Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gender Media Studies
2.1. Feministische Öffentlichkeiten und die Sichtbarmachung geschlechtsbezogener Gewalt
2.1.1. Feministische Auseinandersetzungen mit geschlechtsbezogener Gewalt
2.1.2. Feministische Öffentlichkeiten online
3. Hate Speech gegen Frauen
4. Methodik
5. Darstellung der Ergebnisse
6. Analyse der Ergebnisse
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei“ - so sollen Frauen weltweit nach der gemeinnützigen Organisation Terre des femmes („Erde der Frauen“), gegründet 1981 in Hamburg, leben können und dürfen. Zu den Themen, mit denen sich der eingetragene Verein befasst, gehören häusliche und sexualisierte Gewalt, Gewalt im Namen der Ehre (z.B. Zwangsverheiratung), Frauenhandel, Prostitution, weibliche Genitalverstümmelung und frauenfeindliche Werbung (vgl. Frauenrechte 2020). Dass Gewalt (gegen Frauen) nicht erst als solche zu verstehen ist, wenn sie physisch, sondern auch verbal angewandt wird, rückt häufig in den Hintergrund des gesellschaftlichen Bewusstseins. Dabei gehören „Strategien wie Mansplaining, Trolling oder auch Hate Speech, also Beschimpfungen, Abwertungen, Einschüchterungen und Gewaltfantasien, die sich gegen Einzelne, Gruppen oder gegen feministische Inhalte richten“ (vgl. Ganz/Meßmer 2015: 61ff.; zit. nach Drüeke et al. 2018: 127) zum Alltag vieler Frauen. Laut der Bundesgeschäftsführerin von Terre des femmes (TDF) Christa Stolle (2020: 17) ist „verbale Gewalt gegen Frauen [.] in Deutschland leider mittlerweile salonfähig geworden“. So sind Deutschrapsongs, die zu einem großen Teil frauenfeindliche und -verachtende Inhalte aufweisen hierzulande sehr erfolgreich - sie werden millionenfach aufgerufen. Auf Plattformen wie YouTube oder Spotify eignen sich insbesondere junge Erwachsene und Jugendliche diese an und verbreiten sie. Oftmals läuft die Diskriminierung unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit oder wird damit gerechtfertigt, dass die MusikerInnen ein Image vertreten, wenn sie rappen. Das Problem hierbei ist, dass sie dennoch Personen des öffentlichen Lebens mit einer Vorbildfunktion sind - junge Menschen hören ihre Musik, prägen sich die (sexistischen) Texte ein, ohne diese zu reflektieren und übernehmen sie anschließend in ihren alltäglichen Sprachgebrauch (vgl. Stolle 2020: 18).
An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass Deutschrap an sich nicht als sexistisches Genre angesehen werden darf, da nicht jeder Song oder jede(r) InterpretIn frauenverachtende Inhalte aufweist. Vielmehr zieht sich misogyne Gewalt durch alle Gesellschaftsbereiche und -schichten und hat ihren Ursprung keinesfalls im Deutschrap. Sexismus ist als gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen (vgl. Süß 2020).
Bislang wurde der Thematik Hate Speech gegen Frauen seitens der (deutschsprachigen) Forschung unzureichend Beachtung geschenkt. Dennoch zeigt das Aufkommen von Begriffen, die sich auf Belästigung, Beleidigungen und Diskriminierung gegen Frauen online beziehen, das wachsende Forschungsinteresse. Dazu gehören etwa „gendertrolling“ (Mantilla 2015) und „cyber violence against women and girls“ (United Nations 2015) (vgl. Jane 2018: 7).
Im Rahmen der vorliegenden Seminararbeit soll anhand des Videos der OnlineKampagne #UNHATEWOMEN (vgl. TERRE DES FEMMES 2020), die Anfang 2020 startete, untersucht werden, wie die Nicht-Regierungs-Organisation Terre des femmes Frauenverachtung und -diskriminierung in den Medien thematisiert. Im Verlauf der Arbeit soll die Forschungsfrage „Wie macht die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes in dem Video ihrer Online-Kampagne #UNHATEWOMEN auf (verbale) Gewalt gegen Frauen aufmerksam?“ beantwortet werden.
In den Medien, insbesondere in den sozialen Netzwerken, erfahren viele Frauen und Mädchen verbale Erniedrigung und brutale Beleidigungen - dies bezieht sich auf bestimmte Annahmen, wie eine Frau zu sein hat, ihr Äußeres oder aber auch ihr Verhalten (vgl. Stolle 2020: 17). Es soll verdeutlicht werden, dass frauenverachtende Sprache nicht nur gesellschaftlich inakzeptabel ist, sondern schnell auch zu physischer und psychischer Gewalt werden kann (vgl. Theobald 2020). Ziel der Kampagne ist es somit, auf jegliche Formen von Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Darüber hinaus soll die Sichtbarmachung des Ausmaßes von Alltagssexismus auf die Dringlichkeit, nachhaltig Veränderung in Politik und Gesellschaft zu schaffen, hinweisen (vgl. Drüeke & Zobl 2013: 127).
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in insgesamt sieben Kapitel. Kapitel 1 leitet die Arbeit ein, indem die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes vorgestellt und die Relevanz der Thematik geschlechtsbezogener Gewalt aufgezeigt wird. Ferner werden hier der inhaltliche Aufbau und das Ziel der Arbeit veranschaulicht. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Gender Media Studies, die den theoretischen Rahmen dieser Arbeit bilden. Mithilfe wissenschaftlicher Literatur wird zunächst auf die Geschlechterforschung Bezug genommen, um im Anschluss daran näher auf die Entstehung feministischer Öffentlichkeiten und deren Auseinandersetzung mit geschlechtsbezogener Gewalt off- und online einzugehen. Im dritten Kapitel werden die Hintergründe und Inhalte von Hate Speech gegen Frauen thematisiert und in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Datenanalyse über Sexismus im Deutschrap zusammenfassend dargestellt, um die Inhalte des #UN- HATEWOMEN -Videos in einen Kontext setzen zu können. Kapitel 4 beinhaltet die Methodik. Hier wird auf die semiotische Medienanalyse eingegangen, bei der der Fokus darauf liegt, wie die mediale Repräsentation Bedeutungen produziert. Die Darstellung der Ergebnisse, die aus Viallons Kriterienkatalog „Mediensemiotik. 24 Kriterien für die Bildanalyse“ (2016) hervorgehen, erfolgt im fünften Kapitel. Untersucht werden hier insgesamt 24 Kriterien auf der auditiven, narrativen und visuellen Ebene. In Kapitel 6 werden die zentralen Ergebnisse miteinander in Beziehung gesetzt und analysiert, bevor im siebten und letzten Kapitel der Arbeit das Fazit gezogen und die Forschungsfrage beantwortet wird. Darüber hinaus erfolgt die Limitation und es wird ein Ausblick auf zukünftige Forschungen gegeben.
2. Gender Media Studies
In den Sozial- und Kulturwissenschaften gehört die Berücksichtigung des Geschlechts heutzutage zu den wesentlichen Kategorien. Insbesondere durch Medien und öffentliche Kommunikation werden Bilder der Geschlechter konstruiert, die sich im Alltag und in gesellschaftlichen Strukturen manifestieren und anschließend Diskurse hervorrufen können. Inhalt dieser Diskurse ist, „[.] welches Handeln als angemessen, welches als irritierend, provozierend oder grenzüberschreitend wahrgenommen wird“ (Lünenborg & Maier 2013: 13). Die Perspektive auf die Relevanz von Geschlecht in öffentlichen und medialen Kommunikationsprozessen wird in der Kommunikations- und Medienwissenschaft unter Gender Media Studies zusammengefasst (vgl. ebd.). Im Folgenden wird in Kürze auf die Geschlechterfor- schung Bezug genommen, um im Anschluss daran die feministischen Öffentlichkeiten näher zu beleuchten.
Ihre Anfänge hat die Geschlechterforschung (im deutschsprachigen Raum) in den 1970er Jahren. Hier entwickelte sich eine Form der Frauenforschung, die als akademische Auseinandersetzung zeitgleich mit dem Aufkommen der zweiten Frauenbewegung begann. Inhalte der Geschlechterforschung waren unter anderem die Aufdeckung von Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen - sowohl im öffentlichen Bereich (Bildungssystem und Arbeitsmarkt), als auch im Privaten (häusliche Beziehungen). Laut Lünenborg und Maier (2013: 18) kann „die Unterdrückung durch den Mann - als eigenständige Form gesellschaftlicher Ungleichheit neben z.B. Klassenunterschieden [...] als Ursache für ungleiche Bezahlung, häusliche Gewalt oder sexistische öffentliche Darstellungen [...]“ verstanden werden.
Die sozial- und kulturwissenschaftliche Geschlechterforschung kann als interdisziplinär begriffen werden. Ihr wohnen verschiedene empirische wie theoretische Konzepte inne, die Geschlecht bzw. soziale Geschlechterverhältnisse als wesentliche Komponenten von Gesellschaft begreifen (vgl. ebd.: 14). Relevant für die vorliegende Seminararbeit ist der Gleichheitsansatz, der ursprünglich auf einem liberalen Politikverständnis fußt und die Gleichbehandlung und -berechtigung von Frauen und Männern zum Ziel hat (vgl. ebd.: 18).
2.1. Feministische Öffentlichkeiten und die Sichtbarmachung geschlechtsbezogener Gewalt
Wie in Kapitel 1 bereits aufgeführt, ist die Problematik, nicht-physische Formen der Gewalt nicht als Gewalt zu begreifen, in der Gesellschaft weit verbreitet. Darüber hinaus existierte bis in die 1970er Jahre hinein kein Begriff für Gewalt, die sich ausschließlich gegen Frauen richtete. Von enormer Relevanz war daher damals wie heute ein inklusiver Gewaltbegriff, der auch als alltäglich geltende Formen wie Sexismus miteinschließt, die bisher nicht als solche galten (vgl. Geiger 2008: 209).
Laut Nancy Fraser ist Öffentlichkeit „[.] ein diskursives Forum zur Inszenierung von Konflikten, das aus verschiedenen (Teil-)Öffentlichkeiten besteht.“ (vgl. Fraser 2001; zit. nach Drüeke & Zobl 2013: 125). Sie prägte den Begriff der „subalterne[n] Gegenöffentlichkeiten“ (1996) (vgl. Fraser 1996; zit. nach Geiger 2008: 205) - feministische Öffentlichkeiten, die geschlechtsbezogene Gewalt aufzeigten. Die ab Mitte der 1970er Jahre aufkommenden feministischen Öffentlichkeiten (darunter auch die Medien der Frauenrechtsbewegung) legten so den Grundstein für die Herstellung gesellschaftlichen Einflusses und brachten die unterschiedlichen Formen geschlechtsbezogener Gewalt nach und nach hervor. Im Fokus stand zunächst se- xualisierte Gewalt gegen Frauen - „[.] vom Sexismus in der Werbung über Pornographie und sexuelle Belästigung auf der Straße bis zu Vergewaltigung“ (Geiger 2008: 205). Später rückten Gewalt in Beziehungen (Ehe und Familie) und „[.] sog. kulturell bedingte Formen der Gewalt wie Genitalverstümmelung [.]“ (ebd.) in den Vordergrund. Neben der Sichtbarmachung von geschlechtsbezogener Gewalt wurde die „strukturelle Verankerung von Gewalt an Frauen in hierarchischen Geschlechterordnungen“ aufgezeigt und als Unrecht konstituiert (ebd.: 206).
2.1.1. Feministische Auseinandersetzungen mit geschlechtsbezogener Gewalt
Mit den feministischen Öffentlichkeiten verbreiteten sich Themen, Debatten, Projekte und Initiativen wie Frauenhäuser oder Nottelefondienste, Aktionen und Kampagnen gegen geschlechtsbezogene Gewalt über die nationalen Ebenen hinaus. So galt das internationale „Tribunal zur Gewalt gegen Frauen“ in Brüssel 1976 als Anstoß für die ersten Gewaltinitiativen in Deutschland. Ein großer Erfolg der FeministInnen war laut Dackweiler (2002; zit. nach Geiger 2008: 208) ab den Achtzigern der „Anschluss an den Menschenrechtsdiskurs“. In dieser zweiten Phase der globalen Frauenbewegung gelang es durch eine langjährige internationale Kampagne und Petition vor und „[...] einem medienwirksamen Tribunal beim NGO-Forum und massivem Lobbying [...]“während der UN-Menschenrechtskonferenz 1993 das Konzept der Menschenrechte um die Frauenrechte zu erweitern (Geiger 2008: 208). Neben all diesen Fortschritten in Bezug auf die Herstellung der Sichtbarkeit von geschlechtsbezogener Gewalt, die durch die feministische Intervention erreicht wurde, besteht allerdings auch die Gefahr der Normalisierung der Gewalt gegen Frauen. Dies lässt sich damit erklären, da die Hilfsangebote und die (verbesserten) Gesetze zunehmend besser verwaltet werden (vgl. ebd.). Im Folgenden wird darauf eingegangen, wie sich in und durch die „Neuen Medien“ feministische Öffentlichkeiten bilden.
2.1.2. Feministische Öffentlichkeiten online
Durch die globale Medienkommunikation verschwimmen die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem zunehmend: so entstehen online neben den öffentlichen Medien Teilöffentlichkeiten, die SprecherInnen eine Stimme verleihen - etwa in (Frauenrechts-)Organisationen oder jenseits von Institutionen, ohne über Kapital verfügen zu müssen (vgl. Drüeke & Zobl 2013: 125 / Lünenborg & Maier 2013: 63 f.). In diesem Zusammenhang kann das Internet selbst als Ort des Protests verstanden werden, da hier über verschiedene Kanäle Personen mobilisiert werden, die an politischen Debatten teilhaben und darüber hinaus eine große Anzahl an Menschen erreichen können (vgl. Drüeke & Zobl 2013: 125). Als Beispiel für eine solche Teilöffentlichkeit jüngster Zeit kann die feministische Intervention „#aufschrei“ gelten: 2013 forderte Anne Wizorek anlässlich des „Sexismusvorwurf[s] einer Journalistin im Stern an den Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Rainer Brü- derle“ auf Twitter dazu auf unter dem genannten Hashtag Erfahrungen mit Sexismus zu teilen (ebd.). Dieser Hashtag löste eine Debatte um Alltagssexismus aus - eine Thematik, der zuvor wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Das außerordentliche Interesse daran zeigt die Notwendigkeit, sich dessen in der Politik anzunehmen (vgl. ebd: 125 f.). Zum Thema Alltagssexismus gehört auch Hate Speech, der viele Frauen online ausgesetzt sind. Im nachstehenden Kapitel wird dies näher beleuchtet.
3. Hate Speech gegen Frauen
Bisher wurde der Tatsache, wie Online Hate Speech gegen Frauen aufkam und sich über die Zeit entwickelte seitens der Forschung wenig Beachtung geschenkt. Bereits Ende der 1990er Jahre nahm diese zu. Jane (2018: 5) bezeichnet es als „new form of old misogyny“, da viele FeministInnen die Meinung vertreten, die Reduzierung von Frauen auf ihre Sexualität bzw. auf ihren „Mangel“ an sexuellem Wert reiche bis weit in die Vergangenheit zurück (vgl. ebd.: 2). Es ist empirisch bewiesen, dass Frauen online nicht nur häufiger verbal attackiert werden als Männer, sondern auch massiver (vgl. ebd.: 10). Der Großteil davon enthält „sexuell explizite Androhung von Gewalt“ (ebd.: 13; eigene Übersetzung) und beinhaltet darüber hinaus häufig detaillierte Angaben über die Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien der Verfasser, wie beispielshalber die Art und Weise, den Ort oder den Zeitpunkt (vgl. ebd.: 10). Hate Speech (gegen Frauen) ist so normalisiert, dass ein Großteil der Gesellschaft diese nicht ernst nimmt, obwohl viele Frauen auf unterschiedliche Weise darunter leiden (vgl. ebd.: 3f.). Paradoxerweise erfahren diese oftmals massive Anfeindungen, wenn sie (öffentlich) darüber berichten (vgl. ebd.: 13).
Eine weitere Problematik besteht darin, dass sich immer mehr verbale Angriffe, die zunächst online stattfinden auf das reale Leben offline ausweiten (vgl. ebd.: 4). Dass Misogynie mittlerweile „viral“ (Jane 2018: 3) geworden ist, bestätigen auch die Ergebnisse einer Studie zum Thema Sexismus im Deutschrap, die im Folgenden dargestellt wird.
Im Rahmen einer vom Spiegel durchgeführten Datenanalyse von Sexismus im Deutschrap wurden 30.000 Songtexte von den 437„wichtigsten Künstlerinnen und Künstler[n] des Genres Deutschrap“ (Rohwer 2020) auf (mehr als 300) sexistische Begriffe untersucht. Als Quelle für die Auswahl der wichtigsten MusikerInnen galten die Hip-Hop Charts, die seit März 2015 von Media Control veröffentlich wurden und das von Bortot und Wehn verfasste Buch „Könnt ihr uns hören? Eine Oral History des deutschen Raps“. Insgesamt wurden die Texte aus einem Zeitraum von rund 40 Jahren Deutschrap analysiert. Die Begriffe wurden in einer händischen Materialsichtung zusammengetragen, von denen die meist genannten („Bitch“, „Hure“, „Schlampe“, „Nutte“ und „Fotze“) als Schlüsselwörter gelten.
Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Verwendung von sexistischem Vokabular nicht erst mit den Rappern der neuen Generation wie Gzuz oder Bonez MC aufkam, sondern die genannten Schlüsselwörter seit Beginn der 2000er Jahre „in mindestens jedem zehnten veröffentlichten Rap-Song“ (ebd.) wiederzufinden sind. Durch die Orientierung am amerikanischen Battlerap seitens Kool Savas und Taktloss (Westberlin Maskulin) und die Gründung des Labels Aggro Berlin im Jahr 2001, dem Sido, Fler und Bushido angehörten wurde vulgäres Vokabular zum festen Bestandteil von Deutschrap. Straßen- bzw. Gangsterrap wurde zum Mainstream und KünstlerInnen mit (überwiegend) jugendfreien Inhalten wie Fettes Brot und die Fantastischen Vier rückten in den Hintergrund.
Im Jahr 2005 erreichte der Anteil der analysierten Deutschrapsongs mit sexistischen Begriffen mit 30 Prozent seinen Höhepunkt, um dann bis zum Jahr 2009 (Auflösung von Aggro Berlin) stetig abzunehmen. Auffällig ist, dass im Jahr 2018 mit 26 Prozent besonders viele sexistische Begriffe in den Songs auftauchten und 2019 der bisher stärkste Rückgang (mehr als acht von zehn Songs ohne Schlüsselbegriffe) zu verzeichnen ist. Dies lässt sich zum einen damit erklären, dass Rapper wie Sido und Kool Savas mit der Zeit zunehmend jugendfreiere Texte veröffentlichten und sich immer mehr Rapperinnen - zum Beispiel das Duo SXTN - etablierten, die zwar sexistische Begriffe nutzen, dies jedoch gezielt tun, um so die „Macht“ über diese zu erlangen. Eine andere Erklärung für den (vermeintlichen) Rückgang ist, dass Sexismus schlichtweg subtiler geworden ist. Dieser „Sexismus zwischen den Zeilen“ kommt ohne die Nennung sexistischer Begriffe aus und transportiert dennoch ein frauenfeindliches Bild (vgl. Rohwer 2020).
Im Folgenden wird im Methodenkapitel auf den semiotischen Ansatz eingegangen, um anschließend in die Analyse des #UNHATEWOMEN -Videos überzugehen.
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