Eine kurze Geschichte der Sprachwissenschaft


Essai Scientifique, 2007

23 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Anfänge (~4.Jh.v. Chr. - 1800)

Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft (~1816 – 1940)

Die moderne Linguistik und der Strukturalismus (seit 1916)

Der Prager Kreis (1929 – 1939)

Die Glossematik (1935 – 1943)

Die deskriptive Linguistik (~1933 – 1960)

Vergleich der Strukturalisten

Generative Linguistik (seit 1951)

Neuere pragmatische Entwicklungen (seit 1955)

Auswahl der wichtigsten Werke im Zeitrahmen:
H. Osthoff & K. Brugmann:
Vorwort zu „Morphologische Untersuchungen“ (1878)
F. de Saussure: „Mémoire sur le système primitif des voyelles des langues indoeuropéennes“ (1879)
H. Paul: „Prinzipien der Sprachgeschichte“ (1880)
F. de Saussure: „Cours des linguistiqe générale“ (1916)
L. Bloomfield:
„A Set of Postulates for the Description of Language“ (1926)
Thesen des Prager Linguistenkreises (1929)
W. v. Wartburg: „Das ineinandergreifen von deskriptiver und historischer Sprachwissenschaft“ (1931)
R. Jakobson: „Beitrag zur allgemeinen Kasuslehre“ (1936)
N.S. Trubetzkoy: „Grundzüge der Phonologie“ (1939)
Z. Harris: „Textanalyse“ (1952) „Discourse analysis“
N. Chomsky: „Aspects of a Theory of Syntax“ (1965)
(Standardtheorie, Gesamtgrammatik)
J. Searle „Speech Acts“ (1969)
H. Sacks „A simplest systematics“ (1974)

Einleitung

Ziele diese Abhandlung sind vor allem eine knappe Übersicht zu bieten und dabei trotzdem die wichtigsten Entwicklungen und Anstöße anzuzeigen, von den Junggrammatikern bis hin zu neuesten Erkenntnissen.

Grundlage waren vor allem B. Bartschat: Methoden der Sprachwissenschaft (Berlin 1996) sowie die genannten Originaltexte.

Besonders zu den Junggrammatikern und dem Sprachwandel ist aber auch folgendes empfehlenswert: M. Steinberg – Sprachwandelmodelle.

Die Anfänge (~4.Jh.v. Chr. - 1800)

Sprache wurde schon immer fasziniert erforscht. Die ersten Anfänge im Sinne methodischer Untersuchung von Sprache hat dabei vor allem Platon im Kratylos gemacht, doch war dies weiterhin eher Sprachphilosophie. Im Grunde genommen waren den Griechen nur die Bedeutung von Subjekt und Prädikat (Aristoteles) sowie Stilmittel wie die Rhetorik bekannt.

Die ersten größeren Grammatiken gab es im 4.Jh. von Donatus sowie im 6.Jh. von Priscian, natürlich zu Latein. Besonders Priscian hat sogar bereits Phonetik, Intonation, Flexionsbildung (Morphologie) sowie ein wenig Syntax behandelt.

Erst in der Renaissance war ein Aufstieg der Wissenschaft zu spüren, doch die Sprachwissenschaft war weiterhin Teil der Philosophie. Gegen Ende der Renaissance 1660 erschien die Grammatik von Port Royal, die erste universalgrammatische Betrachtung von Sprache basierend auf der zu der Zeit wirkenden Logik, später übernommen von Chomsky.

Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft (~1816 – 1940)

Die Zeit der Aufklärung war Beginn der historisch-vergleichenden Sprachwissen-schaft. Es wurden immer mehr Sprachen entdeckt und beschrieben und bereits Leibniz forderte, sie alle zu vergleichen. 1786 berichtete schließlich William Jones von seiner Entdeckung, dass Sanskrit mit den Sprachen Europas verwandt sei. Damit löste er größere Bestrebungen aus diese Verwandtschaft zu erforschen. Wilhelm von Humboldt betrieb dies noch auf einer eher philosophischen Basis, 1808 forderte F. Schlegel eine historisch-vergleichende Sprachwissenschaft (h-vgl SW) und gründete damit diesen Terminus. 1814 erschienen Rasmus Rask (1787 – 1832) Ergebnisse zur Verwandtschaft und Ursprung des Altnordischen. Er erkannte bereits, dass man für den Beweis einer Verwandtschaft nicht so lexikalische sondern eher morphologische Bezugspunkte heranziehen musste, ähnliches erkannte auch der Russe A. Vostokov. Rask formulierte auch die ersten Lautgesetze.

1816 erschien Franz Bopp s (1791 - 1867) Vergleich der Konjugation von Sanskrit mit anderen indoeuropäischen Sprachen, der methodische Beweis für Jones Feststellung. Bopp erhielt wenig später von seinem Schüler W.v.Humboldt einen eigens eingerichteten Stuhl für Indogermanistik an der neuen Universität Berlin, womit dieses Fach erstmalig gegründet wurde. 1833 erschien Bopps vergleichende Grammatik zahlreicher indoeuropäischer Sprachen, noch ohne Syntax und Semantik, auf Morphologie, Phonetik und ein bisschen Lexikon beruhend. Auf die Gesellschaft hatte dies einen so großen Einfluss wie die Entdeckungen Newtons. Auch formulierte er die These, dass Endungen entstanden sein durch allmähliche Agglutination von Pronomina, womit er Sprachen als Organismen klassifizierte, mit Geburt, Aufstieg, Höhepunkt und Verfall.

1819 erschien die deutsche (eigtl. vgl.) Grammatik des Jacob Grimm und 1822 formulierte er sein Lautgesetz (Grimm's Law) auf Basis der Thesen von Rask, von der ersten Lautverschiebung (z.b. von romanischen hin zu germanischen Sprachen) und 1858 ebenso eine Stadientheorie für Sprachen wie Bopp. Man kann sagen, für das was Bopp entdeckte formulierte Grimm die Regeln.

1861 erschien das Compendium d. vgl. Grammatik v. indoeuro. Spr. des August Schleicher (1821 – 1868). Dies war die erste Auflehnung gegen die h-vglSW, doch noch eng an ihr orientiert. Schleicher näherte die SW der Naturwissenschaft an, indem er den Begriff des Sprachorganismus konkretisierte und den Ausdruck der Morphologie einführte. Sprachen seien wie Lebewesen, mit einer Lebensspanne und hierarchisch in Familien geordnet. In seiner neuen Stammbaumtheorie gab es zu jeder Sprache eine Muttersprache und für alle zusammen eine Ursprache, deren Rekonstruktion sein oberstes Ziel war und sich sogar in einer Fabel in dieser Sprache niederschlug, was später die stärkste Kritik war, da angenommen wird, dass schon immer mindestens Dialekte vorlagen und nie eine einzige geeinte Sprache.

Seine stärksten Kritiker waren dann auch die Junggrammatiker. Initiiert wurde dies Richtung von August Leskien (1840 – 1916), welcher bei Schleicher studiert hatte und ab 1870 in Leipzig lehrte. Karl Brugmann (1849 – 1918) und Hermann Osthoff (1847 – 1909) formulierten 1878 in ihrem Vorwort zu ihrem Buch "Morphologische Untersuchungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen" ihr Glaubensbekenntnis. Erstmals wollten sie Lautwandel nicht nur beobachten, sondern auch erklären können. Daher waren sie von der naturwissenschaftlich-philosophischen Richtung des Posivitismus überzeugt, nach der nur Fakten und Beobachtbares zählten und ebenso von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze überzeugt, also dass diese überall und gleichmäßig und lediglich phonetisch verlaufen, während Ausnahmen mit Analogien oder schlicht bisher fehlendem Wissen erklärt wurden. Auch wurden Analogien (leveling und extension) angenommen um andere Formen an die durch den Lautwandel veränderten anzupassen. Damit haben sie die komparative Methode konsequent weitergeführt [Massenvergleich von Phonetik, Grammatik->ähnliche Formen = Protoform, bzw diese mit Regeln rekonstruieren]. Sprache ist ein psychophysischer Vorgang des einzelnen Sprechers (sie haben also quasi nur die parole untersucht und eine langue abgelehnt [vgl. de Saussure]), weshalb Veränderungen nur von diesem ausgehen (z.B. durch falsches Verstehen), nicht etwa z. B. von einem ganzen Volk und ignorierten damit kulturelle Aspekte. Die Idee der Sprache als Organismus wurde ebenso abgelehnt wie die Stammbaumtheorie und die Idee einer Ursprache. Gesprochene Sprache war wichtiger als geschriebene, aktuelle kein Anzeichen von Verfall für sie und daher ebenso wichtig wie frühere Stufen bzw sogar wichtiger, da man hier die Regeln und Prinzipien finden, die man für die Rekonstruktion früherer Stufen nutzen konnte. Da sie Abstraktionen ablehnten und nur beobachtbares zählte, sahen sie oft den größeren systematischen Zusammenhang nicht und wurden als Atomisten bezeichnet. Doch die 1880 erschienen „Prinzipien der Sprachwissenschaft“ von Hermann Paul (1846 – 1921) in der er das vorhergesagte noch einmal ausformulierte und erweiterte, sollte lange ein Standardlehrbuch bleiben, nicht zuletzt auch deshalb, weil zuerst Karl Brugmann, später gefolgt von Wilhelm Streitberg (1864 – 1925) und Heinrich Junker diese Tradition fortsetzten. Doch nach der Absetzung Junkers aufgrund seiner NS-Vergangenheit sowie der Ignoranz gegenüber neuen Entwicklungen sollte Leipzig während der DDR-Zeit keine große Rolle mehr spielen.

In den Prinzipien machte Paul noch einmal klar, dass die Sprachwissenschaft eine empirische Basis haben sollte, nicht nur bloß beobachtbar sein, wie ihre Vorgänger meinten. Einflüsse sind vor allem Humboldt, Whitney und Steinthal. Er unterschied zwischen Natur- und Kulturwissenschaften und ordnete die Sprachwissenschaft zweiterem zu, da sie auch psychische und nicht nur physische Faktoren hat und ordnete jeder Kulturwissenschaft eine Prinzipienwissenschaft zu, welche allgemeine Bedingungen und Gesetze aufdecken soll, also auch, wie die Gesellschaft miteinander wirkt. Sprache wird aber nur in ihrer historischen Entwicklung erforscht, nicht allein im gegenwärtigen Zustand, Linguisten sollen Regeln aufdecken die zum Sprachwandel führen (und nicht den Wandel selber), untersucht am Individuum, nicht an sozialer Interaktion.

Fazit: Verbesserung der bisherigen Methoden und diese theoretisch fundiert [bes. Prinzipien]. Viele Erfolge und und Problemlösungen, riesige Datenmenge beschrieben, das meiste noch heute genutzt und gültig.

Die moderne Linguistik und der Strukturalismus (seit 1916)

Die Junggrammatiker hatten zahlreiche Kritiker. Jan Baudouin de Courtenay (1845 – 1929) studierte kurz u.a. in Leipzig und trug hier zunächst noch zu den Annahmen Lautgesetz und Analogie bei, ging aber bald nach Kasan (Russland) und später Dorpat (Estland) und Krakau. Da er aber leider nie eine zusammenhänge These formulierte und außerdem meist in Polnisch publizierte wurde er nie so bekannt wie de Saussure, welchen er doch gut kannte. Ebenso wie die Junggrammatiker war er anfangs noch von einer verallgemeinernden h-vglSW überzeugt und dass die SW nach wirkenden Gesetzen suchen solle, sprach sich aber später wie de Saussure für ein Netz von Beziehungen aus. Ebenso war er wie die JG von dem individuellen in der Sprache überzeugt, dass man an lebenden Sprachen arbeiten müsse und dass Urformen rekonstruiert werden sollten, akzeptiert aber auch eine Ergänzung der SW in Form der kulturellen Beziehungen. Ein persönlicher Schwerpunkt lag aber in der Phonetik, wo er das Phonem von dem Graphem trennte (wie es auch die JG taten) und in einer Trennung von Lautphysiologie (vgl. Phonologie) und dem mechanischem (vgl. Morphologie), außerdem unterschied er auch schon zwischen Sprachpotenz und konkreter Sprachäußerung.

In der Phonetik erkannte er das Phonem als abstrakte Verallgemeinerung des Phons, dass es aus kleineren Bestandteilen besteht und Teil von Morphemen ist, was später in Phonologie und generativer Phonologie weiterentwickelt wurde. In der Typologie erkannte er, dass verwandte Sprachen nicht unbedingt dieselbe Flexion haben müssen, beides also voneinander unabhängig ist, das Sprachen sich ändern und vor allem die Entdeckung von Mischsprachen, was die Prager später ebenso weiterentwickelten.

Zeitgleich mit Baudouin entwickelte Ferdinand de Saussure (1857 – 1913) seine eigenen Thesen, u.a. aber in Wechselwirkung mit diesem. de Saussure sollte Start- und Angelpunkt der modernen Linguistik werden. Früh entdeckte er die Laryngale im Protoindoeuropäischen, noch zu junggrammatischen Zeiten, verfolgte dann aber eigene Ideen. Sein Cours des linguistiqe générale erschien aber erst posthum 1916, zusammengetragen von seinen Schülern Charles Bally und E. Sechehaye und vermutlich von diesen erweitert. Er unterteilte die Sprache in langage (die allgemeine Fähigkeit zu Sprechen), langue (eine systemhafte Einzelsprache mit Grammatik; gleichzeitig aber auch die idealisierte Form menschlicher Sprache) und parole (das konkrete, individuelle Sprechen).

Weiterhin bezeichnete er Sprache als ein Zeichensystem (und ordnet so die SW als Unterpunkt einer neuen Wissenschaft zu, der Semeologie), und der Wert eines Zeichens ergäbe sich durch seine Stellung im System (paradigmatisch, also Zeichen die an derselben Stelle vorkommen können und syntagmatisch, Einheiten in einem gemeinsamen Kontext) und dadurch, was es von anderen Zeichen unterscheide. Zeichen die von der Bedeutung her miteinander etwas zu tun haben, deren erwartbares Vorhandensein nennt er Kollokation. Weiterhin verbinden Zeichen nicht Idee (Bezeichnetes, signifié) und Lautbild (Bezeichnendes, significant) sondern sind dies in einer Form untrennbar vereint. Die Anwendung der SW unterteilt er in die beiden Bereiche synchron (zeitgleich, aktuelle Sprachen), und diachron (die bisher herkömmliche h-vglSW) und ordnet letztere der ersteren unter, was natürlich der größte Bruch mit der bisherigen SW war.

Von den Ideen de Saussures initiiert oder zumindest beeinflusst wurden in den folgenden Jahren vor allem drei große Gruppen: der Prager Kreis, die Glossematik und die deskriptive Linguistik.

Der Prager Kreis (1929 – 1939)

Ähnlich wie die Junggrammatiker bestand auch der Prager Kreis aus mehreren Linguisten, die meist nicht mal in derselben Stadt wirkten, aber eine Einheit mit gemeinsamen Grundsätzen und Ansichten bildeten und im Gegensatz zu den Junggrammatikern dies sogar institualisierten. Die meisten von ihnen hatten eigene Zweifel an der herkömmlichen Methode der SW entwickelt, oft geschürt von Baudouin und in de Saussure eine Bestätigung findend. Ein anderer Einfluss war die Gestaltpsychologie, welche Dinge als Ganzes und strukturiertes betrachtete, ganz im Gegensatz zu dem Atomismus der Junggrammatiker. So vollführte der Kreis dann auch vor allem Strukturanalysen sowie Sprachvergleich und dies auf allen Ebenen.

[...]

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Eine kurze Geschichte der Sprachwissenschaft
Auteur
Année
2007
Pages
23
N° de catalogue
V119403
ISBN (ebook)
9783640226245
Taille d'un fichier
526 KB
Langue
allemand
Mots clés
Eine, Geschichte, Sprachwissenschaft, Junggrammatiker, Leipzig, de Saussure, Chomsky, Prager Schule, linguistik, trubetzkoy
Citation du texte
Andre Schuchardt (Auteur), 2007, Eine kurze Geschichte der Sprachwissenschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119403

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