Kopf in ihren Schoß legt. Kurz vor dem Ende des ersten Aktes vergreift sich Catalinón im Ton gegenüber seinem Herrn auf dessen Aufforderung, seinen Namen Tisbea nicht zu verraten. „Mir willst du wirklich befehlen, was ich unternehmen soll?“[5], so die Antwort Catalinóns Sie ist wohl eher aus der Perspektive zu verstehen, Tisbea den Namen seines Herrn längst schon verraten zu haben[6] und dies nicht zugeben zu wollen, als dass Catalinón ernsthaft gegen seinen Herrn aufbegehren wollte.
2.2 Molière
In Molières Don Juan tritt der Diener, hier nun mit dem Namen Sganarell, mit einer etwas weitschweifigen, seinem Herrn nachäffenden[7] und gelehrt-rhetorisch klingenden Rede auf[8]. Der beginnende Dialog mit Gusman, dem Stallmeister Elviras, hat einen informativen Charakter, da der Zuschauer bzw. der Leser etwas über die Machenschaften seines Herrn erfährt, vor allem aber über die unglückliche und zurückgelassene Ehefrau Elvira. Der weitere Dialog, der in einen längeren Monolog Sganarells mündet, charakterisiert ihn deutlich als komische Figur und der Zuschauer könnte somit die Objektivität der Aussage anzweifeln[9], während dieser seinen Herrn moralisch attackiert. Die Ausgestaltung der burlesken Dienerfigur setzt Molière hierbei im Sinne des italienischen Improvisationsstils um.[10]
Um seinen Herrn zu charakterisieren, greift Sganarell tief in die Tasche der phantasievollen Beschreibungen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und so beschreibt er seinen Herrn in nahezu über zwanzig Zeilen mit den farbenprächtigsten Worten, die man sich nur ausdenken kann. Hier wird dem Zuschauer ein Diener vorgeführt, der mit Don Juans Handeln wahrlich nicht einverstanden ist und sogar lieber dem Teufel dienen würde als seinem Herrn Don Juan[11]. Die Funktion der Exposition hat die Exponierung der Figur des Don Juan als zentrales Thema und trägt somit nicht zur Funktion der Handlungsinitiierung bei.[12] Dies hat zur Folge, dass genau das Gegenteil beim Leser hervorgerufen wird. Statt Abscheu gegenüber Don Juan wird Neugier geweckt eben mehr über jene Person zu erfahren, die es schafft, so viele Frauen in seinen faszinierenden Bann zu ziehen.
In der zweiten Szene des ersten Aktes dialogisieren lediglich Don Juan und Sganarell Die kurzen anfänglichen Redeanteile beider Figuren unterscheiden sich dabei deutlich von dem längeren Monolog Sganarells und es gleicht eher einem Verhör. Dramaturgisch betrachtet, dienen dieser Dialog und der längere Monolog Don Juans einzig allein der „glanzvollen Selbstdarstellung Don Juans“[13], bei der Don Juan ganz klar als Sieger hervorgeht. Der Kontrast zwischen diesen beiden Figuren ist nicht zu übersehen, da Sganarell „einer intellektuellen Auseinandersetzung mit Don Juan nicht gewachsen ist (…) [und] plant, seine Argumentation schriftlich vorzubereiten“[14].
Der Diener Sganarell ist für diese zweite Szene auch deshalb von Bedeutung, da er dem Zuschauer bzw. dem Leser eine wichtige Information liefert, wenn auch nur beiläufig: „Und fürchten Sie nicht, Herr, von dem Tode des Komturs, den Sie vor einem halben Jahr hier erstochen haben?“[15]
Diese kurze Aussage übertrifft all die davor geäußerten Charakterbeschreibungen. Erst jetzt wird der Figur Don Juan in der Retrospektive ein Schatten an die Seite gestellt, der ihn als skrupellos markiert. Dieses neu aufgekommene Gefühl beim Zuschauer bzw. Leser wird durch die kurze Zeit später gemachte Aussage Don Juans „nimm all meine Waffen mit, für den Fall, da[ss]“[16], nochmals bestätigt. Aus dem jungen Lebemann, der nur seinen unbändigen Trieb nachgeht und dafür moralische Hürden umgeht, wird ein gnadenloser Adliger, der auch über Leichen geht, nur um seinem triebgesteuerten Durst nach Verführung zu stillen.
Insgesamt nehmen die dialogischen Anteile zwischen Diener und Herr bei Molière quantitativ mehr Raum ein als noch bei Tirso De Molina. Dies entspricht der Struktur der commedia dell´arte, die aus dieser Konstellation ihre komischen lazzi[17] entwickelte.[18]
2.3 Mozart / da Ponte
Mozarts Introduktion erinnert an Molières Beginn. Leporello eröffnet die Oper mit einem Eingangsmonolog, indem er seine momentane Situation beklagt und als „Wache“[19] von Don Juan eingesetzt wird, während dieser Donna Anna verführen möchte. In einem buffonesken Eingangsmonolog erlebt der Rezipient einen eifersüchtigen Diener, der selbst gerne „ein großer Herr“[20] sein möchte und seine untergebene Rolle als Diener satt hat. Auch wenn Leporello mit der Dienerfigur Molières verwandt ist, kommt nun das Motiv des gentiluomo hinzu, das sich durch das ganze Stück zieht und eine neue Seite der Dienergestalt hervorruft.
Anders als bei Molière dient auch der Eingangsmonolog als „Vorankündigung des großen Auftritts Don Giovannis“[21]. Leporellos Solorezitativ bringt somit Don Giovanni unsichtbar auf die Bühne, ehe dieser auftritt, und bereitet so mit einem Crescendo den dramatischen Auftritt Don Giovannis und Donna Annas vor.[22] Dem Zuschauer bzw. Leser wird während des Solorezitativs Leporellos ein negatives Bild Don Giovannis vorgestellt, und während dieser lamentiert, wird man mit einem vorge fertigten Bild Don Giovannis konfrontiert. In den wenigen Sätzen charakterisiert Leporello Don Giovanni in kürzester Zeit umfassend als undankbaren Herrn, der ihn schlecht essen und schlecht schlafen lässt und, während sich jener bei den Damen vergnügt, Leporello bei Wind und Wetter draußen stehen lässt.[23]
Die Introduktion zeigt aber nicht nur einen lamentierenden Diener, sondern auch einen ängstlichen, „Könnte ich doch fort von hier“[24], die sich „in der sehr dumpfen, gedehnten Melodieführung ausdrückt“[25], sowie einen mit komischen Charakterzügen behafteten Diener. Dies wird bereits in der zweiten Szene des ersten Aktes deutlich.
DON GIOVANNI: Leporello, wo steckst du?
LEPORELLO: Leider hier; und ihr?
DON GIOVANNI: Ich bin hier.
LEPORELLO: Wer ist tot: Ihr oder der Alte?
DON GIOVANNI: Die Frage eines Esels! (…)[26]
Der eigentliche Redeanteil ist im Vergleich zu Tirso de Molina und Molière unterschiedlich. Während bei Tirso de Molina Catalinón in der Exposition keinen Platz findet, ist der Redeanteil bei Molière seitens Sganarells deutlich gesteigert.
2.4 Christian Dietrich Grabbe
Anders als bei Tirso De Molina, Molière und Mozart beginnt die Handlung bei Grabbe mit Don Juan und Leporello selbst. Grabbe, der das Stück mit fehlender Dramatik beginnen lässt und nicht sofort in medias res geht, platziert die beiden Figuren nach Rom an die spanische Treppe. Umgeben von der „Luft, die einst Cäsar[] nährte“[27], unterhalten sich Don Juan und Leporello. Nur allmählich erfährt der Zuschauer bzw. Leser etwas über die Absicht Don Juans. Anders als bei den vorigen Autoren wird Leporello nicht gegenteilig zu seinem Herrn vorgestellt, sondern vielmehr als Mittäter, der gefallen daran hat, Don Juan über das neue Opfer zu informieren. Und so ist es schon gar nicht mehr verwunderlich, dass aus dem Mund Leporellos die Aufforderung kommt, den Bräutigam der neuen Flamme zu beseitigen: „Da mü[ss]t Ihr erst den Bräutigam beseitigen!“[28]
Don Juans Fehlverhalten findet Zustimmung bei Leporello. Während Don Juan herablassend über den Vater des Mädchens, den Gouverneur, spricht, der fehlerfrei schreiben kann und Don Juan so einem Schuft gerne in den Weg tritt[29], geht Leporello mit dieser Einstellung völlig und ohne lang zu überlegen konform: „Euch geht’s wie mir!“. [30] Diese Exposition hebt erstmals eine aggressive Seite Leporellos hervor, die bei Grabbe nicht gegen seinen Herrn gerichtet ist, denn auch Don Juan lässt Leporello hungern[31], sondern diese Aggression richtet sich gegen die beteiligten Personen im donjuanesken Handlungs-und Wirkungskreis.
[...]
[1] Vgl. Schoell, Abhängigkeit und Herrschaft, S. 170.
[2] Im Folgenden nur noch „Grabbe“.
[3] Adjutant im Sinne des lateinischen Wortes, nicht im militärischen Sinne.
[4] Tirso, S. 18.
[5] Tirso, S. 19.
[6] Vgl. Tirso, S. 18.
[7] Vgl. Stackelberg, Molière, S. 56.
[8] Vgl. Gnüg, Don Juans. S. 78.
[9] Ebd. , S. 78.
[10] Vgl. Gnüg, Mythos, S. 37.
[11] Molière, S. 7.
[12] Vgl. Gnüg, Mythos, S. 39.
[13] Gnüg, S. 42.
[14] Klenke, Herr und Diener, S. 156.
[15] Molière, S. 12.
[16] Ebd. S. 13.
[17] Mimische Einlagen im Spiel der italienischen commedia dell´arte. Vgl.dazu: http://commediadellarte.zapalot.de/geschichte.htm, Stand: 25.08.2008.
[18] Gnüg, Mythos, S. 39.
[19] Mozart, S. 7.
[20] Ebd.
[21] Gnüg, Mythos, S. 135.
[22] Vgl. Gnüg, Mythos, S.70.
[23] Mozart, S. 7.
[24] Ebd. S. 8.
[25] Gnüg, Mythos, S. 70.
[26] Mozart, S. 9.
[27] Grabbe, S. 5.
[28] Ebd. S. 6.
[29] Vgl. Grabbe, S. 7.
[30] Ebd.
[31] Vgl. Grabbe, S. 7.
- Arbeit zitieren
- Davide Sole (Autor:in), 2008, Die Dienerfigur Don Juans bei Tirso de Molina, Moliére, Mozart und Christian Dietrich Grabbe - Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119199
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