Carlo Schmid und das Grundgesetz - Die verworfene Idee vom Senat als zweiter Kammer


Dossier / Travail, 2006

14 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Carlo Schmids Einflussnahme auf die Entwicklung des Grundgesetzes
2.1 Politischer Werdegang ab 1945
2.2 Vorarbeiten zum Parlamentarischen Rat
2.3 Schmids Teilnahme und führende Rolle im Parlamentarischen Rat

3 Zusammenfassung

4 Abkürzungen

5 Quellenverzeichnis

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Grundgesetz ist für die Bundesrepublik Deutschland seit der Wiedervereinung ein Dokument, das Verfassungsstatus genießt - auch ohne eine Legitimation durch Volksentscheid. Es hat sich in den Jahren der Teilung Deutschlands offensichtlich als dauerhaft brauchbarer Grundstein für den westdeutschen Staat erwiesen und seinen provisorischen Charakter überwunden. Dass diese Endgültigkeit einmal für diesen Gesetzestext Realität werden sollte, war zu seiner Entstehung völlig offen. Besonders eine treibende und schaffende Kraft betonte bis zuletzt den Übergangsstatus des Grundgesetzes, nämlich Carlo Schmid. Als ausgebildeter Jurist und Verfassungsexperte leistete er entscheidende Beiträge zur Entstehung und Ausformulierung unserer heutigen Verfassung, was ihm zusammen mit den anderen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates wohl zu Recht den Ruf "Vater des Grundgesetzes"[1] eingebracht hat. Zunächst sollen in dieser Arbeit sein Eintritt in die Politik der Nachkriegszeit kurz geschildert werden und seine ersten politisch bedeutsamen Stationen aufgezeigt werden. Der Hauptteil der Arbeit dreht sich um Schmids Wirken im parlamentarischen Rat. Sein umfassendes Engagement in beinahe allen Streitpunkten des Grundgesetzes soll hierbei nur knapp aufgereiht werden. Genauer befasst sich der vorliegende Text mit seinem Handeln in den jeweiligen Ausschüssen, wobei insbesondere Schmids Position zur Föderalismus- und Bikameralismusdebatte geschildert werden soll. Hierbei taucht die Frage auf, inwiefern sich Schmid gegen seine politischen Widersacher durchsetzen konnte und in welchen Punkten er mehr und mehr von seinem ursprünglichen Standpunkt in Kernfragen abweichen musste. Der engere Fokus soll sich hierbei auf Schmids umstrittener und schließlich fruchtloser Idee von einem Senat als zweiter Kammer begrenzen. Auch die Position der Besatzungsmächte soll kurz angerissen werden.

2 Carlo Schmids Einflussnahme auf die Entwicklung des Grundgesetzes

2.1 Politischer Werdegang ab 1945

Carlo Schmids politisches Leben beginnt im eigentlichen Sinne erst nach dem zweiten Weltkrieg. Er hatte jedoch bereits wertvolle Erkenntnisse in seinem vorherigen Tätigkeitsbereich, dem Institut für Völkerrecht in Berlin und als Jurist in der Praxis, gesammelt, die er in die Politik der Nachkriegszeit, insbesondere der Verfassungsarbeit, einzubringen vermochte.[2] Den Anstoß, sein Wissen zur Schaffung einer besseren Neuordnung, als er sie von der Verfassung der Weimarer Republik kannte, einzubringen, bringt Schmid in seinen Erinnerungen folgend zu Papier:

Dieser Einschnitt in mein Leben wurde ausgelöst durch die Ereignisse der Jahre nach 1933 (...). Ich fragte mich: Wer hat schuld, daß die Macht in die Hände von Unmenschen kommen konnte? (...) Meine Antwort hieß: Ich und meinesgleichen sind schuld, weil wir uns zu gut waren, uns so tief zu bücken, wie die Erde unter dem Sternenhimmel liegt; (...) Wenn du nicht wieder schuldig werden willst, wirst du dein Leben ändern müssen. (...) Ich werde also in die Politik gehen.[3]

Das Gefühl als Teil der geistigen Elite in der Zeit des Nationalsozialismus nicht entschieden genug gegen diese Regime eingetreten zu sein, ein Gefühl der Mitschuld an dem 1933 in Kraft getretenen Niedergangs Deutschlands der Schande dieser Zeit, drängt es ihn also umso mehr dazu auf eine bessere Zukunft aktiv hinzuarbeiten. Dem entsprechend beteiligte er sich am politischen Neuaufbau in der westdeutschen Zone. Zunächst konzentrierte er sich auf den französisch besetzten Teil, indem er versuchte relativ schnell eine Neuordnung - auch auf universitärer und städtischer Ebene - der Regierungs- und Verwaltungsorgane herzustellen. So bemühte er sich um frühzeitige Vermittlung mit den französischen Besatzern und war in den ersten Regierungen dieser Besatzungszone mitwirkend.[4] Auch für die Verfassungen Württemberg-Badens und Württemberg-Hohenzollerns zeichnete Schmid verantwortlich.[5]

Zudem stellte er alsbald Kontakt zu den Ministerpräsidenten und Politikern der Bizone her. Der Durchbruch gelang ihm schließlich mit seiner Rede auf der Münchner Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Juli 1947, denn er erweckte dort die Aufmerksamkeit und Sympathie der internationalen Presse und wurde erstmals als Politiker deutschlandweit wahrgenommen.[6] Der Weg für ein Mitwirken am politischen Wiederaufbau für Deutschland - die Erkenntnis über dessen Teilung erwuchs ebenso aus jener Konferenz - war nunmehr endgültig freigelegt.

2.2 Vorarbeiten zum Parlamentarischen Rat

Für die Bildung des Parlamentarischen Rates brachten die Weisungen der Besatzungsmächte der drei Westzonen den Stein ins Rollen. Später, als Frankfurter Dokumente von den Ministerpräsidenten entgegengenommen, fassten sie den Auftrag an die westdeutschen Verantwortungsträger - also die amtierenden Vertreter der Länder - zusammen, die Rahmenbedingungen für einen Weststaat zu schaffen und gaben ein Besatzungsstatut vor. Doch nachdem es in Frankfurt zur Übergabe der drei Dokumente gekommen war, beriefen die Ministerpräsidenten eine Konferenz in Koblenz ein, bei der eine Reaktion auf die von den Alliierten oktroyierten Vorgaben beraten wurde. Auch hier tat sich Schmid in besonderem Maße hervor und unterstrich seine kritische Haltung gegenüber der Gründung eines westdeutschen Staats. In seinen Erinnerungen unterstreicht er sein Eingreifen in die Diskussion, sein Konsens schaffendes Wirken und seine ausführende Position:

Als sich aus dem Verlauf der Diskussion kein zusammenhängendes Konzept (...) ergab, nahm ich als stellvertretender Staatspräsident meines Landes das Wort. (...) Die Ministerpräsidenten stimmten meinen Überlegungen weitgehend zu, wonach nicht die Verfassung für einen Staat in Westdeutschland geschaffen werden dürfe (...). Es wurde beschlossen, mich mit der Redaktion der Mantelnote zu beauftragen, mit der den Militärgouverneuren die Antwort der Ministerpräsidenten auf die drei Dokumente übersandt werden sollte.[7]

Petra Weber begründet diese herausragende Stellung Schmids in jener Konferenz darin, dass er sich bereits zuvor mit Josef Müller von der CDU in Verbindung gesetzt hatte, um an einer geschlossenen Antwort auf die Frankfurter Dokumente zu arbeiten. Er sei schlichtweg am besten vorbereitet gewesen[8].

Die negative Reaktion der alliierten Befehlshaber - insbesondere General Clays - und die anschließende Krise zeugt von der Konfliktbereitschaft Schmids. Dass seine Linie sich dem Druck der Militärgouverneure beugen musste und er den Löwenanteil an der nach einer erneuten Beratung erfolgten Einigung mit den Besatzern einem Anderen zugesteht[9], drückt den Zwang zum Kompromiss aus, dem er sich unterwerfen musste. Auch seinem Festhalten am Provisoriumscharakter der neuen westdeutschen Staatsordnung wurde in der Folge der Ereignisse ein jähes Ende gesetzt[10]. Schmid musste also bereits hier lernen mit Niederlagen auf nationalem politischen Parkett umzugehen, was ihm später im Bezug auf seine Senatspläne erneut passieren sollte.

[...]


[1] Eine kurze Zusammenfassung findet sich u. A. bei Erich Straetling Der Parlamentarische Rat 1948-1949 - mit der 'Parlamentarischen Elegie' von Carlo Schmid, Pfullingen 1989, S. 9-13.

[2] Zu Schmids Werdegang in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen vgl. Carlo Schmid, Erinnerungen, München 1979, S. 99-154, oder auch Petra Weber, Carlo Schmid - Eine Biographie, München, 1996, S. 59-69.

[3] Schmid, Erinnerungen, S. 217. Im weiteren Verlauf beruft sich Schmid in teilweise lyrischer Manier auf das deutsche Volk und seine Seele, die es wiederzuerringen galt.

[4] Vgl. Carlo Schmid, "Tübingen im Frühjahr 1945", in: Reden und Aufsätze von und über Carlo Schmid - Eine Kostprobe zum 100. Geburtstag, Wilfired Setzler (hrsg.), Tübingen 1996; und detaillierter und auch unterhaltsamer Schmid, Erinnerungen, S. 219ff.; oder auch Weber, Carlo Schmid - Eine Biographie, S. 191-229.

[5] Weber, Carlo Schmid - Eine Biographie, S. 272-285; Paul Sauer,"Carlo Schmid und die Entstehung der Verfassung von Württemberg-Baden", in: Carlo Schmid - Mitgestalter der Nachkriegsentwicklung im deutschen Südwesten, Gerhard Taddey (hrsg.), Stuttgart 1997, S.59-68.

[6] Weber, Carlo Schmid - Eine Biographie, S. 291f.

[7] Schmid, Erinnerungen, S. 327-330.

[8] Weber, Carlo Schmid - Eine Biographie, S. 335f..

[9] Schmid überlässt Ernst Reuter die Lorbeeren, die Bezeichnungen 'Grundgesetz' und 'Parlamentarischer Rat' gegen die Militärgouverneure durchgesetzt zu haben. ebd. S. 332f.

[10] Endgültig gegen Schmids Thesen richtet sich die Mehrheit der deutschen Politiker an der zweiten Niederwaldkonferenz. siehe Gerhard Hirscher, Carlo Schmid und die Gründung der Bundesrepublik - Eine politische Biographie, Bochum 1986, S. 148-157.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Carlo Schmid und das Grundgesetz - Die verworfene Idee vom Senat als zweiter Kammer
Université
LMU Munich  (Abteilung Neuere Neueste Geschichte)
Cours
Herrscher, Stände, Untertanen in der frühen Neuzeit
Note
2
Auteur
Année
2006
Pages
14
N° de catalogue
V119480
ISBN (ebook)
9783640229147
ISBN (Livre)
9783640230747
Taille d'un fichier
436 KB
Langue
allemand
Mots clés
Carlo, Schmid, Grundgesetz, Idee, Senat, Kammer, Herrscher, Stände, Untertanen, Neuzeit
Citation du texte
Marius Dimter (Auteur), 2006, Carlo Schmid und das Grundgesetz - Die verworfene Idee vom Senat als zweiter Kammer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119480

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