Gefühlserziehung als Determinante für Lernprozesse


Seminararbeit, 2019

22 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Das Verhältnis von Emotion und Kognition
2.1.1 Was sind Emotionen?
2.1.2 Wie konstruieren sich Emotionen?
2.1.3 Was ist Kognition?
2.1.4 Zum Verhältnis von Kognition und Emotion
2.2 Gefühlserziehung
2.1.1 Wie kann eine Erziehung der Gefühle legitim erscheinen, wenn Erziehung auch Manipulation bedeutet?
2.3 Gefühlserziehung und ihre Bedeutsamkeit für das individuelle Lernen
2.3.1 Gefühlserziehung und Aufmerksamkeit
2.3.2 Gefühlserziehung und Motivationsförderung
2.3.3 Gefühlserziehung und Gedächtnisschulung
2.3.4 Gefühlserziehung, Lernstrategien und Selbstregulation des Lernens
2.3.5 Kritik

3 Fazit

4 Literaturverzeichnis

5 Anhang

Vorwort

Über Gefühle darf wieder gesprochen werden. Ganz ist die Gefahr als zu emotional, gefühlsduselig oder als zu empfindsam tituliert zu werden zwar noch nicht gebannt, aber Artikel über Gefühle und deren gesundes Ausleben prosperieren in Lifestyle Magazinen, wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen. Gelebte Emotionalität soll Menschen erfolgreicher im Berufsleben werden lassen, weshalb Seminare zur Persönlichkeitsschulung zu mehr Empathie, Freundlichkeit und Teamfähigkeit verhelfen sollen. Diesen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hatten Emotionen nicht immer. Gefühle wurden oft sogar sehr kritisch betrachtet und historisch-kulturell bedingt unterschiedlich geprägt ausgelebt. So wird beispielsweise in Peter Sloterdijks Buch „Der Zauberbaum“ (1985) eindrucksvoll die Entstehung der Selbsterfahrung, der Psychoanalyse, im Jahr 1785 geschildert. Freuds Zugang zu Emotionen ist ebenso historisch und kulturell geprägt. Dass der Mensch Emotionen benötigt, um sich zu entwickeln ist unabdingbar; das Ausleben dieser ist dann vom jeweiligen Menschenbild geprägt. Der Dualismus von Kognition und Emotion und die jeweilige Ausprägung der beiden Pole lässt zwei Extreme zu: Logik und Vernunft als höchste geistige Weisheit, beziehungsweise Gefühle und Phantasie als naturgegebene, körperliche Fähigkeit. Emotionen sind für die Position des/der RationalistIn schwer nachvollziehbar, da sie rein subjektive Befindlichkeiten darstellen, weshalb für ihn Gefühle nicht vernünftig sind. BefürworterInnen der irrationalen, gefühlsbetonten Ansicht befürchten wiederrum, dass dem Menschen die Natur abgesprochen wird. Diese Besorgnis ist nach einer langen Phase des Negierens der menschlichen Biologie abgelöst worden durch einen, wie anfangs erläutert, Siegeszug der Emotionen, der durch Errungenschaften der Hirnforschung ausgelöst wurde. Kritik ist aber angebracht, denn eine Reduktion auf das Naturwesen Mensch lässt das Kulturwesen vergessen, wobei eben beide Pole in ihrer Prägnanz das jeweils vorherrschende Menschenbild bestimmen. Die Neurobiologie deutet Gefühle nicht. Sie kann zum Verständnis beitragen und so als Vermittlerin zwischen den beiden Polen Vernunft und Emotion fungieren. Der Mensch als Gegenstand der Pädagogik wird auf seine Erziehbarkeit und Bildsamkeit durchleuchtet. Es stellt sich die Frage, was das Wesen des Menschen ausmacht. Hier wirken das vorherrschende Menschenbild und der dadurch gegebene Zugang zu Emotionen auf die Zielvorstellungen erzieherischer Arbeit ein. Es lässt sich an der Geschichte erkennen, dass im letzten Jahrhundert der Bereich der Gefühle in der Pädagogik vernachlässigt wurde. Im Vordergrund standen und stehen die geistigen Fähigkeiten des Menschen. Im Spartenschulbereich, im Bereich der Neuen Mittelschule und im Volksschulbereich wird, bedingt durch Inklusion und schwierige Bedingungen durch Verhaltensauffälligkeiten, vermehrt auf emotionale Erziehung Wert gelegt. Dieser neue pädagogische Umgang mit Gefühlen wird sich auf das Menschenbild der nächsten Jahrzehnte auswirken.

1 Einleitung

Die in der Pädagogik verzeichnete Vernachlässigung der Gefühle im Hinblick auf deren Stellung und Funktion im menschlichen Denken und Handeln begründet sich darin, dass die geistigen Fähigkeiten, die Menschen ermöglichen sich kritisch reflexiv mit den Gegebenheiten der Welt auseinanderzusetzen, als bestimmendes Charakteristikum angesehen werden. Durch diese geistigen Fähigkeiten grenzt sich die Gattung Mensch von allen anderen Lebewesen ab (vgl. Klika 2004, S. 19). Eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung durch technologische Errungenschaften führt dazu, den Stellenwert von Kognition und Emotion neu zu überdenken. Gefühle sind – neuzeitlich betrachtet– als letztes verbleibendes Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz (KI) zu sehen, die Menschen im Bereich der Denkleistung überholen (vgl. ebd. S. 19). Gefühle werden komplexer als eine reine kognitive Wissensaneignung (die KI hervorragend leistet) gebildet und lassen eine Ablöse des Menschen durch künstliche Intelligenz auf Grund der menschlichen Gefühlswelt obsolet erscheinen, weshalb ein Paradigmenwechsel der bestimmenden Charakteristika des Menschen, weg von Verstand und Vernunft hin zu Gefühl und Emotion gekoppelt mit Verstand und Vernunft, stattfindet, der durch den hohen Stellenwert der Emotionsforschung, die relevante Forschungsergebnisse als Bestätigung veröffentlicht, sichtbar ist. Dieser Paradigmenwechsel in Kombination mit einem gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Leistungsgesellschaft, in der das Selbstmanagement einen hohen Stellenwert hat, ist auch bildungswissenschaftlich prägnant. Pekrun (2018) nimmt sich mit seinem Konzept der Leistungsemotionen dieser Thematik an, was zu folgender Frage gelangen lässt:Welche Bedeutung hat die Gefühlserziehung unter besonderer Berücksichtigung von Pekrun (2018) als Determinante für individuelle Lernprozesse im schulischen Kontext und welche anthropologischen Implikationen lassen sich daraus ableiten?Der Kern dieser Arbeit behandelt die Notwendigkeit einer Gefühlserziehung, da uns Gefühle als Mensch definieren. Gefühle sind für einen erfolgreichen Bildungsprozess als notwendig zu er- und beachten. Wenn emotionale Kompetenzen Erfolg im Leben versprechen, müssen diese in der Pädagogik gefördert werden (vgl. Klika 2004, S. 20). Gefühlserziehung kann gesellschaftliche und individuelle Problematiken bezüglich Gewalt, Drogenmissbrauch, Lern-und Leistungsschwierigkeiten vorbeugen. Emphatische Menschen tendieren nicht zu Gewalt, Gefühlsbewusstsein verringert die Gefahr eines pharmakologischen Substanzmissbrauchs, und wer selbstwirksam ist weiß ob seiner Grenzen und Möglichkeiten und schützt sich vor Überforderungen emotionaler und kognitiver Art. Im ersten Kapitel des Hauptteils werden die wesentlichen Begrifflichkeiten definieren, um dann auf dieser Grundlage das Verhältnis von Emotion und Kognition darzustellen und so auf deren wechselseitige Bedingtheit hinweisen. Im zweiten Unterkapitel des Hauptteils werden die Grundzüge einer Gefühlserziehung erläutere und in einer Untergliederung wird die provokante Frage gestellt, ob Gefühle erzogen werden dürfen, da bei emotionalen Lernzielen auch die Gefahr einer technokratischen Gefühlserziehung vorhanden ist und dadurch Gefühlserziehung als Manipulation gelten kann und damit pädagogisch fragwürdig wird. Im dritten Unterkapitel des Hauptteils wird die Bedeutung der Gefühlserziehung als Determinante von individuellen Lernprozessen veranschaulicht wodurch deren schulischer Stellenwert offensichtlich wird. Da verschiedene AutorInnen eine Vielzahl von Ansichten vertreten und Schule sowohl individueller Lernort als auch soziales Lernfeld darstellt, weshalb Gefühlserziehung im sozialen und individuellen Kontext stattfindet, erfolgt eine Eingrenzung in Richtung individueller Lernprozesse unter besonderer Berücksichtigung von Pekrun (2018). Pekruns Abhandlung befasst sich in besonderer Hinsicht mit der Wirkung von Emotionen auf individuelle Lernprozesse und Leistung (vgl. Pekrun 2018, S. 215). In den Unterkapiteln findet eine konzentrierte Auseinandersetzung mit schulischen Fördermöglichkeiten von Aufmerksamkeit, Lernmotivation, Gedächtnisprozesse, Lernstrategien und Selbstregulation als Wirkmechanismen zwischen Emotion und Lernen beziehungsweise Leistung im Sinne Pekruns statt, um adäquat auf eine Gefühlserziehung als Determinante von individuellen Lernprozessen eingehen zu können (vgl. ebd., S. 217f). Anschließend wird Pekruns Konzept kritisch betrachtet. Das Fazit dient der Beantwortung der Forschungsfrage und dem Anführen bildungswissenschaftlicher und didaktischer Konsequenzen.

2 Hauptteil

Im Hauptteil werden, bevor das Verhältnis zwischen Kognition und Emotion erörtert wird, relevante Begrifflichkeiten definiert und der Ablauf emotionaler Prozesse dargestellt. Damit soll die Wichtigkeit von Emotion und Kognition für das Lernen dargelegt werden. Unter Lernen ist hier ein schulisches Auseinandersetzen mit Inhalten des, dem/der SchülerIn, zugeteilten Lehrplans zu verstehen, da die Forschungsfrage explizit eine Einschränkung hinsichtlich individuellen und schulischen Lernens verlangt. Schule als soziale Institution hat einen wesentlichen erzieherischen Einfluss auf die individuelle Entwicklung von Gefühl und Moral von SchülerInnen. Erziehung ist als wechselseitiger intersubjektiver Akt zu verstehen (vgl. Koller 2004, S. 71). Dieser Einfluss wirkt auch auf individuelle Lernkapazitäten, da Kognition und Emotion als kohärentes System zu betrachten sind. Ob und wie Gefühlserziehung in der Schule angedacht werden darf ist ein zu bearbeitender Bestandteil der Forschungsfrage und wird ebenfalls im Hauptteil behandelt. Die Auseinandersetzung mit der Gefühlserziehung in deduktiver Art und Weise ist notwendig, um mit diesem Wissen die Fragestellung, wie Pekruns Konzept der Leistungsemotionen auf eine Gefühlserziehung einwirkt, explizit erläutern zu können. Welche Kritikpunkte sich daraus, auch hinsichtlich anthropologischer Gesichtspunkte ergeben wird finalisierend im Fazit beschrieben.

2.1 Das Verhältnis von Emotion und Kognition

2.1.1 Was sind Emotionen?

Emotionen waren und sind Bestandteil sowohl philosophischer als auch sozialwissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Beschreibungen, wobei Verwendungsdominanz und Betrachtungsweisen des Begriffs Emotion einem geschichtlichen Wandel unterliegen. Die aktuelle Debatte wird durch weitreichende Forschungsergebnisse im Bereich der Neuro-und Kognitionswissenschaft befeuert und findet diskursiv in philosophischen, soziologischen, psychologischen als auch in bildungswissenschaftlichen Abhandlungen Raum (vgl. Klika 2004, S. 19). Hastedt beschreibt Emotionen philosophisch als „langweilige Grundtöne der Existenz und Weltwahrnehmung, die sich punktuell in Leidenschaften äußern können, ohne dass dies zwingend ist.“ (Hastedt 2009a, S. 308) Affekte beziehungsweise Leidenschaften betrachtet er als emotionale Nuance. Für ihn gelten Emotionen als Teilbereich der Gefühle (vgl. Hastedt 2009a, S. 308). Der Soziologe Rainer Schützeichel definiert Emotion als einen „mentalen Komplex“ (Schützeichel 2017, S. 21). Kellermann, Bildungswissenschaftlerin, erwähnt Emotionen aus anthropologischer Perspektive als „Indikatoren für die Qualität des persönlichen Wohlbefindens und [sie; Anm. SO] stellen somit ein konstitutives Element des Erlebens dar.“ (Kellermann 2012, S. 98) Eine besonders ausführliche Darlegung einer Bestimmung von Emotionen bietet Barrett (2015). Nach den Kernaussagen der psychologischen Konstruktionstheorien sind Emotionen kognitiv konstituierte Phänomene, die aus der Interaktion von neuronalen Trägern entstehen. Emotionen sind einerseits von der menschlichen Kultur geschaffen und andererseits evolutionär-biologisch, wobei beide Komponenten als gleichwertig zu betrachten sind. Emotionen bauen auf Erfahrung auf, womit ersichtlich wird, dass ohne Wahrnehmung keine Emotionen existieren, da Erfahrung wahrnehmungsabhängig ist. Sie entstehen vielfältig und zeigen sich vielfältig. Als Bestandteil eines gesunden, funktionierenden Körpers entwickeln sich emotionale Episoden synchron (Barrett 2015, S. 47-73). Engelen beschreibt Emotionen ebenfalls als angeborene Affektprogramme, die durch Kultur und Sprache modifiziert werden (vgl. Engelen 2012, S. 43f.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Gefühlserziehung als Determinante für Lernprozesse
Hochschule
Universität Wien  (Bildungswissenschaft)
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2019
Seiten
22
Katalognummer
V1193133
ISBN (eBook)
9783346638755
ISBN (Buch)
9783346638762
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Emotion, Kognition, Manipulation, Aufmerksamkeit, Motivation, Gedächtnis, Lernstrategie, Selbstregulation, Pekrun, Reichenbach, Maxwell
Arbeit zitieren
Sabine Oberneder (Autor:in), 2019, Gefühlserziehung als Determinante für Lernprozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1193133

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