Chancengleichheit in der Hochschule? Prädiktoren des Studienerfolgs im Psychologiestudium


Bachelorarbeit, 2021

68 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand
1.1 Wer Psychologie studiert
1.2 Die Suche nach Auswahlkriterien
1.3 Forschungsbefunde zur Hochschulzugangsberechtigung in der Psychologie
1.4 Die Entwicklung von Studierfähigkeitstests für die Psychologie
1.5 Kritik an der Hochschulzugangsberechtigung als (alleiniger) Prädiktor für Studienerfolg
1.6 Die Koppelung des Bildungserfolgs an die soziale Herkunft
1.7 Belastungen: Einkommen und Zeit als relevante Prädiktoren für Studienerfolg
1.7.1 Hochschulzugangsberechtigung als ungeeigneter Prädiktor für die Studiendauer
1.7.2 Einfluss der Erwerbstätigkeit und Zeit auf den Studienerfolg
1.8 Fragestellung und Hypothesen

2. Methodisches Vorgehen
2.1 Versuchsdesign und Durchführung
2.2 Stichprobe
2.3 Untersuchungsmaterial
2.4 Operationalisierung der Fragestellungen
2.4.1 Erfassung der soziodemographischen Variablen
2.4.2 Empirische Hypothesen

3. Ergebnisse
3.1 Statistische Analyse
3.1.1 Allgemeines
3.1.2 Demographische Stichprobencharakteristika
3.1.3 Dateninspektion und Datenaufbereitung
3.1.4 Umgang mit fehlenden Werten
3.2 Item- und Indikatorenanalyse
3.3 Korrelationsmatrix aller Indikatoren
3.4 Prüfung der Voraussetzungen der multiplen Regression
3.4.1 Spezifikation des Modells
3.4.2 Multikollinearität
3.4.3 Ausreißer und einflussreiche Datenpunkte
3.4.4 Messfehlerfreiheit der Prädiktoren
3.4.5 Unabhängigkeit der Residuen
3.4.6 Normalverteilung der Residuen auf Populationsebene
3.4.7 Homoskedastizität auf Populationsebene
3.5 Hypothesentestung
3.5.1 Hypothese 1
3.5.2 Hypothese 2a
3.5.3 Hypothese 2b
3.5.4 Hypothese 3a
3.5.5 Hypothese 3b
3.5.6 Hypothese 3c

4. Diskussion

Quellenverzeichnis

Anhang

Zusammenfassung

Da eine intensive Debatte [u.a. Psychologische Rundschau, 2005, Band 56 (2)] darüber geführt wird, wie objektive und faire Auswahlkriterien für die Studienplatzvergabe in Studiengängen der Psychologie gestaltet sein müssen, soll diese Studie die Fragestellung vertiefen, ob die Hochschulzugangsberechtigung (z.B. Abiturgesamtnote) ein signifikanter Prädiktor für Studienerfolg (operationalisiert über die Bachelorabschluss-Gesamtnote) ist. Es geht zum einen um die Frage, ob die gefundenen Korrelationen zwischen der Hochschulzugangsberechtigung und der Bachelorabschluss-Gesamtnote (Janke & Dickhäuser, 2018) bei Psychologiestudierenden aktueller Bachelor- und Masterstudiengänge repliziert werden können. Zum anderen geht es um die Frage, ob zusätzliche, bisher nicht beachtete Merkmale (u.a. die durchschnittliche Wochenstundenzeit für eine Erwerbstätigkeit ; durchschnittliche Wochenstundenzeit für andere Tätigkeiten: Freizeit, Hobbys, Betreuungstätigkeit; durchschnittliche Wochenstundenzeit für das Bachelorstudium ) einen Einfluss haben auf den Studienerfolg. An der ex post facto Studie nahmen N = 41 Master-Studierende (22-36 Jahre, 73,2% weiblich) des Fachbereichs Psychologie der Philipps-Universität Marburg teil, wobei die Merkmale mittels selbst konzipiertem Online-Fragebogen retrospektiv erfasst wurden. Die Ergebnisse replizieren die bisher gefundenen Korrelationen zwischen der Hochschulzugangsberechtigung und der Bachelorabschluss-Gesamtnote. Die Hochschulzugangsberechtigung ist aber kein signifikanter Prädiktor für die Bachelorabschluss-Gesamtnote, wenn die Merkmale Wochenstundenzeit für eine Erwerbstätigkeit, Wochenstundenzeit für das Bachelorstudium und Wochenstundenzeit für andere Tätigkeiten statistisch kontrolliert werden. Die Wochenstundenzeit in einer Erwerbstätigkeit, sowie die investierte Wochenstundenzeit für das Bachelorstudium haben einen signifikanten Einfluss auf den Studienerfolg, allerdings nur, wenn die Hochschulzugangsberechtigung und alle anderen Prädiktoren im Modell statistisch konstant gehalten werden. Das Gesamtmodell erreichte eine signifikante Varianzaufklärung des Kriteriums Bachelorabschluss-Gesamtnote. Die Ergebnisse illustrieren die Relevanz, dass, neben der Hochschulzugangsberechtigung, weitere Prädiktoren in der Forschung und an den Hochschulen bei der Studierendenauswahl untersucht und berücksichtigt werden sollten.

Schlagworte: Studienerfolg, Psychologiestudium, Chancengleichheit, Hochschulzugangsberechtigung, Studienplatzvergabe, Auswahlkriterien, Studierendenauswahl, Bachelorstudium

Figurenverzeichnis

Figur 1 Pfadmodell der intendierten Zusammenhänge der Hypothesen 1; 2a, 2b; 3a, 3b, 3c

Figur 2 Pfadmodell mit zusätzlichem Prädiktor WST_AT²

Figur 3 Spezifiziertes Pfadmodell mit einem Prädiktor (X), Mediator (M), Kriterium (Y) und drei Kontrollvariablen (C1, C2, C3)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Demographische Stichprobencharakteristika der Gesamtstichprobe 35

Tabelle 2 Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der Items Nr. 3,4 und 5 des Indikators Wochenstundenzeit für andere Tätigkeiten (WSZ_AT), sowie Nr. 6 und 7 des Indikators Wochenstundenzeit für das Bachelorstudium (WSZ_BS) (n = 37) 43

Tabelle 3 Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen aller Indikatoren für das spezifizierte Pfadmodell 45

Tabelle 4 Multiples Regressionsmodell mit Prädiktor (X), Mediator (M) und drei Kontrollvariablen (C1, C2 und C3) 53

Chancengleichheit in der Hochschule?! Prädiktoren des Studienerfolgs im Psychologiestudium

Zunächst wird die Relevanz des Themas dieser Studie erläutert. Danach wird der theoretische Vorder- und Hintergrund, mit Befunden aktueller Forschung, dargelegt. Vertiefend werden hieraus Widersprüchlichkeiten und Fragen formuliert, aus denen die Hypothesen abgeleitet wurden.

Im Anschluss folgen die Ausführungen zur Methodik, insbesondere zum Versuchsdesign, Stichprobe, Untersuchungsmaterial und Operationalisierung der Fragestellungen.

Der Ergebnisteil umfasst die statistische Analyse, Item- und Indikatorenanalyse, Korrelationsmatrix aller Indikatoren, Prüfung der Voraussetzungen zur Rechnung der parametrischen Verfahren und die Ergebnisdarstellung/Ergebnisauswertung.

Am Ende folgt der Diskussionsteil mit einer kurzen Zusammenfassung, einer Einordnung der gefundenen Zusammenhänge in den bisherigen theoretischen Hintergrund und den empirischen Forschungsstand. Es folgen Anmerkungen zu Limitationen dieser Studie. Ausblicke und Forschungsdiserdirate schließen die Arbeit ab.

Einleitende Sätze bilden die Übergänge zwischen den Abschnitten. Es wurden die Tabellen – zur besseren Verständlichkeit – im Text belassen. Im Anhang sind hingegen alle Materialien, die nicht für das unmittelbare Verständnis der Ausführungen im Text erforderlich sind. Es wurde darauf geachtet, eine geschlechtergerechte Sprache zu wählen, indem zum einen substantivierte Partizipien (z.B. Studierende), zum anderen die weibliche und männliche Geschlechtsform (z.B. Schülerinnen und Schüler, Lehrer/-innen) genannt werden.

1. Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand

Das große Interesse an dem Fach Psychologie ist vor allem bei jungen Menschen ungebrochen. Dies führt seit Jahren, nicht nur im deutschsprachigen Raum, zu einer großen Nachfrage an Studienplätzen (Abele-Brehm, 2017; Antoni, 2019; Margraf, 2015). Im Wintersemester 2014/15 waren es an den Hochschulen/Fachhochschulen (mit FernUni Hagen) 64.674 Studierende im Fach Psychologie, wobei diese Zahl im Wintersemester 2016/17 auf 75.448 Studierende anstieg (Antoni, 2019). Der durchschnittliche Numerus clausus lag im Wintersemester 2015/16 an den deutschen Universitäten bei 1,4 mit einer Spannbreite von 1,1 bis 1,7 (Abele-Brehm, 2017). Nach Margraf (2015) lag er im Jahr 2013 an den 20 größten deutschen Universitäten im Durchschnitt bei 1,3. Der Anstieg an Studierenden sowie der Mangel an Studienplätzen, führten zu einem immer schlechter werdenden Betreuungsverhältnis (das heißt der Anzahl Studierender pro Professor und Professorin). Dies äußert sich darin, dass die Betreuungsrelation im Jahr 2010, von 47 auf 61 Studierende im Wintersemester 2016/17 (ohne FernUni Hagen), anstieg (Antoni, 2019). Das schlechte Betreuungsverhältnis wird regelmäßig angemahnt (Abele-Brehm, 2017; Antoni, 2019; Margraf, 2015) und wird auch in absehbarer Zeit keine Veränderung erfahren. Psychologie gehört zu den am stärksten nachgefragten Fächern - es fallen ca. 8,5 Bewerberinnen und Bewerber pro Studienplatz an (Margraf, 2015). Zum Vergleich: im Jahr 2011 fielen auf einen Medizinstudienplatz ca. 4 Bewerber und Bewerberinnen an (Margraf, 2015). Auch dieser Trend dürfte sich verstärkt haben. Aufgrund des hohen Numerus clausus weichen viele Bewerberinnen und Bewerber auf private Hochschulen aus, vor allem jene, die wegen einer nicht ganz so guten Abiturnote keinen Studienplatz bekommen haben. Üblicherweise müssen sie dort mehrere hundert Euro Studiengebühren pro Semester bezahlen, sodass sie neben dem Studium in größerem Maße einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen (Roeder & Meudt, 2018)

Somit stellt sich die Frage nach fairen Auswahlkriterien, welche zum einen transparent und nachvollziehbar für die Bewerberinnen und Bewerber sind und zum anderen sicherstellen, dass diejenigen, welche einen der begehrten Studierendenplätze bekommen, diesen auch nicht vorzeitig abbrechen - also die Abbruchquote insgesamt gering ist (Stemmler, 2005). Es stellen sich Fragen zu wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Kriterien, an denen sich Auswahlverfahren beim Zugang zum Psychologiestudium orientieren müssen (Trost, 2005a, 2005b) und Fragen bezüglich der (prognostischen) Validität dieser Auswahlverfahren, um mittels geeigneter Prädiktoren den Studienerfolg vorhersagen zu können. Bei einer hohen Basisrate, einer geringen Selektionsrate, um die Anzahl der selektiert geeigneten zu erhöhen, werden hohe Anforderungen an die Validität der einsetzbaren Auswahlverfahren gestellt (Stemmler, 2005). Eine hohe Basisrate ist dadurch gegeben, dass der Anteil der ohne Testung erfolgreichen Bewerber/-innen hoch ist. Eine geringe Selektionsrate meint, dass der Anteil der zunächst ohne Testung erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerber, die später einen bestimmten Testtrennwert überschreiten, gering ist. Die Effizienz von Auswahlentscheidungen kann, auch bei mäßig validen Testverfahren, entsprechend beider Raten beeinflusst werden (Schmidt-Atzert & Amelang, 2012, S. 418).

Im folgenden Abschnitt geht es um die Frage, wer Psychologie studiert und wie anteilig Frauen und Männer verteilt sind.

1.1 Wer Psychologie studiert

Der Frauenanteil im Psychologiestudium ist leicht zunehmend und beträgt ca. 79,4% für den Bachelor und 82% für den Master (Abele-Brehm, 2017). Im Jahr 2016 lag der Studierendenanteil der Frauen noch bei rund 75%. Der Anteil der Frauen bei den Studienabschlüssen liegt höher als ihr Anteil an den Studierenden (Antoni, 2019). Mit ihrem Abschluss im Bachelor waren Studierende im Jahr 2014 im Durchschnitt 23,3 Jahre alt (Abel-Brehm, 2017). Der Durchschnitt der absolvierten Semester lag bei 6,5 (Abele-Brehm, 2017). Mit dem Abschluss des Masters, der in der Regel an das 6-semestrige Bachelorstudium mit 4 Semestern anschließt, auch als konsekutive Bachelor- und Masterstudiengänge seit der Bologna-Reform bezeichnet (Klomfaß, 2011), sind Studierende etwa 25,3 Jahre alt (Abele-Brehm, 2017). Im Vergleich: eine Stichprobe, die zwischen 1995 und 2001 (vor der Bachelor-Master-Reform) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Diplomstudiengang Psychologie immatrikuliert war, erreichte im Durchschnitt in 12 Semestern ihren Abschluss (Steyer et al., 2005). Für den Bachelorabschluss sind meist 180 bis 240 Leistungspunkte vorgesehen, für den darauffolgenden Master meist 60 bis 120. Insgesamt sind maximal 300 Leistungspunkte bis zum Masterabschluss zu erreichen, was einem Vollzeitstudium von 5 Jahren entspricht (Klomfaß, 2011, S. 84).

Im folgenden Abschnitt geht es darum, nach welchen Kriterien die Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern stattfindet.

1.2 Die Suche nach Auswahlkriterien

Gerade wegen der hohen Basisrate und der knappen Anzahl an Studienplätzen stellt sich die Frage nach fairen und objektiven Auswahlkriterien. Das Bundesverfassungsgericht (2018) mahnte in seinem Urteil vom 19. Dezember 2017 an,

„dass bei der Verteilung knapper Studienplätze entsprechende Regelungen angewendet werden müssen, die sich am Kriterium der Eignung orientieren, wobei die zur Vergabe knapper Studienplätze herangezogenen Kriterien auch die Vielfalt der möglichen Anknüpfungspunkte zur Erfassung der Eignung berücksichtigen sollen“.

Welche Kriterien gibt es, die die Eignung, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, berücksichtigen?

Das Urteil spricht davon, dass zur Erfassung der Eignung, die Hochschulen nicht nur die Abiturgesamtnote als Auswahlkriterium verwenden dürfen, sondern ein ergänzendes, nicht schulnotenbasiertes Auswahlkriterium (Deutsche Gesellschaft für Psychologie [DGPs], 2018). Was genau zur Eignung herangezogen werden sollte und wenn überhaupt vorhanden, diese „Vielzahl an Möglichkeiten“ zur Erfassung der Eignung aussehen könnte, damit beschäftigte sich ein Diskussionsforum der Psychologischen Rundschau [siehe Diskussionsforum in der Psychologischen Rundschau, 2005, Band 56 (2)]. In der Debatte ging es vor allem um die prognostische Güte bekannter und bereits von den Hochschulen in Anwendung befindlicher Auswahlverfahren, bspw.: unstrukturierte Interviews, schriftliche Begründungen oder Hinzunahme von Fachnoten zu der Abiturdurchschnittsnote (Schmitt, 2005). Dabei wurde der Mangel, vor allem an wissenschaftlicher Fundierung der Verfahren und der fehlenden Berücksichtigung ihrer (prognostischen) Validität, inkrementellen Validität, Fairness, Nützlichkeit und dem Einfluss von Störfaktoren, sowie den daraus folgenden Verzerrungen der Ergebnisse, kritisiert (Schmitt, 2005; Trost, 2005). Es wurde im Forum diskutiert, dass die Abiturdurchschnittsnote als der beste Einzelprädiktor für Studienerfolg gilt (Trost, 2005), jedoch auch Einschränkungen bezogen auf die Vergleichbarkeit von Schule zu Schule bzw. Bundesland zu Bundesland aufweist (Stemmler, 2005).

Es wurden mittlere korrigierte Validitätskoeffizienten in einer Metaanalyse von Trapmann et al. (2007) zwischen Schuldurchschnittsnoten und dem Studienerfolgskriterium Studiennoten gefunden, die sich in der Höhe von .26 bis .53 bewegten. Moderatoranalysen zeigten auch signifikante Einflüsse des Landes, wobei für Deutschland die höchsten Validitäten für Schuldurchschnittsnoten gefunden wurden (ρ = .53) (Trapmann et al., 2007).

In Folge wurde eine rege Forschung zu den gefundenen Zusammenhängen betrieben, um genau zu untersuchen, wie stark die Korrelation zwischen der Abiturgesamtsnote und dem Studienerfolg ist, speziell bei Psychologie-Studierenden (siehe Schmidt-Atzert, 2005; Steyer et al., 2005; Wedler et al., 2008).

Im folgenden Absatz geht es um die Darstellung der gefundenen Zusammenhänge bei Psychologie-Studierenden.

1.3 Forschungsbefunde zur Hochschulzugangsberechtigung in der Psychologie

Die Studien von Schmidt-Atzert (2005) und Steyer et al. (2005), welche die prädiktive Validität der Hochschulzugangsberechtigung (HZB) (operationalisiert über die Abiturgesamtnote, mit der sich die Schülerinnen und Schüler beworben haben) auf den Studienerfolg (operationalisiert über die Vordiplom- bzw. Hauptdiplomgesamtnote), fanden enge Zusammenhänge zwischen der Abiturgesamtnote und der Vordiplomnote ( r = .37; p < .01) bzw. zwischen Abiturnote und der Hauptdiplomgesamtnote ( r = .28; p < .01). Die Autoren/-innen untersuchten hierbei Psychologie-Studierende (Schmidt-Atzert, 2005; Steyer et al., 2005). Es ist davon auszugehen, dass die Abiturgesamtnote als ein aggregierter Mittelwert deutlich reliabler ist als Einzelnoten, weil in sie Leistungen aus allen Schulfächern (sowohl schriftliche als auch mündliche) und die Beurteilungen mehrerer Lehrer/-innen über einen längeren Zeitraum eingehen (Formazin et al., 2011; Trapmann et al., 2007). Einzelnoten enthalten weniger Information als die HZB-Note und Bewertungsunterschiede zwischen Lehrer/-innen fallen bei der Bewertung von unterschiedlichen erbrachten Schulleistungen deutlicher ins Gewicht (Formazin et al., 2011).

Wedler et al. (2008) fanden kaum inkrementelle Validität für Einzelnoten bei Modellrechnungen in multiplen Regressionsanalysen, die die Studienerfolgsvorhersage (operationalisiert über die Vordiplom- bzw. Hauptdiplomgesamtnote) über die HZB-Note verbessern sollten. Die von ihnen gefundenen Korrelationen zwischen Abiturnote und der Vordiplomnote war hoch positiv ( r = .57; p < .001) bzw. mit der Hauptdiplomgesamtnote ( r = .48; p < .001) (Wedler et al., 2008). Eine neuere Studie (Troche et al., 2014), die als Stichprobe Bachelor- und Masterstudierende der Psychologie untersuchte, fand moderate positive Zusammenhänge zwischen der Maturanote und der Bachelor-Abschlussnote ( r = .48; p < 001) bzw. Maturasnote und der Masterabschlussnote ( r = .37; p < 001). In dieser Studie wurde eine schweizerische Stichprobe untersucht, in der die Maturanote der deutschen Abiturnote äquivalent ist.

Janke und Dickhäuser (2018) fanden moderate Zusammenhänge zwischen der HZB-Note und der Bachelorabschluss-Gesamtnote ( r = .41; p < .001), wobei nach multiplen Regressionsanalysen eine signifikante Varianzaufklärung der HZB auf das Kriterium Bachelorabschluss-Gesamtnote 30% in der Gesamt- und 21% in einer Teilstichprobe betrug. Hierbei ging in das Regressionsmodell die HZB mit einem Gewicht von 99% ein und hatte damit, im Gegensatz zu ihrem Modell, die die HZB mit nur 51% gewichtete (der prozentuale Rest verteilte sich auf Einzelnoten und/oder praktische Erfahrungen) die höchste Vorhersagekraft. Das fehlende Prozent bei dem 99%-Modell teilte sich auf zwischen Mathematiknote und Englischnote.

Die Autoren versuchten durch die unterschiedliche Gewichtung der HZB (99%; 80%; 51%) in ihren Regressionsmodellen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die hochschuleigenen Auswahlverfahren sich als sehr unterschiedlich gestalten, was die Anzahl und jeweilige Gewichtung der verwendeten Zulassungskriterien betrifft.1

Der Bund hat im Rahmen eines Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen beschlossen, dass ein festgelegter Anteil an Studienplätzen (maximal 20%) im Rahmen von Vorabquoten für bestimmte Bewerberinnen und Bewerber (wie z.B. Härtefälle oder Zweitstudium) vergeben werden. Achtzig Prozent der Studienplätze werden über Hauptquoten vergeben, die aber dem jeweiligen Landesrecht unterliegen (Janke & Dickhäuser, 2018). Hierbei entscheiden die Bundesländer zum einen nach Wartezeiten und/oder Abschlussnote der HZB und zum anderen nach hochschuleigenen Auswahlverfahren (Janke & Dickhäuser, 2018). Diese hochschuleigenen Auswahlverfahren sind sehr unterschiedlich was die verwendeten Kriterien anbelangt, wobei dies in den eigenen Hochschulzulassungsgesetzen geregelt wird. Das Bundesland Baden-Württemberg verwendet mindestens zwei Kriterien, wobei eins davon außerschulisch sein soll. Sachsen hingegen sieht mindestens ein Kriterium bei der Zulassung vor. Der Freistaat Thüringen setzt mindestens ein weiteres Kriterium zu der HZB-Note voraus, wobei die HZB aber gleichgewichtig behandelt werden soll (Janke & Dickhäuser, 2018).

Das Problem bei älteren Studien (z.B. Steyer et al., 2005; Wedler et al., 2008) ist, dass sie in Regressionsanalysen Einzelnoten und HZB-Note gleichgewichtig einbeziehen, was aber mit den Rahmenbedingungen der jeweiligen Hochschulzugangsgesetze, die mitunter eine höhere Gewichtung der HZB verlangen, nicht kompatibel ist (Janke & Dickhäuser, 2018).

Im Ergebnis konnten Janke und Dickhäuser (2018) zeigen, dass Einzelnoten nicht inkrementell valide sind für den Studienerfolg von Bachelorstudierenden und keine relevanten Varianzanteile über die HZB-Note aufklären können.

Im folgenden Absatz geht es um die Entwicklung und Zweckdienlichkeit des Studierfähigkeitstests für Psychologiestudiengänge.

1.4 Die Entwicklung von Studierfähigkeitstests für die Psychologie

Der Versuch, inkrementelle Validität, also eine Studienerfolgsvarianz über die HZB-Note hinaus, aufklären zu wollen, führte in der Psychologie zur Entwicklung eines Studierfähigkeitstests (Formazin et al., 2011). Dies wurde auch von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie gefordert (DGPs, 2005, 2018). Bezogen auf den deutschen Sprachraum wurde in einer Metaanalyse von Schult et al. (2019) berichtet, dass fachspezifische Studierfähigkeitstests ungefähr 8% der Studiennotenvarianz über die HZB hinaus erklären können. Der Studierfähigkeitstest speziell für Psychologie, von Formazin et al. (2011), erhöhte, über die HZB-Note hinaus, die Varianzaufklärung im Kriterium Studienleistung (nach zwei Jahren von n = 79 Studierenden erhoben) auf manifester Ebene um 6% (inkrementeller Zuwachs). Eine genauere Analyse der Testbatterie ergab, dass die Leistung in allen dort verwendeten sieben Tests (Matrizen, Propositionen, Gleichungen, Psychologieverständnis, Mathematik, Englisch und Biologie) zurückführbar war auf zwei latente Faktoren ( Schlussfolgerndes Denken [fluide Intelligenz], Wissen [kristalline Intelligenz]) (Formazin et. al., 2011). Beide latente Faktoren konnten 44% der Varianz des Kriteriums Studienleistung aufklären. In einem weiteren Schritt wurde die HZB-Note mit Ladungen auf den beiden Faktoren in das Modell integriert. Diese Ergänzung auf der Seite der Prädiktoren des Strukturgleichungsmodells ergab eine zufriedenstellende Passung des Modells und die Varianzaufklärung des Kriteriums Studienleistung betrug 52%. Die Autor/-innen reflektierten kritisch die geringe Anzahl an Studierenden auf der Seite des Kriteriums, was dazu geführt haben könnte, dass die Modellanpassung für die Strukturmodelle zu günstig ausfiel (Formazin et al., 2011).

Im folgenden Abschnitt geht es um die Kritik an der Hochschulzugangsberechtigung von Seiten der Forschung, bzw. um die Einbettung der Fragestellung der Studierendenauswahl in einen erweiternden gesellschaftlichen und sozialen Kontext.

1.5 Kritik an der Hochschulzugangsberechtigung als (alleiniger) Prädiktor für Studienerfolg

Zwar scheinen die in den bisherigen Studien untersuchten Prädiktoren gut geeignet zu sein, den Studienerfolg vorherzusagen, die Frage ist aber, welche Prädiktoren könnten noch eine Rolle spielen bei der Aufklärung der Varianz im Kriterium Studienerfolg? Die HZB-Noten sind kaum zu vergleichen, da ihre Vergabe davon abhängig ist, in welchem Bundesland sie erlangt werden und welche Schulform ein(e) Schüler/-in besucht hat. Selbst die Einzelschulen innerhalb der gleichen Schulform spielen eine Rolle (Rindermann, 2005). Die Unterschiede bleiben zwischen den Abiturjahrgängen auch dann bestehen, wenn ein Zentralabitur eingeführt wird, da neben den Prüfungsaufgaben auch die Auswertung zentral erfolgen müsste (Rindermann, 2005). Einzelfächer können nach wie vor von Schülern abgewählt werden, sodass sich die Abiturdurchschnittsnote inhaltlich unterschiedlich zusammensetzt. Insgesamt schränkt dies die HZB als Prädiktor in ihrer Validität und Reliabilität ein. Schulnoten haben außerdem den Makel, dass sie vergeben werden um zurückliegende Leistungen zu beurteilen, nicht um Leistungen zu prognostizieren (Schuler, 2010). Sie sind kein expliziter eignungsdiagnostischer Indikator für das Konstrukt Studienerfolg, sondern werden von Lehrern vergeben, um das Konstrukt Schulleistung abzubilden und interindividuelle Unterschiede bzw. intraindividuelle Veränderungen sichtbar zu machen (Tent & Birkel, 2010). Außerdem unterstellen Schulnoten eine Präzision, die theoretisch und messtechnische nicht gegeben ist, da durch die Berechnung eines (gewichteten) Mittelwertes, der meistens die HZB darstellt, Intervallskalenniveau angenommen wird (Tent & Birkel, 2010). Die Skala der aufeinanderfolgenden Zahlen (1, 2, 3, 4, 5, 6) schafft die Illusion von Äquidistanz und täuscht eine höhere Skalenqualität als die real gegebene ordinale Skalierung vor (Rost, 2013, S. 208). Die gefundenen Korrelationen von Zensuren und Testwerten ist oft innerhalb der Klassen hoch, zwischen den Klassenmittelwerten aber niedrig (Tent et al., 1976). Somit macht es die Leistungsvarianz zwischen den Gymnasien fragwürdig, den Hochschulzugang über Abiturgesamtnoten zu regeln (Tent et al., 1976). Die gängige Praxis, die Bachelorabschluss-Gesamtnote in den Studiengängen der Psychologie als eine (gewichtete) Durchschnittsnote zu berechnen, stellt sich in diesen Zusammenhängen ebenso als sehr fragwürdig heraus.

Auch wenn die Vorhersage der Studienleistung, trotz der geringen Vergleichbarkeit der HZB-Noten und ihrer messtheoretischen Ungenauigkeit, gut gelingt, stellen sich auch Fragen der Fairness für einzelne Bewerberinnen und Bewerber bzw. ganzer Bewerberinnen- und Bewerbergruppen (Formazin et al., 2011), wenn die Frage des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg berücksichtigt wird.

1.6 Die Koppelung des Bildungserfolgs an die soziale Herkunft

Dass die Koppelung des Bildungserfolgs in Deutschland an die soziale Herkunft im internationalen Vergleich überdurchschnittlich ausgeprägt ist (Ditton & Maaz, 2011), belegen die groß angelegten internationalen Schulleistungsstudien PIRLS/IGLU, TIMMS und PISA (Blossfeld et al., 2019). Im deutschen Schulsystem können außerschulische Lernvoraussetzungen, die primären Effekte der sozialen Herkunft, nicht ausgeglichen werden, sodass Kinder höherer sozialer Schichten eher bessere Schulleistungen aufweisen als Arbeiterkinder (Becker & Schubert, 2005). Kinder aus höheren sozialen Schichten gelangen aufgrund von gezielter Förderung, einer besseren Ausstattung und Erziehung eher zu Fähigkeiten, die in der Schule von Vorteil sind (Becker & Schubert, 2005). Die elterlichen Bildungsentscheidungen sind ausschlaggebend für den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder, wobei diese Entscheidungsprozesse in Abhängigkeit von den ökonomischen Ressourcen der Privathaushalte zwischen den Sozialschichten variieren (Becker & Schubert, 2005). Hierbei wird auch von sekundären Effekten der sozialen Herkunft besprochen (Ditton & Maaz, 2011).

Brandstätter und Farthofer (2003) fanden in ihrer Studie weder einen linearen, noch einen verkehrt u-förmigen Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation der Herkunftsfamilie und dem Umfang des Zuverdienstes Studierender. Verkehrt u-förmig wäre der Zusammenhang zu erwarten, wenn bei einem geringen Familieneinkommen Stipendien den Ausgleich schaffen und bei hohem Einkommen die Eltern eine Unterstützung geben. Der Zusammenhang wurde auch nicht bestätigt, als die Anzahl der Geschwister mit berücksichtigt wurde.

Wie die Autoren richtig reflektieren, schließen die Ergebnisse nicht aus, dass Studierende auf Erwerbstätigkeit angewiesen sein könnten, weil die Eltern ihr Studium nicht ausreichend finanzieren wollen oder diese nicht die notwendigen Nachweise gegenüber den Behörden erbringen, um Studienbeihilfe zu beantragen. Schwachpunkt der Studie ist, dass die Autorinnen und Autoren nicht das objektive Einkommen der Eltern erfassten, sondern das Bildungsniveau beider Eltern als Summe verrechneten und dies als Indikator für die finanzielle Situation der Herkunftsfamilie verwendeten. Der Zusammenhang müsste in zukünftigen Studien mittels objektiver Maße überprüft werden, da ein Hochschulabschluss der Eltern nicht Garant für ein entsprechendes hohes Einkommen gegenüber Eltern mit einem Haupt- oder Realschulabschluss ist.

Neben den Effekten der sozialen Herkunft auf den Studienerfolg gibt es auch Bedenken, dass die HZB zwar eine hohe Prädiktionskraft besitzt, allerdings weitere Varianzanteile des Kriteriums Studienerfolg durch andere Prädiktoren erklärt werden könnten. Weitere Prädiktoren wären z.B. Motivation, Persönlichkeitsmerkmale und die notwendige Erwerbstätigkeit (Formazin et al., 2011), mit dem damit verbundenen Einkommen (zur alleinigen oder zusätzlichen Sicherung des Lebensunterhalts). Die damit zusammenhängenden Belastungen können durch die Erwerbstätigkeit selbst kommen, aber auch durch zeitliche Einschränkungen durch eine geringere Wochenstundenzeit zur Erfüllung der Pflichten des Studiums.

Ergänzend muss erwähnt werden, dass die internationalen Schulvergleichsstudien PRILS/IGLU, TIMSS und PISA, aufgrund des quasi-experimentellen Versuchsdesigns, Störvariablen nicht kontrollieren können, was bedeutet, dass sie keine Kausalität belegen können (Rost, 2013, S. 82).

Die folgenden Abschnitte (1.7; 1.7.1, 1.7.2) gehen im Detail auf mögliche Belastungen von Studierenden im Studium (der Psychologie) ein.

1.7 Belastungen: Einkommen und Zeit als relevante Prädiktoren für Studienerfolg

Brandstätter und Farthofer (2003), sowie Schmidt-Atzert (2005) berichten, dass weitere bedeutsame Prädiktoren für den Studienerfolg berücksichtigt werden sollten, wie z.B. das Einkommen der Studierenden, die Zeit oder die persönliche und familiäre Situation. Eine alleinige Fixierung auf den Prädiktor HZB könnte eine Reduktion der Fragestellung darstellen und unterstellen, dass die Studienplatzvergabe nach einem Leistungsprinzip erfolgt. Dies wird teilweise in Frage gestellt und argumentiert, dass die Fixierung auf ein Leistungsprinzip als Alibi benutzt wird, um über Ungleichheiten hinwegzusehen (Klomfaß, 2011).

Diese Annahmen gilt es ausreichend durch empirische Untersuchungen zu prüfen. Ob ein Leistungsprinzip - unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen - überhaupt anwendbar ist, scheinen soziologische Untersuchungen (siehe Blossfeld et al., 2019; Ditton & Maaz, 2011) in Teilen zu widersprechen.

1.7.1 Hochschulzugangsberechtigung als ungeeigneter Prädiktor für die Studiendauer

Neben der Erfassung von Studiennoten, wird auch die Studiendauer als Studienerfolgsindikator verwendet (Menzel, 2005). Die Studie von Janke und Dickhäuser (2018) konnte die Ergebnisse von Wedler et al. (2008) nicht replizieren, dass auch die HZB-Note für Studiendauer prädiktiv sei.

Die gefundenen Zusammenhänge zwischen der Zeit zu Beginn des Studiums bis zum Vordiplom mit der Abiturgesamtnote waren moderat ( r = -.31; p < .001) (Weder et al., 2008). Zwischen der Dauer vom Vordiplom bis zum Hauptdiplom mit der HZB wurden nur statistisch unbedeutende Zusammenhänge gefunden ( r = .09; p = .23) und so auch für die Dauer des gesamten Studiums ( r = -.08; p = .74). Das heißt, dass in der Zeit nach dem Vordiplom andere Variablen für die Studiendauer eine Rolle spielen.

In keinem Gewichtungsmodell (Janke & Dickhäuser, 2018) konnte die HZB statistisch bedeutsam Varianz der Studiendauer aufklären. Warum Studierende über der Regelstudienzeit liegen, bleibt eine offene Frage, jedenfalls scheint dies nicht primär mit der HZB-Note zusammenzuhängen. Welche Variablen könnten hierbei eine Rolle spielen?

In der Studie von Schmidt-Atzert (2005) zeigte sich an einer Stichprobe Psychologie-Studierender, dass ein bedeutsamer Prädiktor für eine längere Studiendauer Belastung war (operationalisiert in einem Fragebogen, ob Belastungen vorlagen, und wenn ja, mit konkreten Angaben). Hierbei wurde vor allem die Notwendigkeit der Finanzierung oder Zusatzfinanzierung des Studiums durch Jobs genannt (Schmidt-Atzert, 2005). Leider wird in der Studie nicht berichtet, welche weiteren konkreten Belastungen die Studierenden ausgesetzt waren. Für die Mehrzahl waren es jedenfalls Belastungen finanzieller Art. Im Ergebnis legten von den 20 Psychologie-Studierenden, die konkrete Belastungen angaben, nur 35% ihr Vordiplom nach dem vierten Semester Regelstudienzeit ab (Schmidt-Atzert, 2005). Bei der Vergleichsgruppe, welche keine Belastungen angab, lag der Anteil bei 83% (Schmidt-Atzert, 2005). Der Anteil an Belasteten unter der Gruppe der Abbrecher/-innen und der Gruppe Studierender ohne Vordiplom war signifikant höher als bei denen, die ihr Vordiplom bereits abgelegt hatten (Schmidt-Atzert, 2005).

Es liegen hierzu widersprüchliche Befunde vor, da in der Studie von Schiefele et al. (2007), welche Studienabbrecher/-innen mit Weiterstudierenden, neben motivationalen und Persönlichkeitsvariablen, hinsichtlich der Finanzierung des Studiums verglich, keine signifikanten Mittelwertsunterschiede gefunden wurden – weder bei der Gruppe der Abbrecher/-innen zu Studienbeginn, noch bei der Gruppe der Abbrecher/-innen zum Abbruchzeitpunkt. Als Stichprobe wurden hier Kohorten von Studierenden verschiedener Fächer der Universität Bielefeld verwendet. Bei den Gruppenvergleichen wurden nur kleine Stichproben untersucht, sodass die nicht signifikanten Ergebnisse u.a. darauf zurückgeführt werden könnten.

1.7.2 Einfluss der Erwerbstätigkeit und Zeit auf den Studienerfolg

Brandstätter und Farthofer (2003) berichteten anhand einer (N = 361) großen Studierenden-Stichprobe der Universität Linz, der Studienrichtungen: Technik-Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft und Wirtschaft-, Sozialwissenschaften, dass der Studienerfolg vor allem dann gefährdet war, wenn die Erwerbstätigkeit wöchentlich 19 Stunden und mehr beanspruchte. Sie berichteten weiterhin, dass die Anzahl der pro Semester abgelegten Prüfungen umso niedriger ( r = -.30), als auch der Notendurchschnitt umso schlechter war ( r = -.33), je mehr Zeit die Erwerbstätigkeit in Anspruch nahm.

Ausgehend von den bisher dargestellten Befunden werden im folgenden Abschnitt die Hypothesen abgeleitet.

1.8 Fragestellung und Hypothesen

Es gibt nur wenige Studien, die in aktuellen Bachelor- und Masterstudiengängen des Faches Psychologie in Deutschland den Zusammenhang zwischen der HZB-Note und der Bachelorabschluss-Gesamtnote untersucht haben. Viele ältere Untersuchungen beziehen sich auf die nicht mehr vorhandenen Diplomstudiengänge.

Die vorliegende Studie widmet sich der Frage, ob die gefundenen Korrelationen neuerer Untersuchungen (Janke & Dickhäuser, 2018; Troche et al., 2014; Wedler et al., 2008) zwischen HZB-Note und Abschlussnote repliziert werden können.

Es wird erwartet, dass eine ( H1 ) bessere HZB-Note zu einer besseren Bachelorabschluss-Gesamtnote führt.

Es bleibt eine offene Frage, ob Belastungen von Studierenden durch Erwerbstätigkeit - z.B. operationalisiert über die Wochenarbeitsstunden - beim Studium der Psychologie eine Rolle spielen und darüber den Studienerfolg beeinflussen. Eine Erfassung der Wochenarbeitsstunden ist sinnvoll, da die Erhebung des monatlichen Einkommens nicht hoch mit dem Umfang der Wochenarbeitsstunden in einer Erwerbstätigkeit zusammenhängen muss. Hierbei wäre es denkbar, die Stunden, die Studierende durchschnittlich im Semester für das Studium investieren, mit zu erheben und zu überprüfen, ob dies mit der Wochenstundenzeit in einer Erwerbstätigkeit zusammenhängt. Als Kovariate sollte die Zeit, die für andere Tätigkeiten (z.B. Ehrenamt, Hobbys, Vereinstätigkeit) aufgewendet wird, kontrolliert werden. „Andere Tätigkeiten“ meint Zeitstunden, die nicht für das Studium und die Erwerbstätigkeit unter der Woche aufgebracht wird. Insgesamt könnte somit eine ganze Bandbreite an Tätigkeiten, bzw. deren Zeitumfang von Studierenden, erfasst werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeit für „andere Tätigkeiten“ zum einen die Wochenstunden für das Studium und die Wochenstunden für eine Erwerbstätigkeit wechselseitig beeinflussen und darüber hinaus Einfluss haben auf den Studienerfolg.

Es fehlen weitere Studien, die zusätzliche Prädiktoren (Belastungen finanzieller Art/Einkommen, Erwerbstätigkeit, Zeit) neben der HZB und Studierfähigkeitstests für Studienerfolg in aktuellen Bachelor- und Masterstudiengängen berücksichtigen. Die gefundenen Hinweise bei Brandstätter und Farthofer (2003), Schiefele et al. (2007) als auch bei Schmidt-Atzert (2005), dass finanzielle Belastungen einen Einfluss auf den Studienerfolg haben, legen die Vermutung nahe, dass Studierende, die nicht frühzeitig das Studium aufgrund mangelnder finanzieller Mittel abbrechen, gezwungen sein können, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, was einen höheren Wochenstundeneinsatz neben dem Studium zur Folge haben könnte.

Es ist zu prüfen, wie stark weitere Variablen, wie die Wochenstundenzeit für andere Tätigkeiten (z.B. Hobbys, Ehrenamt, Vereinstätigkeit, Betreuungsaufgaben) oder die Wochenstundenzeit für das Studium mit der Wochenstundenzeit für eine Erwerbstätigkeit zusammenhängen und ob hieraus ein Einfluss besteht auf den Studienerfolg.

Es wird daher erwartet, dass eine ( H2a ) hohe Wochenstundenzeit für eine Erwerbstätigkeit dazu führt, dass eine geringere Wochenstundenzeit für das Studium bleibt. Außerdem wird erwartet, dass eine ( H2b ) höhere Wochenstundenzeit für andere Tätigkeiten (z.B. Hobbys, Ehrenamt, Vereinstätigkeit, Betreuungsaufgaben) dazu führt, dass eine geringere Wochenstundenzeit in das Studium investiert wird.

Nach Brandstätter und Farthofer (2003) kann davon ausgegangen werden, dass Erwerbstätigkeit, sobald sie einen bestimmten zeitlichen Rahmen übersteigt, einen negativen Einfluss auf den Studienerfolg haben kann. Wie genau gestaltet sich dieser Zusammenhang, wenn die Zeit für das Studium und Zeit für andere Tätigkeiten berücksichtigt wird, da Erwerbstätigkeit auch den Studienerfolg positiv beeinflussen könnte?

Konkret wird erwartet, dass eine ( H3a ) hohe Wochenstundenzeit für eine Erwerbstätigkeit, eine ( H3b ) geringe Investition von Wochenstundenzeit in das Studium und eine ( H3c ) hohe Wochenstundenzeit für andere Tätigkeiten (z.B. Hobbys, Ehrenamt, Vereinstätigkeit, Betreuungsaufgaben) dazu führen, dass die Bachelorabschluss-Gesamtnote schlechter ausfällt.

2. Methodisches Vorgehen

Als erstes wird ein Überblick gegeben, welche Merkmale in der vorliegenden Studie gemessen und welches Versuchsdesign gewählt wurde. Es werden im Anschluss Anmerkungen zur Durchführung gegeben, sowie Erläuterungen zur demographischen Charakteristik der untersuchten Stichprobe, dem Untersuchungsmaterial (Fragebogen), der Operationalisierung der Fragestellungen und den empirischen Hypothesen.

[...]


1 Hierzu zählen: HZB-Note, Einzelnoten, Tests, einschlägige praktische Erfahrungen/Berufsausbildung, Interview (Janke & Dickhäuser, 2018).

Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Chancengleichheit in der Hochschule? Prädiktoren des Studienerfolgs im Psychologiestudium
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Arbeitsgruppe Sozialpsychologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
68
Katalognummer
V1195547
ISBN (eBook)
9783346641786
ISBN (Buch)
9783346641793
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Studienerfolg, Psychologiestudium, Chancengleichheit, Hochschulzugangsberechtigung, Studienplatzvergabe, Auswahlkriterien, Studierendenauswahl, Bachelorstudium, Prädiktoren, Selektion, Abiturnote, Multiple Regression, Mediation, PROCESS, SPSS
Arbeit zitieren
Lukas Jäger (Autor:in), 2021, Chancengleichheit in der Hochschule? Prädiktoren des Studienerfolgs im Psychologiestudium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1195547

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