„Durch das Werk Arthur Schnitzlers (1862–1931) zieht sich die Geschlechterproblematik, eine Problematik der emotionalen Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau in den sozialen Konstellationen, die sich einerseits aus der männlichen (patriarchenähnlichen) Position des Mannes und der Gesellschaft ergeben, andererseits zugleich aus ihrer Verunsicherung durch das Aufkommen weiblicher Emanzipationsbestrebungen im Wien der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.“
Der Schwerpunkt der folgenden Arbeit soll auf der Betrachtung der weiblichen Rolle liegen, die Schnitzler in seiner Darstellung der Auseinandersetzung der Geschlechter konzipiert. Diese Auseinandersetzung findet einerseits unter den egoistischen Vorzeichen eines Patriarchats statt, das auf männlicher Seite auch die Gesellschaft und ihre Machtstrukturen prägt. Andererseits stehen dem individuellen und sozialen Bemächtigungstrieb des Mannes in Schnitzlers Werk auch emanzipatorische Bestrebungen der Weiblichkeit gegenüber, wie das Beispiel der Figur „Marcolina“ aus der Novelle Casanovas Heimfahrt (1918) demonstriert. In die jeweiligen Analysen der Frauenbilder, die Schnitzler entwirft, ist die psycho-analytische Konstruktion der Frau und ihre Problematik durch Freud einzuarbeiten, mit dem Schnitzler in geistigem Kontakt stand.
Der Schwerpunkt der Analyse soll grundsätzlich auf der Geschlechterauseinandersetzung liegen, insofern dass die Übermacht der männlichen Seite und die schwache weibliche Seite wie auch ihr stärkerer Widerstand erkennbar wird.
In der vorliegenden Arbeit sollen die beiden Dramen Das Märchen und Der Ruf des Lebens sowie die Novelle Frau Berta Garlan systematisch unter dem Aspekt des Geschlechterkonflikts als Resultat gesellschaftlicher Konventionen und männlicher Dominanz im Wien der Jahrhundertwende und ihre Widerspiegelung im Werk Arthur Schnitzlers untersucht werden. Sowohl in den beiden Dramen als auch in den Novellen behandelt Schnitzler die Thematik der Geschlechterspannung unter dem Vorzeichen einer überwiegend männlichen Dominanz, die die weibliche Seite einerseits in der Rolle einer automatisch unmoralisch wirkenden Geliebten ausnutzt und sie damit zugleich für das solide bürgerliche Leben entwertet, ihr aber dennoch die moralische Verantwortung dafür überträgt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Zur Themenstellung
- 1.2 Allgemeines zu den in dieser Arbeit behandelten Werken
- 2. Das Drama Das Märchen
- 2.1 Situierung des Dramas im Gesamtwerk - Anatol als Ausgangspunkt
- 2.2 Zur Thematik des Dramas
- 2.3 Der Begriff der Doppelmoral
- 2.4 Erkenntnisse der Literatursoziologie
- 2.5 Stereotypes Männlichkeitsverhalten, männlicher Egoismus und Doppelmoral in Das Märchen
- 2.5.1 Analogie der Figurenkonzeption männlicher Rollen zu Anatol
- 2.5.2 Männliche Lebensmodelle am Beispiel von Denner und Wandel
- 2.6 Erläuterung der „Was war, ist-Problematik“
- 2.7 Die Auseinandersetzung zwischen Fanny und Fedor im Handlungsverlauf
- 2.8 Schnitzlers Analyse der männlichen Emotionalität im Vergleich zu der weiblichen
- 3. Das Drama Der Ruf des Lebens
- 3.1 Situierung des Dramas
- 3.2 Handlungsverlauf des Dramas
- 3.3 Männliche Dominanz in der Darstellung des Militärs und des militarisierten Wertekanons
- 3.3.1 Der Soldatentypus am Beispiel des Vaters
- 3.3.2 Der männliche Ehrenkodex am Beispiel des Oberst
- 3.3.3 Patriotismus und Vaterlandsliebe in weiteren Werken Schnitzlers
- 3.4 Darstellungen des Geschlechterkonflikts unter dem Vorzeichen männlicher Dominanz
- 3.4.1 Zwei gegensätzliche Lebensprinzipien
- 3.4.2 Analyse der Tochterfigur im Vergleich zu der Schauspielerin Fanny in Das Märchen
- 3.4.3 Die Rolle des ärztlichen Vermittlers
- 3.4.4 Emanzipation und Selbstbefreiung der Frau
- 3.4.5 Gründe für das Scheitern weiblicher Emanzipation nach Knoben
- 4. Die Novelle Frau Berta Garlan
- 4.1 Situierung der Novelle
- 4.2 Verhinderte Selbstverwirklichung der Frau durch den Primat männlicher Erziehungsvorstellungen
- 4.3 Bertas unterdrückte Wünsche
- 4.3.1 Der Wunsch nach Intimität
- 4.3.2 Gemeinsames Musizieren als Ausdruck von Intimität
- 4.3.3 Die Darstellung von Bertas unterdrückten Wünschen anhand der Figur des Herrn Klingemann
- 4.4 Nicht-Leben versus Leben
- 4.5 Steigerung des Selbstwertgefühls Bertas durch ihren zweifelhaften Heilungsprozess
- 4.6 Frau Berta Garlan ein Bildungsroman?
- 4.7 Der Schluss der Novelle
- 4.8 Die Abtreibungsthematik
- 4.8.1 Frau Rupius in Frau Berta Garlan
- 4.8.2 Vergleich mit Schnitzlers Roman Therese
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Geschlechterkonflikt in ausgewählten Werken Arthur Schnitzlers, mit besonderem Fokus auf die Darstellung weiblicher Rollenkonflikte. Es wird analysiert, wie Schnitzler die Auseinandersetzung der Geschlechter unter den Vorzeichen eines patriarchalen Systems und aufkommender Emanzipationsbestrebungen im Wien der Jahrhundertwende darstellt.
- Darstellung weiblicher Rollen und Konflikte in Schnitzlers Werken
- Analyse des männlichen Verhaltens und der männlichen Dominanz
- Die Problematik der Doppelmoral im Kontext des Geschlechterkonflikts
- Emanzipationsbestrebungen und deren Scheitern
- Gesellschaftliche Konventionen und deren Einfluss auf die Geschlechterbeziehungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Geschlechterkonflikts in Schnitzlers Werk ein und skizziert den Fokus der Arbeit auf die weiblichen Rollen. Kapitel 2 analysiert "Das Märchen", untersucht die männliche Doppelmoral und die Auseinandersetzung zwischen Fanny und Fedor. Kapitel 3 befasst sich mit "Der Ruf des Lebens", untersucht die männliche Dominanz im Kontext des Militärs und analysiert die gegensätzlichen Lebensprinzipien und das Scheitern weiblicher Emanzipation. Kapitel 4 analysiert die Novelle "Frau Berta Garlan", fokussiert auf Bertas unterdrückte Wünsche und die verhinderte Selbstverwirklichung.
Schlüsselwörter
Arthur Schnitzler, Geschlechterkonflikt, weibliche Rollen, männliche Dominanz, Doppelmoral, Emanzipation, Patriarchat, Wien, Jahrhundertwende, "Das Märchen", "Der Ruf des Lebens", "Frau Berta Garlan".
- Citation du texte
- Ariane Frowein (Auteur), 2008, Der Geschlechterkonflikt in ausgewählten Werken Arthur Schnitzlers unter besonderer Berücksichtigung der dargestellten weiblichen Rollenkonflikte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119527